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Einquartierungs Freud und Leid

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Textdaten
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Autor: A. L.
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Titel: Einquartierungs Freud und Leid
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 718–721
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege. Nr. 14.
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Einquartierung in Böhmen. 0Originalzeichnung von Chr. Sell in Düsseldorf.

[718]

Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege.

Nr. 14.0 Einquartierungs Freud und Leid.

Die Schlacht von Königsgrätz war geschlagen und in aufgelöster Flucht entschaarten sich die Oesterreicher weithin durch das böhmische Land. Einen heißen, blutigen Kampfestag hatten wir durchfochten und bei der Tapferkeit der Gegner, namentlich der sächsischen Truppen, die uns gegenüberstanden, schreckliche Verluste erlitten. Von meinem Bataillon lag fast die Hälfte der jungen, lebenskräftigen Männer, die so frisch und fröhlich mit mir die Heimath verlassen, theils verwundet, theils leblos auf dem blutigen Gefilde. Und wir noch Lebenden waren durch die oft fehlende Nahrung und das unregelmäßige Leben, durch die weiten Eilmärsche und die heißen Gefechte so erschöpft, körperlich und geistig, daß uns eine längere Ruhe dringend nöthig war. Bis jetzt hatten wir in der Avantgarde unseres Armeeeorps gestanden und wenig Ruhe gehabt; da mußten nach langem, erschöpfendem Marsch noch die Vorposten bezogen und Patrouillen gegangen werden, und so entbehrten wir bei so mühevollen Tagen auch noch des stärkenden Schlafes. Auch die Führer erkannten unseren Zustand wohl, deshalb wurden wir kurz nach der Schlacht bei Königsgrätz in die Reserve der Division genommen und hatten von jetzt an nur kleine, wenig anstrengende Tagemärsche.

Schon seit langer Zeit war unser Nachtlager nur der kalte Erdboden, der nur manchmal durch untergelegtes Heu oder Stroh etwas angenehmer gemacht werden konnte, und unsere Decke der oft sehr trüb umzogene Himmel gewesen. Es war also natürlich, daß wir Alle uns recht darnach sehnten, einmal wieder unter Dach und Fach zu kommen. Oft, wenn ich so auf wenigem Stroh [720] liegend recht jämmerlich im nächtlichen Regen fror und vergeblich den Schlaf ersehnte, erinnerte ich mich daran, mit welch’ maulendem Gesicht und ärgerlichem Unbehagen ich mein erstes Strohlager in Polnisch Breule, einem kleinen Dorfe Schlesiens, eingenommen und mit Schmerzen der weichen mütterlichen Federbetten gedacht hatte. Doch tempora mutantur! jetzt hätte ich wohl viel gegeben, ein solches Lager wieder einmal zu genießen!

„O Wonne! Heut’ kommen wir in Quartier!“ lief es von Mund zu Mund, als wir zum Abmarsch vom Bivouac antraten. Fünf Stunden hatte unser Marsch gedauert, bald bergauf, bald bergab, bald durch grünende Wiesen und fruchtbare Felder, und bald durch duftigen Wald, da lag in einem lieblichen Thale unter uns das ersehnte Ziel, ein kleines Dörfchen. In vielfachen Windungen führte uns die Chaussee den Abhang des Berges hinunter; vor dem Eingang in’s Dorf machten wir Halt, die Fouriere meiner Compagnie erschienen und theilten die Quartierbillets aus.

„Strzevo“, radebrechte ich von meinem Zettel, „Schenkwirth des Dorfes.“ Mit mir hatte das gleiche Quartier ein Unterofficier, Cadet Z., mit neun Mann zu theilen.

„Still gestanden, das Gewehr über, marsch!“ commandirte der letztere seinen Hausgenossen, und hinter dem kleinen Zuge her schritt ich in’s Dorf. Einen schmutzigen, zerlumpten Jungen, der, beide Hände im Munde, eifrig beschäftigt war, mit der Reinigung seiner Finger auch noch einen Zungenschmaus zu verbinden, und uns verwundert anglotzte, rief ich an: „Wo liegt denn das Wirthshaus des Dorfes?“

„Nerozumi!“ (ich verstehe nicht) war die Antwort.

„Das Wirthshaus oder die Schenke des Dorfes mein’ ich!“ schrie ich nochmals.

Ein höhnisches Grinsen überlief sein Antlitz; endlich zog er die eine Hand aus dem Mund. „Nerozumi!“ ertönte wiederum, und dahin lief er!

Ein zweiter Versuch, dasselbe Resultat. Verblüfft drehte ich mich nun zu meinen Leuten um, die mich aber auch nicht sehr schlau ansahen; eine dämmernde Ahnung stieg in unserer Seele auf, und in ein schallendes Gelächter brachen wir aus, als Cadet Z. seufzend unseren Gefühlen die Worte verlieh: „Das sind wirklich böhmische Dörfer!“

Was war zu thun? Entschlossen trat ich auf ein Haus zu und pochte an die Thür: ein Weib erschien, das ich nach seinem Aeußeren und nach dem Blick, den ich in das Innere der Wohnung warf, dringend in dem Verdacht hatte, die Mutter jenes vorhin erwähnten Buben zu sein. Ich frug wiederum nach der Lage des Wirthshauses und wies zu gleicher Zeit mein Quartierbillet vor; aber wiederum dieselbe Antwort: „Nerozumi“. Um mich verständlich zu machen, deutete ich nun auf ihr Haus und machte die Bewegung des Trinkens. Fest überzeugt, jetzt einen sichern Erfolg erlangt zu haben, schielte ich triumphirend seitwärts, um mich an den sicher über meine geschickte Zeichensprache staunenden Mienen der Soldaten zu weiden. Mit einer ungeheuren Zungenfertigkeit ergoß aber das Weib einen Schwall unverständlicher Worte über mich, aus denen ich nur das öftere, mit Betonung wiederholte „wodu“ (Wasser) verstand; dann stürzte sie in das Haus zurück und erschien mit einem Krug Wasser. Sie hatte geglaubt, wir wollten bei ihr trinken. Etwas beschämt schüttelte ich mit dem Kopfe, wies nochmals auf unser Quartierbillet hin und rief ihr mit stolpernder Zunge den Namen unseres künftigen Wirthes „Strzevo“ zu.

Laut lachte das Weib über unsern Barbarismus auf; aber wir waren zu erfreut, um dies zu strafen, als wir sahen, sie hatte unser Verlangen verstanden. Mit der Hand winkend eilte sie vor uns her und führte uns zu einem niedlichen Hause, das vortheilhaft von seiner Umgebung abstach. Wir traten hinein, und einem lieblichen Mädchen von ungefähr achtzehn Jahren, das uns entgegentrat, übergab ich, obgleich fest überzeugt, nicht verstanden zu werden, mit den Worten. „Zwölf Mann Einquartierung!“ unseren Zettel.

„Treten Sie gefälligst ein!“ ertönte zu unserer freudigen Ueberraschung aus dem Munde des Mädchens.

„Wie? Was?“ sagte ich, „Sie sprechen ja deutsch!“

„Nun, ist denn hierbei etwas zu verwundern?“ entgegnete sie schelmisch lächelnd. „Doch machen Sie sich’s nur bequem, ich werde unterdeß etwas zu essen besorgen;“ und wie eine kleine Elfe, so flink und hurtig, so zierlich und anmuthig verschwand sie durch die Thür, deren braune eichene Pfosten ihr liebliches Bild, das uns mit seinem blonden Haar und den funkelnden, lachenden blauen Augen so traulich anheimelte, gar eigen umrahmten. Noch sann ich nach, wie wohl eine solche Blume auf diesem Boden hatte entstehen und gedeihen können, als schon Z. jubelnd ausrief: „Hier ist es gut sein, Herr Lieutenant, wir haben den Vogel abgeschossen.“ Dann schnalzte er laut mit der Zunge, tanzte durch das Zimmer und warf einen verzweifelt verliebten Blick auf die geschlossene Thür, durch welche eben unsere kleine Fee verschwunden war. Unsere erste Sorge war nun, die Spuren des Marsches von uns zu entfernen. Z., ein Rheinländer, konnte damit nicht fertig werden, schon zum zwanzigsten Mal schaute er in den Spiegel, strich sich kühn die Haare zu einer stolzen Dolle empor und drehte dem Schnauzbart zwei schwungvolle Spitzen. Ueber seine siegeszuversichtliche Eitelkeit in ein helles Gelächter ausbrechend, verließ ich das Zimmer und trat in den Hof, als ich plötzlich hinter mir die wohllautenden Worte hörte. „Was erfreut Sie denn so, Herr Preuße?“ Und sieh! Das liebliche Mädchen stand hinter mir und schaute mich mit den blauen Augen so wundersam an. „Worüber lachen Sie denn so?“ wiederholte sie erröthend, da ich, ohne zu antworten, sie nur stumm anschaute.

„Wo wollen Sie denn hingehen?“ frug ich, da ich sah, daß sie ein leeres Körbchen in der Hand trug.

„Ach, nur in den Garten, um etwas Grünes für die Suppe zu holen,“ war die Antwort.

„Nun, dann werde ich Sie begleiten, wenn Sie es erlauben, und Ihnen den Grund meiner Heiterkeit mittheilen.“ Zögernd nickte sie, und munter plaudernd schritt ich neben der anmuthigen Gestalt hin. Wie wundervoll tönte ihr silbernes Lachen mir im Herzen wider; wie behende glitt das zarte Füßchen durch das duftende Grün, und wie geschäftig pflückte das Händchen die würzigen Blätter!

„Ich weiß nicht,“ sagte ich, „Sie sind doch wohl eine geborene Deutsche; woher reden Sie sonst wohl diese Sprache so rein, woher das blonde Haar und die Augen?“

„Ach!“ sagte sie, und trauernd und trüb umwölkte sich das zarte Antlitz. „Mein Vater ist ein Böhme, aber meine gute selige Mutter war eine Deutsche; ich hatte sie so lieb, so lieb, und mit gleicher Zärtlichkeit umfaßte mich ihr Herz, sie war so gar nicht wie die Frauen hier im Dorf, die so unreinlich und unwissend, so falsch und gefühllos sind. Ihr verdanke ich mein Wissen und die Kenntniß ihrer Muttersprache; allein wo sollte ich hier etwas lernen? Und manches schöne deutsche Lied, das ich aus ihrem Munde gehört, steht mir fest im Herzen eingeschrieben und seine sanften, treuen und milden Melodien beruhigen oft meinen Schmerz und die Sehnsucht nach der theuren Abgeschiedenen. Es ist dann, als spräche ihr Geist in den schmelzenden Tönen zu mir.“ Traurig senkte sie das Köpfchen. „Mein Vater,“ so erzählte sie weiter, „lernte sie in Prag kennen, heirathete sie dort und zog dann mit ihr hierher. Er hatte sie sehr lieb, aber er verstand das zarte Wesen meiner Mutter nicht, und so verletzte er sie oft, wo er es selbst gut mit ihr meinte. Dazu mochte noch kommen, daß sie sich unter diesem ungesitteten Volk stets fremd fühlte. So kümmerte sie hin und verschied wie ein zartes Pflänzchen, das nur auf heimischem Boden unter der sorgsamsten Pflege gedeihen kann. Mein Vater war sehr erschüttert von ihrem Tode, und der noch immer zehrende Gram hat ihn sehr darniedergebeugt, und so,“ setzte sie, sich von ihrer Traurigkeit aufraffend, hinzu, „führe ich eigentlich die Wirthschaft allein.“

„Dann müssen Sie auch gut Böhmisch sprechen?“ frug ich.

„O ja,“ erwiderte sie, „noch besser als das Deutsche; aber ich habe dieses in mein Herz geschlossen, als die Sprache meiner lieben Mutter, und freue mich jedesmal inniglich, wenn ich die Gelegenheit habe, mit Jemand einmal wieder in dieser Sprache zu reden. Doch Sie wollen gewiß Böhmisch von mir lernen?“ frug sie, mich schelmisch anblickend.

„Ich weiß nicht, wie mir in diesem Augenblick der Muth kam. „Ja, ja,“ nickte ich und schaute ihr in das rosige Antlitz; „was heißt denn im Böhmischen: ‚Holdes Mädchen‘?“

„Heska holka,“ antwortete sie zögernd.

Und dann fuhr ich fort: „‚Ich liebe Dich‘?“

„Já tebe mamrád,“ flüsterte sie.

„‚Gieb mir ein Küßchen‘?“

[721] „Dej mi hubiczku,“ sagte sie erröthend und mit abgewendetem Antlitz.

Da faßte ich heiß ihre Hand, führte sie an mein Herz und flehte noch einmal: „Heská holka, já tebe mamrád, dej mi hubiczku!“

Und mit verschämten Wangen mich schelmisch anschauend und leise den Kopf schüttelnd, lispelte sie: „Nerozumi“ (ich verstehe nicht).

Aber als ich sie trüb anschante und ihre Hand fallen ließ, da sprang sie auf, umfing mich heiß, und innig preßten sich ihre würzigen Lippen auf die meinigen. „Du böser Mensch!“ hörte ich noch, und verschwunden war sie wie ein schöner Traum, den man vergeblich zurückwünscht. Aber mit tiefen, unvergeßlichen Schriftzügen sind meinem Herzen für immer jene Worte, mein erstes Böhmisch, eingegraben: „Heská holka, já tebe mamrád, dej mi hubiczku“.

Es war dies mein süßestes Abenteuer in Feindesland. Unser nächstes Quartier sollte das Städtchen A. sein.

In der Nähe desselben angekommen, befahl mir der General, auf einem Einspänner, den ich in einem benachbarten Gehöfte aufgetrieben, vorauszueilen und für den Stab und die in den Ort selbst kommenden Truppen Quartier zu machen. Als ich in das Städtchen einfuhr, hatte ich den schon lange ungewohnten Anblick zahlreicher Menschen auf der Straße, wurde auch durch die festlichen Kleider derselben daran erinnert, daß Sonntag sei, woran ich noch gar nicht gedacht hatte. Der Gottesdienst war gerade zu Ende. Wie manches Gebet um Abwendung der drohenden Kriegsgefahr mag von den zahlreichen Andächtigen, welche der Kirche entströmten, zum Himmel emporgesandt worden sein! Um so größer war der Schreck beim Anblick der feindlichen Ankömmlinge.

In dem am Ring gelegenen Rathhaus fand ich den Bürgermeister, einen würdigen alten Herrn, welcher schon bei Leipzig als österreichischer Officier gefochten hatte. Er, welcher damals die Preußen als Alliirte kennen gelernt hatte, wußte, daß sie nicht die undisciplinirte Horde waren, als welche sie verschrieen wurden, und daß die über sie verbreiteten Gerüchte auf Unwahrheit oder Uebertreibung beruhen mußten. Er wußte aber auch aus eigener Erfahrung, daß der Krieg ein roh gewaltsam Handwerk ist und daß feindlichen Truppen gegenüber die größte Zuvorkommenheit zugleich die größte Klugheit ist. Das Geschäft der Einquartierung war daher schnell abgemacht. Ich erhielt eine Anweisung für den ganzen Stab auf den am Ring, in der Nähe des Rathhauses, gelegenen Gasthof zum goldenen Löwen, und machte mich, während der Bürgermeister die Einquartierung der angekündigten Truppen vorbereitete, wieder auf den Weg, um meinem Commandeur Bericht zu erstatten. Als ich am goldenen Löwen vorbeikam, sah ich an einem Fenster ein hübsches Mädchen, welches aber sogleich verschwand, als es bemerkte, meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben.

Nachdem der General die durch und in den Ort rückenden Truppen hatte bei sich vorübermarschiren lassen, begab er sich nach seinem Quartier, von dem ich ihm mitgetheilt hatte, daß es, nach den Aussagen des Bürgermeisters und auch dem äußeren Ansehen nach, zu den besten Erwartungen berechtige. Hier wurde er aber von dem Wirth in zwar sehr devoter Haltung, doch mit der deutlich erkennbaren Absicht des größtmöglichen passiven Widerstandes empfangen, so daß er, hierdurch unangenehm berührt, nach kurzer kalter Begrüßung sich sofort auf die ihm bestimmten Zimmer zurückzog. Freund Sell in Düsseldorf hat diese Scene später zu einem vortrefflichen Bilde benützt. Ich hatte während dessen aber bemerkt, daß hinter der halboffnen Thür verstohlen zwei junge Mädchen, deren eine ich schon vorhin am Fenster gesehen hatte, lauschten. Wenn sie auch sehr ängstlich schienen, so war die weibliche Neugier, die fremden Soldaten, welche die ihres Kaisers besiegt hatten, zu betrachten, doch größer als die Furcht vor denselben. Natürlich zogen die schmucken Begleiter des Generals ihre Augen am meisten auf sich, und da auch dieses mir nicht entging, so stützte ich hierauf die Hoffnung, daß sich, ungeachtet des schlechten Empfanges seitens des Wirths, hier doch noch ein gutes Einvernehmen anbahnen würde. –

Der Nachmittag verging zum größten Theil unter dienstlichen Geschäften. Als ich gegen Abend in die Gaststube kam, fand ich hier die beiden jungen Mädchen und versuchte mit denselben eine Unterhaltung anzuknüpfen. Anfangs ohne den gewünschten Erfolg. Ich fand einen heftigen patriotischen Haß gegen alles Preußische. Besonders bei der braunäugigen Antonie, der Nichte des Wirthes, einer geborenen Wienerin; weniger bei der blauäugigen Marie, der Tochter des Wirthes. Aber gerade dies reizte mich; die Erinnerung an meine schöne Böhmin von gestern hätte mich sonst hier kalt gelassen. Es gelang mir denn auch wirklich, nach und nach die Zurückhaltung der Mädchen zu besiegen. und als ich mich endlich als ein gewandter Spieler auf dem vorhandenen Clavier erwies, wurden sie zutraulicher und ich konnte mit meiner „schönen Feindin“, Antonie, wenn auch noch nicht Frieden, so doch wenigstens einen vorläufigen Waffenstillstand schließen.

Auch der Wirth kam herzu und legte allmählich sein verschlossenes mißtrauisches Wesen ab. Hierzu mag wohl die gute Mannszucht der Truppen, und daß sie nur das zum Leben Nothwendige verlangten, nicht wenig beigetragen haben. Als sich später der General mit den anderen Officieren seines Stabes ebenfalls dort einfand, fand er die ganze Familie vollständig umgewandelt. Der Wirth war die Zuvorkommenheit selbst und suchte auf jede mögliche Weise den schlechten Eindruck seines ersten Empfanges zu verwischen. – Da im „Goldenen Löwen“ die angesehensten Bürger des Städtchens den Abend zuzubringen pflegten, so fanden sie sich mit den bei ihnen einquartierten Officieren zur gewohnten Stunde ein. Je mehr man unter einander bekannt wurde, desto mehr entwickelte sich ein angenehmer Verkehr, und Alles verlebte einen heitern geselligen Abend. –

Zu böhmischen Studien fand sich hier freilich weder Zeit noch Gelegenheit, denn schon am nächsten Morgen wirbelte die Trommel wieder zum Aufbruch, wohl aber nahm man überall als gute Freunde Abschied und sprach von beiden Seiten die Hoffnung aus, sich bald unter friedlichen Verhältnissen wiederzusehen. Daß der Abschied im „Goldenen Löwen“ nicht minder herzlich war, ist selbstverständlich. Ich hätte mich auch gerne von den Damen verabschiedet. Dieselben waren aber leider noch nicht sichtbar. Als ich bereits meinen Säbel gezogen hatte und im Begriff, in die Linie einzutreten, noch einmal meine Augen an dem Hause entlang wandern ließ, erschien jedoch an einem der obern Fenster ein blühendes Antlitz, erwiderte erröthend meinen Gruß und verschwand ebenso schnell wieder. –

Ob ein Wiedersehen irgend welcher Art stattgefunden hat, können wir heute noch nicht verrathen. Vielleicht erzähle ich später einmal Etwas davon.