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Eine Dalmatinerin

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Textdaten
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Titel: Eine Dalmatinerin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 293, 307, 308
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[293]

Dalmatinerin.
Nach einem Gemälde von Carl Hetz.
Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.

[307] Eine Dalmatinerin. (Zu dem Bilde S. 293.) Die südslavischen Länder gehören unter jene Gebiete von Europa, in welchen die Volkstrachten noch nicht zur Sage geworden sind. Die Südslaven tragen ihre eigenthümliche Gewandung nicht nur in den Abbildungen der Kostümblätter, in der Einbildungskraft der Romanschreiber oder bei Aufzügen und Festlichkeiten, sondern immer. Ihre Tracht ist von ihren übrigen Lebensgewohnheiten nicht zu trennen. So wenig der Montenegriner ohne Waffen, so wenig erscheint die Dalmatinerin, insbesondere die Bewohnerin der Inseln, ohne ihre Münzen, ihre Ketten, ihre sonstigen Schmucksachen, ihre grellfarbigen Röcke. Wie alle Slaven liebt sie starke Farbengegensätze in der Gewandung – Weiß, Roth, Schwarz sind die bevorzugten Zusammenstellungen, während im Gewande der Männer auch Braun unb Blau auftritt. Rock und Mieder der Frauen ist fast immer verschiedenfarbig, bald so, bald anders, je nach den vielfach wechselnden örtlichen Gepflogenheiten.

Die Dalmatiner, einer der kräftigsten und ausdauerndsten Menschenstämme, die es giebt, gehören meist zu jenem Typus, welchen die Anthropologen „kurzköpfig“ nennen. Ausgezeichnet ist ihre Physiognomie durch das lebhafte Auge, die langen Wimpern und die meist trefflich erhaltenen Zähne. Bei den Frauen fällt dazu noch die üppige Lippe und die feine schmale Nase auf.

Das Los der Dalmatinerinnen ist im allgemeinen kein sehr beneidenswerthes. Das männliche Geschlecht wälzt einen großen Theil der groben Arbeit auf sie ab. Schon der Umstand, daß so viele Männer auf das Meer hinaus müssen – werden ja doch die Dalmatiner zu den tüchtigsten Seeleuten der Welt gezählt – nöthigt den Frauen Beschäftigungen auf, die man ihnen anderweitig nicht zumuthet. Feldbau, Viehzucht, das Fortschleppen von Lasten gehört so zu ihren herkömmlichen Beschäftigungen. Auch rudern sieht man sie häufig; denn die Verhältnisse bringen es mit sich, daß sie oft von einer der zahllosen Inseln aus nach einem anderen unbewohnten Eilande fahren müssen, um nach dem dort weidenden Vieh zu schauen, daß sie Früchte nach dem Festland zu bringen oder dort Wasser zu holen haben, wenn die Brunnen der Insel versiegt sind.

Am besten kann man die Trachten studieren auf dem Markte einer [308] Stadt wie Spalato. Da findet man Frauen und Mädchen von den vielen, der Stadt gerade gegenüberliegenden, großen und kleinen Inseln mit ihren verschiedenfarbigen Miedern und Röcken, ihren bunten Westen und gestickten Aermelbesätzen, ihren mehrfarbigen Kitteln, ihren Perlen- und Korallenschnüren, ihren Schaumünzen und anderem Flitter. Sie verkaufen die Früchte ihres Bodens, Paradiesäpfel und Johannisbrot, Citronen, Melonen, Feigen, Pfirsiche – je nach der Jahreszeit. Und wenige Stunden später sieht man sie auf ihren langen Kähnen durch die Wellen heimwärts segeln. Wie langgezogene Klagen klingen dann ihre Lieder herüber zum Lande und verhallen über der Fluth.