Ems und das Lahnthal
Zwischen laubgrünen, villenbesäten Abhängen, eingeengt durch die bis an die Ufer der Lahn sich senkenden Felshöhen der Bäderlei und des Winterberges, zieht sich lang und schmal, den sanften Krümmungen des Flusses folgend, eins der reizendsten Thäler Westdeutschlands dahin. Blankes Silber bergen die Hügel, drüber aber strahlt die goldne Sonne, und sie ruft alle diejenigen herbei, die in dem unruhigen Getriebe der Geschäftswelt, im staubigen Dunstkreis der großen Städte, im Lüsterqualm des ermüdenden Gesellschaftslebens ihre Athmungswerkzeuge geschädigt haben und hilfsbedürftig nach den wunderthätigen Quellen schmachten - nicht zu sprechen von denen, die in dem schönen Lahnthal eben nur die sommerliche Erfrischung suchen.
Die Rheinbahn, die großen Dampfer schiffen die Mehrzahl der Reisenden in Oberlahnstein aus, um sie angesichts der prachtvollen Burg Stolzenfels und des Schlosses Lahneck der Lahnbahn zu übergeben. Diese führt sie durch das romantische Flußthal mit seinen Kapellen, Schlössern und Kirchen, seinen Hüttenwerken, vorüber an dem Dorfe Frücht, der Ruhestätte des Ministers von Stein, schließlich einen Blick gewährend auf die Bäderlei, den Konkordienthurm, den von einem Pavillon gekrönten Malberg, durch das Dorf Ems; und von der herrlichen Thalluft erquickt, erreicht der Reisende den Bahnhof, die mit Gästen gefüllten Promenaden, die über die Lahn führende Brücke, das Herz von Ems: die eigentliche von großen Gast- und Badehäusern bezeichnete Quellenstätte, das Kurhaus, den Kursaal mit seiner Kolonnade und seinem durch die enge Thallage zwischen Straße und Lahnufer allerdings im Vergleich zu Homburg und Wiesbaden sehr beschränkten Kurgarten.
Ems ist alt, und wie dies bei fast allen bemerkenswerthen Ortschaften des Taunus der Fall ist, erzählt seine Geschichte und nicht weniger der Pfahlgraben wie das Auffinden von alten Grundmauern und Badeleitungen, daß die Römer in ihrer Liebhaberei für warme Quellen sich auch diese schon zu Nutze gemacht haben; und wenn auch die schriftliche Ueberlieferung der Alten jede Mittheilung über eine römische Niederlassung vermissen läßt, so dürfte Tacitus in seinen „Annalen“, in welchen er berichtet, daß Curtius Rufus im Lande der Mattiaker nach Silber habe graben lassen, doch diese Gegend des Lahnkreises gemeint haben.
Eine sprungweise Erwähnung geschichtlicher Daten gestattet hier eben nur die Andeutung, daß urkundlich von den Emser Silberwerken zuerst im Jahre 1158 die Rede ist, um welche Zeit Kaiser Friedrich I. deren Ausbeutung einem Bischof von Trier übergab. Der warmen Bäder geschieht erst in einer Urkunde des Erzbischofs Wilhelm von Köln 1355 Erwähnung, danach 1383 eines „Thurms auf dem Bade“, dessen Reste man noch jetzt in den Fundamenten im Kurhof erkennen will. In welchem anspruchslosen Zustand sich die damaligen Badeeinrichtungen befunden haben, geht aus einer Urkunde der Grafen von Katzenelnbogen und Nassau vom Jahre 1438 hervor, in der es sich nur um einige Baderäumlichkeiten handelte. Im Jahre 1583 errichtete Landgraf Wilhelm von Hessen ein Bade- und Wohnhaus, das wahrscheinlich den Mittelbau des heutigen Kurhauses bildet, damals aber nur zu eigner fürstlicher Bequemlichkeit und der von hohen Gästen diente. Von da ab scheint sich um die „Heilquellen“ von Ems eine vornehmere Gesellschaft gesammelt zu haben, die bei dem Mangel an Unterkunft in Zelten wohnte und in diesen ein vergnügtes, zu mancherlei Badescherzen geneigtes Leben geführt haben mag.
Erst im 17. und 18. Jahrhundert ward den Badeanstalten größere Sorgfalt gewidmet, Häuser wurdest errichtet, das Kurhaus wurde ausgebaut, ein großer Gesellschaftssaal hergestellt; und je mehr sich der Ruf der Quellen verbreitete und festigte, desto mehr wuchs sich Ems zur Stadt aus. Die Anlage der jetzigen Bäder wurde jedoch erst im Jahre 1811 begonnen und seitdem ausgestalte; Altes und Unmodernes wurde abgebrochen, die Eisenbahn entstand und um den Bahnhof am linken Ufer, am „Spieß“, ein ganz neues Bauviertel; vier eiserne Brücken wurden hergestellt, und so ward Ems eins der modernsten und schönsten Badestädtchen. Kaiser und Könige sah es als seine alljährlichen Gäste, Kaiser Wilhelm I., den Kaiser von Rußland, viele andere Fürstlichkeiten, Touristen aller Welttheile, mit einem Wort: eine Gesellschaft, wie sie so glänzend kaum ein anderer Kurort beherbergte. Zur Geschichte der Stadt, die sonst nicht viel Merkwürdiges aufzuweisen hat, bildet bis jetzt den Schlußstein jenes schroffe Auftreten des französischen Botschafters Benedetti gegen König Wilhelm bei Gelegenheit der spanischen Kronkandidatur des Prinzen von Hohenzollern. Eine Steinplatte im Kurgarten verewigt das Andenken an jene bedeutungsvollen Ereignisse, deren zum Theil legendenhafte Züge freilich vor der aktenmäßigen Geschichte nicht alle Stand halten konnten. Ein [338] Denkstein ist aber diese Platte jedenfalls für eine, die ich hier vor Jahren in kaltem Frühlingswetter, in grauem Mantel, Hut und Schleier, gebückt, den Stab in der einen, das Brunnenglas in der anderen Hand, des Morgens einsam, einen Gegenstand der Neugier, wandeln sah – für Eugenie, die ehemalige graziöse Kaiserin von Frankreich. Denn sie war es bekanntlich, die im frivolsten Uebermuth ihre „petite guerre“, ihr „Kriegchen^, haben wollte, die den kranken Napoleon III. zur Kriegserklärung, sich selbst und ihn in die Verbannung trieb. Wie das Thränenkrüglein der Witwe erschien mir damals das Brunnenglas der Vereinsamten, um Thron und Sohn Trauernden! Ich hatte sie auf der Höhe ihres Glanzes in Paris so unzählige Male als mächtige Beherrscherin der Mode im Bois de Boulogne, dann bei der Einweihung des Suezkanals neben dem Khedive kokett auf einem Eselein daherziehen sehen, hatte sie in Schwalbach beobachtet, wie sie leicht geschürzt mit großem Stocke über die waldigen Höhen tänzelte – und gerade hierher, nach Ems, hatte sie wandern müssen, um Frist für ein mit Reue heladenes Dasein zu suchen!
Jetzt wird übrigens Ems auch sein stattliches Kaiser-Wilhelm-Denkmal erhalten, zu dessen Aufschrift Ernst von Wildenbruch das schöne Distichon verfaßt hat:
„Hier, wo Du oft von Thaten geruht, um zu Thaten zu schreiten,
Hält das dankbare Ems liebend für immer Dich fest.“
Eine andere stadtgeschichtliche, aber nicht ganz erfreuliche Zeit begann für Ems, als aus den Erdgeschossen des Palais Royal in Paris 1839 die Spielhalter vertrieben wurden, die darauf nach Deutschland zogen und sich in den rheinischen Bädern ein Privilegium für die Errichtung öffentlicher Spielbanken zu verschaffen wußten. Baden-Baden, Homburg, Wiesbaden, Nauheim, Ems übten durch ihre Spieltische bedeutende Anziehungskraft aus, aber ihr Fremdenpublikum gewann dadurch nicht an sittlichem Werthe. In Menge zogen die Waghalsigen, die Gewinnsüchtigen, Hochstapler, Abenteurer herbei, von Paris kamen die „Damen von Breda“ mit ihrem sauberen Gefolge; Benazet, der Spielpächter von Baden-Baden, verstand gerade diese Gesellschaft zu ködern, er hielt die französische Boulevardpresse förmlich in seinem Solde. Die Berichterstatter der einflußreichsten Boulevardblätter waren seine Gäste; er stellte ihnen Equipagen zu Diensten und legte ihnen zum beliebigen Spielverbrauch Tausend -Francs-Röllchen auf ihren Nachttisch. Blanc in Homburg verstand das Geschäft nicht minder – er hat sich bekanntlich als Rückzugspunkt Monte-Carlo gesichert, als die öffentliche Meinung sich immer stürmischer gegen die rheinischen Spielhöllen erhob. Wiesbaden und Ems hatten eine gemeinsame Spielgesellschaft, was seine besonderen Vortheile bot; denn wenn in Ems ein Glücklicher mit einem Gewinn davonging, fiel er in Wiesbaden hinein, oder umgekehrt. Selbst die sogenannte bessere und beste Gesellschaft der Kursaison pflegte sich gern und mit einer erstaunlichen Vorurtheilslosigkeit gegen des Nachbars Ellenbogen an den Spieltischen zu sammeln. Millionen waren es, welche die Banken alljährlich einheimsten; unberechenbar aber war das Elend, das sie in den Familien anrichteten, bis endlich im Jahre 1866 ein preußischer Lieutenant an der Spitze eines Zuges von Landwehrleuten erschien und im Namen des Gesetzes des Eroberers die Spielbank für geschlossen erklärte.
In Rücksicht auf die mannigfachen äußeren Vortheile, durch welche die betreffenden Kurorte mit den Banken verknüpft waren, gestattete Preußen in den annektierten Ländern allerdings noch die Fortsetzung des Spiels bis 1872, dann aber war ich selbst Zeuge, wie der letzte „Halunkenzug“ alle bis zum Schlusse gebliebenen Schakale davontrug, die sich seit Anbeginn um die Banken gesammelt hatten.
Diese Banken, wie unselig und verdammlich auch ihr Treiben, waren für die Gemeinden der rheinischen Kurorte erklärlicherweise ein reicher Quell der Wohlfahrt gewesen. Nicht nur für die Wirthe, für die Besitzer von Spielaktien, welche riesige Dividenden abwarfen – ihre Gerechtsame hatten sie auch zu großen Abgaben für das Gemeinwohl und für Stiftung eines Ku-, Theater- und Verschönerungsfonds gezwungen – die schönsten Anlagen verdankten die Städte eben ihnen und natürlich auch den ganzen äußeren Flor; daß derselbe mit dem Ruine so vieler Familien bezahlt worden ist, davon haben die inzwischen verflossenen zwanzig Jahre allmählich die Erinnerung verwischt.
Und es ist gut so. Das psychologisch Merkwürdige aber bleibt, daß gerade in diesen Orten, von denen man erwartet, daß die Leidenschaft für das Spiel wie Mauerschwamm fortwuchern [339] werde, der Dämon Hazard vollständig verschwunden ist. Hatten dieselben bis dahin ihren Vortheil von dem Bestehen des Spiels, so haben sie ihn seitdem von dem Verbot desselben; denn während früher eine ehrsame, wohlhabende Familie nur mit großer Unerschrockenheit wagte, ihren Wohnsitz in einem Spielbadeort aufzuschlagen, hob sich der Zuzug beispielsweise nach Wiesbaden in überraschendem Maße, als kaum das „faites le jeu!“ in den Sälen des Kurhauses verstummt war.
Aehnlich erging es auch den anderen Orten. Allerdings ist die große schöne Zeit vorüber, in welcher ein allgemein verehrtes gekröntes Haupt, Kaiser Wilhelm I.[1], wenn er alljährlich in Ems erschien, alles herbeizog, aber es ist noch immer des Flors genug trotz des allgemeinen Herabgehens der Geldverhältnisse, der Schmälerung großer Einkünfte, die sonst zur Entfaltung äußerer Herrlichkeit Aufforderung gaben, und Ems besitzt in seinen Thermen eine hoffentlich unversiegbare Quelle des Gedeihens, in seiner städtischen Anlage, in seiner herrlichen Umgebung eine ebenso unerschöpfliche Anziehungskraft.
Nur ein flüchtiger Blick auf diese! Den schönsten gewährt uns die Zeit, wo Ems aus seinem Winterschlaf erwacht und die Fluren, die Bergesrücken sich in neues Grün kleiden. Das Thal ist eng, dem Fuße der Felsen ist sogar gewaltsam der Raum für die Villen und Badehäuser abgewonnen, während auf dem linken Ufer neuere herrliche Ansiedlungen, schloßähnliche Landhäuser sich bequemer auf dem Abhang des Malbergs ausbreiten; alles ist modern, denn Ems schreibt seine Glanzzeit erst von da her, wo die Eisenbahn das poetische Lahnthal dem größeren Zuzug erschloß.
Das eigentliche Badeleben drängt sich zusammen um den Kurhof und den Kurgarten, um den neuen Kursaal und das alte Kurhaus, die schattige Lahnterrasse und die Wandelbahnen. Hierher ruft schon am frühen Morgen vom 1. Mai ab die Kurkapelle die Gäste. Knapp nur ist der Raum, auf welchem sich bei günstigem Wetter die Gesellschaft mit ihrem Trankglas in der Hand bewegt, und in buntem Gewirr der mehr oder minder anspruchsvollen Morgentoiletten und Landestrachten, sich in allen Sprachen der Welt unterhaltend, quirlt hier das Kurpublikum bei den Klängen des Orchesters durcheinander. Die Kolonnaden sind dicht gefüllt von auf und ab Wandelnden, ganz besonders, wenn unfreundliches Wetter sie hierher und in die Bogengänge des Kurhauses zusammentreibt. Man braucht die Sonne, den klaren Himmel in Ems mehr als in anderen Kurorten, eben weil sonst das Kurhausrestaurant, die Säle überfüllt sind, weil die verabredeten Partien hinaus in die schöne Umgebung, die Wasserfahrten etc. zur Unmöglichkeit werden und man auf die Zimmer angewiesen ist. Mehr noch und dichter füllt sich der Kurgarten beim Nachmittagskonzert, wenn die Bahn die Passanten, die Vergnügungszügler nach Ems führt, und endlich an den Abenden, an welchen Vorstellungen auf dem kleinen Kursaaltheater, Bälle, Künstlerkonzerte stattfinden, wie das ja in allen hervorragenden Kurorten geschieht.
Es fehlt hier der Raum, auf alle zum Theil großartigen Bauten einen Blick zu werfen, die vorzugsweise für die Aufnahme von Gästen bestimmt sind, wie z. B. in unmittelbarer Nähe des Kurhauses und gegenüber dem Kursaal die Gasthöfe ersten Rangs „Vier Jahreszeaen“, „Europäischer Hof“ und „Nassauer Hof“, hinter welchem die Grotte der „König Wilhelms-Felsenquelle“ liegt, der Brücke gegenüber der „Darmstädter Hof“, flußabwärts am Ende der Anlagen die „Vier Thürme“, „Englischer Hof“ und „Fürstenhof“, „Schloß Langenau“, eine viel besuchte Pension; auf dem linken Ufer die Villa Bella Riva, das Schloß Balmoral u. a. Was die Quellen betrifft, so erscheint es zweifellos, daß dieselben sämmtlich in Verbindung miteinander stehen und ihre Temperatur sich je nach ihrer Mächtigkeit richtet. Ihre Dienste leisten sie namentlich gegen Kehlkopf- und Bronchialkatarrhe, gegen Katarrhe des Magens und Darmkanals, gegen gewisse Leberkrankheiten u.s.w. Das doppeltkohlensaure Natron bildet in allen mehr oder minder den Hauptbestandtheil, Chlornatrium enthalten sie sämmtlich, daneben doppeltkohlensaures Lithion, schwefelsaures Natron, Jodnatraium, Bromnatrium, phosphorsaures Natron, schwefelsaures Kali; besondere Eigenschaften hat die Eisenquelle, dem Schwalbacher Weinbrunnen ähnlich. Die bedeutendsten Trinkquellen sind die alten, dem Fiskus gehörigen „Krähnchen“-, „Fürsten“- und „Kesselbrunnen“ im Kurhaus und die erst später erschlossenen, im Privatbesitz befindlichen „Viktoria“-(gleichwertig mit Krähnchen), „Augusta“-, „Wilhelms“- und „Eisenquelle“. Zahllos sind die Krüge namentlich des Krähnchen- und Viktoriawassers, welche von den betreffenden Verwaltungen alljährlich in alle Welttheile hinausgesandt werden, zahllos die Schachteln des Emser Quellsalzes und der aus diesem hergestellten allbekannten „Emser Pastillen“.
Von hohem Reize sind die romantische Umgebung von Ems, die Promenaden des Marien- und Henriettenweges, die Partie auf den Malberg. Ehedem war man gezwungen, wenn man den letzteren besuchen wollte und doch das Bergsteigen nicht liebte, sich dem Rücken eines launenhaften Esels anzuvertrauen, heute fährt die Drahtseilbahn zur Höhe hinauf, die durch ein Sanatorium zum Luftkurort geworden ist. Der Blick von hier oben über das Lahnthal und die Höhen des Westerwaldes ist ein außerordentlich fesselnder. Dankbar sind die Partien zum Winterberg, der Schiefer-Felsenpfad zur Bäderlei, zur Mooshütte, zum Konkordienthurm und der „Schönen Aussicht“, nicht minder ein Gang nach Dorf Ems, von da nach der Nieverner Eisenhütte, zur Silberau und Silberschmelze, der Ausflug zum Lahnsteiner Forsthaus, nach dem bereits erwähnten Dorfe Frücht. Dort befindet sich in einer gothischen Kapelle die Gruft der Familie von Stein, seit 1831 die Grabstätte jenes großen, unvergeßlichen Mannes, „des gebeugten Vaterlandes ungebeugten Sohnes“, dessen Grabschrift an einem Reliefbild von Schwanthaler uns sagt:
„Sein Nein war Nein gerechtig, sein Ja war Ja vollmächtig,
Seines Ja war er gedächtig, sein Mund, sein Grund einträchtig,
Sein Wort das war ein Siegel.“
Wer Künstler ist, der wallfahrtet gern zu dem an der Mündung des Unter- und Oberbacherthals so romantisch gelegenen mittelalterlichen Dorfe Dausenau, das sein Entstehen den Römern und zwar Drusus verdanken soll. Hier saß im 17. Jahrhundert ein hochnothpeinliches Hals- und Hexengericht, und von dem schiefen, mit Unrecht den Römern zugeschriebenen Thurme geht die auch unwahrscheinliche Sage, daß in demselben einst Karls [340] des Großen Geheimschreiber Eginhard mit des Kaisers schöner Tochter Emma gefangen gehalten worden sei.
Ein interessanter Nachbar dieses Städtchens ist Nassau in seinem blühenden Thale, mit den Burgen Nassau und Stein, letztere mit der 1872 feierlich enthüllten kolossalen Marmorstatue des großen Mannes geschmückt, dessen Name auch dem Städtchen seine Weihe giebt. Denn hierher, nach dem Stammsitz seiner Familie seit dem 16. Jahrhundert, zog Stein sich in sein Geburtshaus zurück, um während seiner letzten Jahre der Ruhe und den Wissenschaften zu leben. „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ lautet die Inschrift des Wappens über der Thür des alten Familienhauses, das an sich von keiner architektonischen Bedeutung ist; neben ihm erhebt sich ein gothischer Thurm, den Stein selbst zur Erinnerung an die Freiheitskriege hat errichten lassen. Die Burg Nassau, schon im 12. Jahrhundert vorhanden, die Stammburg der nassauischen Familie, aus der einst Kaiser Adolf hervorging, ist längst Ruine, nur die Umfassungsmauern, ein Spitzbogenthor und die Grenzmarken des Burgfriedens sind noch vorhanden.
Einen der herrlichsten Punkte an der Lahn bilden die Bnrg Langenau und ihr gegenüber auf der Berghöhe das Klosterschloß Arnstein, einst der Sitz der Gaugrafen dieses Namens, deren letzter Sproß die Burg in eine Prämonstratenserabtei umwandelte. Der Sage nach soll der fromme Graf Ludwig, der ohne Leibeserben war, mit sechs seiner Ritter den Harnisch und das Schwert abgelegt, die Mönchskutte angethan und auch seine Gemahlin Guda dazu vermocht haben, in einer Zelle ihr Leben zu beschließen. Graf Ludwig starb im Geruch der Heiligkeit; vier seiner Ritter trugen seine Leiche in der Klosterkirche zu Grabe.
Als letzte Schaustücke seien hier noch, nach einem Blicke im Vorübergehen auf Kloster Brunnenburg und die Ruine Laurenburg (auch eine alte Burg der Nassauer), die Ruine Balduinstein, so genannt nach ihrem Erbauer, dem streitbaren Erzbischof von Trier, und endlich die Zierde des Lahnthals, die Schaumburg, angeführt. Das alte Schloß der Isenburger und Westerburger Grafen, heute im Besitz der fürstlich Waldeckschen Familie, war bis 1812 Eigenthum des nun ausgestorbenen Hauses Anhalt-Bernburg-Schaumburg, dann von 1848 bis 1866 die Residenz des Erzherzogs Stephan von Oesterreich, der sich hierher zurückzog; noch heute steht dieser als ein Wohlthäter der ganzen Umgebung im wärmsten Andenken; während der fast zwanzig Jahre seines Aufenthalts war er beharrlich für den Ausbau und die Verschönerung des Schlosses thätig. Was er hier an Schätzen der Wissenschaft gesammelt, hat sich nach seinem Tode zerstreut, nur die Erinnerung an ihn ist so unvergänglich wie die monumentalen Zeugen, die von der Unermüdlichkeit reden, mit welcher der einstige Paladin von Ungarn den alten Stammsitz der Isenburger in eins der schönsten Schlösser umwandelte.
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- ↑ Kaiser Wilhelm I. wohnte regelmäßig in dem Querflügel des Kurhauses, der auf unserer Abbildung Seite 341 sichtbar ist.