Ein chilenischer Messerkampf

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Ein chilenischer Messerkampf
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 112
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1867
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[112] Ein chilenischer Messerkampf. In der Nähe von Pichuncari in Chile wird auch Gold gewaschen. Wie in Californien sind die Goldgräber (Mineros) äußerst roh und haben noch die barbarische Form des chilenischen Zweikampfs auf Messer beibehalten. Auf seinen Reisen sollte August Kahl, von dem eben Reisen durch Chile erschienen sind, Zeuge eines solchen Kampfes werden, dessen Abscheulichkeit dadurch gesteigert wurde, daß Vater und Mutter des einen Duellanten zugegen war. Wohl fünfzig Mineros, unter denen der Herausforderer sich befand, waren in den Hof ihrer Hütte eingedrungen. Der Sohn, ein Hirt (Vaquero), mußte sich stellen und Kahl selbst blieb mit seinem Begleiter, um die Familie schützen zu helfen, wenn der Minero unterläge und seine Gefährten Rache zu nehmen versuchten.

Der Kampf sollte beginnen: im weiten Halbkreis umstanden die Mineros die beiden bis auf die Unterkleider entblößten Kämpfer. Ein vier Ellen langer, lederner Riemen, dessen Enden um die Hüften der beiden Gegner geschlungen waren, verband diese. Keiner sollte der Wuth des Andern entfliehen. In ihren Händen blitzte das scharfgeschliffene spitze Messer.

Sobald sich die Männer zurückgezogen, die ihnen den Riemen um die Hüfte befestigt, stürzten die beiden Kämpfer mit hocherhobenem Messer auf einander zu, ohne irgend ein Signal abzuwarten. Die Wucht des ersten Stoßes riß Beide zu Boden. Wie zwei Verzweifelte rangen sie dort, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben. Unmöglich konnte man erkennen, wer oben, wer unten lag, so rasch folgte Bewegung auf Bewegung, Stoß auf Stoß. Zuweilen erkannte man das Blitzen eines Messers, das zum Stoße erhoben war, aber blitzschnell wurde es von der anderen Klinge aufgefangen. Es währte nicht lange, bis sich eine Blutlache unter den Kämpfenden bildete, langsam bahnte sich der Blutstrom durch den Sand seinen Weg. Nach einigen Minuten hörte das Ringen plötzlich auf; beide Kämpfer, scheinbar von dieser furchtbaren Anstrengung ermattet, starrten einander an; einen scheußlichen Anblick boten diese Körper, von Kopf bis zu Fuß mit Blut und Staub bedeckt. Die Umstehenden traten näher, um sie auseinander zu bringen, aber nur einen Moment hatte diese Ruhe der beiden Elenden gedauert. Das gräßliche Ringen hatte wieder begonnen. Die Mineros schienen jetzt an dem Blutschauspiel genug zu haben, andrerseits mochten sie auch wohl von dem herzzerreißenden, krampfhaften Geschrei der Mutter, die fortwährend nach ihrem Sohn rief und den ehernen Cirkel, der den Kampfplatz umgab, vergebens zu durchbrechen suchte, gerührt sein, genug, sie eilten jetzt, um die Streitenden zu trennen, aber zu spät, – wieder sahen wir ein Messer aufblitzen, – hoch zum Stoße ausholen, aber keine Klinge wehrte es ab, und tief bohrte es sich in die Brust eines der Unglücklichen. Ein heller, rother Blutstrahl schoß empor. Schaudernd wandte ich mich ab, der Kopf schwindelte mir, kaum erreichte ich die Hütte, wo ich mich kraftlos auf einen Sessel niederließ.

Eine Gestalt, durch Schmutz und Blut ganz unkenntlich, suchte sich zu erheben, aber es gelang ihr nur durch die Hülfe eines Mannes, in welchem ich den alten Vaquero erkannte. Der Verwundete war sein Sohn. Sein Feind lag auf dem Boden ausgestreckt, seine Freunde unterstützten ihn, aber er sollte nicht wieder aufstehen. Sein Röcheln wurde allmählich schwächer, seine Glieder reckten sich im letzten Todeskampf, und bald lag an der Stelle, die wenige Momente vorher ein lebendes, denkendes Wesen einnahm, eine starre, unkenntliche Leiche. Die Mineros, anfangs kleinlaut und still, brachen jetzt in laute Verwünschungen aus. Aber wir waren inzwischen nicht unthätig gewesen. Der junge Vaquero sowie seine ohnmächtige Mutter waren bereits in die Hütte geschleppt und die Thüren gut verbarricadirt.

Vergebens donnerten die Kerle an dieselbe; die festen Eichenbohlen trotzten ihren vereinten Kräften. Auch ein über ihre Köpfe gerichteter Schuß, den ich aus dem kleinen Fenster abfeuerte, that seine Wirkung. Sie mochten wohl einsehen, daß sie nicht viel Nutzen von einem Angriff auf die feste und von Feuerwaffen vertheidigte Hütte haben würden, banden den Leichnam ihres erschlagenen Cameraden auf dessen Pferd, saßen auf und jagten unter wilden Drohungen und Geschrei davon.

Dem Verwundeten wurde jetzt das Gesicht gewaschen und noch dann hatte ich Mühe, in dieser bleichen hinfälligen Gestalt den noch vor wenigen Augenblicken so frischen und kernigen Sohn des Vaquero zu erkennen. Er hatte im linken Arm eine tiefe Wunde und eine andere leichtere in der Schulter. Sie wurde gereinigt und mit den Blättern des blutstillenden, heilenden „Sauco“ belegt. Noch in derselben Nacht sollte er mit seinem Vater nach den nördlicheren Districten reisen, um der gerichtlichen Nachsuchung, die unzweifelhaft erfolgen mußte, zu entgehen.