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Ein Versuchsvogel

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Ein Versuchsvogel
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[496] Ein Versuchsvogel, gewissermaßen ein Probestückchen der Natur, ist neuerdings in den Kaltsteinschichten von Solenhofen, die den in der ganzen Welt bekannten lithographischen Schiefer geben, entdeckt worden. Man kannte bis jetzt noch keine Ueberreste von Vögeln, welche in eine so frühe Entwickelungsperiode der Erde hinaufreichen, als die ist, in der jene Solenhofener Gesteine sich auf dem Grunde des Wassers absetzten. Jetzt erscheint auf einmal aus dem lang verschlossen gewesenen Grabe das Skelet eines Thieres auf das Feinste in der zarten Gesteinsmasse abgedrückt, das den vollständigsten Uebergang von den Reptilien zu den Vögeln bildet. Es ist von der Größe eines Raben, an den Vordergliedern zeigt sich ein Besatz scharf ausgeprägter Federn, aus denen sich fächerartige Flügel bilden, eben solche Federn stehen an dem Schwanz, der eine Länge von sechs Zoll hat und aus gegen 20 Wirbeln besteht. Der Befiederung nach haben wir einen Vogel vor uns, der Wirbelsäule nach eine jener merkwürdigen Flugeidechsen, welche in den Solenhofener Schiefern so häufig angetroffen worden sind. Und doch ist das Geschöpf keines von beiden. Es steht auf der Grenze zwischen beiden – weder Fisch noch Vogel. Es ist ein Uebergang von der einen unvollkommneren Form zu einer höher entwickelten andern; der erste Versuch der Natur, die Eidechse in einen Vogel umzugestalten. In der Folge haben sich die Eigenschaften der Reptilien mehr und mehr verwischt, neue dagegen hervorgehoben, und endlich nach unendlichen allmählichen Vervollkommnungen hat das Vogelgeschlecht seine jetzige Ausbildung erhalten.

Das so höchst wichtige Belegstück aus der Entwickelungsgeschichte des thierischen Organismus, entdeckt von dem Herrn Oberjustizrath Witte, haben die Deutschen leider von dem British Museum ankaufen lassen, welches einen Gelehrten lediglich dieser Erwerbung wegen nach Deutschland schickte.