Ein Jahresbericht aus Paris

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Titel: Ein Jahresbericht aus Paris
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aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 640
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[640] Ein Jahresbericht aus Paris. Auf das segensreiche Wirken des seit Jahren in Paris bestehenden „Deutschen Hülfs-Vereins“ und die Nothwendigkeit, ihn zu unterstützen, ist von der „Gartenlaube“ schon früher hingewiesen worden. Zu unserer Freude erfahren wir, daß hierdurch dem Vereine manche Freunde gewonnen wurden, die bis dahin von seiner Existenz nichts gewußt hatten. In dem noch immer uns feindlichen Paris leben bekanntlich seit 1871 wieder sehr viele Deutsche, von denen sich ein sehr erheblicher Theil in höchst bedrängter, oft sogar in verzweifelter Lage befindet.

Der soeben erschienene Bericht über das Jahr 1878 meldet eine ganze Reihe erfreulicher Thatsachen. Aus den regelmäßigen Beiträgen seiner Mitglieder, sowie durch Zuwendungen von außerhalb hat der Verein in diesem Jahre über die Summe von etwas mehr als 30,000 Franken zu verfügen gehabt. Die Zahl der von den engeren Ausschüssen und seinen zweimaligen Wochensitzungen Unterstützten betrug 2812, und die Summe der gewährten Unterstützungen 24,655 Franken. Außerdem werden zahlreiche Kranke unterstützt und von den vier deutschen Vereinsärzten unentgeltlich in ihren Wohnungen behandelt, sowie Arme, denen es in Paris an jeder Aussicht fehlt, in die Heimath zurückgeschafft. Unter den Unterstützten befinden sich allein gegen 150 Personen über 70 Jahre, ferner zahlreiche Wittwen mit vielen Kindern, Familien, deren Ernährer seit Jahren gelähmt oder durch andere Gebrechen arbeitsunfähig ist. „Könnten unsere Landsleute,“ so heißt es in dem lesenswerthen Bericht, „einmal hineingeführt werden in die schmutzigen und engen Höfe von La Vilette und Montrouge, in so manches Zimmer, das kaum den Namen einer menschlichen Wohnung verdient, sie würden sich entsetzen über dieses Elend. Die meisten unserer deutsche Arbeiter verdienen hier durchschnittlich den Tag 3½ Franken (2 M. 80 Pf.). Davon soll eine jährliche Miethe von 180 bis 250 Franken, Nahrung und Kleidung für oft bis gegen zehn Personen bezahlt werden. Selbst wenn alle gesund sind, ist es schwer begreiflich, wie die Leute durchkommen. Was kostet nur das trockene Brod für so Viele, abgesehen von dem Elend, das bei Krankheit oder Verdienstlosigkeit eintritt!“

Unter solchen Umständen steigen daher die Anforderungen an den Verein mit jedem Jahre, sodaß er nicht alle Gesuche berücksichtigen kann. Eine Vermehrung der Vereinsmittel durch Beitritt oder sonstige Zuwendungen bleibt daher nach wie vor ein Erforderniß und eine große, vortrefflich angewendete Wohlthat. Zugleich wird von dem Ausschusse die Klage erneuert, daß so viele arbeitskräftige junge Leute ohne bestimmte Aussicht auf Arbeit nach Paris kommen, dann dem Vereine zur Last fallen und von ihm die Rückbeförderung in die Heimath beanspruchen, die er ihnen nur selten zu gewähren vermag.

Der Verein, dessen Ehrenpräsident der deutsche Botschafter Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst ist, besitzt als Reservefonds 48,000 Franken, wovon 20,000 Franken unantastbares Capital sind. Im Uebrigen floß ihm für seine Krankenpflege noch die Hälfte der Zinsen des von der deutschen Botschaft verwalteten Stiftungsfonds des Freiherrn von Diergardt für das künftige deutsche Hospital in Paris im Betrage von 6206 Franken zu. Der deutsche Kaiser gab wieder einen Jahresbeitrag von 4000, der König von Baiern einen solchen von 2000 Franken, sonst aber ist kein einziger deutscher Souverain in der Liste verzeichnet. (Unter den Wohlthätern gedenkt der Bericht auch unseres verstorbenen Ernst Keil, der Ehrenmitglied des Vereins gewesen ist.) Wir sind gewiß, daß diese Mittheilungen dem Vereine erneuerte Theilnahme gewinnen und patriotische Gemüther mit Stolz erfüllen werden im Hinblicke auf dieses erbarmungsvolle Liebeswerk deutscher Landsleute in der Fremde. Nochmals aber sei es gesagt: die Mittel des Vereins reichen nicht aus für seine Zwecke. Mögen die Zuschüsse nicht ausbleiben, derer er dringend bedarf!