Eine süße Last
[640] Eine süße Last. (Zu dem Bilde auf Seite 629.) Vielleicht gedenkt der eine oder andere Leser im Anschauen unseres heutigen Strandbildes eines im vorigen Jahrgange dargebotenen verwandten Bildchens (S. 433): „Keine Wahl“ von Burmeister. Dort war es ein nordischer Strand, ein nordischer Himmel, nordische Leute, welche über die Leistung eines Christophorusdienstes verhandelten, und die prüde junge Frau „von der Spree oder Isar“ stand in zögernder Verlegenheit vor der Nothwendigkeit einer solchen Leistung. Diesmal grüßt die leuchtende Klarheit eines süditalienischen Himmels, süditalienische Lebenslust und Unbefangenheit aus dem Bilde, und der braune, plastisch-kräftige Fischer der neapolitanische Küste hat schwerlich lange zu warten gebraucht, ehe die Schöne, die er nunmehr zu der Küste hinauf trägt, sich seinen Armen anvertraute. Die helle Lebensfreude, jenes beneidenswerthe Erbtheil südlicher Klimate, springt über tausend Bedenklichkeiten des reflectirt nördlichen Wesens mit der reizvollen Naivetät hinweg, welche dem anmuthigen Geschöpf da droben aus dem strahlenden Gesichtchen lacht. Eine Last bildet die Schöne selbst für den kraftvollen Mann, und ohne Anstrengung ist es nicht abgegangen, aber leichtere Lasten wird er in seinem Berufe nicht oft zu tragen bekommen haben und am allerwenigsten – süßere als diese.