Eine Mahnung, keine Bitte!
Vor fünfundfünfzig Jahren wand sich ganz Deutschland unter dem furchtbaren Druck der Napoleonischen Gewaltherrschaft. Alle deutschen Fürsten beugten sich noch dem Uebermächtigen und ihre Völker bluteten noch in seinen Schlachten, selbst als die Flammen von Moskau und die Wogen der Berezina eine neue Zeit verkündeten. Da wagten es zwei Männer und ein Volk, die Kette zu zerreißen, die sie an Frankreichs Joch festhielt: York und Stein und das Volk der Ostpreußen waren es, an deren helllodernder Begeisterung der Muth der übrigen deutschen Stämme sich entzündete; dort war die Geburtsstätte der Landwehr, des Volks in Waffen, dessen Treue und Tapferkeit das Vaterland den ersten kühnen Schritt zu seiner Befreiung verdankt.
Und heute, nach fünfundfünfzig Jahren, erliegen die Enkel jener Helden von 1813 der gemeinsten Noth: dem Hunger!
Landsleute in Süd und Nord! das deutsche Herz schreckt weder Oesterreichs Schlagbaum zurück, noch kennt es eine Mainlinie, läßt es doch selbst durch das Meer sich keine Trennung gebieten, sondern folgt allezeit dem Rufe der Volksehre und Menschenliebe, die ihm Dankbarkeit zur Pflicht und Hülfe zur Schuldigkeit machen. Und in diesem Geiste bitten wir nicht, sondern ermahnen Alle, die sich Deutsche nennen, zu rascher That für die Rettung der ostpreußischen Brüder. Daß wir dies anscheinend so spät thun, entschuldigen unsere Freunde, welche wissen, daß Das, was sie heute lesen, schon vor drei Wochen, der kürzesten Herstellungsfrist der Gartenlaube, zum Druck abgegeben worden ist.
Die jüngste Zeit war nur allzu reich an deutschem Unglück, und wie alle öffentlichen Organe, hat auch die Gartenlaube die Hochherzigkeit ihrer Leser stark in Anspruch genommen; wo aber die Noth so laut und eine solche Noth ruft, wäre jede Entschuldigung, daß wir den Jammerruf weiter tragen, Sünde.
Unser Opferstock ist bereit; Gott lenke die Herzen und Hände! Die Redaction der Gartenlaube.