Erinnerung (Tucholsky)
Der Eine: Eine Dritter Alexanderplatz!
Der Andere: Mir auch eine Dritter Alexanderplatz …!
Der Eine (dreht sich im Weggehn noch einmal um): Nanu?
[134] Der Andere: Bitte?
Der Eine: Ist das nicht …? Pucknat?
Der Andere: Greesemann! Mensch! Wo kommen Sie denn her?
Der Eine: Na, Sie wissen doch – ich lebe hier in Berlin. Und Sie?
Der Andere: Na, ick ooch! Mensch – det ick Sie noch mal wiedersehe! Wie gehts Ihnen denn?
Der Eine: Na, man schlägt sich so durch …
Der Andere: Wissen Sie was: gehn wir ein Glas Bier trinken. Ham Se Zeit?
Der Eine: Na klar! Das Wiedersehn muß doch begossen wern! Wann ham wa uns das letzte Mal gesehn? Vor vier Jahren … Wie die Zeit vergeht!
Der Andere: Na, sagen Sie mal, wie ist Ihnen denn der Krieg bekommen? Noch immer der gute alte Bauch? Proviantinspektors-Bauch … Hähä!
Der Eine: Na, lassen Sie man gut sind – Sie ham auch keinen schlechten! Janz wie damals, beim Stabe. Ihr habt da was geachelt!
Der Andere: Na, Sie ham ja auch geliefert! Was? Donnerwetter – Sie, das war’n Essen!
Der Eine: Na ja – das kann sich natürlich heute keiner mehr leisten. Wenn ich noch denke …
Der Eine … Eier und jeden Tag Braten und die Butter –! Prost!
Der Andere: Wir ham nich schlecht gelebt. Der Stab hat ja was angefordert – Sie müssen doch manchen Kummer gehabt haben!
Der Eine: Na, man hat ja buchen gelernt … Prost!
Der Andere: s war doch ne schöne Zeit, meine Herren!
[135] Der Eine: Besser als jetzt jedenfalls. Waren Sie in „Fridericus Rex“?
Der Andere: Dicke. Famoser Film. Das frischt einen mal ordentlich wieder auf.
Der Eine: Kann einer ja nu sahrn, was er will: Es war eine famose Leistung draußen im Felde. Wie Eisen hat das gehalten.
Der Andere: Un wissen Se noch: wie wir den Hammel versossen haben?
Der Eine: Na und ob. Ich hattn übrig – er sollte mit an die Front, die Hämmel mußten ja immer an die Front – aber er sah so jüdisch aus, det Aas – da dacht ick: Bleib du man lieber in der Etappe! Prost!
Der Andere: Prost! Inspektorchen, Sie wahn doch ein famoser Kerl! Ohne Sie wär der janze Stab in die Luft geflogen. Prost!
Der Eine: Danke, komme nach. Wissen Se, wenn man das so liest, was die Brieder seit der Glorreichen Alles über unsereinen veröffentlichen …
Der Andere: Unerhört is diß. Denken Se, da hab ich so ein Heft jelesen: Anklage der Gepeinigten oder sone Hintertreppenkiste …
Der Eine: Gestatte mir. Was standn da drin?
Der Andere: Na, aus som Feldlazarett. Die Ärzte sollen den Kranken das Essen jeklaut ham un so. Is ja lächerlich. Is ja nie vorjekommen. Na – das Gericht hat das Heft denn auch gleich eingezogen. Es gibt noch Richter in Preußen. Prost!
Der Eine: Was sagen Sie zu Nicolai?
Der Andere: Zu dem Juden? Kneifer. Sie, ham Sie was von Christeinicke gehört?
Der Eine: Ja, der war doch lange Zeit Untroffzier bei mir, aber als er dann mal Exzellenz übern Weg lief, [136] wie der grade einen gehoben hatte, da schmiß er ihn doch an die Front – und seitdem weiß ich nichts weiter von ihm. Valleicht is er gefallen. Na, Prost –!
Der Andere: Prost! Und wir wollen mal auf das herrliche deutsche Heer trinken und auf den stillen Dulder in Holland und auf Schwarz-Weiß-Rot! Prost!
Der Eine: Prost! Pucknat – Sie sinn famoser Kerl! Sollen leben! Passen Se mal auf: wir kriejen noch mal die gute alte Zeit!
Der Kellner: Darf ich zu zahlen bitten. Ich werde abgelöst.
Der Eine: Sie, det kommt mir komisch vor. Das is das erste Mal, daß wir Beide zusammen sitzen, einen nehmen und denn zahlen!
Der Andere: Greesemann – hips – aber das sahr ich Ihnen: Wenns noch mal gegen Frankreich geht – ich nehm noch mal mein Gewehr auf den Buckel und geh mit.
Der Eine: Hatten Sie denn ’n Jewehr?
Der Andere: Kleiner Schäker! Prost, Rest auf Majestät!
Der Eine: Über Alles. Prost ex. Donnerwetter, strammes Weib. Ham Se den Busen gesehn?
Der Andere: Vaflucht. Na – dann empfehln Se mich Ihrer Frau Jemahlin! Wiedersehn!
Der Eine: Danke, danke! Fehln Se mich zu Hause. Wiedersehn! Wiedersehn!