Ein deutsches Etablissement in Baltimore

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Titel: Ein deutsches Etablissement in Baltimore
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 388–391
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[388]
Ein deutsches Etablissement in Baltimore.
Beitrag zur amerikanischen Cultur- und Industriegeschichte.

Kein Product hat für die Culturgeschichte der neuen Welt eine so große Bedeutung, als der Tabak. Wir wollen, um dies in’s rechte Licht zu stellen, nicht in die dunkeln Zeiten vor den großen oceanischen Entdeckungen zurückgehen, wo in Mexico die Azteken in großen und kleinen Gärten ihren Tabak zogen und daraus Cigarren rollten, oder das geliebte „Kraut“ aus seltsam gestalteten, bald Menschen, bald Thiere darstellenden Pfeifen rauchten, die sie auch in ihre Altarhügel legten und zuletzt als treue Gefährtinnen ihres Lebens in ihre Gräber nahmen. Ebensowenig wollen wir hier hervorheben, wie auch die Ureinwohner Nordamerika’s den Tabak schätzten und noch schätzen, wie sie, frömmere Raucher als wir, die ersten Wölkchen ihrer Pfeifen dem großen Geiste weihen und wie die Friedenspfeife (Calumet) in ihren völkerrechtlichen Verträgen unter einander und mit den europäischen Eindringlingen manchem blutigen Kriege ein Ende machte. Alles dies haben altspanische, französische und deutsche Schriftsteller weitläufig geschildert und damit bewiesen, wie wichtig der Tabak in der Culturgeschichte der neuen Welt ist. Unsere Aufgabe ist es nur, mit wenigen Worten anzudeuten, wie rasch der Tabak in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren in dem großen nordamerikanischen Freistaate die Vorurtheile besiegte, die sich hier gegen ihn erhoben hatten, und wie er, selbst der Souveränetät der amerikanischen Damen zum Trotz, sich rasch nicht nur Duldung, sondern auch Anerkennung errang. Noch vor zehn Jahren konnte Friedrich Tiedemann in seinem trefflichen Werke über die Geschichte des Tabaks und ähnliche Genußmittel mit vollem Rechte schreiben:

[389] „Das Rauchen aus Pfeifen ist in den Vereinigten Staaten selten geworden. Nur auf dem Lande sieht man hin und wieder noch ein altes Mütterchen, das in Gesellschaft ihres alten Mannes ihre Pfeife schmaucht. Die deutschen Einwanderer mit ihren Pfeifen sind für die Amerikaner eine auffallende und Abneigung erregende Erscheinung.“

Und so war es; aber schon während Herr Tiedemann diese Acht und Aberacht, in welche die Pfeifen von Vollblut-Amerikanern erklärt worden, registrirte, bereitete sich ganz im Stillen eine Revolution gegen solche Tyrannei vor, eine Revolution, die sich dadurch verrieth, daß immer mehr Pfeifen und endlich sogar prächtige Meerschaums importirt worden, ja daß im Lande selbst nicht nur Pfeifen-, sondern auch Tabak-Fabriken entstanden, die sich schnell ausdehnten und in welchen nicht blos alle Sorten Rauchtabak, sondern auch der früher wenig beliebte Schnupftabak in enormen Quantitäten fabricirt werden.

Mit der großartigsten dieser Fabriken, die, von unternehmenden Deutschen in kleinem Maßstabe gegründet, in kurzer Zeit durch Umsicht und rationelle technische Leitung das größte Etablissement dieser Art in Nordamerika und vielleicht auch in Europa wurde, will ich jetzt den Leser bekannt machen.

Tabakfabrik von Gail und Ax in Baltimore.
Nach einer Originalzeichnung von A. Weidenbach in Baltimore.

Im südlichen Theile von Baltimore, der Hauptstadt des tabakreichen Staates Maryland, ganz nahe am Hafen und nicht weit von der großen Baltimore-Ohio-Bahn, erhebt sich ein imposantes, aus fünf Stockwerken (Mansarden-Räume ungerechnet) bestehendes Gebäude, an das sich zwei Flügel schließen, die im Hintergrunde durch ein zweistöckiges Maschinenhaus verbunden werden. Das Gebäude, das eine Front von 144 und eine Tiefe von 183 Fuß hat, ist nicht, wie sonst bei amerikanischen Fabriken der Fall, unansehnlich oder bunt zusammengeflickt, sondern vereint mit Großartigkeit und Zweckmäßigkeit, so viel hier möglich, Schönheit der architektonischen Form und ist mit einem Thurm geschmückt, auf den wir später zurückkommen werden.

Treten wir jetzt durch das große Portal in das Innere der Fabrik. Im Thorweg hält auf einer horizontalen Thür, unter der sich eine große amerikanische Brückenwage befindet, ein mit Rohtabak beladener Wagen. In einigen Minuten wird das Brutto-Gewicht der Last bestimmt, das bekannte Gewicht des Wagens abgezogen und das auf diese Weise erhaltene Netto-Gewicht in einer kleinen Kanzlei verbucht. Ebenso wird aller Rohtabak, bevor er in’s Innere des Hauses gelangt, abgewogen. Gehen wir nun in das Hauptcomptoir, welches durch eine geräumige Halle mit dem Expeditionslocal verbunden ist. Es besteht aus zwei geschmackvoll decorirten Zimmern, in welchen Mundstücke von einer Menge von Sprachrohren, wie in Reih und Glied gestellt, von den Wänden schimmern. Durch diese Sprachrohre werden die nöthigen Befehle in alle Arbeitssäle, Magazine, Privatbüreaux etc. gerufen. Ebenda ist ein feuerfestes Gewölbe mit einem kunstvollen Schloß, das unter 32,000 Combinationen versperrt werden kann und daher dem größten Diebesgenie eine schwer zu lösende Aufgabe böte. Im Erdgeschoß befinden sich drei große Aufziehmaschinen, die theils kolossale Oxhoftfässer, theils kleinere Quantitäten des Rohmaterials in die obern Räume bringen und sich so sicher bewegen, daß treppenscheue Arbeiter oder Besucher der Fabrik sich auf denselben in alle Stockwerke heben lassen. Sie schaffen auch den Rohtabak, nachdem er von Arbeiterinnen assortirt und in einem Nebenzimmer eingeweicht [390] worden, auf die Schneidemaschinen, wo er geschnitten wird, worauf er wieder auf den Cylinder einer Trockenmaschine herabfällt, die ihn, sobald er getrocknet, herauswirft. Jetzt wird der warme Tabak in einen etwas höheren Raum auf die Kühlmaschine gebracht. Mit dieser Kühlmaschine ist ein Ventilator verbunden, welcher in seinen blitzschnellen Umwälzungen einen starken Luftzug erzeugt, so die Abkühlung bewirkt und zugleich den Staub aus dem geschnittenen Tabak in einen hinter den Maschinen befindlichen Behälter weht.

Im Erdgeschoß des Maschinengebäudes arbeitet eine Dampfmaschine von sechszig Pferdekraft, welche die Aufziehmaschinen, den Ventilator, die Trocken- und Schneidemaschinen, wie überhaupt die ganze Mechanik der Fabrik in regelmäßige Bewegung setzt. Vier lustig klappernde Schnupftabaksmühlen und Stampfen ziehen hier vor Allem die Aufmerksamkeit auf sich. Sie zerreiben den Tabak zu Pulver, worauf er durch längere Fermentation und weitere Zubereitung, die ein Geheimniß der Fabrik, vollendet wird. Die Fermentation findet in acht kolossalen Kasten statt. Im zweiten Stock treffen wir fünf der im Hause arbeitenden Schneidemaschinen. Hier wird der Tabak durch Pressen in feste Formen gebracht und sodann in die Schneidemaschine gelegt, die ihn vermittelst einer durch Dampfkraft getriebenen Schraube den Messern zuführt, welche ihn blitzschnell schneiden, worauf er, wie schon erwähnt, auf die untere Trockenmaschine herabfällt. Zwei dieser Schneidemaschinen, von einem Deutschen, Carl Schiller, erfunden, sind die stärksten, die in Amerika gemacht werden, schneiden das größte Quantum und speisen sich selbst. Der Tabak wird in einen Kasten derselben gebracht, und eine endlose Kette treibt ihn den Messern entgegen. Eine einzige dieser deutschen Maschinen kann in zehn Stunden etwa 8000 bis 10.000 Pfund schneiden. Zwei Stufen höher finden sich zwei große, gleichfalls durch Dampf getriebene Schleifsteine, auf welchen die Messer der Schneidemaschinen geschärft werden. Merkwürdig sind hier auch die Stengelwalzen, auf welchen die früher kaum beachteten Stengel und Rippen der Tabaksblätter so glatt gerollt werden, daß sie wie Blätter aussehen. Während in diesem Raume Maschinen die Hauptrolle spielen und nur wenige Menschen sie beaufsichtigen, zeigt sich im dritten Stock ein anderes interessantes Bild. Hier liegt der 40 Fuß breite und 183 Fuß lange Packsaal mit seinen zahlreichen Packmaschinen. An jeder Maschine befindet sich eine Wage, auf welcher der Tabak gewogen wird, ein Trichter, durch den er sodann in größere oder kleinere Papierdüten gelangt, und eine Vorrichtung, durch welche er darin festgepreßt wird.

In der Mitte der Maschine ist ein großes Gefäß aufgestellt, in welchem der zur Verschließung der Pakete dienende Siegellack durch Gas erhitzt wird, was nächsten Sommer durch Dampfheizung bewirkt werden, soll. An jeder Packmaschine, von denen zwanzig vorhanden sind, stehen vier Knaben, welche den Tabak wiegen, durch den Trichter in die Pakete schütten, pressen und versiegeln, – Arbeitsteilungen, die mit überraschender Schnelligkeit und Präcision verrichtet werden. Nahebei, an einem großen Tische, sind Mädchen beschäftigt, Papierdüten zu verfertigen. Ein Mädchen kann deren in zehn Stunden 2500 bis 3000 liefern. An einem anderen Tische kleben kleinere Mädchen die Etiquetten auf die Pakete, welche meist mit Portraits in Farbendruck geziert sind. Diese Portraits stellen Washington oder hervorragende Generäle der gegenwärtigen Armee des Landes vor und sind ähnlicher und netter ausgeführt, als manche andere, die mit künstlerischen Ansprüchen in die Welt gehen.

Da nun jährlich Millionen solcher Pakete in alle Theile der loyalen Staaten, in alle im Süden befindliche Lager- und Garnisonsplätze der Armee versandt werden, andere wieder auf der Flotte ihre stetigen Abnehmer finden, so liegt es auf der Hand, daß die Herren Gail und Ax auch Xylographen und Farbendrucker in bedeutender Anzahl beschäftigen. Stellt man diese Pakete, wie zuweilen manche unserer Soldaten am Zahltage thun, nebeneinander, so hat man die Generäle Burnside, Meade, Franz Sigel, Grant, Sherman vor Augen und gewinnt in dieser billigen Gallerie einen gewissen Ueberblick der amerikanischen Kriegsgeschichte und die bedeutungsvolle Lehre, wie rasch Menschen steigen und fallen. Wie wir hören, beabsichtigen die Besitzer der Fabrik, diese Portraits durch die Bilder der Seehelden Farragut, Foote, Porter, Worden (vom ersten Monitor) zu vervollständigen.

Im vierten Stock, welcher Trockensäle enthält, geht es stiller her. Hier trocknet der von dem Kessel der großen Dampfmaschine abgelassene Dampf den Tabak, der theils auf großen, auf hölzernen Gestellen ruhenden Eisenplatten, theils auf Rahmen ausgebreitet liegt. Letztere befinden sich in eigenen Abtheilungen, in welche der Dampf durch eiserne Röhren, die auch in den fünften Stock, reichen, geleitet wird. Im linken Flügel wird der Tabak in großen Sälen gesiebt und der sogenannte lose Rauchtabak in große und kleine Fässer verpackt, deren hier mehr als in irgend einem der größten Tabakslager des Lagers aufgestapelt sind. Eine Abtheilung des vierten Stocks wird dem sogenannten Ballentabak gewidmet. Hier condensiren hydraulische Pressen den Tabak in Kuchen oder Ballen von einem bis zu zehn Pfund, die dann von Mädchen in groben Baumwollstoff eingenäht, mit Etiquetten versehen und verpackt werden. Im fünften Stock arbeiten wieder drei Schneidemaschinen, wovon zwei den in Amerika so beliebten Talisman-Kautabak schneiden. Ebenda ist eine Schaar von Knaben beschäftigt, die Rippen aus den Tabaksblättern zu nehmen, die dann auf den bereits genannten Stengelwalzen glattgerollt werden. In einer Abtheilung dieses Saales wird der Kautabak theils in Fässer, theils in zinnerne Kannen, größtentheils aber in Staniolblätter verpackt. Nun steigen wir durch die weiten Mansarden-Räume, in welchen sich die Getriebe der Aufziehmaschinen befinden, über mehrere Treppen in den Thurm des Hauses. Die Uhr in demselben ist von Carl Wieser aus München und zeigt auf ihren vier Zifferblättern nach allen Weltgegenden die Zeit. Von hier genießt man eine Aussicht auf die Stadt, den Patapsco, die in demselben vor Anker liegenden Handels- und Kriegsschiffe, auf die Forts, die Baltimore vertheidigen, die Depots seiner Eisenbahnen, wie nicht minder auf die fabrikreiche Vorstadt oder richtiger selbstständige Stadt Canton – ein Panorama, dem es weder an Abwechselung, noch an Reiz fehlt. Mit dem Schlage sieben Uhr Morgens kommen 200 Arbeiter und Arbeiterinnen in die Fabrik und verlassen dieselbe Abends um sieben Uhr, abgelöst von andern 200, welche den Abend und die Nacht hindurch die von uns geschilderten verschiedenen Arbeiten verrichten. Auf diese Weise sind Menschen und Maschinen, zwei Raststunden ausgenommen, Tag und Nacht am Werke. Mit Vergnügen nimmt man in dieser Fabrik wahr, wie hier jugendliche und alte Arbeiter mit heiterem Muthe arbeiten, was einerseits ihrer guten Behandlung, andrerseits dem Umstande zuzuschreiben, daß die für das physische Wohl der Arbeiter getroffenen Vorkehrungen in der That nichts zu wünschen übrig lassen.

Die Säle sind licht, im Winter behaglich erwärmt, im heißen Sommer durch treffliche Ventilation abgekühlt, so rein wie möglich gehalten und am Abend und Nachts durch Gas beleuchtet. Gutes Trinkwasser ist übrigens in allen Theilen des Gebäudes zur Hand. Musterhaft sind die Vorkehrungen gegen Feuersgefahr. Durch das ganze Haus bis hinauf in die Mansarden-Räume läuft eine Wasserleitung, an die sich viele hundert Klafter von Gutta-Percha-Schläuchen schließen, durch welche bei Ausbruch eines Feuers der Wasserstrahl auf alle Punkte des Hauses geleitet werden kann. Ueberdies sind die beiden Flügel vom Hauptgebäude durch Feuermauern und in jedem Stockwerk durch massive eiserne Pforten getrennt, um, wenn ein Feuer ausbricht, das Umsichgreifen desselben zu verhindern. Stunde um Stunde müssen außerdem zwei Wächter durch alle Räume patrouilliren, um nachzusehen, ob nicht von den Maschinen oder Gasleitungen gefährliche Funken stieben, oder Feuersgefahr durch irgend ein Versehen der Arbeiter droht. Zwei Controlluhren von amerikanischer Erfindung, in entgegengesetzten Theilen der Fabrik aufgestellt, haben die wichtige Aufgabe, diese Wächter selbst zu überwachen. Jeder der letzteren muß nämlich bei seinem stündlichen Umgang an einem Draht der Uhren ziehen, worauf sie seine Dienstleistung anzeigen und, wenn diese unterlassen wurde, das Versehen verrathen. Kann man sich schon nach dieser flüchtigen Schilderung einen Begriff von der Großartigkeit der Produktion in dieser Fabrik machen, so wird sich der Leser doch nicht wenig verwundern, wenn wir ihm nach authentischen Quellen mittheilen, daß die Herren Gail und Ax letzthin für ihre Fabrikate in blos zwei Monaten nicht weniger als 44.000 Dollars Steuer bezahlten.

Ehe wir das interessante Gebäude verlassen, besuchen wir noch einige andere Räume desselben, an welchen wir, um eine ununterbrochene Schilderung der hier sich entwickelnden Industrie zu geben, vorläufig vorüber gegangen sind. So treten wir denn in den Pfeifensaal, der einen immensen Vorrath von Pfeifen enthält. Hier findet man die schlichte deutsche Holzpfeife neben der amerikanischen; glänzende [391] Ulmerköpfe neben andern von Porcellan, auf welchen deutsche Landschaften den Raucher an die geliebte Heimath erinnern; prächtige glatte oder mit kunstvollen Gebilden gezierte Meerschaumköpfe, wie sie nur Wien und Nürnberg liefern, neben umfangreichen Tschibuks, wie sie kein Pascha schöner besitzt, gar nicht zu erwähnen der verschieden gestalteten Thonköpfe, die bescheiden neben kostbaren Bernsteinspitzen oder schlichten Rohren liegen. Die deutsche Holzpfeife wird übrigens von ihrer jüngern amerikanischen Rivalin bereits übertroffen; denn letztere hat ein viel zweckmäßigeres, doppelt gebohrtes Rohr, welches in den Augen vieler Raucher angenehmer und gesünder, als das deutsche ist, dem diese Verbesserung fehlt. Die amerikanischen Holzköpfe und Rohre werden beiläufig in kaum entstandenen Fabriken mittelst Dampfmaschinen erzeugt, während die Deutschen die ihrigen heute noch wie vor fünfzig Jahren durch Handarbeit herstellen. Millionen dieser Pfeifen gehen jährlich in alle Theile des großen Landes, sowie nach den britischen Besitzungen von Nord-Amerika, und nicht minder nach den westindischen Inseln, Central- und Südamerika, welche eine Segelschiff-Verbindung mit Baltimore haben. Die Sutler (Armee-Marketender), welche hier ihre Tabakvorräthe einkaufen, vergessen nicht, sich mit einer gehörigen Anzahl von Holzpfeifen zu versehen, welche nicht selten, wenn die Vorposten beider kriegführender Theile einige Zeit ganz unsinnig auf einander geschossen haben, angezündet werden und dann wie die Friedenspfeife der Indianer wirken, indem nun beide Theile ihre Gewehre auf den Boden legen, zu einander hinübergehen und ein Stündchen mit einander über Krieg und Frieden, Abraham Lincoln und Jefferson Davis, sowie über die gegenseitigen Generäle schwatzen. So bewirkt, wer sollte es glauben? die kleine billige Pfeife Waffenstillstände, die, so kurz sie sind, mancher Mutter Sohn das Leben retten, was dem stolzen Meerschaum keineswegs nachgerühmt werden kann. In der Nähe dieses Pfeifensaals befindet sich das Musterzimmer mit Proben von allen Tabaken, die im Hause fabricirt werden. Von allgemeinerem Interesse aber ist auf der anderen Seite des Hauptgebäudes ein großer Mustersaal, wo rohe Tabake der verschiedenen Staaten der Union sowohl als Südamerikas und der Türkei in übersichtlich ausgelegten Proben zu sehen sind.

Zum Schlusse sei noch den Besitzern des großartigen Etablissements, dessen getreues Bild die Illustration zeigt, den Herren Gail und Ax, der Tribut der Achtung gezollt, die sie sich nicht nur als Fabrikanten und Handelsherren, sondern auch durch ihre Menschenfreundlichkeit erwarben. Beide Herren stehen bei allen philanthropischen Unternehmungen mit an der Spitze. In die vielen Militärspitäler von Baltimore gingen von ihrer Fabrik tausende von Päckchen Tabak, da es den braven Invaliden, denen oft Tabak mehr als Brod ist, daran fehlte; auch reichliche Geldunterstützungen gewährten sie ihnen, wie sie jetzt eben den großen Bazar, den Maryland zum Besten kranker und verwundeter Krieger und ihrer hilfsbedürftigen Familien veranstaltet, auf großmüthige Weise unterstützen. Die Regierung in Washington, welche ihre Erfahrungen im Tabakverkehr schätzt, hat sie neulich wiederholt über die zweckmäßigste Methode, diesen so wichtigen Artikel zu besteuern, zu Rathe gezogen, und das Schriftchen, das sie bei dieser Gelegenheit in englischer Sprache veröffentlichten, zeichnet sich durch Richtigkeit der Ansichten, wie durch lichtvolle Darstellung aus. Damit schließen wir diesen Artikel, überzeugt, daß die Leser der Gartenlaube mit Antheil von dem Wirken ihrer Landsleute im fernen Lande hören werden.