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Elektricität bei Treibriemen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Th. G.
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Titel: Elektricität bei Treibriemen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[70] Elektricität bei Treibriemen. Es ist nicht gerade etwas Neues, daß schnellgehende Treibriemen, besonders wenn die Adhäsion des Riemens auf der Riemenscheibe durch Kolophonium verstärkt worden ist, Reibungselektricität erzeugen, doch beginnt man jetzt erst dieser Erscheinung mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Verdacht, daß diese Elektricität ein Brandstifter der vielseitigsten und gefährlichsten Art ist, läßt sich nicht mehr zurückweisen, auf der andern Seite aber erzeugt sich hier fast kostenlos als Nebenproduct die geheimnißvolle Naturkraft in so großer Menge, daß der Gedanke einer praktischen Verwerthung sehr nahe liegt.

Die eingehendsten Versuche scheint hier der Beleuchtungsinspector des Königlichen Hoftheaters zu Dresden gemacht zu haben, wenigstens hat er uns für die häufigen Mehlstaubexplosionen in Mühlen die wahrscheinlichste Erklärung durch Experimente gegeben.

[71] Die Beobachtungen wurden an den Treibriemen der Dampfmaschine und der Dynamomaschine des Altstädter Hoftheaters angestellt, welche in Erzeugung von Elektricität Erstaunliches leisten und die beste Elektrisir-Maschine übertreffen. Im Anfang war der Verdacht aufgestiegen, daß die Nähe der Dynamomaschine für die Edison-Lichter des Hoftheaters von Einfluß sei, aber andere Treibriemen in den verschiedensten Fabriken zeigen ganz dasselbe Phänomen.

Zuerst über die Stärke der Erscheinung einige Angaben! Sobald man die Hand dem Treibriemen bis auf etwa 15 Centimeter nähert, zeigen sich im Dunkeln starke elektrische Strahlen, die nach den Fingerspitzen überströmen. Eine Leydener Flasche füllt sich in wenigen Secunden so bedeutend mit Elektricität, daß 4 Centimeter lange Funken ausspringen, die dem Körper einen sehr schmerzhaften Schlag verursachen würden. Eine Person, welche nur wenige Secunden auf einem Isolirschemel stand und die Elektricität mit der einen Hand auffing, konnte mit der andern Hand eine Gasflamme entzünden, und damit wäre der Anfang einer praktischen Verwerthung gemacht. Die bekannte Geisler’sche Röhre beginnt schon auf einen halben Meter Entfernung in wunderbarem Licht zu leuchten, und es läßt sich auf diese Weise eine fast kostenlose, aber märchenhaft schöne Illumination herstellen. Lustig war der Anblick einer Anzahl Herren, die sich unter dem Treibriemen in Front aufstellten; in wenigen Augenblicken hatte sich auch das wohlgepflegteste Haupthaar in eine zu Berge stehende Indianerfrisur verwandelt.

Das sind die angenehmen und drolligen Seiten, leider überwiegen die unangenehmen noch bedeutend.

Der harte französische Mühlstein, der in der Regel durch zwei eiserne Reifen zusammengehalten wird, da er aus Theilstücken besteht, bildet eine Isolirschicht ähnlich wie Glas. Der Reifen, welcher dem Riemen am nächsten liegt, fängt die positive Elektricität auf. Nach dem Principe der Leydener Flasche bildet sich im andern Reifen die negative Elektricität, und die Folge davon ist das Ueberspringen der Funken und die häufige Entzündung des Mehlstaubes, der bekanntlich wie Kolophonium explodirend verbrennt und Tausende von Mühlen im Laufe der Zeiten einäscherte. Der Verdacht, daß auch andere Fabriken, in denen leicht brennbare Stoffe verarbeitet werden, großen Gefahren durch die Elektricität ausgesetzt sind, liegt natürlich sehr nahe.

Wie stark der französische Mühlstein isolirt, zeigte ein einfaches Experiment. Man legte ein Stück solchen Steines auf eine Holzplatte, also auf einen guten Ableiter, und umgab den Stein mit einem Drahtbündel. In der Nähe des Treibriemens wurde das Drahtbündel sofort mit Elektricität gefüllt und gab centimeterlange Funken, was nicht hätte stattfinden können, wenn der Stein nicht die Leitung unterbräche. Man nimmt an, daß die ganze Feuergefährlichkeit durch einen dünnen Draht beseitigt wird, der beide Eisenreifen am Mühlsteine verbindet. Derselbe verhindert die Bildung von positiver und negativer Elektricität, und das schließt ein Ueberspringen von Funken völlig aus.

Es sollte uns freuen, wenn diese Mittheilung zu weiteren Versuchen Veranlassung gäbe. Bemerken wollen wir gleich, daß in Fabriken, wo Eisen verarbeitet wird, die Experimente gar nicht oder nur schwach gelingen, wahrscheinlich führen hier die feinen Eisentheilchen, die sich auf den Riemen anheften, die erzeugte Elektricität unbemerkt der Erde zu. Eisentheile in der Nähe der Riemen, wie die Riemenführer, leiten selbstverständlich auch stark ab. Am besten gelingt das Experiment, wenn der Riemen frei von Scheibe zu Scheibe läuft.

Vielleicht entdeckt jetzt mancher Leser in seiner nächsten Nähe eine in aller Stille arbeitende Elektrisirmaschine, von der er keine Ahnung hatte. Uns werden die überraschten Gesichter des Druckereipersonals von Blochmann in Dresden unvergeßlich bleiben, da sich der Treibriemen der Dampfmaschine unter kundiger Hand als eine der stärksten Elektrisirmaschinen entpuppte. Th. G.