Eine „Doublette“

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Guido Hammer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine „Doublette“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 736
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[733]

Eine „Doublette“. Originalzeichnung von Otto Recknagel in München.

[736] Eine „Doublette“. (Mit Abbildung S. 733.) Egidi ist vorüber. Goldlichte Streifen, welche den grauen Herbstabendhimmel vor einbrechender Dunkelheit gegen den Horizont hin noch einmal glänzend aufhellen, verheißen eine kalte Nacht. Der Grünrock, welcher an seiner Reviergrenze auf fürsorglich angebrachter „Kanzel“ am Rande eines gern besuchten Brunftplatzes harrt, freut sich der fast sicheren Aussicht, vor Finsterwerden noch einen Schuß auf Hochwild anzubringen. Nicht nur, daß die eingetretene Abendfrische den seit mehreren Tagen über die Grenze getretenen Capitalhirsch mit seinem Trupp auch heute wieder auf dem Platze erwarten läßt: der aufgehellte Himmel verspricht auch noch für eine ziemliche Weile günstiges Büchsenlicht. Und richtig, beide Voraussetzungen treffen zu. Vernimmt das gespannte Ohr doch schon jetzt von nicht ferner Dickung her das Kommen der Erwarteten durch hin und wieder hörbares Knacken zertretener Aestchen, wie durch das klappernde Anschlagen mit dem Geweih und gewisse murksende Töne, welche den Brunfthirsch verrathen. Bald darauf zieht, voran ein altes Thier, der ganze Trupp auf’s offene Gehau heraus, und dicht hinter ihm erscheint der stolzgekrönte Gebieter. Kaum auf der Blöße angekommen, läßt derselbe alsbald seine gewaltige Stimme erdröhnen, welche jedem etwaigen Bewerber um seine erkorenen rothhäutigen Schönen von vorn herein schwere Fehde ankündigt. Dann aber, einmal angereizt zu Kampfeslust, schlägt der Stattliche mit der machtvollen Waffe, seinem vielendigen Geweihe, zornmuthig gegen Unterwuchs und Fichtenstangen, daß es davon laut klirrend über den stillen Plan hinschallt. Endlich dieses nutzlosen Straußes müde, umkreist er erregt und mißtrauisch seine Auserwählten, daß auch nicht eine derselben sich vom Trupp entfernen kann, wobei der Eifersüchtige immer und immer wieder von Neuem seinen gewaltigen Kampfesschrei in die Ferne sendet.

Und horch! Von der Grenze herüber tönt eine trotzige Erwiderung. Ein leidenschaftliches Wettrufen der beiden fehdesüchtigen Waldfreiherren beginnt; der von drüben – wie man dem Klange nach beurtheilen kann – eilt dem diesseitigen Gegner rasch entgegen. Nach kurzer Pause, während welcher Beide geschwiegen, erscheint jener richtig am jenseitigen Waldessaume, und im Nu fliegt der Platzhirsch dem kecken Eindringlinge entgegen, ihn mit Gewalt aus dem Bereiche seines Harems zu vertreiben. Indessen dieser, obwohl nicht minder stark als sein Angreifer, weicht dem ersten Anpralle geschickt aus, um alsbald kühnlich mitten hinein in das ihm mißgönnte Gebiet seines erbosten Gegners zu trollen. Wuthschnaubend folgt der Beleidigte unmittelbar auf der Fährte des frechen Nebenbuhlers und zwingt den rasch Eingeholten zum unabweislichen Kampfe.

Prasselnd treffen, in heftigstem Zusammenstoß der wuchtigen Geweihe, die Erbitterten auf einander und zertreten und zerwühlen im gegenseitigen hartnäckigsten Widerstand mit ihren stahlsehnigen Läufen den haidebewachsenen Boden. In wüthendster Hast und Anstrengung schieben und drängen sich die an Kraft und Ausdauer einander Ebenbürtigen hin und her und kommen hierbei endlich, ohne inzwischen eine Entscheidung herbeigeführt zu haben, bis auf achtzig Schritt an die grüne „Kanzel“ heran. In dieser aber macht sich bereits unser lauernder Waidmann fertig, die Nahenden zu empfangen, zumal er ja doch nur Wechselhirsche in ihnen sieht, die sofort nach der Brunftzeit wieder ihre alten Stände, jenseit der Grenze, aufsuchen und so für ihn und sein Revier auf Nimmerwiedersehen verloren sein würden. Ein Schuß donnert durch den Abend, und hinter das Blatt getroffen fliegt der Höchstgeweihte der ritterlichen Recken im Feuer zusammen, und einen Augenblick später hat auch schon sein Kampfgenosse, der, nach dem ersten Schuß den Kopf emporreißend, in jäher Umkehr die Flucht ergriffen, das zweite tödtliche Blei der sicheren Doppelbüchse auf dem rechten Flecke sitzen, so daß auch er, brillant zeichnend, in hohem Bogensprung nicht zehn Schritt von seinem noch um sich schlagenden Schicksalsgenossen zusammenbricht.

So liegen die beiden Edlen, Prächtigen, die noch eben in vollstem, stürmischem Lebensübermuth sich so mannhaft gezeigt, todesröchelnd neben einander, während der führerlos gewordene Trupp, erschreckt durch die beiden Schüsse, flüchtig das Weite sucht und bald den Blicken des Nachschauenden entschwunden ist. Der so resolute Nimrod aber erfreut sich mitleidslos seiner gelungenen „Doublette“, wie die Jägersprache solch einen Doppeltreffer nennt.

G. Hammer.