Ein Wort für die Halligen
[895] Ein Wort für die Halligen. Zum Schutze der Halligen, jener vom Ocean immer mehr gefährdeten kleinen Inseln an Schleswigs Westküste, ruft ein genauer Kenner von Land und Leuten, Dr. Eugen Träger, in seiner Schrift „Die Halligen der Nordsee“ (Stuttgart, Engelhorn) die Regierung auf. Diese Jnselchen, Ueberbleibsel des früher weit nach Westen reichenden Festlandes, ragen zur Zeit der Fluth kaum meterhoch über den Wasserspiegel empor. Es giebt nur noch elf solcher Eilande, die etwa 500 Bewohner zählen; die größte Insel, Langeneß-Nordmarsch, ist etwa 1000 Hektar, die kleinste, Norder-Oog, 17 Hektar groß; sie alle scheinen dem sicheren Untergang geweiht, wenn nicht noch in letzter Stunde dem Zerstörungswerk des Meeres durch geeignete Befestigungsarbeiten Einhalt geboten wird. Nicht nur nagt Welle auf Welle an diesem preisgegebenen Stück Landes, nicht nur bröckeln die Eismassen Scholle auf Scholle ab; eine hereinbrechende Sturmfluth kann größere Theile der Inseln unter ihren Wogen begraben. Von der Gewalt solcher Sturmfluthen berichtet die Ueberlieferung schreckhafte Kunde. Am 11. Oktober 1634 ertranken über 7000 Menschen und 50000 Stück Vieh; damals wurde die große Insel Nordstrand gänzlich zertrümmert. Am 25. Dezember 1717 wurden auf Hooge 12 Häuser fortgespült und 60 zerstört, auf Nordmarsch 19 weggespült und 48 zerstört. Die letzte große Sturmfluth fand in der Nacht vom 3. zum 4. Februar 1825 statt. Einen gewissen Widerstand leistet das Erdreich der Halligen dadurch, daß seine Thonschichten durch den Kalkgehalt zahlloser eingelagerter Muschelschalen einigermaßen gefestet werden.
Wie aber kann man die Halligen gegen die fortschreitende Zerstörung schützen? Der von Dr. Träger entwickelte Plan schließt sich an die Erfahrungen an, die man an der Festlandsküste Schleswig-Holsteins gemacht hat, wo durch Auffangen des Meeresschlammes Neuland gebildet wird. Die aus dem Binnenlande kommenden Ströme bringen eine Menge sehr fein vertheilten, fruchtbaren thonigen Schlammes mit sich ins Meer, den sogenannten „Schlick“. Er wird von den Wellen wegen seiner Leichtigkeit hinuntergetragen und von den Meeresströmungen durch die Watten mit der Fluth wieder ans Festland herangeschwemmt. Vom Festland aus werden nun Dämme oder „Buhnen“ mehrere Kilometer weit ins Meer gebaut, in deren Winkeln sich der fruchtbare Schlamm ansetzt.
Das geschieht verhältnißmäßig rasch, so daß es nicht allzulange dauert, bis zwischen zwei Buhnen ein Stück neuen Landes geschaffen wird, das dann durch standhafte Winterdämme geschützt werden kann und damit endgültig dem Festland gewonnen ist. In entsprechender Weise kann man die Halligen retten. Eine derselben, die nur 4 Kilometer vom Festland entfernte Hamburger Hallig, ist auch bereits so geschützt worden, indem der verdienstvolle Bauinspektor Matthiesen 1872 die Insel mit dem Festland dnrch einen Faschinendamm verband; an diesem Damm haben sich jetzt schon große Strecken neuen Landes angesetzt, die eine für die Festigung des gewonnenen Bodens mächtige Vegetation von Salicornia herbacea, dem sogenannten Queller, tragen. Damit ist der Weg gezeigt, wie man den Vorstellungen und Eingaben der Bewohner der Halligen seitens der Behörden entgegenkommen kann. Die Frage des Halligenschutzes wird bereits im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten erwogen; man beschäftigt sich schon mit der Vermessung des von der Hamburger Hallig gewonnenen Landes. Und so ist’s recht, denn kein Stück deutschen Landes, sei es noch so klein, darf verloren gehen!