Beim Handfertigkeitsunterricht
[307] Beim Handfertigkeitsunterricht. (Zu dem Bilde S. 297.) Einen Nagel einschlagen, zwei Brettchen zusammenfügen oder gar eine Schachtel herstellen – lauter einfache Dinge; und doch steht mancher gelehrte Vater rathlos vor solcher Aufgabe, wenn der Sohn sich an ihn wendet. Da haben’s die Jungen auf unserem Bilde besser; man sieht ihnen die Freude an der einfachen Handarbeit so deutlich an, und mit gespannter Aufmerksamkeit lauschen die sechs im Vordergrund auf die Erklärungen des Lehrers, der ihnen die Geheimnisse des „Zinkens“ erklärt. Es ist ein Blick in eine der Schülerwerkstätten, wie sie das letzte Jahrzehnt in verschiedenen Städten Dentschlands hat entstehen lassen. Dem rührigen „Verein für Knabenhandarbeit“, welcher die Anregung dazu gab, schwebt das Ziel vor, der Jugend neben der geistigen Arbeit eine gesunde Erholung zu bieten, den Sinn für das Praktische zu wecken, durch harmonische Ausbildung von Hand und Auge der Einseitigkeit vorzubeugen und so im Verein mit Turnunterricht und Jugendspiel das heranwachsende Geschlecht gesünder und frischer zu machen. In den meisten dieser Schülerwerkstätten werden mehrere Fächer, wie z. B. Papparbeiten, Tischlerei, Kerbschnitzerei, leichtere Metallarbeiten, betrieben; hie und da reichen die Mittel oder die Lehrkräfte nur für ein einziges Fach aus, und da entspricht denn die Arbeit an der Hobelbank durch ihre Vielseitigkeit und gleichmäßige Inanspruchnahme von Muskelkraft und Denkvermögen am meisten dem gesteckten Ziel. Denn immer handelt es sich ja nur um den Erziehungszweck, nicht darum, Handwerker vorzubilden. Den Unterricht ertheilen entweder Handwerksmeister, wie in Osnabrück, Straßburg, Stuttgart, oder Lehrer, welche auf alljährlich zu Leipzig stattfindenden Kursen sich ausbilden.
Möglichste Einfachheit herrscht in solchen Räumen, aber es belebt sie ein fröhliches Treiben, frei vom Zwang der Schule und doch in den Schranken des Anstands gehalten durch den Eifer für die Sache. Das Zusammenarbeiten von frischen Jungen aus allen Ständen und aus verschiedenen Lehranstalten weckt Kameradschaftlichkeit; die saubere Arbeit des barfüßigen Volksschülers gilt soviel als die des Kindes „aus guter Familie“, das im Hintergrunde mit der Säge sich abmüht. Schelten und Strafen giebt es nicht, weil die Freude an der Arbeit keine Unarten aufkommen läßt und jeder sich nach dem Augenblick sehnt, wo er das sorgfältige Werk seiner Hände dem Vater oder der Mutter auf den Geburtstagstisch legen kann.