Eine Fischauktion
[260] Eine Fischauktion. (Zu dem Bilde S. 249.) Der Künstler fuhrt uns in die Fischhalle einer großen französischen Stadt und versetzt uns in eine höchst charakteristische und lebendige Scene, in eine Fischauktion. In den letzten Tagen hat an den Küsten ein heftiger Nordweststurm gewüthet, der Unheil genug anrichtete, aber auch für die nächste Zeit einen guten Fang verhieß. Sobald sich daher der Aufruhr legte, sind die Fischer mit ihren Booten hinausgeeilt. Und der „Segen des Meeres“ war reich, fast uberreich; schwer beladen kehren die Fahrzeuge zurück. Sie brauchen nicht weit zu segeln, schon vor der Flußmündung treffen sie einige „Fischdampfer“, deren Aufgabe es ist, den Fischerbooten ihre zarte, leichtverderbende Beute abzunehmen und rasch auf den Markt der nächsten großen Hafenstadt zu bringen, während die Fischer selber ihren Bug sofort wieder nach See wenden, um einen neuen Fang vorzubereiten.
In der Stadt wartet man bereits auf die frische silberschuppige Ware, auf die köstliche Seezunge, den edlen Steinbutt, die zarte Makrele wie auf die in Massen auftretenden Sippen der Kabeljaus, Schellfische, Häringe etc., die für wenige Sous eine vortreffliche, für eine große Familie ausreichende Mahlzeit liefern.
Da nun besonders nach einem Sturme im Atlantischen Ocean und im „Kanal“ das Angebot auf dem Fischmarkt so groß zu sein pflegt, daß die Händler befürchten müssen, der größte Theil der appetitlichen Meeresbewohner könne dem schnellen Verderben anheimfallen, so wird rasch eine Auktion veranstaltet, zu der sich nicht nur, wie in Deutschland bei ähnlicher Gelegenheit, die Gasthofbesitzer und Kleinhändler einfinden, sondern auch die Köchinnen guter Häuser, praktische Hausfrauen, die hier für geringes Geld etwas Gutes erstehen können.
Prächtige, lebenswahre Gestalten zeigt uns der Künstler bei dieser Gelegenheit. Der alte Mann mit den scharf geschnittenen Zügen, der einen Korb voll Makrelen mit Kennerblicken mustert, die hübsche junge Frau, welche in resoluter Haltung wartet, bis ihre Ware dran kommt, die bei ihren Fischen sanft entschlummerte Alte sind echte Gestalten eines französischen Fischmarktes; und nicht minder ist das der Auktionator selber, der, auf einem Tischchen stehend, eben auf einen tüchtigen Rochen bieten läßt, welcher vor ihm auf dem feuchten kühlen Estrich liegt.
Der Rochen, dieses häßlichste aller Meerthiere, das wir in Deutschland kaum zu sehen bekommen, ist auf den französischen und englischen Fischmärkten eine gewöhnliche Erscheinung; wir erkennen es auf unserem Bilde an dem platten, fast kreisrunden Körper, der mit einem langen schmalen, mit Stacheln besetzten Schwanze geschmückt ist. Kaum ein anderer Fisch, den Häring ausgenommen, gestattet so mannigfache Zubereitung, und da sein Fleisch zudem sehr wohlschmeckend ist, so ist er bei reich und arm heliebt.
Es sei mir hier gestattet, den Hausfrauen gleich ein Rezept mitzutheilen, welches eine liebenswürdige Französin mir anvertraut hat. Es betrifft den frischen Häring, der auch an den deutschen Küsten massenhaft gefangen und auf den Hauptmärkten zu lächerllch billigen Preisen angeboten wird, aber leider viel zu geringe Beachtung findet, weil man nicht recht versteht, ihn zuzubereiten.
Die frischen Häringe werden ausgenommen, gewaschen, von den
Köpfen befreit und mit dem Rücken nach unten nebeneinander in einen
Fischkessel gelegt, dessen Boden mit Zwiebelscheiben, Lorbeerblättern,
Citronenscheiben und Pfefferkörnern zu belegen ist. Ueber die Fische gießt man
kaltes Wasser, das durch einen tüchtigen Guß Essig stark säuerlich gemacht
und mit dem nöthigen Salz versehen ist. Man läßt die Häringe langsam
zum Sieden kommen, aber nicht völlig kochen, rückt sie vom Feuer, nimmt
sie vorsichtig heraus, legt sie in eine Porzellanschüssel und gießt die heiße
Brühe sammt den Gewürzen darüber. Erkaltet, sind die Fische von herrlichem,
zartem Geschmack und finden namentlich bei Herren weit größeren
Beifall als die theueren „Delikateßhäringe“ in Büchsen. H. P.