Eine Locomotive, die mit ihrem eigenen Dampfe geheizt wird

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Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Eine Locomotive, die mit ihrem eigenen Dampfe geheizt wird
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 755
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[755] Eine Locomotive, die mit ihrem eigenen Dampfe geheizt wird, dürfte manchen Leser an Münchhausen erinnern, der sich an seinem eigenen Zopfe aus dem Sumpfe zog, und doch ist dieses Fabelding im buchstäblichen Sinne der Erfindungsgabe eines deutschen Chemikers, des Herrn Moritz Honigmann in Aachen geglückt, und haben damit bereits im Anfange des August vollgelungene Probefahrten auf der Pferdebahnstrecke Aachen–Haaren stattgefunden. Eine Locomotive von vier Pferdekräften wurde an einem feststehenden Dampfkessel mit einer Dampfspannung von drei Atmosphären Ueberdruck versehen und fuhr darauf ohne Feuerung und Rauch und ohne das gewohnte Geräusch zu machen, fünf bis sechs Stunden lang auf den Schienen umher, indem, wie gesagt, ihr eigener Dampf benutzt wurde, den Dampfkessel auf der nöthigen Temperatur zu halten, um lange mit ungeschwächten Kräften weiter arbeiten zu können. Das scheinbare Wunder beruht darauf, daß man eine concentrirte Salzlösung, die bei einem viel höheren Wärmegrade siedet als Wasser, durch eingeleiteten Wasserdampf allmählich zu einem höheren Temperaturgrade erhitzen kann, als ihn der eingeleitete Wasserdampf selbst zeigt. Die Honigmann’sche Locomotive besitzt nun innerhalb ihres eigentlichen Dampfkessels, dessen Wasser vor Beginn der Fahrt durch hineingeleitete gespannte Dämpfe auf etwa 145° erhitzt wird, einen zweiten, cylindrischen Innenkessel, der mit concentrirter Natronlauge gefüllt ist. In diese Flüssigkeit, welche erst bei circa 190° C. siedet, wird der verbrauchte Wasserdampf der Locomotive hineingeleitet und erhitzt dieselbe beständig so stark, daß sie fünf bis sechs Stunden lang dem sie umspülenden Wasser des Hauptkessels so viel Wärme abgeben kann, daß eine genügende Dampfspannung erhalten wird. Der Innenkessel mit seiner wärmesammelnden Laugenfüllung wirkt somit wie eine innere Feuerung des Hauptkessels, obwohl er seine eigene Wärme aus diesem empfängt. Daß hierbei nun trotz alledem keine Hexerei stattfindet, ergiebt sich daraus, daß nach einer gewissen Zeit (bei der Versuchslocomotive in fünf bis sechs Stunden) das Spiel aufhört und, die Kraft der Locomotive erschöpft ist. Alsdann ist nämlich durch das beständige Eintreten des Wasserdampfes in die Natronlauge diese so sehr verdünnt worden, daß ihr Siedepunkt nicht mehr hoch genug liegt, um dem Dampfkessel noch ferner Wärme abgeben zu können. Man muß sie dann wieder zu ihrer vorigen Stärke eindampfen, um sich ihrer von Neuem als Hitzesammlers bedienen zu können, und in diesem der Benutzung vorausgehenden Wärmeaufwand liegt somit die Lösung des Räthsels. In der eingedampften Lauge giebt man der Locomotive ein Vermögen mit, welches sich ebenso ausgiebt, wie jedes andere, nur daß die Schwächung hier in der Form einer Verdünnung mit Wasser stattfindet. Die in die Augen springenden Vorzüge dieser Locomotive sind, daß sie keiner Feuerung bedarf, somit gar keinen Rauch entwickelt, außerdem wenig Geräusch macht und noch weniger Explosionsgefahren darbietet, als eine gewöhnliche Locomotive, Vorzüge genug, um ihr eine bedeutende Zukunft zu sichern. C. St.