Einleitung (Badisches Sagen-Buch)

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Autor: Josef Bader
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Titel: Einleitung
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aus: Badisches Sagen-Buch I, S. XXI–XXXII
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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[XXI]
Einleitung
von Josef Bader.


Entwicklungsbild der heimischen Sagenwelt.

Die herrlichen, gesegneten, reichbevölkerten Gefilde am stolzen Rheinstrom, herab vom Bodensee zum Neckar, zum Main und weiterhin, die gleich einem prangenden Teppich seine Ufer schmücken und den Kranz der Vorhügel des Schwarzwalds und der Voghesen; diese Gefilde, wo Alles in üppigen Fülle blüht und in buntgestaltetem, fröhlichem Leben sich bewegt – sie lagen einst als todter Grund tief unter weiten, ungeregelten Wassern, wie verdammt zum ewigen Fluthengrab. Das Rheinthal, das ganze, große, füllte ein einziger See, im Kreise kahler Berghäupter und düsterer Wälder.

Aber der mächtige Stromgott, der „am Busen der Gletscher-Ammen gesäugte“, fand kein Gefallen an der weiten Oede – er suchte das heitere Leben der Menschen. Da sanken die Wasser und theilten sich die Fluthen. In immer engeren Schranken, immer geregelteren Betten, nahmen sie den Lauf. Breite Bergwände, zahlreiche Vorhügel, traten an den belebenden Sonnenstrahl, bedeckten sich mit munterem Grün [XXII] und lockten aus dem dunkeln Urwald – den Menschen herbei, den götterähnlichen.

Rhenus lächelte, und die Geister der Flüsse, der Bäche und Quellen, die das hercynische Waldgebirg ihm sendete und das voghesische, sie schwebten freudig von Ufer zu Ufer, wo der Mensch sich niederließ – schüzende, pflegende, beglückende Genien.

Da milderte sich des Menschen Gemüth, erweiterte sich sein Aug, übte sich mannigfaltiger seine Hand. Die schirmende Hütte hatt’ er längst gebaut, und der schnelle Fuß trug ihn leicht zum befreundeten Nachbarn; aber jenseits der Fluthen, am blauen, dämmernden Gestade – hatte dort sein Blick nicht gleiches Leben erspäht? Es regte sich die Sehnsucht – sie reichte weiter als die Kraft des Schwimmers, doch nicht weiter als der sinnende Kopf und die Kunst der geübten Hand. Bald befuhren Flöße und Kähne die Ufer und landeten am fremden Gestade, das dem kühnen Schiffer gastliche Ruhe bot und Erfrischung. Oder, hat auch damals schon die Habsucht den leichten Kahn mit blutiger Beute gefüllt[1]?

Dies war die Kindheit der Schiff-Fahrt aus dem Rheine, wo jetzt der stolze Dämpfer einher braußt und sich das schwere Frachtboot durch die Wogen drängt. Heute noch zeigt man längs der Vorhügel hin, hoch oben an Felswänden, die eingekeilten Eisenringe, welche einst statt des Ankers zum Anhacken der Schiffe gedient[2].

[XXIII] Rhenus, der menschenfreundliche, als er dies Gedeihen sah, drängte seine Fluthen noch weiter zurück vom Thalgelände, dämmte sie ein in noch engere Betten. Es verschwand der große See – nur blieb, zum ewigen Merkmal, das Becken des Bodensee’s[3].

Aus dem Schoos der Erde aber hatte Vulkan, kühn durch das Rheinbette herauf, den Kaiserstuhl getrieben, der – ein feuersprühender Inselberg, setzt mächtigeren Fuß in den Fluthen faßte, bis seine Gluht erloschen war und seine Wände sich begrünten, um das eine bald und bald das andere Ufer zu zieren.

Mehr und mehr, von frisch fließenden Wassern getränkt, von der Sonne Strahlen erheitert und erwärmt, von freundlichen Geistern gehütet, bedeckten sich die Ebenen des Rheinthals mit dem Schmucke des Grases, des Strauches, der Eiche und Buche; üppige Wiesen und Wälder dehnten sich aus; der Thalbewohner rückte seine Hütten und Dörfer bis an die Ufer vor – die Morgenröthe freundlicherer Zeiten ging auf über das weite, im ersten Jugendtrieb schwellende Thal.

Der schwarzgelockte, leichte, gesellige Kelte aber war’s, ein Sohn des Morgenlandes, welcher zuerst an den großen Rhein-See gekommen, welcher ihn zuerst befahren, an seinen Ufern die ersten Dörfer und Städte gegründet, den Bergen, Flüßen, Forsten und Fluren die ersten Namen gegeben. Und mit ihm sind die Genien seiner Heimath eingezogen in das Rheinthal, die unsterblichen Pfleger und Beschützer seines Erdendaseyns, holde, zarte weibliche Wesen – die Göttin Berchte [XXIIII] und jene wundersamen Fee’n, welche in Felsgrotten, an See’n und Quellen, auf lichten Hügeln und in dämmernden Hainen ihre Zauberschlösser und Wundergärten bewohnten.

So, unter dem Schirme seiner Götter und Genien, hatte der Kelte, mit erfinderischem Geist, mit betriebsamer, kunstfertiger Hand, das Rheinthal bevölkert und bebaut – ungezählte Jahrhunderte lang. Und wie er nun gealtert war und geschwächt an Kraft, da trat aus den östlichen Wäldern ein Jüngling hervor, hochgewachsen, mit schwellenden Muskeln, von blondem Haar und blauem Aug, über der Schulter das Fell des erlegten Wildes, in der Faust den leichten Wurfspieß, neben sich den bejochten Ochsen und das getreue Wind. Es gefiel ihm an den sonnigen Halden und Vorhügeln und Thalgeländen, wo nie gesehene Pflanzstätten, Weiler und Dörfer, im Kranze zierlicher Garten und blühender Fruchtgefilde, seinem erstaunten Blick entgegen lachten.

Wir erkennen den blonden, blauäugigen Riesenjüngling – es ist der Germane, auch ein Sohn des Orients, aber rauh geworden und abgehärtet auf der langen, gefahrvollen Wanderung. Ueppiges Leben ist ihm fremd, und doch – in die finstern Wälder will er nicht mehr zurück. Er ringt mit dem Kelten um den Besitz des schönen Rheinthals; er bewältigt und unterjocht ihn – er ist des Landes Herr, theilt und genießt die Früchte feines Siegs.

Aber so leichten Kampfes sollte ihm seine neue Heimath nicht zu Theil werden; ein zweiter, weit erfahrner, vielgeübter, listiger Kriegsmann erschien – der stolze Römer. Ihm gehorcht eine eroberte halbe Welt; wird die germanische Kraft, die jugendliche, ungelehrte, ihm widerstehen? Sie muß weichen, und der sieggewohnte Eroberer macht das schöne Rheinthal mit dem friedlichen, fleißigen, dienstgewohnten Kelten, zu einem Vorlande seines Reichs.

[XXV] Schnell mehrten sich fortan die Dörfer, die Städte; sichere Straßen, von Thürmen und Kastellen beschützt, verbanden sie, prächtige Bäder und reiche Tempel schmückten ihre Umgebung. Denn neue, stolzere Götter und Genien herrschten jetzt. Hier durchzog Diana mit Pfeil und Bogen die Forste; dort, im Kriegslager, gebot Mars mit dem blinkenden Schwert, und in Städten und Dörfern lockte der geflügelte Merkur mit Stab und Säckel zu Handel, Gewerk und Künsten – zu wachsendem Gewinn. Ein großes, vielbewegtes, freudiges Leben durchströmte das Rheinthal.

Und vertrauter näherten sich die Götter und Genien der Kelten jetzt den römischen; bald unterschied man sie nicht mehr, sah Berg und Thal froh bevölkert mit Fee’n und Elfen, Dryaden, Najaden und Nymphen. Ihre Unschuld aber war nicht mehr die reine, ihr Wesen nicht mehr das immer gute, menschenerfreuende. Wohl schützten sie das Volk ihrer Kreise noch, halfen ihm und beschenkten es; aber falsch auch und tückisch verlockten sie schmeichlerisch ihre Günstlinge zur Sünde, rißen sie bald in Gefahr und Verderben.

Und so war’s schlimmer geworden mit dem Menschen. Lüstern nach stets neuem Genuß, begann er selbst mit seinen Göttern zu buhlen. Was war ihm heilig noch, nachdem Merkur das Füllhorn seiner Schäze über ihn ausgegossen? Das Leben im Rheinthal, jenem gleich in der römischen Weltstadt, versank in Reichthum und Ueppigkeit; Uebermuth und Schwelgerei hatten es vergiftet und angefäult – es verdiente den Untergang.

Abermals erschien jetzt der Germane, unverdorben noch und ungeschwächt, wie das erstemal – doch reicher an Erfahrung und fester an Entschlossenheit. Denn des Römers Eroberungssucht hatte auch ihn aufgestört in seiner stillen Heimath, auch ihm das Joch der Knechtschaft geschworen. Mächtig [XXVI] jetzt und rachedürstend warf er sich dem Feind entgegen, dem unersättlichen, und es änderten sich die Geschicke.

Der Germane, gestärkt durch das alemanische Brüderband, geschirmt von seinem Wodan[4], seinem Thor, seinen Walküren, stund an den Pforten des Weltreichs. Was nützten die Mauern und Thürme, womit der Römer das Rheinthal umzogen? Sie fielen, und zu Ende war die stolze Herrschaft Roms an den Ufern des Rheines!

Nicht aber wurde das Land jetzt eine Wüste voll Blut und Asche. Die verhaßten Zwingburgen, die schirmenden Städte, die üppigen Bäder und prächtigen Tempel allein wurden ein Raub der Zerstörung – die Hütte, der Pflug des Landbewohners blieben dem Sieger heilig, nur waltete fortan Er als Herr über Alles.

Und auch die alten Götter blieben dem Besiegten. Die Fee’n, die Nymphen, sie bewohnten ihre Felsen, Haine und [XXVII] See’n, wie zuvor. Im Rauschen aber der hohen Eiche, im Tosen des schäumenden Wassersturzes verkündete der alemannische Gott seine gewaltigere Majestät.

Doch, was sind alle die stolzen Götter der Heiden gegen den Gekreuzigten! Einzelne, arme, wehrlose Männer und Frauen, von jenseits des Meeres, von dem grünen Erin, von dem felsigen Scotien, kamen herüber an den Rhein, predigten die Lehre des Weltheilands und besiegten die Herzen des Volks. Freilich erhoben sich verruchte Hände gegen die Frommen und rötheten mit ihrem Blute den heimathlichen Boden. Aber die Grabstätten der Märtyrer verherrlichten sich durch heilige Wunder; gläubig wallfahrte das Volk zu ihnen und überbaute sie mit Kirchen und Klöstern[5].

Wo, war jetzt die alte Götter- und Genienwelt? Hatten sie die Berge verlassen, und die Felsgrotten, die Haine, die See’n und Flüsse? Nein; aber ein vernichtender Krieg aus der Zelle des Mönchs, aus der Höhle des Waldbruders erhob sich gegen sie. Sein Fluch verwandelte ihr einst heilbringendes, dann gefallenes Wesen in die Natur des Bösen, und von dem an spuckten aus ihnen überall teuflische Künste zur Verlockung und zum Verderben des Menschen. Verdrängt und gestürzt, hausen sie seither im Schacht der Berge, im Grunde der See’n – als heidnischer Hofhalt, als Gnomen und Zwerge, Mummler und Nixen[6].

So ist im Rheinthal die Welt des Kelten und des Römers untergegangen. Nur Namen sind noch übrig von ihr, und Burgtrümmer, und verschüttete Städte, und vergrabene [XXVIII] Schäze, die ein mißgünstiger Dämon hütet, bis etwa der Pflug des Landmanns sie erreicht und zu Tage fördert. Reich und gewaltig war diese Welt; aber die neue des christlichen Teutschen wurde herrlicher.

Wer weiß es nicht, wie die Klöster geblüht an Gelehrsamkeit und frommer Zucht? Wie die Ritter geglänzt an Ehre und Tapferkeit, ihre Frauen und Töchter an Schönheit und keuscher Sitte? Wer hat nicht von den Liedern gehört, die auf Burgen, an Fürstenhöfen , an Kaiserlagern, die Harfe des Sängers begleitete? Und von der prangenden Waffenkunst des Turniers, und von den kühnen Heldenthaten der Fahrten ins heilige Land? Ja, die Begeisterung für den Gekreuzigten, und seiner unbefleckten Mutter inbrünstige Verehrung – sie schufen eine Welt voll reinen, hocherhabenen, wunderherrlichen Lebens!

Aber der Böse, mit den gestürzten Göttern und Genien der alten Welt, vergiftete dies Leben bald genug. Sie schlichen umher nach Opfern ihrer Rache. Da vergaß ein Mönch sich in den frevlerischen Gelüsten geheimer Wissenschaft[7], ein anderer dort mit der gottgeweihten Schwester in den Fesseln unreiner Liebe[8], und büßte dann dafür auf dem Scheiterhaufen oder lebendig eingemauert, oder stürzte sich herab von der Felsspize in den wogenden Strom! Noch bezeichnet schauerliches Gestöhn zur Mitternachtsstunde die Todesstätten dieser Verführten.

Es überschüttete der Böse die Klöster mit der Fülle des Reichthums, auf daß er sie ablocke von der Dornenbahn strenger Zucht auf den schlüpfrigen Weg der Ueppigkeit. Uebermüthige, schwelgerische Aebte, führten sie nicht das blutige Schwert, statt des friedlichen Krummstabs? Haben sie nicht zerstört, gesengt [XXIX] und gebrannt, anstatt auferbaut und gesegnet? Und wie der Hirt, so die Heerde. Wie manches Kloster, reichbegütert in den vaterländischen Gauen, lud Sünden auf Sünden und sank von seinem Reichthum in Armuth und Verachtung! Jetzt liegen die Trümmer dieser einst geheiligten Mauern verödet unter Disteln und Dornen, und wenn die Nacht ihren schwarzen Schleier über sie ausgebreitet hat, erheben sich die Geister jener Aebte und Mönche aus den verschütteten Grüften und wandeln ewig büßend über den Schauplatz ihrer Frevel und Verbrechen hin[9].

Von den Klosterzellen aber schlich der Böse auf die Burgen der Ritter, in die Schlösser der Fürsten. Er fand Eingang leider, fast überall. An wie manche dieser stolzen, kühnen Bauten klebte das Blut und der Schweiß des armen, gepeinigten Volkes! Habt ihr nie die Ketten gesehen mit den vermoderten Knochen in aufgegrabenen Burgverließen, wo einst die gefangene Unschuld verkümmerte? Oder nie die blutbesprizte Stelle, wo die verfolgte Jungfrau, freiwillig herabgestürzt in die rettende Tiefe, ihren Geist verhauchte?

Ja, von Sünden und Lastern genug sind diese Burgen und Schlösser Zeuge gewesen. Noch sucht der Schatzgräber die Stellen aus, wo einst ein hartherziger Burgherr den Raub von Wittwen und Waisen in eiserner Kiste unter das Erdreich seines Kellers verbarg. Noch zeigt man die dunkle Hohlgasse, wo einst der freche Junker mit seinen Gesellen auf Beute gelauert[10]. Keine Gegend könnt ihr nennen in unserem schönen Heimathlande, wo die Hand des Landmanns dem Wanderer nicht von einem Raubschlosse die Trümmer weist. Und überall in finsterer Mitternacht gehen sie noch um, die Burggeister, denen der strafende Himmel keine Ruhe des Grabes gönnt.

[XXX] Und die zarte, keusche, milde Frauenwelt in den Burgen und Schlössern? Den Ruhm der Sittsamkeit, der Frömmigkeit, der Treue, der Armenpflege hatten Frauen und Töchter in reichem Maß erworben, und er hatte sie verklärt wie ein Heiligenschein. Aber wie bald verblendete der eitle Stolz das junge Gemüth der Maid, wie bald der süße Reiz verbotener Liebe das Herz des Weibes! Vom Hunger verzehrt flehte der Arme – vergeblich, er ward mit Hunden von der Pforte getrieben. Und fand nicht der gläubige Ritter, heimgekehrt vom fröhlichen Waidwerk, sein Gemahl, zum Entsetzen – in des Buhlen Arm? Traf nicht der gläubige Ritter, zurückgekehrt von den Mühen der langen Kreuzfahrt – einen neuen Herrn seines Weibes, oder statt des eigenen Bluts, einen Bastarden, auf der heimischen Burg? Noch kennt der Landmann die Stelle, wo das treulose Weib, getroffen vom Schlage der reichenden Hand, jammervoll unterging[11].

So war auch diese Welt, die einst hochbelobte und herrliche der Klöster und Burgen, dahin gesunken in ein trauriges, schmachbedecktes Verderben. Aber eine neue hatte sich jetzt aufgethan, eine reiche, kräftige, strebende – die Welt der Städte. Diese, oft das Asyl des gedrückten, gehezten Landmanns, immer die Freistätten des Handels, des Gewerbes, der Wissenschaft, der Kunst, die Besten des Rechts und der Freiheit – erzogen Bürger, welche stolz neben dem Ritter stunden, Männer, welche ruhmvoll kämpften für die geliebte Heimath auf dem Felde der Schlacht, wie im Rathe der Fürsten. Muth und Fleiß, sie belohnten sich auch hier[12]. [XXXI] Was Prälat und Ritter seit Jahrhunderten eingebüßt, das gewannen die Städte.

Auch den teutschen Städten, wie vielen, wie herrlichen im schönen Rheinthal! auch ihnen lächelte Merkur, wie einst den keltischen und römischen. Ihre Schätze häuften sich, aber verblendet dadurch vergaßen sie ihrer Brüder – des Landvolks, welches im Joche der Knechtschaft schmachtete. Der Böse verschloß ihr Herz – der wimmernde Klagelaut des Armen, er erscholl vergeblich. Da drückte die Verzweiflung dem Verlassenen das Schwert, die Brandfackel in die Faust – und durch ganz Teutschland wälzte sich eine schwere, schwarze, verderbenschwangere Wolke des Aufruhrs!

Wo am Rheine ist ein Gau, dessen Bewohner dir nicht zu erzählen weiß von den Gräueln des Bauernkriegs? Da und dort zeigt man die Trümmer noch von einst stolzen Burgen, welche durch die Faust der Empörung in Schutt und Asche versunken. Und noch traurigere Stellen – wo der arme Besiegte seine Verzweiflung büßte unter dem Henkerschwert.

Und die Frucht dieses Sieges – war es eine bessere, friedlichere Zeit? Der Böse grinzte höhnisch über den Schauplatz des Menschentreibens hin, und unsere schöne Heimath ward ein Tummelplaz räuberischen, mordbrennerischen Gesindels. Der obdachlose Zigeuner, der gardende Landsknecht, der fahrende Adept, der hausirende Krämer, alle im Dienste des Bösen, und ausgerüstet mit höllischen Kräften und Künsten, trieben da ihr heillos Spiel.

Noch mehr aber übte Satan seine Tücke. Zu Mädchen und Frauen schlich er und lockte die Bethörten in seinen Bund. Da, bei stürmischen Nächten, auf Besen reitend, mit gelöstem Haar und Gewand, flogen sie hinauf, wo die Orgie ras’te – nach des Blocksbergs qualmender Kuppe! Und gesättigt alsdann von diabolischen Genüssen, kehrten sie heim, um den [XXXII] Brei zu kochen, der mit Sturm und Hagel des Landmanns Hoffnung darnieder schlug – die blühende Saat, die sprossende Rebe.

Aber das Volk schrie Rache über den verderbenschwangern Hexenzauber. Der Folterstuhl erpreßte die Geständnisse des teuflischen Bundes, und nun fort zur Strafe mit den armen Besessenen, die der Böse zu Werkzeugen seines Menschenhasses gemacht – zur unerbittlichen Strafe! Da loderten durch alle Gaue der Heimath die Scheiterhaufen, um halbentseelte, folterbrüchige Leiber zu verzehren[13].

Endlich schmetterte durch das Prasseln dieser Sanbenito-Flammen hindurch, die Trompete des schwedischen Reiters. Eine andere Mordgeschichte rollte sich auf. Vom wilden Heere des Schweden erzählt das Landvolk noch mit Grausen, und vom Schwedenkrieg und Schwedentrunk[14]. Der Böse hatte sein Meisterstück vollbracht; es schließt sich damit die heimische Sagenwelt, welche mit den Werken guter segenbringender Götter und Genien so herrlich begonnen.


  1. Vergleiche die Sage von den Seeräubern auf dem Thurmberg, unter den Sagen von Durlach im zweiten Bande dieses Werkes.
    Anm. des Herausg.     
  2. Z. B. an den Felswänden beim Kukuks-Bad, zwischen Bollsweil und Kirchhofen im Breisgau. An den Thurmsteinen mehrerer Kirchen, die auf dem Hochufer des alten Rheinbettes liegen, will man ebenfalls solche Ringe gefunden haben. – – Uralte Sagen sprechen aber auch von einer Zeit, als lange, lange vor der Periode der Sündfluth, in unsern Gegenden und bis in den tiefsten Norden hinab, ein Klima, wie das der üppigen südlichen Himmelsstriche, waltete, und mit den Blumen und Früchten jener glücklichen Zone auch unsere Heimath gesegnet war. Ueberreste von Palmen, Datteln und anderen tropischen Erzeugnissen, von Säugethieren und Amphibien, die wir jetzt nur noch im Süden finden, sind aus den Tiefen unseres [XXIII] Bodens zu Tage geschürft worden und geben uns dunkle Kunde von einer paradiesischen Vorwelt, die auch von einem götterähnlichen Menschengeschlechte bevölkert gewesen seyn und erst durch die (von manchen Geologen angenommene) Verrückung der Erdachse sich in die uns bekannte, rauere Welt umgewandelt haben mag.
    Anm. des Herausg.     
  3. Siehe das schöne Gedicht von Gustav Schwab: „Die Schöpfung des Bodensee’s“, Seite 1 dieses Bandes.
  4. Allmächtig, Alles durchdringend und beherrschend thront Wuotan über der germanischen Götterwelt; als Lenker der Schlachten und Erkämpfer des Siegs sprengt er auf sprühendem Wolkenroß oder fährt auf rasselndem Wagen über die Kriegsstätten dahin; den nächsten Rang nach ihm nimmt der rothbärtige Thor, der Gott des Donners ein; einen wuchtigen Hammer schwingend schmettert er aus dem zusammengeballten Gewölk sengende Schlangenblitze hervor; Tyr, der germanische Mars, unterstützt den Wuotan in der Lenkung der Schlachten; in seinem Gefolge die Schlachtenjungfrauen: die Walkyren (aus deren Flügen über die Wahlstätte später wahrscheinlich die Sage vom wilden Heer sich gestaltete). Freyr, der Gott des Friedens, solchen Kriegsgöttern gegenüber, steht natürlich in schwächerem Lichte da; seine Schwester Freya, die germanische Diana, und Wuotan’s Gattin Frea, (Hertha,) sind die weiblichen Hauptgottheiten. Der Raum verbietet uns, alle übrigen, dem hohen Norden entsprossenen, Göttergestalten der urgermanischen Welt hier vorüberschreiten zu lassen; wir erwähnen nur noch der Helden und weisen Frauen, denen, als Halbgöttern, heilige Verehrung erwiesen wurde, wie z. B. dem erdgebornen Tuisko und seinem Sohne Mannus etc. von denen die beiden der Nibelungen und des Heldenbuches, Siegfried, Dietrich, Wieland, Eckart (siehe die Breisacher Sagen) u. s. w. abstammten, die Priesterinen, Seherinen, z. B. Belleda etc.
    Der Germane bevölkerte die Wälder und Gewässer mit Druiden (Druten), Alraunen, Feien (Feen); die Gebirge mit Riesen, Zwergen, Kobolden und allerlei Gnomen, welche Letztere später, zum Theil bei Einführung des Bergbau’s im Schwarzwalde, als Berg- oder Grubenmännlein, Verwandte des Erzgebirgsfürsten Rübezahl, auftreten. Der Lindwürmer, Drachen und anderer Ungeheuer, die zu bekämpfen waren, gab es in den Höhlen und Feksklüften die Menge.
    Anm. des Herausg.     
  5. Siehe die Sagen vom heiligen Fridolin, Trutbert, Landolin, etc. in diesem Bande.
  6. Siehe z. B. die Sagen vom Venusberg bei Ufhausen und von der Haselhöhle in diesem Bande; sodann jene der Stadt Baden („Kellers Bild und Kreuz“), und die von Schiltach und Schappach im ersten, vom Mummel- und Wildsee im zweiten Bande.
    Anm. des Herausg.     
  7. Siehe z. B. Berthold Schwarz, S. 374 dieses Bandes.
  8. Siehe z. B. die Sagen vom Höllenhacken, S. 172, und Nonnenmattweiher, S. 237 dieses Bandes etc. Von Tiefenau, im zweiten Bande etc.
    Anm. des Herausg.     
  9. Siehe z. B. die Sage von den Mönchen in Gottesau; Uhland’s „Das versunkene Kloster“ etc. im zweiten Bande dieses Werkes.
  10. Siehe z. B. die Sagen vom Falkenstein, S. 409 dieses Bandes, und andere.
    Anm. des Herausg.     
  11. Siehe z. B. die Sage von der Frau von Bosenstein, das Edelfrauenloch etc. im 2. Bande dieses Werkes.
  12. Unser Buch enthält zahlreiche Sagen von den Ursprüngen Badischer Städte, von tapferen Thaten ihrer Bürger, (z. B. „der Fleischer von Constanz,“ Freiherr von Fahnenberg im ersten Bde. „Die vierhundert Pforzheimer“ etc. im zweiten Bde. etc.) von originellen Charakterzügen ihrer Bewohner; von derben Kerngesellen, (wie z. B. Romaias) u. s. w.
    Anm. des Herausg.     
  13. Hexenthürme findet man noch in mehreren unserer Städte, z. B. in Burkheim, Bühl, etc. und Hexensagen überall in Menge.
  14. Siehe z. B. die Schwedensagen im Albgau, in der Baar etc.
    Anm. des Herausg.