Ein alter Schwerenöther

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Textdaten
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Autor: Karl Brandt
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Titel: Ein alter Schwerenöther
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 240
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[221]

Reineke auf der Schnepfenjagd. Nach einem Gemälde von A. Weinberger.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

[240] Ein alter Schwerenöther. (Mit Abbildung S. 221.) Reineke, dem alten Sünder – wann, wo und unter welchen Umständen ein Jäger, der den höchsten Jagdgenuß nicht im Erlegen, sondern im Beobachten des Wildes sucht, ihm auch begegnet, immer muß er den eleganten, geriebenen, interessanten Gauner bewundern, den er gründlich haßt bis in den Tod, und dessen Thun und Treiben er doch stets von neuem gern belauscht. Du stehst 100 Schritt ab von einem Fuchsbau. Da kommt die Fehe (Füchsin) angeschnürt, ein dickes Bündel vor dem Rachen, und verschwindet in einer Röhre, doch nicht so schnell, daß du mit deinem scharfen Glase nicht gesehen hättest, daß es 10 oder 12 todte Mäuse sind, welche die Alte an den Schwänzen haltend dem noch ganz jugendlichen Geheck (Jungen) zuträgt. Zehn Tage später sitzst du auf derselben Stelle und erfreust dich an dem muntern Spiele der Spitzbubenbrut, die sich im hellen warmen Sonnenscheine übermüthig vor dem Bau herumtummelt. Wieder schnürt Mama herum, diesmal mit dick geschwollenen Backen. Was die wohl bringt? Die jugendliche Schar eilt ihr entgegen. Da fällt ein dunkles Etwas aus dem Rachen der Fehe. Alles greift zu, purzelt über einander, läuft vorwärts – einer ist der Glückliche gewesen und flüchtet mit dem Fraße in den Bau. Noch ein schwarzes Klümpchen springt der Fehe aus dem Rachen, verfolgt und erhascht von einem aus der graubraunen Räuberbrut. Jetzt hast du gesehen, was es war. Die Alte hat lebende Mäuse im Rachen herbeigeschleppt, 5 oder 6 Stück, und giebt der jungen Gesellschaft den ersten Unterricht.

Ein anderes Mal weidewerkst du Ende Mai auf einem jungen Schlage nach einem Bocke. Auch Reineke hat sich eingefunden, jedoch nicht, um dir Konkurrenz zu machen, denn er schleicht um die Buchenbüsche, und wo ein Maikäfer aufschnurren will oder wo er einen an den Blättern sitzen sieht, erhascht er ihn mit elegantem Sprunge. Sein Magen scheint sehr schief zu hängen, daß er sich mit Käfern begnügt, oder sind es für ihn nur Mandeln, die er zum Dessert knackt? Ich habe ihn aber auch in der Dämmerung in freiem Felde beobachtet, wie er, wenn in lauem Frühjahrswehen die frisch entpuppten Maikäfer aus dem Felde zum Walde zogen, mit hohen Luftsprüngen dem Sport des Käferfangens oblag.

Du willst anfangs August einen liebestollen Rehbock beim Blatten schießen, stellst dich im Hochwalde an eine Buche 70 Schritt von einer Fichtendickung und entlockst einem Buchenblatte die sehnsüchtigsten Arien einer Rehjungfrau: piu! piu! piupiu! – 40 Takte Pause. –

Da schiebt sich aus den Fichten ein rothes spitzes Gesicht, und statt des erhofften Kapitalbockes schnürt Meister Reineke aus dem Gebüsch und leckt sich appetitvoll die Lippen. Rothrock, alter Schwerenöther! magst du auch Rehbraten? Nein! so haben wir nicht gewettet, der Sache wollen wir ein Ende machen! – Dann wieder pirschst du an einem Schlage entlang, auf welchem Heidelbeeren wachsen. Wie genügsam scheint doch der rothe Schuft! Von einem Büschel zum anderen schnürt er und pflückt sich die schwarzen Beeren. Jetzt bleibt er sichernd stehen. Langsam duckt er sich, als versänke er in die Erde, und ist verschwunden. Das Glas ist vor den Augen – was der wohl hat? Platt auf die Erde gedrückt – fast ganz durch die Heidelbeerbüsche gedeckt, du siehst nur den röthlichen Schein – liegt Reineke, aber du siehst auch noch etwas anderes Lebendes 15 Schritt vom rothen Freibeuter entfernt – ein blaues Köpfchen und einen Hals mit schneeweißer Binde, eine Ringeltaube, die auch dem Beerenpflücken obliegend hin und her und dem Fuchse immer näher trippelt. Plötzlich ein rother Streifen – die Taube klatscht in die Höhe – ein Sprung – Reineke will nach dem Dessert erst Braten speisen. In solchen Fällen kennt der Jäger nur die Todesstrafe, die aber nur zu oft durch ungeschickte Exekution zur unfreiwilligen Begnadigung wird. – Freund Weinberger führt uns heute in den Frühlingswald – im März. Der Schnee ist gewichen, laue Südwinde tragen die Wandervögel aus ihren fernen Winterquartieren in die nordische Heimath, welche die kleinen lieben Sänger mit ihren schönsten Liedern jubelnd begrüßen. Abends aber, wenn der Dämmerung Schatten über das Thal hinzieht, streicht, sich ein Liebchen suchend, der vom Jäger langersehnte Frühlingsbote, die Schnepfe, balzend über Bruch und Heide, und hat sie’s gefunden, dann treibt das Pärchen, in allerlei Flugwindungen über die Büsche gaukelnd, in steilem Fall bis dicht zur Erde stechend oder in Schlangen- und Wellenlinien weiter strebend, sein Liebesspiel. An einen Birkenstamm gedrückt, schaut Reineke mit lüsternen Blicken dem Brauttanze zu – aber die Trauben hängen ihm zu hoch! – Wie sieht der Bursche heute ruppig aus! Er ist im Begriff, seinen behäbigen, eleganten Winterpelz mit dem knapp anschließenden Sommerjackett zu vertauschen, und schon zeigen sich rundliche, weißverfärbte Flecken in dem noch dichten Pelzwerk. Hast du Glück und schießest den Fuchs und willst den Balg verhandeln, dann heißt es: „Was thu ich damit? ich mache Schaden, Herr Förster! er hat schon Märzflecken – schlechte Ware, – ’ne Schwarte – ich ziehe ab 2 Mark!“

Karl Brandt.