Ein bestrafter Turco
[233] Ein bestrafter Turco. (Mit Abbildung, S. 231.) „Unvergeßliche Tage reichster Eindrücke waren es,“ schreibt uns der Maler des Bildes, Herr Professor W. Camphausen in Düsseldorf, „als ich im denkwürdigen Kriegsjahre 1870 in den sonnigen Octobertagen meine öfteren Ausflüge in die benachbarten Feldlager der französischen Kriegsgefangenen unternahm, um dort Studien für meine Mappe zu machen. Und wahrlich, die Wahner Haide bei Köln, wie das Rheinwerth vor Wesel boten hierzu die ausgedehnteste Gelegenheit. Von der frühen Morgenstunde nach kurzer Rast in einem der dortigen Strohzelte, das mir einer der dienstthuenden Officiere bereitwilligst angeboten hatte, bis tief in die Nacht hinein durchzog ich die langen Reihen der Zeltgassen, und begreiflicher Weise fesselten mich namentlich die braunen Söhne Afrikas, von denen weit über tausend dort campiren mußten. Von ihnen ist denn auch eine ganze Sammlung in mein Skizzenbuch gewandert, und so auch die nebenstehende kleine Gruppe, die wenigstens den Vorzug hat, direct nach der Natur entstanden zu sein. Oft genug kam es nämlich vor, daß irgend einer der braunen Gesellen ‚etwas ausgefressen‘ hatte, so namentlich kleine Diebstähle, mit denen Einer den Andern bedachte. Da gab es denn ein grimmiges Gestreite und Zähnefletschen unter ihnen, dem erst ein Ende gemacht wurde, wenn der herbeigerufene Officier du jour den ertappten Missethäter zum nächsten Wachtposten entführen ließ, wo er dann während einiger Stunden, abseits der wortreichen und lauten Gruppen, im Innern des Lagers Muße zu beschaulichen Betrachtungen über die Situation fand.
Ein solcher Moment ist der dargestellte, bei dem sich der Contrast zwischen dem finster blickenden schwarzen Burschen und dem ehrlichen rothbärtigen Schwaben vom hohenzollernschen Füsilierbataillon Nr. 40 der Reserve zu einem so prägnanten gestaltete, daß ich nicht unterlassen konnte, mir die Scene rasch zu skizziren, obgleich das Original so ungefragt nicht ohne Mißtrauen dazu dreinschaute. Dabei das malerisch improvisirte Schilderhaus mit den darangeklebten neuesten Siegesdepeschen, dahinter die langen weißen Zeltreihen und am fernen Horizonte der mächtige Kölner Dom, das ehrwürdige Wahrzeichen, das mich dort oft genug daran mahnte, wirklich und wahrhaftig am freien deutschen Rheine und nicht in der afrikanischen Wüste zu sein, besonders auch in stiller Mondnacht, wenn aus den Zelten wilde Wüstenlieder wie Schakalgeheul über die friedliche Haide der Heimat ertönten. Das waren denn die edlen Vertreter und Genossen der übermüthigen grande nation, das die Erfüllung ihres uralten Begehrens der natürlichen Grenzen, nur freilich etwas anders, als die lärmenden Politiker und Gamins der Pariser Boulevards wenige Monden zuvor, als sie ihr à Berlin durch die welsche Babel gebrüllt, sich gedacht hatten.“