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Eine unglückliche Liebesgeschichte

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Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Eine unglückliche Liebesgeschichte
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 334–338
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[334]
114. Eine unglückliche Liebesgeschichte.
(1695.)

Licentiat Meinssen war ein gescheuter junger Rechtsgelehrter zu Hamburg, angesehen und wohlgelitten bei Jedermann. [335] Der hatte das Unglück, – denn das ist’s für den armen Menschen geworden, – sich in eine tugendsame schöne Jungfer, geringeren Standes als er, aber ehrlicher Eltern Kind, zu verlieben, und sich, da sie nicht minder ihm gewogen war, mit ihr zu verloben, bevor die beiderseitigen Väter darum befragt waren, was allerdings hätte geschehen müssen. Der Vater der schönen Braut, der sich durch solche Verheirathung seiner Tochter nur einem Graduirten, eines sehr reichen Kaufmanns Sohn, nicht wenig geehrt fühlte, gab freilich alsbald seinen Segen zur Sache. Aber des Licentiaten Vater dachte anders. Er war ein stolzer, hochfahrender und geiziger Mann, das Geld war sein Abgott, Reichthum sein Glück, Gelderwerben und Reichwerden das einzige Streben, das er vernünftig nannte und schätzte. Dabei war er stets ein harter strenger Vater gewesen und forderte den Gehorsam eines unmündigen Kindes noch von seinem erwachsenen Sohne. Als dieser ihm nun das Geschehene mittheilte und um seinen väterlichen Segen zur Verlobung bat, da weigerte er sich dessen, und wie sehr der Sohn auch flehen, und wie inständig auch gute Freunde und hohe Gönner sein billig Ansuchen unterstützen mochten: der Vater blieb unerbittlich; sei’s, daß ihm die Parthie des Sohnes wegen des geringeren Standes der Braut nicht anstand; sei’s, weil sie kaum eine Aussteuer, geschweige denn Mitgift und großes Vermögen in die Familie bringen konnte; oder, weil er’s übel vermerkt hatte, daß der Sohn, ohne ihn vorher zu befragen, sich in diese Sponsatien eingelassen: genug, er blieb eigensinnig bei seiner hartherzigen Weigerung. Und ob er gleich sah, wie sein Sohn sich abhärmte und täglich mehr dahin schwand vor Liebesgram und Kummer über diese trostlose Herzens-Angelegenheit, die ihn mit dem Vater verzwistet hatte, von der er aber dennoch nicht lassen konnte; und ob er gleich wahrnehmen mußte, daß er sein eigen Fleisch [336] und Blut ins Unglück jage, dennoch blieb er dabei, Segen und Consens zu Verweigern.

Nun hätte zwar der Sohn versuchen können, ohne des Vaters fernere Beihülfe sein Brodt sich zu erwerben, und dann, als selbstständiger Bürger, von E. H. Rath supplicando eine bei sothanen Umständen stattnehmige Dispensation von der gesetzlichen Heiraths-Erlaubniß des Vaters, und, da sonst nichts im Wege, die Verstattung der Copulation erbitten können. Und das wäre den Rechten nach wohl gegangen. Aber es war dazumal in Hamburg sehr ungewöhnlich, und die Achtung vor dem Gebot: „du sollst Vater und Mutter ehren,“ war allgemein so mächtig, daß der gute Sohn Bedenken trug, einen Schritt zu unternehmen, der ihn auf ewig vom Vater geschieden und auch wohl bei seinen Mitbürgern in Mißachtung gebracht hätte. Er tröstete sich daher, so gut es ging, und dachte wohl: wir sind noch jung und können warten; vielleicht erweicht sich der harte Sinn des Vaters – vielleicht auch nimmt Gott ihn zu sich, und dann kann ich meine Verlobte heimführen. Letzteres mag ein böser Gedanke gewesen sein, es ist aber auch mehr als schlimm, wenn Eltern ihre guten Kinder so behandeln, daß ihnen derartige Gedanken in den Sinn kommen müssen.

Der Vater mochte nun wohl fühlen, daß seine Grausamkeit den Sohn auf solchen leidigen Trost bringe, aber anstatt in sich zu schlagen, trieb er’s nur noch ärger, indem er erklärte: würde der Sohn noch ferner mit dem Mädchen verkehren, so werde er ihn, kraft väterlichen Rechts, als einen mißrathenen Buben ins Zuchthaus sperren lassen; für den Fall aber, daß er nach seinem, des Vaters, Tode die Heirath vollziehe, solle er enterbet und mit seinem Fluche behaftet sein.

Das Enterben hätte nun den guten Licentiaten nicht gebeugt, aber die übrigen Drohungen schlugen ihn völlig [337] zu Boden; er wurde schwermüthig und tiefsinnig, und ehe man sich dessen versah, hatte der arme junge Mensch versucht, sich mit seinem Degen ein Leides anzuthun, woran er jedoch von den Dienern des Vaters verhindert wurde. Als nun dieser, statt dem Kranken zarte Pflege augedeihen zu lassen, drei Kerls von der Nachtwache kommen ließ, um seiner zu hüten, da glaubte der Licentiat: sie kämen, um ihn ins Zuchthaus zu bringen. Und heimlich und gewandt wußte er sich eine geladene Büchse aus des Vaters Gewehrkammer zu verschaffen; damit entwich er auf den höchsten Dachboden des Hauses, befestigte seine Hutschnur an das Zünglein des Gewehrschlosses und an einen Nagel der Wand, nahm das Gewehr mit den Händen in die Höhe, setzte die Mündung auf seine Brust, und indem er dann einen schnellen Schritt zurück trat, schoß er sich mitten durchs Herz. Man fand ihn als Leiche.

Was der Vater dabei empfunden hat, weiß man nicht. Aber bekannt wurde, daß er 4000 Thaler der Stadtcasse zu bezahlen sich erbot, wenn E. H. Rath seinem unglücklichen Sohne ein ehrlich Begräbniß in St. Catharinen-Kirche verstatten wolle. Das that er um der Familien-Ehre willen. Senatus war nicht abgeneigt, Ministerium aber protestirte heftig dagegen, und besonders der Jacobitische Pastor Dr. Mayer wollte in seinem bekannten Eifer den Leichnam des armen Lic. Meinssen durchaus dem Scharfrichter zur unehrlichen Einscharrung auf dem Galgenfelde überantwortet wissen. Endlich ward die Sache so vermittelt, daß er zwar nicht in einer Kirche, aber auch nicht unterm Hochgericht, sondern Nachts 2 Uhr auf St. Annen-Kirchhof bestattet wurde. „Handwerker trugen ihn, kein Geistlicher hat ihn begleitet.“ Es war aber ruchtbar geworden, und eine große Menge Volks fand sich zu derselben Stunde vor des hartherzigen Vaters Hause ein und [338] vollführte einen furchtbaren Lärmen und beschimpfte denselben dergestalt, daß fortan weder Hund noch Katze das Brodt von ihm hat nehmen mögen.

Es dauerte aber auch mit ihm nicht lange mehr. Schon nach wenigen Wochen starb er vor Gram und Gewissensqual an einem hitzigen Fieber. Da es offenkundig war, daß er an seines Sohnes Verzweiflung und Selbstmord die Schuld trug, so ging sein Begräbniß ohne Sang und Klang, ohne Klage und Trauer-Begleitung dahin. Auch seiner Leiche war kein Geistlicher gefolgt.

Anmerkungen

[387] Der Hauptsache nach wirkliche Begebenheit. Viele der Einzelheiten erzählt eine handschr. Fortsetzung von Tratziger’s [388] Chronik. – Siehe auch Dr. Gesscken, die Leichenbegängnisse im siebenzehnten Jahrhundert in der Zeitschr. für Hamb. Geschichte, I. 504.