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Ersch-Gruber:Bremen (Herzogthum)

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Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste
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Bremen (Erzbisthum)
Section 1, Theil 12 (1824), ab S. 432. (Quelle)
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GND-Nummer 4008138-2
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WS: Zu diesem Artikel gehört die „Charte der freien Stadt Bremen nebst Gebiet (Bd. 1,12 Nachträge - S. 432)“ im Band „Band Kupfer 1“ [1]

BREMEN, das Herzogthum, jetzt ein Theil der hanöverschen Landdrostei Stade. A. Geographie und Statistik [1]*). 1) Lage, Gränzen, Größe. Die Provinz Bremen hat ihren Namen von der Hauptstadt; sie breitet sich im teutschen Norden von 25° 55' bis 27° 22' östl. L. und 52° 56' bis 53° 52' nördl. Br. aus. Die Gränzen sind im N. das teutsche Meer, im NO. die Elbe, die sie von Holstein trennt, im O. Lüneburg, im SO. Verden, im S. Hoya und das braunschw. Amt Thedinghausen, im Westen das Gebiet der freien Stadt Bremen und die Weser, die sie von Oldenburg trent, und im NW. das hamburgsche Amt Ritzebüttel und das Land Hadeln, welche beiden man jedoch, wie das auf der Ostseite belegene oldenburgische Amt Würden als eingeschloßne Parzelen betrachten kann. Der Flächeninhalt beträgt 94¾ □Meilen.

2) Physische Beschaffenheit. Das Sprichwort sagt: Bremen gleiche einem abgeschabten Mantel mit goldener Verbrämung und Kragen. Es hat vieles Wahre. Bremen gehört zu den großen nordteutschen Flächen und besteht im Innern blos aus Haiden und Mooren, die meistens nur magere Geest darbieten, der Rand aber, den die beiden mächtigen teutschen Ströme begleiten, aus aufgeschwemmter Marsch, die bald mehr bald minder fruchtbar ist. Kein Berg erhebt sich über die einförmige Oberfläche, und was man bei dem 2 Meilen von Bremen belegenen Worpswede Berge nent, sind nur 2 vom Winde zusammengetriebene Sandhügel, die kaum 150' über den Spiegel der Weser erreichen. Zwischen der Haide des Inneren breiten sich längs der Hamme jene großen Torfmoore aus, wovon das Düvelsmoor in den neuern Zeiten durch die Vehnkolonien trocken gelegt ist, aber strichweise findet man in allen Haiden bis zum Gestade des Meeres hinauf dergleichen Moore, die indeß einen geringeren Umfang haben. Die sandigen Haiden sind hie und da mit großen Granitblöcken bestreuet, und überall stößt man auf Anzeichen, daß das Meer länger diese Strecken bedeckt habe, als das tiefer gelegene Teutschland. Hier und da stehen kleine Wälder als Gruppen da, wovon einer der höchsten und dichtesten bei Bederkesa aufgewachsen ist. Die Marschen oder das aufgeschwemmte Land ist übrigens nicht von gleicher Güte; ohne Vergleich besser sind die Marschen an der Elbe als an der Weser, hier liegt die Marschschicht zu flach auf dem Gnatz, der in der Landessprache mit dem Namen Dwa und Darz benent wird, und der besonders dem Anbaue hochstämmiger Bäume, die Pfahlwurzeln schlagen, hinderlich ist, auch enthalten die Marschen der Weser wenigere fette Substanzen, als die an der Elbe, sind minder ergiebig und mit weit mehrer Vorsicht zu behandeln. Bei ihrer niedrigen Lage müssen sie alle durch Deiche vor den Austretungen der Flüsse geschützt werden. – Die Elbe strömt im O., die Weser im W. des Landes: in jenen Hauptstrom ergießen sich die Oste, die Este, die Lühe und Schwinge, in diese die Lesum, die sich durch den Zusammenfluß der Wümme und Hamme bildet, die Lüne und Geeste; der bedeutendste Binnenfluß ist die Oste, die sich von S. nach N. durch das Land windet und fast von der Hälfte ihres Laufs an schiffbar ist. Alle diese kleinen Flüsse sind nicht allein fischreich, sondern können auch auf eine Strecke mit Booten befahren werden. Kleine Binnenseen sind das Flügelsmeer, der Balk- und Bederkesersee. Der Hauptkanal ist der sogenannte Schiffahrtskanal, welcher Hamme und Oste verbindet und zur Verbindung der beiden Hauptstöme vorgerichtet ist, jetzt indeß zu diesem Zwecke nicht dient, wol aber die Austrocknung der Vehne [433] vorzüglich befördert hat. Quellen sprudeln in der Haide hier und da klar und hell hervor, aber die Brunnen haben meistens in der Tiefe mehr oder weniger einen Moorgeschmack. – Das Klima ist zwar gemäßigt, doch mehr kalt als warm zu nennen. Häufig umlagern Nebel das Land, und im Herbste herrschen besonders in den Marschen Orkane und Stürme, daher selten ein Haus 2 Stockwerke trägt. Die Witterung ist auch sehr veränderlich, die Winterkälte aber gelinder, als selbst im innern Teutschland.

3) Kultur des Bodens, Kunstfleiß, Handel. Die natürliche Abtheilung des Landes in Marsch und Geest hat auf den Ackerbau einen entschiedenen Einfluß; anders bearbeitet der Landmann in der Geest, anders in der Marsch den Boden. In der Regel gibt die Geest bei weitem schlechtere Ernten als die Marsch, doch hat man auch ganz einträgliche Geestfelder und dagegen schlechte Marschen, daher man auch die Geest wieder in gute, mittlere und schlechte, die Marsch in gute und schlechte eintheilt. Ganz Bremen enthält 1,981,832 kalenb. Morgen. Davon sind 443,559 Ackerland, und von denselben kommen 231,009 auf die Geest, 212,550 auf die Marschen. Der als Ackergrund benutzte Boden hält sich mithin in Marsch und Geest so ziemlich die Waage. Dafür sind aber auch fast 2/3 der Marsch für den Pflug, nur 1/3 zu Wiesen oder Fettweiden bestimt, wogegen die bei weitem größere Geest noch nicht den 7. Theil ihrer Oberfläche dem Pfluge darbietet; 6 Theile liegen als Wiese, Weide, Trift, Gemeinhuth, Gewässer, Holzung oder Wüste da. Man darf dem bremenschen Bauer die Gerechtigkeit nicht versagen, daß er das, was er in Kultur genommen hat, mit Fleiße und in neuern Zeiten auch mit Umsicht bauet, und daß die Vorurtheile, die ihn sonst gefangen hielten, nach gerade zu weichen beginnen; doch kann man den bremenschen Landbau keineswegs musterhaft nennen, und es fehlt viel, daß er dem kalenbergischen gleich komme. Indeß darf man auch nicht verkennen, daß dem Landmanne hier weniger Mittel zu Gebote stehen, und daß hier noch manches auf ihm lastet, was dort verschwunden ist. Bremen erzeugt an Kornfrüchten etwa so viel, als es nöthig hat; kann der Landmann auch hier und da etwas verkaufen, so hat ein anderer das wieder von dem Auslande nöthig, und beides mag sich so ziemlich die Waage halten. Die Ernte in den Marschen fällt natürlich weit ergiebiger als auf der Geest aus, die in der Regel meistens nur Roggen, Hafer und Buchweizen bauet, aber das Korn, das auf der Geest wächst, ist in der Regel mehlreicher und besser, wenn es auch weit sparsamer schüttet. Die Hülsenfrüchte, besonders Bohnen, gerathen in der Marsch vorzüglicher, als auf der Geest. Gemüse wird zur Nothdurft gebauet, Kartoffeln mit immer steigender Progression; die ottersberger lange gelbe Rübe ist dem Boden dieses Marktfleckens eigenthümlich, artet auf anderen Plätzen aus, und wird daher bis nach England und Holland verfahren. Der Meerrettig des Altenlandes verdient hier auch eine Erwähnung, da er ein nicht unbedeutendes Export ausmacht. Flachs wird zwar überall gebauet, ist aber vor allem eine Stapelware des Altenlandes, wo nicht nur Vieles durch den Hausfleiß verarbeitet, noch mehr aber roh ausgeführt wird, und sonst gingen wol ganze Schiffsladungen mit rohem Flachse nach England und Holland. Hanf geräth feiner und besser auf der Geest als auf der Marsch, und wird dort auch zu einem groben Hanfleinen verarbeitet; den dicken steifen Marschhanf verkauft man für die Seilereien nach Hamburg und Bremen. Rapsaat ist eine Stapelware des Landes Kehdingen und der Ämter Neuhaus und Oste; 1 Himpten Aussat gibt hier wol 400 Himpten Ertrag. Die Saat geht, weil nur weniges im Lande selbst zu Öle geschlagen wird, meistens nach Holland und den freien Städten, und der Landmann kauft dann vom Auslande das Rüböl. Obst hat man in den Elbmarschen, besonders im Altenlande, im Überflusse; dieses kleine Ländchen, das kaum 4 □M. faßt, soll jährlich für 150,000 Gulden aus seinen Kirschen lösen, und es gibt dort Gärten, die 3000, 4500, ja 6000 Gulden ertragen. Das meiste Obst geht nach Hamburg, einiges nach Bremen. – Die Viehzucht ist ganz beträchtlich; 1811 fand man im Lande 39,433 Pferde, 98,100 Stück Rindvieh, 168,319 Schafe und 58,412 Schweine, mithin 364,264 und auf der □M. 3844 Stück größeres Vieh. Das Pferd, womit doch meistens der Ackerbau getrieben wird, findet auf der Geest keine zuträgliche Weide; dagegen zieht der Bewohner von Wursten und in der Osterstader Marsch viele gute Pferde auf und setzt sie mit Vortheil ab. Das Rindvieh hält das Mittel zwischen der friesischen und holsteinischen Rasse; die Landleute der Wesermarschen machen auf ihren Weiden jährlich vieles Vieh fett. Die Schafe, zur Schnuckenrasse gehörig und nur einzeln veredelt, geben ihre Wolle zu den Landtüchern, die an verschiedenen Orten verfertigt werden; ein Theil geht roh aus. Die Schweinezucht ist für den Hausbedarf zureichend. Bienen werden auf der Haide gehalten – etwa 8000 Körbe, und ein nicht unbedeutender Gewinn aus dem Verkaufe des Honigs und des Wachses gezogen. An Flußfischen hat das Land einen Überfluß, der doch nur zur Konsumtion dient; an den Küsten werden mancherlei Seefische gefangen, auch Schalenthiere; die Seemuscheln werden für die Kaltbrennereien häufig auf den Watten gesammelt und auf dem Strande wol hier und da eine Robbe geschlagen. An Wildpret ist das Land arm, und Hasen und Schnepfen machen wol das Vornehmste aus, was die Küchen davon bekommen; dagegen hat es auch kein reißendes Thier, und an kleinem Raubwilde blos Marder, Wiesel und Iltisse. Die Forstkultur wird in den wenigen Waldungen, die noch vorhanden sind, mit Umsicht gehandhabt, und man sucht jetzt den Schaden herzustellen, den die häufigen Aushauungen seit dem 30jährigen Kriege darin hervorgebracht haben. Dessen ungeachtet würde der Mangel an Brennholz höchst fühlbar seyn, wenn das Land nicht an seinem Torfe ein treffliches Surrogat besäße. Dieser ist für die Bewohner der Moordistrikte eine wahre Goldgrube. Sie versehen damit nicht nur die Städte des Landes, sondern auch Hamburg und Lübeck, und mancher Landmann löset aus seinen Torfgruben wol 300 Gulden und darüber. Außerdem hat das Land noch guten Töpfer- und Ziegelthon, welcher letzre in den großen Ziegeleien zu Gute gemacht wird, und etwas Walkererde. – Der Kunstfleis ist in diesem blos produzierenden Lande [434] höchst unbedeutend; der Hausfleis liefert etwas Tuch und Beiderwand aus selbst gezogner Wolle, und etwas Hanfleinwand, sonst findet man blos Ziegeleien, Brennereien, ein paar Papiermühlen und Töpfereien, und die paar Fabriken in den Städten und Marktflecken, die doch auf das Ganze nicht einwirken; fast alles übrige muß das Ausland liefern. – So vortheilhaft das Land auch zwischen den Mündungen zweier Hauptströme belegen ist, so wenig haben dessen Bewohner doch dieselben bisher für Schiffahrt und Handel zu benutzen verstanden. Sie waren theils immer daran gewöhnt, Bremen und Hamburg als ihre Emporien, als die sicheren Abnehmer ihrer Produkte anzusehen, um daran zu denken, sich andere Kanäle zu öffnen, theils fehlt es vorzüglich an Gelde, um einem anfangs kostspieligen Eigenhandel in Gang zu bringen, theils an einem Hafen an den beiden Hauptflüssen, um Fahrzeuge vor Stürmen und Gefahren zu sichern. Zwar wollte schon Karl XI. Lehe zu einem Handelshafen einrichten, aber das Projekt gerieth unter der kriegerischen Regirung seines Nachfolgers in Stocken, und die hanöverische Regirung hat erst seit der neusten Zeit diesen Hafen besser in Stand setzen lassen. Doch trieben schon vorher die Örter Neuhaus und Oberndorf, die kleine Häfen an der Oste besitzen, einige Rheederei und Stade sendete 1815. 4 Fahrzeuge auf den Wallfischfang aus. Bremen bringt zur Ausfuhr Rapsaat, Hanf und Flachs, Obst, Meerrettig, Wolle, Dorf, gemästetes Rindvieh, einige Pferde, Dachziegel, Lumpen, Hanfleinwand und in guten Jahren etwas Korn, alles Artikel, die zwar nicht in das Große gehen, aber doch hinreichend sind, um das, was es vom Auslande bedarf, damit zu decken. Der Haidebauer hat so ziemlich sein Auskommen; weiß er es nicht im Lande zu verdienen, so verdingt er sich als Matrose auf ein Schiff, der Heuerling wandert nach Holland, um dort bei den Ernten zu helfen, und beide Klassen bringen Geld zurück, was das im Lande zirkulirende Kapital vermehrt; der Marschbauer ist im Ganzen wohlhabend, besonders an der Elbe, wo der Alteländer unter den reichsten Landleuten Teutschlands den Vorrang einnimt. Viele Bauern verdienen auch durch den Straßenverkehr und den Landtransport zwischen Bremen und Hamburg. Unendlich aber würde das Land gewinnen, wenn einst der Schiffahrtskanal zwischen Hamme und Oste die Fahrt zwischen den beiden Hauptströmen abkürzte, und die jetzt noch zum Theil schlechten Hauptstrassen in Kunstwege verwandelt würden [2]**). Jahrmärkte werden in allen Städten und Marktflecken, aber auch in einigen Dorfschaften gehalten.

4) Einwohner. Die Provinz Bremen zählte 1821. 163,689 Einw., es kommen mithin davon auf die □M. 1727. Der Wohnplätze waren 2 Städte, 15 Marktflecken, 76 Pfarrdörfer, 645 kleinere Dörfer und Weiler, 133 Vorwerke und einzeln stehende Höfe, und 28,777 Häuser, wovon 1055 in den beiden Städten standen, vorhanden. Die Einw. sind sämtlich Niederteutsche mit platteutschem Dialekte; in den Städten und unter den gebildeten Volksklassen wird zwar durchaus Hochteutsch geredet, wie dies auch Kanzel- und Gerichtssprache ist, doch findet man in demselben mehre Idiomen, und das hochreine Teutsch nicht, was der Einw. von Celle und Hanover redet. Die große Mehrheit bekent sich zum lutherischen Kult; in der Nähe von Bremen findet man 7 reformirte Gemeinden, aber nur einzelne katholische Familien und Juden, die hie und da geduldet werden. Im ganzen Lande besteht nur 1 Gymnasium zu Stade und außerdem 1 lateinische Schule zu Buxtehude; in diesen beiden Örtern auch Bürgerschulen. Der Unterricht in den Landschulen ist wie im übrigen Hanöverschen; in ansehnlichern Ortschaften sind Knaben und Mädchen getrent, in den kleinen vereinigt.

5) Provinzialverfassung. Bremen macht einen integrirenden Bestandtheil des Königreichs Hanover aus, dessen Wapen – zwei in Form eines Andreaskreuzes über einander gelegt, mit den Schließblättern nach unten gekehrte silberne Schlüssel in Roth – in das Statswapen aufgenommen ist. Seine Landschaft ist mit der Verdenschen vereinigt; sie hat die nämlichen Rechte, die den Provinziallandschaften des Königreichs zustehen; zu der allgemeinen Ständeversamlung senden Bremen und Verden 6 Ritter, 3 Städtedeputirte und 1 Deputirten von den Marschländern. Die Bremen-Verdenschen Landstände bestehen 1) aus der Ritterschaft, welche den ersten, und 2) aus den 3 Städten Stade, Buxtehude und Verden, welche den zweiten Stand ausmachen. Die Ritterschaft theilt sich wieder in die alte und neue, letztre ist aus den von der Krone Schweden verschenkten geistlichen Gütern entstanden, hat aber mit der ersten gleiche Rechte. Allgemeine Landtage oder Versamlungen, wo die Stände Mann für Mann erscheinen, sind nicht üblich; sie werden durch ein Landschaftskollegium vertreten, welches aus 1 Präsidenten, 6 Landräthen von der Ritterschaft, die sich in 6 Zirkel theilt, und 3 Landräthen von jeder Stadt besteht.

6) Provinzialverwaltung. Bremen macht mit Verden und Hadeln eine Landrostei des Königreichs aus, deren Landvogt den Sitz in der Stadt Stade hat. In Hinsicht der Verwaltung, die wie die Polizei ganz zum Ressort des Landdrosts gehört, wird die Provinz Bremen eingetheilt: 1) in 2 Städte: Buxtehude mit 1934, Stade mit 4770 Einw; 2) in 14 königl. Ämter: Bederkesa mit 5971, Blumenthal mit 4014, Bremervörde mit 10,412, Hagen mit 7858, Harsefeld mit 6377, Himmelpforten mit 5617, Lilienthal mit 3569, Neuhaus mit 10,229, Osterholz mit 8193, Ottersberg mit 10,847, Stade mit 1194, Stotel mit 3359, Wishaven mit 1609 und Zeven mit 10,218 Einw.; 3) in 7 königl. Gerichte: Achim mit 7606, Alteland zu Jork mit 13,880, Kehdingen Butzfleth mit 5339, Kehdingen Freyburg mit 7277, Lehe mit 1545, Osten mit 3824 und Wursten mit Nordholz mit 7024 Einwohnern; 4) in 18 adelige Gerichte: Beverstedt mit 5416, [435] Cassebruch mit 323, Delm mit 2259, Francop mit 508, Hechthausen mit 1740, Horneburg mit 1298, Hove und Leeswig mit 345, Lesum mit 1966, Maienburg mit 576, Neuenhausen mit 186, Neuewalde mit 929, Nierderochtenhausen mit 482, Nincop mit 538, Ritterhude mit 2012, Rübke mit 409, Schönebeck mit 1299, Schwanewede mit 218 und Schwinge mit 219 Einw. In Hinsicht des Militärs gehören Bremen und Hadeln zum dritten Stellvertretungsbezirke und ergänzen das 6. Infantrieregiment; in Hinsicht der Steuerverfassung ist es der Steuerdirektion Verden untergeordnet und ist in 5 Kreise vertheilt, die zusammen 36 Haupt- und Ergänzungsrezepturen zählen. In Hinsicht der Justizverwaltung gibt es 2 Tribunäle zweiter Instanz, als das Hofgericht, welches das ordentliche Obergericht in Civilsachen für Bremen und Verden macht, und die Justizkanzlei, welche das Obergericht in summarischen Civil- u. Criminalsachen für beide Länder, auch das ordentl. Obergericht in Civilsachen für Hadeln bildet; die untern Gerichte sind die nämlichen, die als untere Verwaltungsbehörden aufgeführt sind. Die oberste Behörde in Kirchen- und Schulsachen ist das Konsistorium zu Stade, dessen Wirkungskreis bei der neuerlichen Organisation des Königreichs keine Veränderung erlitten hat. An der Spitze der gesammten lutherischen Geistlichkeit steht der Generalsuperintendent zu Stade. Ihm untergeordnet sind die geistlichen Ministerien in den Städten Buxtehude mit 3, Stade mit 3 und Verden mit 4 Kirchen und Pfarren, dann die Präposituren Alteland mit 13, Bederkesa mit 8, Bremen mit 14, Bremervörde mit 13, Kehdingen mit 14, Neuhaus mit 9, Osterstade und Vieland mit 14, Verden mit 12, Wursten mit 10 und Zeven mit 13 Pfarren. 3 Bremische Dörfer sind noch dem oldenburgischen Deedesdorf, 2 Dörfer und 2 Höfe in das braunschweigische Lunsen eingepfarrt; die 7 reformierten Gemeinden haben eben so viele Pfarren als Kirchen. – Die Einkünfte fließen, wie in allen hanöverschen Provinzen, aus Domänen, Regalien, direkten und indirekten Steuern; und werden unter mancherlei Titeln erhoben; 1798 betrugen die Abgaben, welche in die Kriegskasse flossen, aus Bremen u. Verden 236,098 Thl. Kassengeld.

B. Geschichte [3]. Zu leichterer Übersicht derselben setze ich folgende Abschnitte fest:

I. Die älteste Geschichte des Landes bis zur Stiftung des bremischen Bischofthums.

II. Die mittlere Geschichte; 1) von den 3 Bischöfen und 6 ersten Erzbischöfen, welche noch keine weltliche Landeshoheit suchten. J. 788 bis. 936. 2) Vom Erzbischof Adaldag bis Erzbischof Adelbert; in welcher Zeit der Grund zur weltlichen Landeshoheit der Erzbischöfe gelegt wurde. J. 936–1072. 3) Höchste Macht der Erzbischöfe, besonders seitdem Erzbischof Gerhard II. die Grafschaft Stade mit dem Erzbisthume vereinigte. Jahr 1072–1220. 4) Einschränkung der erzbischöflichen Gewalt durch die wachsende Macht der Städte und das zunehmende Ansehn des Kapitels und Adels. J. 1220–1496.

III. Die neue Geschichte. 1) die 7 letzten Erzbischöfe. J. 1496–1648. 2) die schwedische Regierungsperiode. J. 1648–1715. 3) die interimistische dänische (1712–1715) und großbritannisch-hanöversche Regierungszeit seit 1715.

I. Älteste Geschichte. Das jetztige Herzogthum Bremen war in den ältesten Zeiten, aus denen man von diesen Gegenden etwas mit Gewißheit weiß, nach der gewöhnlichen, auf Ptolemäus gegründeten Meinung, die Wohnung der größern Chauken; andre setzen die kleinern Chauken dahin [4] Beide Theile mögen Recht haben, wenn man nur in den beiden ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung gewisse Zeitperioden annimt. Denn die durch die Kriege unsrer tapferen Vorfahren mit den Römern veranlaßte öftere Veränderung ihrer Wohnungen, durch das Vorrücken gegen den gemeinschaftlichen Feind, und durch das Nachrücken anderer, konnte bald und leicht einen Ländertausch herbei führen. Allmälig vereinigten sich kleinere teutsche Völkerstämme, wozu im Verhältniß gegen andre auch die Chauken gehörten, unter allgemeinen Namen, wodurch zwar nicht die Völker, aber doch die besonderen Namen zu Grunde gingen. Daher komt es ohne Zweifel, daß die Geschichte seit dem 4ten Jahrh. keine Chauken weiter nennt. Von dieser Zeit an waren sie mit den Sachsen zusammengeschmolzen, so wie auch die Abtheilung der Friesen, die die damals bewohnbaren Marschländer des heutigen Bremischen inne hatte, sich früh mit den hiesigen Sachsen als ein Volk verbunden hat. Von dieser Zeit an nehmen also auch die Bewohner dieser Länder an dem Ruhme der Sachsen Antheil, wie an der Eroberung Großbritanniens. – Wahrscheinlich kamen auch die Franken schon vor Karl dem Großen in ihren Kriegen wider die Sachsen in diese Gegenden. Die Rudera der im bremischen Amte Bederkesa noch vorhandenen Pipinsburg weisen unter andern [436] auf diese Zeiten zurück, wiewol diese Burg auch erst von Karl dem Großen erbauet, und von ihm nach seinem Vater genant seyn kann.

Von der älteren Eintheilung dieses Theils des alten Sachsenlandes in Gaue (wovon sich der Name in der {{SperrSchrift|Gowgrafenschaft Achim, unfern Bremen, bis auf unsere Zeiten erhalten hat), läßt sich nichts gewisses sagen, noch weniger können die Gränzen der alten Gaue bestimmt werden. Inzwischen war der Gau der Wolzaten das jetzige alte Land, die Gegend von Harsefeld bei Stade hieß Rosengau; der größte Gau war Wigmodi, und enthielt ungefähr die Gegend an der Wumme, insonderheit Stotel und Lesmona. Von ihm wird oft das ganze Herzogthum Bremen Wigmodien genant, und dieser Name ist bis ins 12. Jahrh. gebräuchlich gewesen. Auch sind die Namen der bremischen Marschländer Kehdingen und Wursten sehr alt.

II. Mittlere Geschichte. Erster Abschnitt. Von den 3 Bischöfen und 6 ersten Erzbischöfen, welche noch keine weltliche Landeshoheit suchten. Jahr 788–936. Die Sachsen waren bekanntlich zu der Zeit, in welcher Karl der Große als Beherrscher der Franken auftrat (J. Ch. 768), das einzige noch freie teutsche Volk. Herrschbegierde und Eroberungssucht trieben ihn an, auch diese sich zu unterwerfen, unter dem Vorwande sie zum Christenthum zu bekehren. Kaum war also Karl der Große in seinem seit 772 gegen die Sachsen begonnenen, 32 Jahre lang dauernden Kriege endlich im J. 779 so weit in diese Gegenden vorgedrungen, daß sich ein Theil derselben ihm unterworfen hatte, so schickte er im J. 780 den in Friesland stationirten christlichen Lehrer Willehad zur Verkündigung des Christenthums in diese Gegenden, wo dasselbe wegen der Landesnachbarschaft dem Namen nach nicht mehr ganz unbekant war. Der durch den sächsichen Heerführer Wittekind gegen Karl den Großen und seine Franken im J. 782 erneuerte Krieg zur Behauptung der sächsischen Freiheit und des heidnischen Kultus, so wie Karls Rache wegen verschiedener in diesem Kriege erlittenen Unfälle, welcher er nach der fast einstimmigen Angabe der Geschichtschreiber bei Verden 4500 Sachsen opferte, schienen zwar dem in diesen Gegenden einzuführenden Christenthum nicht günstig zu seyn; aber Karls glückliche Waffenfortschritte setzten ihn doch in den Stand, den Willehad schon im J. 788 zu einem Bischof in Bremen über Friesland und über den von ihm bereits bezwungenen südlichen Theil von Wigmodien zu bestellen, der, zu Worms zum Bischof geweiht, den Metropoliten zu Köln unterworfen wurde. Spätere Empörungen der Sachsen und dadurch zwischen ihnen und den Franken erregte Kriege, besonders zwischen den J. 793–799 hatten am Ende für Karln und für die von ihm zugleich bezielte Ausbreitung des Christenthums in diesen Gegenden die glücklichsten Folgen, und Karls bremisches Bischofsthum, welches eigentlich erst durch den im J. 803 zu Salza geschlossenen Frieden dauerhaft gegründet wurde, umfaßte bald nebst anderen angränzenden Provinzen, auch das jetzige ganze Herzogthum Bremen [5].

Das Bisthum und nachmalige Erzbisthum Bremen, war bei seiner Stiftung eine bloße Religionsanstalt zur Erhaltung und immer weitern Ausbreitung des Christenthums in diesen Gegenden. Karl hatte den Bischöfen keine Landeshoheit, aber doch schon etwas zu viel durch den Auftrag eingeräumt, die Grafen, welche in seinem Namen regirten, zu beobachten, und einige Aufsicht auf die Handhabung der Gerechtigkeit zu führen. Die Bischöfe waren blos zur Besorgung des Gottesdienstes bestellt, und von den der Kirche angewiesenen ordentlichen Einkünften, so wie von den außerordentlichen Geschenken mußten sie leben, die Kirche unterhalten, und die Armen verpflegen.

1) Willehad, schon ein vieljähriger Prediger des Christenthums in Friesland und späterhin in Wigmodien, im J. 788 als erster Bischof zu Bremen verordnet, erbauete die bremische Domkirche nur von Holz, und widmete sie dem heiligen Petrus. Auch als Bischof suchte er das Christenthum durch Lehre und Beispiel auszubreiten, starb aber schon im J. 790 zu Blexum, als er seine neue Würde nur 2 Jahre bekleidet hatte. Sein Nachfolger 2) Willerich († 839) führte das Kirchengebäude von Steinen auf, und verwaltete sein Bischofthum mit allem Eifer, ungeachtet insonderheit bis zu dem im J. 803 geschlossenen sächsischen Frieden, nach welchem er erst zum ruhigen Besitz seines Bisthums kam, das Land durch Einfälle der Sachsen, Slawen und Normannen litt. Nach ihm schloß 3) Leuderich († 847) die kurze Reihe der bremischen Bischöfe. Denn nun wurde es durch die Vereinigung mit der hamburgischen Kirche zu einem Erzbisthum erhoben, jedoch jener unterworfen. Dies geschah unter dem hamburgischen Erzbischof Ansgarius († 865) wiewol nicht ohne mehrjährigen Widerspruch des Erzbischofs von Köln, dem Bremen bis dahin unterworfen war, der sich aber diese Vereinigung im J. 858 gefallen ließ (vgl. Encykl. IV. 6.). Ihm folgte 5) Rembert († 888), der sogleich den Adalgar zum Gehilfen in seinem erzbischöflichen Geschäfte annahm, um als Benediktiner sich den geistlichen Umgebungen desto ruhiger zu überlassen, worin ihn selbst die zu seiner Zeit einfallende Verwüstung von ganz Sachsen durch die Normannen nicht störte. 6) Adalgar († 905) behauptete sich in Bremen bei den erneuten Bemühungen des Erzbischofs von Köln, seine Rechte auf die bremische Kirche geltend zu machen. Der wegen seiner strengen Kirchenzucht berühmte Erzbischof 7) Hoger († 915) erlebte den Einfall der Hunnen in Sachsen, von welchen unter andern auch Bremen verwüstet wurde. Von dem Erzbischof Reginward ist uns wegen der kurzen Zeit, [437] da er diese Würde bekleidete († 916), fast nur der Name übrig geblieben, und sein Nachfolger 9) Unno († 936) ist außer dem, daß er das Christenthum im Norden auszubreiten suchte, wobei er zu Birka in Schweden seinen Tod fand, besonders dadurch merkwürdig, daß er vom Kaiser Konrad I. unmittelbar zum Bischof bestellt wurde, obgleich die Geistlichkeit und das Volk schon einen gewissen Leidrud gewählt hatten [6]).

Übrigens beschäftigten sich diese 3 Bischöfe und 6 ersten Erzbsichöfe blos mit der fernern Gründung der Kirche, zu deren Bereicherung sie wegen der unglücklichen, durch die Einfälle der Normannen und Hunnen herbeigeführten Zeiten, noch nicht nach Wunsch wirksam seyn konnten, so wie mit Stiftungen von Klöstern und ähnlichen Anstalten; ihre Predigten und ihr Wandel waren mönchsmäßig.

Zweiter Abschnitt der mittlern Geschichte. Vom Erzbischof Adaldag bis Erzbischof Adalbert, in welcher Zeit der Grund zur weltlichen Landeshoheit der Erzbischöfe gelegt wurde. J. 936–1072.

Mit dem, nun folgenden hamburgischen Erzbischofe 10) Adaldag († 988) tritt die merkwürdige Periode der erzbischöflichen Landeshoheit über das bremische Stift und über die Stadt Bremen ein. Adam der Bremer (II. 1.) schreibt: „Adaldag habe sofort, als er zum Bischofthume gelangt sey, bewirkt, daß Bremen, welches lange Zeit von den Potestaten und Richtern unterdrückt gewesen, durch einen Freiheitsbrief des Königs davon losgemacht, und mit gleicher Freiheit, als andre Städte beschenkt sey;“ d. h. der Gerichtsbarkeit der weltlichen Obrigkeit entzogen, und unter die Aufsicht der Bischöfe gestellt. Die bremischen Erzbischöfe traten nun also in Ansehung des weltlichen Regiments an die Stelle der Grafen, aber auch anderer außerordentlicher Richter, jedoch regirten sie, wie diese, an des Kaisers Statt. Aber Adaldags und seiner nächsten Nachfolger weltliche Macht erstreckte sich nur erst über die Klöster und geistlichen Stiftungen im Lande, über die vormaligen kaiserlichen Krongüter und über das, was in der Stadt Bremen damals zum Domstifte, zu den Kollegiatkirchen und Klöstern gehörte, nicht aber über anderes Eigenthum, und diese Rechte durften sie noch nicht selbst verwalten, sondern mußten sie durch ihre dazu gesetzten Kastenvögte verwalten lassen. Sie waren also dem Weltlichen nach, noch lange nicht so große Herren, als die spätern Erzbischöfe; doch waren die erworbenen Vorzüge schon bedeutend genug. Daß Adaldag sich solche erwerben konnte, kam theils von seiner Verwandtschaft mit dem sächsischen Hause, welche viel zu seiner Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl beitrug, theils von den Diensten, die er von jeher Otto I., so wie nachmals den beiden anderen Ottonen (II. und III.) leistete. Otto I. schenkte dem Stifte alle königliche Kammergüter und Gerechtigkeiten an den der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogenen Orten, und den Erzbischöfen außer der gedachten Gerichtsbarkeit Marktgerechtigkeit (vermuthlich Handelsfreiheit in Teutschland unter kaiserlichem Schutz), Zoll, Münzfreiheit, ingleichen alle königlichen Einkünfte in Bremen, wodurch die Kirche sehr bereichert wurde, und verlieh der Kirche die Freiheit, künftig die Erzbischöfe selbst zu wählen. Auch benutzte Adaldag die Gunst und das Kriegsglück Otto’s I. gegen die Dänen durch Erwerbung neuer Bisthümer, namentlich Schleswig, Ripen und Aarhaus.

Sein Nachfolger 11) Liebizo oder Libentius I. († 1013) wandte als geistlicher Herr sein Hauptaugenmerk auf die Bekehrung der nordischen Völker, und bekümmerte sich eben nicht sehr um weltliche Angelegenheiten. Den Plünderungen und den Gräueln der normännischen Seeräuber entging er durch die Flucht nach dem nicht sehr entfernten, zu seiner Kirche gehörenden Kloster Buckum, von woher er Bannbriefe gegen die Seeräuber erließ.

Der Erzbischof 12) Unwann († 1029) bestieg seinen Stuhl unter ungünstigen Aussichten, weil die Geistlichkeit und das Volk unzufrieden waren, daß der Kaiser Heinrich II. ihn unmittelbar ernant hatte. Er besänftigte aber die Gemüther durch gütige und freigebige Gesinnungen. Nicht ohne Erfolg suchte er, nach 200jährigen zum Theil vergeblichen Anstrengungen seiner Vorgänger, die noch vorhandenen Überreste des heidnischen Kultus zu vertilgen, und ließ die der Abgötterei fortwährend gewidmeten Gehölze zur Erbauung und Ausbesserung christlicher Kirchen aushauen; auch hob er bei dem Domstifte das strenge Mönchsleben auf. Übrigens erhoben sich von seiner Zeit an manche Streitigkeiten zwischen den sächsischen Herzögen und den Erzbischöfen, welche auch eine größere Befestigung der Stadt Bremen gegen die erstern nach sich zogen, wiewol Unwann durch kluge Politik so ziemlich in Ruhe lebte, und besonders zwischen dem Herzog Bernhard und dem Kaiser Heinrich II. Ruhe zu erhalten, nicht ohne Erfolg bemüht war.

Als eben nicht merkwürdig sind die beiden folgenden Erzbischöfe zu nennen: 13) Liebizo II. († 1032) und 14) Hermann († 1035), welcher jedoch durch den berühmten italiänischen Tonkünstler Guido den Kirchengesang verbessern ließ; 15) Bezelin, auch Alebrand genant († 1043), war zwar sehr gegen die Priesterehe, aber sonst wegen seiner Mildthätigkeit bei der Geistlichkeit sehr beliebt. Unter seiner Regirung brannte die Domkirche in Bremen nebst den Klostergebäuden ab, in welchen ein Vetter von ihm, Namens Edo, aus Rache Feuer angelegt hatte, weil er bei Besetzung der Dompropstei ihm einen gleichnamigen Vetter vorgezogen hatte. Da Bezelin schon im folgenden Jahre starb, sah er an dem wieder herzustellenden kirchlichen Gebäude seine Baulust nur wenig befriedigt. Glücklich genug behauptete er sich gegen die erneuerten Ansprüche des kölnischen Erzbischofs auf das bremische Stift, erlebte aber dagegen einen zweimaligen Einfall der dänischen Seeräuber. Die Kirchengüter nahmen unter ihm sehr zu, und die kaiserlichen Freiheitsbriefe, da, wo Klöster waren, Jahrmärkte anzulegen und das kaiserliche Gericht zu halten, waren kein unbedeutender Zuwachs der erzbischöflichen weltlichen Macht. Die Geschichte seines Nachfolgers 16) Adalbert [438] († 1072), eines zwar sehr verständigen, edlen, schönen und geschäftigen, aber dabei auch höchst eiteln und ehrgeizigen Mannes, gehört meist in die allgemeine teutsche Reichsgeschichte, so wie in die nordische Geschichte sein übermüthiges Betragen gegen den dänischen König Sueno, wodurch er die erste Veranlassung zu der bald darauf erfolgten Trennung der nordischen Kirchen von dem hamburgischen Erzbisthum gab. Sein Augenmerk war auf die unbeschränkte Landeshoheit gerichtet; daher kaufte er die Grafschaft Lesmon, scheiterte aber in dem Plane die Grafsch. Stade an sich zu bringen; und machte sich durch Erpressungen verhaßt, ohne sich vor Armuth und unangenehmen Händeln schützen zu können (s. B. 1. S. 398-99). Die erzbischöfliche Gewalt sank zwar, was die kirchliche Macht betrifft, seit Adalberts Zeiten durch die Trennung der nordischen Kirche und durch das steigende Ansehn der Domherren, welche ihre Erzbischöfe jetzt selbst wählten, in gewisser Maße; die eigentliche Landeshoheit derselben aber wuchs bis auf die Zeit der Erzbischöfe, die den Namen der Gerharde trugen, bis ins 13. Jahrh.

Dritter Abschnitt der mittlern Geschichte. Höchste Macht der Erzbischöfe, besonders seitdem Erzbischof Gerhard II. die Grafschaft Stade mit dem Erzbisthume vereinigte. J. 1072–1220.

Adalberts Nachfolger 17) Liemar († 1101) war unmittelbar vom Kaiser Heinrich IV. zu der erzbischöflichen Würde berufen. Wegen seiner treuen Anhänglichkeit an den Kaiser in den von diesem besonders gegen die Sachsen geführten Kriegen wurde er bald nach seinem 1072 erfolgten Regirungsantritt vom Papst in den Bann gethan, und erst 1077 aus demselben befreiet. So sehr er dem Kaiser beständig, auch seines eigenen Vortheils wegen, zum Frieden rieth, so verließ er ihn doch in seinen spätern Feldzügen nicht. Im J. 1088 in der Schlacht bei Gleichen in die Gefangenschaft des sächsischen Herzogs Lüder oder Lothars gerathen, mußte er sich durch Zahlung von 300 Mark, und durch die Abtretung der Schirmvogtei über die Stadt Bremen befreien. Da er sich wenig in seinem Stifte aufhalten konnte, und der erzbischöflichen Einkünfte entbehren mußte, so schenkte ihm der Kaiser theils aus Dankbarkeit, theils zur Schadloshaltung die beiden rheinischen Abteien Elten und Werden, in welcher letztern er auch starb. Zu seiner Zeit erfolgte die Trennung der nordischen Kirche von dem hamburgischen Stuhle, wodurch dies Erzbisthum auf einmal das kleinste in Teutschland wurde, und hierdurch wurde Liemar veranlaßt, sich zuweilen Erzbischof von Bremen zu nennen, welche Benennung bald üblicher wurde, obgleich der erzbischöfliche Sitz erst über 100 Jahre später von Hamburg nach Bremen verlegt wurde.

Auf den unberühmten 18) Humbert († 1104) folgte 19) Friedrich I. († 1123), der, wie auch seine beiden nächsten Nachfolger thaten, die unbebauten Gegenden des Landes, besonders um Stade und Bremen, fleißig cultiviren ließ, und sich dadurch sehr um sein Stift verdient machte. Adalbert I. hatte damit einigen Anfang gemacht.

Der Erzbischof Adalbert II. oder Adalbero († 1148) wurde vom Kapitel erwählt, weil der Kaiser die Investitur der Bischöfe abgetreten hatte. Ob es ihm gleich, des päpstlichen Beistandes ungeachtet, nicht gelingen wollte, die nordischen Kirchen mit seinem Stuhle wieder zu vereinigen, so wurden dagegen an ihrer Statt durch die von dem berühmten Vicelin glücklich zu Stande gebrachte Bekehrung der Wenden und Slawen, die von den Heiden zerstörten Bischofthümer in Holstein u. Meklenburg dem hamburgischen Stuhle mit der Zeit wieder hergestellt. In enge Schranken war Adalberts II. weltliche Gewalt eingeschlossen, besonders weil Lüder noch immer die Schirmvogtei über die Stadt Bremen und viele nahe gelegene Ländereien behauptete; die Kultur des Landes durch die Niederländer aber machte auch unter seiner Regirung gute Fortschritte. Sein Hauptzweck während seiner ganzen Regirung ging dahin, die Grafschaft Stade ganz an den erzbischöflichen Stuhl zu bringen, und obgleich er denselben ebenfalls noch nicht erreichte, so behauptete er doch die Lehnsherrlichkeit der Kirche über dieselbe, wozu unter Erzbischof Adalbert I. der erste Schritt geschehen war.

An seine Stelle trat als Erzbischof 21) Hartwig I., Dompropst in Bremen, und geborner Graf von Stade († 1168). Sein Vorgänger hatte ihm unter 3 Prätendenten auf die erledigte Grafschaft Stade den Vorzug gegeben, weil die Grafschaft auf diesem Wege nach Hartwigs Tode am leichtesten an die Kirche kommen konnte; bei den Händeln aber, die hieraus entsprangen, weil die Vormünder des jungen Herzogs Heinrich des Löwen für ihren Mündel besonders starke Ansprüche auf die Grafschaft machten, wovon auch der Herzog die meisten Güter theils eigenthümlich, theils lehnspflichtig in Besitz erhielt, blieben Hartwig I. doch durch seine Erhebung auf den erzbischöflichen Stuhl günstige Aussichten übrig, den von den nächst vorhergehenden Erzbischöfen lange gehegten Wunsch, die Grafschaft zum völligen Eigenthum zu erhalten, befriedigt zu sehen. Mit dem Herzog Heinrich waren unter diesen Unständen schwere Händel unvermeidlich. Endlich kam es eine Zeitlang so weit zur Ruhe, daß er sich mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigen konnte, worunter seine im Jahre 1163 auf dem Reichstage zu Augsburg erneuerten Ansprüche auf die nordischen Kirchen am wenigsten einen günstigen Erfolg haben konnten. Nachmals gerieth er in neue Zwistigkeiten mit Herzog Heinrich dem Löwen. Obleich die Macht dieses Herzogs jetzt auf den höchsten Gipfel gestiegen war, so ließ sich Hartwig dennoch durch den Erzbischof von Köln, und zuletzt durch den Bischof von Lübeck aufwiegeln, den Frieden aufs neue zu brechen. Dadurch litt das Stift Bremen sehr, die Stadt Bremen wurde erobert und geplündert, und er selbst mußte sich ein Jahr lang außerhalb des Erzbisthums aufhalten. Seine Rückkehr in sein Stift kostete ihn unter andern 1000 Mark Silbers, um die Bürger Bremens mit dem Herzoge wieder auszusöhnen. In seinem Testamente vermachte er darauf zwar die ganze Grafsch. Stade der Kirche, aber sie blieb für diesmal natürlich in der Gewalt des mächtigen Herzogs Heinrich. – Gerühmt muß von ihm werden, daß auch er die Landeskultur, namentlich in den Wesergegenden in der Nähe von Bremen beförderte.

[439] Als nach Hartwigs Tode die beiden wählenden Domkapitel, Hamburg und Bremen, sich über seinen Nachfolger nicht vereinigen konnten, so setzte ihnen der Kaiser Friedrich II. mit Übergehung der beiden von dem streitigen Domkapitel erwählten Kandidaten 22) Balduin († 1178). Ehemals Kapellan des Herzogs Heinrich des Löwen, und durch dessen Fürsprache zu dieser Würde erhoben, beunruhigte er den Herzog nicht wegen der Herrschaft Stade. Er soll an dem Tage gestorben seyn, an welchen Papst Alexander, der ihn, der vormaligen Bestätigung durch seinen Vorgänger Paschal ungeachtet, nicht für rechtmäßig anerkannte, seine Absetzungsbulle unterschrieb.

Ihm folgte 23) Siegfried, Bischof zu Brandenburg und Sohn des Markgrafen Albert, auf den bei der letzten streitigen Wahl schon Rücksicht genommen war († 1184). Seine Erhebung verdankte er der Unterstützung des Herzogs Heinrich des Löwen, den er aber undankbar genug in einen Krieg mit dem Kaiser verwickelte, der für den Herzog einen so unglücklichen Ausgang hatte, daß er Teutschland verlassen mußte. Die bei dieser Gelegenheit eroberte Herrschaft Stade ließ er sich vom Kaiser schenken, und behielt sie auch nach einem zu Erfurt abgefaßten Reichstagsschlusse, mußte aber dem Erzbischofe Philip von Köln eine bedeutende Summe für die Zurüstungen zahlen, die dieser zur Eroberung der Grafschaft für ihn gemacht hatte. Um die vielen Kosten für diese Angelegenheit und die Wahl zu bestreiten, verkaufte er im J. 1181 mit Bewilligung des Kapitels das Hollerland an die Stadt Bremen.

Ihm folgte durch einstimmige Wahl 24) Hartwig II. ein bremischer Stiftsedelmann, damals Domherr zu Bremen († 1208). Im Anfange seiner Regirung beschäftigte er sich mit geistlichen Stiftungen, z. B. mit der Zustandebringung des 2 Meilen von Bremen von seinem Vorgänger angefangenen Benediktiner-Jungfernklosters zu Osterholz, mit der Erhebung des bremischen St. Ansgarii-Hospitals zu einem Kollegiatstifte, mit Ankauf eines Orts unfern Lesum bei Bremen, Wolda genant, wo er ein späterhin nach Lilienthal nicht weit von mehrgedachter Stadt verlegtes Jungfernkloster Cistercienserordens stiftete u. s. w. und sorgte auch mit Eifer für die fernere Kultur des Landes. Aber seine weltliche Regirung war sehr unglücklich. Seinen vergeblichen Bemühungen, die ihm vom Schaumburgischen Grafen Adolph vergleichsweise abgetretenen Ditmarsen, welche sich aber unter dänische Herrschaft begaben, zu bezwingen, verursachten, daß er zu Gunsten der Stiftsedelleute, die sich für die Bezahlung seiner Hilfstruppen verbürgt hatten, allen bestimmten erzbischöflichen Einkünften auf 3 Jahre eidlich entsagen und sich blos von zufälligen Einkünften erhalten mußte. Er trat im J. 1189 dem Herzog Heinrich dem Löwen die Grafschaft Stade ab, um durch dessen Freundschaft aus seiner Noth gerissen zu werden, wurde aber dafür, weil Herzog Heinrich nun in Stade festen Fuß, und von dort aus weiter zur Eroberung seiner Länder um sich griff, vom Kaiser Heinrich VI. als des Herzogs Feinde, in die Acht erklärt. Bald nach seiner Zurückkunft aus England, wohin er unter diesen Umständen auf ein Jahr geflüchtet war, mußte er bei dem Herzoge Hilfe suchen, weil die Bremer als Freunde des Kaisers und Feinde des Herzogs ihn nicht dulden wollten. Bald darauf gerieth er mit dem aus dem gelobten Lande zurückgekehrten Grafen Adolph in einen Krieg, worin er Stade verlor. Nach mancherlei andern Unruhen, die theils Folgen eines vergeblichen erneuerten Angriffs des Erzbischofs auf die Grafschaft Stade waren, theils daher rührten, daß die gegen Hartwig erbitteren Bremer ihm bis zur völligen kaiserlichen Begnadigung seine erzbischöflichen Einkünfte vorenthielten (welches auch durch Grafen Adolph bestätigt wurde, der aber dagegen von Hartwig II. nebst dem Vogt der Stadt und allen seinen Feinden in den Bann gethan wurde, der insonderheit wegen der in der Stadt unbegraben liegenbleibenden Todten außerordentlich unangenehme Folgen hatte), trat endlich diese Begnadigung im J. 1195 ein, nachdem der Erzbischof 600 Mark Lübisch erlegt, und dem Grafen Adolph das Schloß Stade nebst dem dritten Theile der Einkünfte der Grafschaft zu Lehn überlassen hatte. Das Land litt in diesen unruhigen Zeiten sehr, besonders wurde die Gegend um Stade stark verwüstet. – Bei dem eingetretenen Ruhestande machte der Erzbischof einen Kreuzzug ins gelobte Land; allein nach seiner Rückkehr wurde diese Ruhe nach einigen Jahren durch die Erneuung der alten Streitigkeiten wegen der Grafschaft Stade unterbrochen. Sie wurde im J. 1199 der Erzbischof Hartwig vom Kaiser Philipp geschenkt, der dadurch seinem Gegenkaiser Otto wehe thun wollte. Ihr Besitz wechselte hierauf noch zwischen dem Graf Adolph von Schaumburg und dem Pfalzgrafen Heinrich, Herzogs Heinrich des Löwen Sohn, bis Hartwig Stade im J. 1205 abermals eroberte und, nachdem diese Stadt mit ihrem Schlosse und der ganzen Grafschaft ihre Beherrscher 5 Mal gewechselt hatte, die alles bis zu seinem im obengenannten Jahre zu Bremen erfolgten Tode behielt. An seine Stelle erwählte das bremische Domkapitel 25) den ehemaligen Bischof Woldemar von Schleswig, das bei dieser Gelegenheit nicht befragte hamburgische Kapitel aber den Dompropst Burchard zu Bremen. Diese streitige Wahl würde bald zu Burchards Vortheil entschieden worden seyn, besonders da der König von Dänemark Woldemars und des ihn unterstützenden Kaisers Philipp Feind, auf seiner Seite waren, wenn er nicht während der dadurch herbeigeführten Unruhen gestorben wäre. Unter diesen Umständen blieb Woldemar 3 Jahre lang bis 1211 im Besitze des Erzbisthums, und obgleich vom Papste 26) Gerhard I., Graf von der Lippe und Bischof zu Osnabrück († 1219), ihm zum Gegenbischof gesetzt wurde, so erhielt sich Woldemar dennoch bis 1216, besonders durch den Kaiser Otto IV., seinen Bruder, den Pfalzgrafen Heinrich, den Markgrafen Bernhard von Brandenburg, durch die Stedinger und Bremer begünstigt und unterstützt, bis er von den beiden letzteren verlassen ins Kloster Lockum bei Hanover zog, und daselbst als Mönch starb, während der Kaiser und der Pfalzgraf als Gerhards I. bleibende Feinde, das ohnehin schon genug gedrückte bremische Land noch weiter verwüsteten. – Alle diese Unruhen endigt Pfalzgraf Heinrich († 1227) durch einen kurz vor des Erzbischofs Tode im J. 1219 mit der bremischen Kirche getroffenen Vergleich, worin er derselben [440] sein ganzes Recht an die Grafschaft Stade, ingleichen die Propstei Wildeshausen, die Zölle, die Münze und die Vogtei von Bremen und dem neuen Lande abtrat, die Grafschaft aber auf seine Lebenszeit zu Lehn behielt. – Hiedurch wuchsen nun die sonst noch nicht sehr bedeutenden Einkünfte der Erzbischöfe, es wuchs aber auch das Ansehn des Domkapitels und der Äbte. Die Stadt Bremen erweiterte, nachdem sie von der Herrschaft der sächsischen Herzöge frei geworden war, durch Ausbreitung ihres Handels und ihrer Schiffahrt, so wie durch die weitere Bebauung des um die Stadt gelegenen Landes ihre Macht, und hatte bis auf diese Zeit mit den Erzbischöfen wegen der Landeshoheit über die Stadt noch keinen Streit gehabt.

Vierter Abschnitt der mittlern Geschichte. Einschränkung der erzbischöflichen Gewalt durch die wachsende Macht der Städte und das zunehmende Ansehn des Kapitels und Adels. J. 1220–1496.

Zu seinem Nachfolger wurde 27) Gerhard II. des vorigen Bruders-Sohn, damals Dompropst zu Paderborn, erwählt, und dies vermuthlich größtentheils aus Dankbarkeit gegen die Familie, weil sein Vorgänger die Grafschaft Stade an das Stift gebracht hatte († 1257). Der über seine Wahl von dem abermals nicht befragten hamburgischen Domkapitel erhobene Streit wurde im J. 1223 dahin verglichen, daß letzteres die erzbischöfliche Würde unter Vorbehalt der Concurrenz dreier seiner Domherren bei künftigen Wahlen der bremischen Kirche abtrat. Die ersten Unruhen verursachte Gerhard II. die von dem Pfalzgrafen Heinrich an seine Vorgänger abgetretene Grafschaft Stade, indem der darüber im J. 1219 getroffene Vergleich den Rechten des jungen Grafen Otto, seines Bruders Sohn, und rechtmäßigen Erben der Güter des Guelphischen Hauses ganz entgegen war. In den dadurch veranlaßten Kriegen war Herzog Otto mit seinen Bundesgenossen, dem Grafen von Wölpe und den Stedingern nicht glücklich, gerieth auch sogar im J. 1226 als Bundesgenosse des Königs Woldemar in Dänemark in einem holsteinischen Kriege, an welchem Erzbischof Gerhard II. Theil nahm, in die Gefangenschaft des Grafen Heinrich von Schwerin. Mit mehrem Glücke erneuerte er im J. 1235 den Krieg wegen der Grafschaft Stade, und doch wurde sie am Ende des folgenden Jahrs aus unbekannten Ursachen der bremischen Kirche auch für die Zukunft zugesichert. – In die Regierungszeit des Erzbischofs Gerhard II. fällt auch der durch Ermordung eines Priesters herbeigeführte Kreuzzug wider die Stedinger, deren damals mehr als jetzt ausgedehntes Land unter der bremischen Kirche stand, so wie sie selbst seit dem 12. Jahrh. Unterthanen und zehentpflichtige Meier derselben waren. Die Stedinger wurden besiegt, und nun vom päpstlichen Banne losgesprochen. Unter der Regirung dieses Erzbischofs wuchs die Macht vieler Städte und auch die Macht der Stadt Bremen durch den immer mehr aufblühenden Handel, der hier vorzüglich durch das Bierbrauen, und durch den Handel mit fettem Vieh, Leder, Käse und Butter aus Friesland sich hob. Hierdurch wurde der Erzbischof veranlaßt, nicht weit unterhalb Bremen die Weser durch Ketten und Pfähle zu sperren, und diese Sperrung durch ein angelegtes Schloß, Wittenburg genant, zu behaupten, um eine von ihm beabsichtigte Zollerhebung durchzusetzen. Doch zerstörten die Bremer die Sperrung. Es erfolgte hierauf ein Friede zwischen dem Erzbischof und den Bremern unter der Vermittlung des auf dem Schlosse Wittenburg befindlichen lippeschen Ritters Diedrich Sachte, dem zufolge die Bremer das Schloß Wittenburg abbrechen, und dem Erzbischof dafür das Schloß Langwedel 3 Meilen oberhalb von Bremen (im J. 1222) erbauen mußten, ohne jedoch daselbst zollpflichtig zu werden. Nach einem hierauf zwischen beiden Theilen, dem Erzbischof und der Stadt Bremen, eingetretenen Ruhestand erhob sich im J. 1246 ein neuer Streit wegen der von dem Guelphischen Hause an den Erzbischof übergegangenen Advocatie in Bremen, welche bei der sinkenden Macht der Erzbischöfe durch die Eingriffe der Bremer immer mehr in Abnahme gerieth. Viel trug dazu bei das damals ohne Einwilligung des Erzbischofs entworfene bremische Stadtgesetz, die Willköhre genant, wodurch die Rechte des Erzbischofs sehr beeinträchtigt wurden; doch wurde der Streit noch in demselben Jahre durch die Bestimmung der Rechte des erzbischöflichen Vogts in gerichtlichen Angelegenheiten beigelegt. Verlor der Erzbischof hier gleich gegen die Stadt Bremen manches von der weltlichen Gewalt; so erweiterte sich diese doch sonst in anderen Gegenden des Erzstifts dadurch, daß die Grafen von Stotel und die Herren von Bramstede diese Advokatien an die bremische Kirche überließen. Überhaupt schwächten beide letzte ansehnliche Häuser durch übertriebende Freigebigkeit ihre eigenen bisherigen wohlbewahrten Rechte zur Vermehrung der innnerlichen Gewalt des Erzbischofs. – In Hinsicht seiner geistlichen Regirung hat die Geschichte eine große Reihe von Documenten aufbewahrt, die viele Fürsprachen, Begünstigungen, Unterstützungen und dergleichen erzählen, welche ihm die Päpste seiner Zeit gewährten. Das Ansehn des Domkapitels wuchs, besonders, da von dieser Zeit an, mit Ausnahme weniger Gelehrten, nur Personen von Adel in dasselbe aufgenommen wurden, und der Reichthum verschiedener Klöster stieg außerordentlich durch große Schenkungen an dieselben. Endlich veranlaßte ihn sein kümmerliches Alter mit Genehmigung des Kapitels, seines Bruders Sohn, Graf Simon, Bischof zu Paderborn, zum Gehilfen anzunehmen, dieser konnte sich aber nach dessen Tode nicht auf dem erzbischöflichen Stuhle erhalten. Vielmehr wurde durch Stimmenmehrheit 28) Hildebold, ein Graf von Bruchhausen und Archidiaconus zu Rustringen zum Erzbischof erwählt († 1275), während die Minderzahl Graf Gerhard von der Lippe, ebenfalls des vorigen Erzbischofs Bruders Sohn, dazu bestimt hatte. Ersterer behielt gleichwol den Vorzug, da er nicht blos vom Papste bestätigt ward, sondern seine Macht dadurch weit größer geworden war, daß der kurz zuvor gedachte paderbornische Bischof Simon ihm für Geld das im Erzstifte Bremen gelegene Schloß Langwedel eingeräumt, und er sich ebenfalls auch um Geld in den Besitz des erzstiftischen Schlosses Vörde (Bremervörde) gesetzt hatte. Während Hildebold und Graf Gerhard noch mit einander um die erzbischöfliche Würde stritten, kam Bischof Simon durch die hamburgischen Domherren aufgereizt, auf den Gedanken, beiden [441] den Rang abzugewinnen, und fand bei den streitbaren Stedingern die gewünschte Hilfe. Schon hatte er Wildeshausen eingenommen, wurde aber auf dem Rückwege von dieser Stadt von dem oldenburgischen Grafen Heinrich dem Bogener, dem Wildeshausen gehörte, und der die Partei seines Vettern, des Erzbischofs Hildebold hielt, geschlagen, und entkam nur mit genauer Noth, als Mönch verkleidet, worauf die Stedinger der bremischen Kirche ewige Treue schwuren (J. 1260). – Der Anfang der 15jährigen Regirung Hildebold’s war unruhig. Bald nach Besteigung des erzbischöflichen Stuhls erbaute er die Burg oder das Schloß Wartfleth an der Weser im heutigen Oldenburgischen, worüber zwischen ihm, der zum größten Nachtheil der Stadt Bremen in einem darüber entstandenen Kriege die nachmals von ihm schlecht belohnten Friesen auf seiner Seite hatte, und der Stadt Bremen, die den Weserstrom offen zu erhalten wünschte, bedeutende Zwistigkeiten entstanden, welche jedoch unter Zuziehung des Grafen Johann X. von Oldenburg im J. 1260 dahin beigelegt wurden, daß an beiden Seiten der Weser zwischen Blexum und Bremen ohne Bewilligung der Stadt und der Rustinger kein Schloß gebauet werden sollte. – Hildebold war überhaupt der Stadt sehr gewogen, ob er gleich möglichst auf die Erhaltung der Gerechtsame seines Stuhl hielt. Beweise davon liefern seine in den J. 1259 und 1262 ertheilten Bestätigungen, und das, was er ihr im J. 1259 in seinem Vertrage wegen der Erzbischöflichen in der Stadt und deren Umgebungen auszuübenden Rechte nachließ. – Überhaupt that er vieles, um möglichst im Frieden zu leben. Als daher die braunschweigischen Herzöge Albert und Johann aus einer unbekannten Ursache ihn mit einem Kriege bedrohten, so rüstete er sich zwar auf den Nothfall, erkaufte aber unterdessen den Frieden. – Er bereicherte die Kirche, an die er auch im J. 1270 Wildeshausen brachte, das schon unter seinem Vorgänger von derselben zu Lehn ging, und ist andern auch dadurch merkwürdig, daß er der erste bremische Erzbischof war, der Truppen um Geld in fremde Dienste gab.

Ein Verwandter Hildebolds 29) Giselbert, Freiherr von Bronkhorst, wurde durch einhellige Wahl zu seinem Nachfolger bestimt († nach Kranz 1296). Den ersten Streit in seinem Lande hatte er mit den an der Elbe wohnenden Kehdingern, die, gleich anderen Marschbewohnern, sich oft widerspenstig bewiesen. Er bezwang sie mit List auf einem zu diesem Zweck zum Schein zu Stade angestellten Turnier, wozu sich auch viele Kehdinger mit ihren Empörungshäuptern einfanden, die hier theils getödtet, theils gefangen genommen wurden. Gegen die Bremer bewies sich Giselbert durch Nachgebung weltlicher Gerechtsame, und auf viele andre Weise so gütig, daß er deswegen der Erzbischof der Bürger genant wurde. Diese waren dagegen so wenig dankbar, daß er einst bei einem Aufruhr derselben aus der Stadt flüchten mußte.

Der folgende Erzbischof 30) Heinrich I. mit dem Beinamen Goltorn, Decanus am Domkapitel zu Bremen, wurde, ungeachtet seines hohen Alters, dennoch einstimmig gewählt, aber er starb auch noch in demselben Jahre (1296) nach 4 Monaten auf einer Reise von Bremen nach Stade zu Bremervörde, ohne die päpstliche Konfirmation seiner Erhebung gesehen zu haben. – Nach seinem Tode erfolgte wieder eine streitige Wahl. Einige wählten nach Giselberts vormals geäußertem Wunsche seinen Vetter 31) Florentius, Edlen von Bronkhorst, und bremischen Domscholaster, der sich gegen den von dem anderen Theile gewählten Grafen Bernhard von der Wölpe, bremischen Dompropst, nach langem Streite behauptete, da letzterer, wie einige berichten, des Streites müde, seine Ansprüche aufgab, oder, wie andre erzählen, während des Streites starb. Er brachte darin 6 Jahre zu, und stand darauf nur 4 Jahre der Kirche in Ruhe vor, ohne daß seine Regierung durch irgend etwas anderes ausgezeichnet wäre, als durch das in dieselbe fallende erste in der Christenheit gefeierte Jubelfest, das Papst Bonifacius VIII. im J. 1300 anordnete. – Papst Klemens V. gab hierauf der bremischen Kirche einen neuen Erzbischof: 32) Johann, väterlicher Seits aus einer Ritterfamilie, mütterlicher Seits aus königl. dänischem Geblüte abstammend. Anfangs war er Propst zu Rothschild und hierauf Erzbischof zu Lund, wo er viele Verdrüßlichkeiten mit dem Könige wegen Eingriffe in die Rechte der Kirche hatte; – übrigens ein Mann, der neben seinen thoelogischen Kentnissen, auch wegen seiner großen Einsichten in die Rechtsgelehrsamkeit und wegen seiner außerordentlichen Rechtschaffenheit gelobt wird. So gut er in Bremen aufgenommen war, so viele Feinde fand er bald in seinem Erzstifte. Gleich nach dem Antritt seiner Regirung versagte ihm die hamburgische Geistlichkeit, bei welcher die alte Eifersucht wegen der ihrer Kirche entzogenen Rechte von neuem rege geworden, eine von ihm erbetene Unterstützung. Der darüber entstandene Streit dauerte mehrere Jahre, ohne daß die Hamburger dabei etwas gewannen. Sein Schloß Vörde (Bremervörde), welches Heinrich von Borg, ein nichtswürdiger Dienstmann der Kirche, besetzt hatte, mußte er erst nach einer eingeleiteten Belagerung in seine Gewalt zurückbringen. Als die Bremer im J. 1308 um die sogenannte Stephansstadt eine Mauer zogen, und sie dadurch in den Ringmauern der Stadt einschlossen, der Erzbischof aber dies ihm bedenklich scheinende Unternehmen nicht mit Gewalt hindern konnte, so reiste er zum Papst nach Vienne, um seine Beschwerden dagegen im Wege Rechtens auszumachen, ohne weiter etwas dadurch zu gewinnen. Nach seiner Zurückkunft hatte er hier zwar Anfangs Ruhe, im Erzstifte selbst aber waren viele Dienstmänner gegen ihn. Er versuchte vergebens sich Ruhe zu verschaffen; auch an Sicherheit fehlte es ihm bald in Bremen selbst, nachdem er einen Geistlichen in der Stadt zum großen Verdruß des Kapitels und der Bürger hatte gefangen nehmen, und auf das Schloß Langwedel bringen lassen. Geldmangel vergrößerte seine Verlegenheit. Aus dieser Ursache fand der auch bei den Ditmarsen, wo er einen Zufluchtsort suchte, statt Ruhe und Schutz nur Verachtung. Nicht besser ging es ihm zu Norden in Friesland, wo selbst eine Weibsperson ihn verhöhnte, und in Wildeshausen wurde er sogar gefänglich eingezogen, und sonst gemishandelt. [442] Unter solchen Verwirrungen wählte des Domkapitel den Domscholaster, Herzog Johann von Lüneburg, zum Administrator des Stifts.

Der Erzbischof Johann, der sich in dieser letzten Zeit in Friesland aufgehalten hatte, reiste nun nach Rom, und ließ alle seine Gegner und unter diesen natürlich auch den Administrator, Herzog Johann, citiren, welcher in Person erschien, nach einem durch Schiedsmänner getroffenen Vergleich aber, wovon wenig gehalten wurde, bald starb und die Kirche in großer Verwirrung zurück ließ. Der Erzbischof, der nach seiner Rückkehr noch keine bessern Aussichten für sich fand, entfernte sich abermals, nachdem er den Verdenschen Bischof Nicolaus zum Verweser bestellt hatte, unter welchem es aber im Erzstifte nicht besser wurde. Dach allen Verdüßlichkeiten, die er sich insonderheit durch große Strenge zuzog, entriß ihn, nach 20jähriger Regirung im J. 1327 der Tod (zu Paris oder Avignon).

Bei der allgemeinen Meinung, der Papst würde der bremischen Kirche abermals einen neuen Erzbischof geben, der nichts Anlockendes, aber desto mehr Abschreckendes hatte, meldete sich niemand zu der erledigten Würde. Auf anhaltendes Bitten des ganzen Kapitels und vieler anderer angesehener Männer entschloß sich der vormalige Mitverweser des Stifts 33) Burchard Grelle, Sohn eines bremischen Bürgers und Dompropst, ein gelehrter, bescheidener und allgemein beliebter Mann, wenn sich kein anderer finde, dieselbe anzunehmen. Er reiste nach Avignon zum Papste, der durch seine persönlichen Eigenschafen und durch die vielen Empfehlungsbriefe für ihn gewonnen, ihn bestätigte. Gleich im ersten Jahre seiner Regirung (1328) hielt er eine Synode zu Stade, auf welcher die Bischöfe von Schwerin, Lübeck und andere Suffraganen erschienen, deren Hauptzweck auf die Verbesserung der anstößigen Lebensart der Geistlichkeit gerichtet war. Er stellte die Ordnung im Erzstifte wieder her, lösete die verpfändeten Schlösser wieder ein, und übergab sie treuen Männern. Diejenigen, welche sich dadurch für zurückgesetzt hielten, traten als Feinde gegen ihn auf, in Verbindung mit den unruhigen Kehdingern. Burchard aber zog ganz ruhig aus dem Lüneburgischen, aus Westphalen, Ditmarsen und Holstein Truppen zusammen, brachte die Rebellen zum Gehorsam und erbaute im Lande Kehdingen, um die Einwohner besser im Zaume zu halten, ein Schloß (Kiekindeelbe), welches sie aber, sobald sie seinen Tod erfuhren, zerstörten. Auch die aufrührischen Rüstringer Friesen demüthigte er nach einem hartnäckigen Widerstande, wie er denn auch den Bremern, denen er als seinen ursprünglichen Mitbürgern sehr gewogen war, einst gegen dieselben Beistand leistete, da sie der Stadt durch Verbrennung ihrer Schiffe und auf viele andre Art großen Schaden zufügten, und mit gleichem Glücke focht er gegen seine Feinde aus dem Verdischen, die verheerend in die Vogtei Langwedel einfielen. Allgemein bedauert starb er im J. 1344.

Der folgende Erzbischof war 34) Otto I., ein geborner Graf von Oldenburg, schon bei seiner Erhebung alt und kümmerlich, lebte auch nur bis ins 5te Jahr († 1349). Unter seiner Regirung fiel nichts merkwürdiges vor. Desto wichtiger aber sind die Folgen, die nach seinem Tode der Umstand hervorbrachte, daß er bald nach dem Antritte seiner Regirung mit Einwilligung vieler Domherren, seinen Vetter, den Grafen Moritz von Oldenburg, zum Gehilfen und Nachfolger im Erzbisthume angenommen hatte. Dieser wurde aber nicht Erzbischof, sondern 35) Gottfried, geborner Graf von Arensberg, damals Bischof zu Osnabrück durch die Majorität der Wahlstimmen erkoren, und vom Papste bestätigt. Inzwischen hatte der Graf Moritz die erzbischöflichen Ämter und Schlösser, die versetzte Burg Thedinghausen ausgenommen, im Besitz, und verweigerte die von der Geistlichkeit zu Gunsten Gottfrieds als rechtmäßigen Erzbischofs geforderte Abtretung der Stiftslande um so mehr, je gewogener ihm in der Stille der Rath und die Angesehensten der Stadt Bremen waren, welche gleichwol wegen der päpstlichen Bestätigung Gottfrieds sich dies nicht öffentlich merken lassen durften, und deswegen die Neutralität empfahlen. Das Volk in Bremen aber setzte dem Rath durch tumultuarisches Betragen und mündliche Aufforderungen so stark zu, daß er gegen den Grafen Moritz Feindseligkeiten beschließen mußte. In diesem Kriege litt die Stadt in ihren Umgebungen nebst dem Erzstiftischen Gebiet, durch Verheerungen außerordentlich, und Moritz hätte sich der Stadt selbst bemächtigen können, wenn ihn nicht die Furcht vor der darin herrschenden Pest abgehalten hätte. Ein durch Vermittelung des Raths zu Bremen getroffener Vergleich machte dem Streit ein Ende. Man vereinigte sich dahin, daß Graf Moritz im Besitz der erzstiftischen Güter bleiben, dem in seiner Würde anerkannten Erzbischofe Gottfried aber eine jährliche Apanage reichen sollte. Dieser Zustand dauerte aber nicht lange. Der Erzbischof, durch den Grafen Gerhard von der Hoya, der die versetzte Burg Thedinghausen im Besitz hatte, unterstützt, erneuerte unter dem Vorwande, daß Graf Moritz ihn nicht gehörig achtete, auch seine Apanage nicht ordentlich verabfolgen ließe, den Streit auf mehrere Jahre. Dieser führte nicht allein den größten Nachtheil für den Handel der Stadt Bremen herbei, sondern sie wurde auch, weil sie jenes Streits wegen den Hansetagen in Lübeck nicht beigewohnt, auch den Seeräubereien ihres Bürgers Johann Hollmann nicht gesteuert hatte, vermuthlich auch noch andrer Ursachen wegen, einige Jahre aus der Hanse gestoßen. Unter diesen Unruhen starb der Erzbischof Gottfried im J. 1363. Vergebens bemühte sich nun abermals Graf Moritz um die erzbischöfliche Würde, worin vielmehr der Papst 36) Albert II., einen Sohn des Herzogs Magnus von Braunschweig, den schon Erzbischof Gottfried im J. 1359 zu seinem Nachfolger bestimmte, nach manchen Schwierigkeiten seit dem J. 1361 bestätigt hatte. Auch mußte Moritz, der vom Herzog Magnus in seinem Schlosse Vörde belagert war, bald aber sich zu einer Unterhandlung bequemte, alles in seiner Gewalt befindliche erzstiftische Land abtreten, behielt aber das Amt Hagen auf Lebenszeit. Hierauf wurde Albert II. mit großem militärischen Pomp in Bremen eingeführt, und ihm auf die gewöhnliche Art von der Stadt gehuldigt. – Mehre geldfressende Kriege während seiner 35jährigen Regirung und übertriebener [443] Aufwand waren Schuld, daß er bei seinem Tode 1395 fast alle seine Schlösser verpfändet oder verschuldet hinterließ.

In der Reihe der bremischen Erzbischöfe folgt 37) Otto II. des vorigen Erzbischofs Bruders-Sohn, welcher bis dahin gegen 8 Jahre Bischof von Verden gewesen war. Er reinigte das Erzstift nöglichst von schlechtgesinnten Leuten, deren Anzahl durch die Sorglosigkeit seines Vorgängers und unter mancherlei kriegerischen Umständen sehr angewachsen war, verrichtete mit besonderem Eifer seine geistlichen Amtsgeschäfte, hielt die ihm untergeordnete Geistlichkeit zu ihrer Pflichterfüllung an, und beschloß, in weltlicher Rücksicht, die von seinem Vorgänger und Oheim versetzten Schlösser und Güter des Erzstifts wieder einzulösen. Durch Vermittelung des Raths zu Bremen kam er wieder in den Besitz des Schlosses Ottersberg (3 M. vor der Stadt), welches er wegen der festen Lage und des gerade in dem Burggraben durch die hineinfließende Wümme sehr anwachsenden Wassers vergebens belagert hatte. Das Schloß Langwedel aber (1 M. vor Verden), überlieferten die dort festsitzenden Lehnsmänner des Stifts aus unbekannten Ursachen seinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunschweig, welcher es ihm nur gegen Erlegung einer ansehnlichen Summe Geldes, die jedoch mit Zustimmung der Prälaten und Dienstmänner der Kirche über die Bauergüter vertheilt wurde, wieder einräumte. Er löste aber nicht allein diese Schlösser und andre Güter ein, sondern erbaute auch im J. 1404 das Schloß Neuhaus an der Oste, besonders um durch dasselbe die oft unruhigen Bewohner des Landes Hadeln im Zaum zu halten. Dieß wurde aber, wie es früher mit dem in der Nachbarschaft vorhanden gewesenen Schlosse Schlickenburg am Einflusse der Oste in die Elbe der Fall gewesen war, schon im Jahr 1420 von den Umherwohnenden wieder zerstört. Das Schloß Bederkese mit Zubehörungen hatten die Bremer seit dem J. 1381 zur Hälfte inne, und Erzbischof Otto II. erhielt es im Jahr 1396 von dem Rath zu Bremen unter der Bedingung, daß er es, wenn er nach 8 Jahren 7000 Mark Lübisch erhielt, dem Rathe zurückgeben sollte. Nach Verlauf einiger Jahre trug der Rath auf Anstiften des damaligen Achidiaconus der Lande Hadeln und Wursten, Joh. Slamstorf, eben desjenigen, welcher Otto II. bald in der erzbischöflichen Würde nachfolgte, bei demselben darauf an, ihm auch die andre Hälfte des Schlosses gegen angemessene Bezahlung zu überlassen, weil die doppelte Oberherrschaft zu beständigen Streitigkeiten Anlaß gebe. Der Erzbischof erzürnte über diesen Antrag so sehr, daß eine schon in seinem Körper steckende Krankheit zum vollen Ausbruch kam, und er an derselben im J. 1406 oder 1407 starb.

Sein Nachfolger 38) Johann II. aus dem Geschlechte der Slamstorfe, hatte seit dreißig Jahren das Archidiaconat in den Ländern Hadeln und Wursten verwaltet, als er durch einstimmige Wahl und nach einem allgemeinen Wunsch den erzbischöflichen Stuhl bestieg. Große Gelehrsamkeit besaß er nicht, aber desto reicher war er an Erfahrung, an Beredsamkeit und Geistesgegenwart, wodurch er auch fast alle Streitsachen glücklich beilegte. Dabei war er sehr herablassend, und kam oft an die Tafel der Geringern. Den ihm vorgeworfenen Geiz möchte man wohl richtiger eine lobenswürdige Sparsamkeit nennen, um sich in den Stand zu setzen, die von Albert II. verpfändeten, und von Otto II. noch nicht gänzlich eingelösten Schlösser und Güter des Stifts völlig einzulösen, was er denn auch that. In Hinsicht auf Bederkese dachte der Erzbischof anders, als in seiner früheren Lage; er hielt die Stadt von einer Zeit zur anderen mit glatten Worten hin. Doch bequemte sich diese endlich, die Stadtbremische Hälfte dem Erzbischof auf Lebenszeit unter den Bedingungen zu überlassen, daß der von ihm bestellte Amtmann beiden Theilen den Eid der Treue schwören sollte, und im Fall das Schloß von Jemandem eingenommen würde, sie ihre Kräfte zu dessen Wiedereroberung vereinigen wollten. In einen andern Streit gerieth er im J. 1408 mit den Bremern, die, gestützt auf alte Briefe, nach welchen wider ihren Willen an der Weser keine Festungen und Schlösser angelegt werden sollten, es ihm nicht verstatten wollten, daß er dergleichen bei dem jetzigen Flecken Lehe an der Weser erbauete, welches er in der Absicht begann, um die Wurster desto besser im Zaum zu halten. Als der Erzbischof auf diese Protestation nicht achtete, so zerstörten die Einwohner von Lehe und ihre Nachbarn, besonders die Wurster, zur Nachtzeit, was er bei Tage hatte aufführen lassen, und warfen das Geschütz ins Wasser. Der Erzbischof nahm dies zwar sehr übel, doch wurde die Sache durch Vermittler beigelegt. Eben so wenig konnte er ein anderes Schloß, die Stinteburg zu Stande bringen, welches er gleichfalls an der Weser, näher nach Bremen hin, zu erbauen Willens war. Auf solche Weise führte er zwar keine ganz ruhige, aber doch ziemlich friedliche Regirung bis an seinen Tod im J. 1421.

Es erhielt 39) Nicolaus, ein geborner Graf von Delmenhorst, die Erzbischöfliche Würde, die ihm schon im J. 1414 von dem Domkapitel versprochen war, wogegen so wie gegen eine ansehnliche ihnen von dem Kapitel nach und nach vorgeschossene Summe Geldes er und sein Vater Otto von Delmenhorst die ihm dafür verpfändete Grafschaft, selbst so weit sie mehr, als die vorgeschossene Summe werth seyn sollte, mit dem Erzstift Bremen vereinigten, doch wurde diese Vereinigung nachmals durch den Grafen Diedrich von Oldenburg, der die Zeitumstände weise zu benutzen wußte, wieder aufgehoben [7]. – Der Erzbischof Nicolaus verdankte es den rastlosen Bemühungen seines Vorgängers, der alle verpfändete Stiftsgüter eingelöst hatte, daß er das ganze Land schuldenfrei übernehmen konnte. Dadurch wurde ihm der Antritt seiner Regirung in den ersten Jahren sehr angenehm. – Nach einigen Jahren aber wurde er von dem Herzoge Wilhelm zu Braunschweig und Lüneburg mit Krieg überzogen, weil die Eingesessenen zu Horneburg im Bremischen, unfern Stade, auch in Friedenszeiten sich zu seinem Nachtheil des unbefugten Beutemachens nicht enthalten konnten. Es kam zu ernsthaften Auftritten, wodurch das beiderseitige Gebiet sehr verheert wurde, der Herzog aber, der sein Hauptquartier in Verden hatte, endlich, nachdem das Kloster Harsefeld im Bremischen nebst seinem [444] Gebiete von ihm sehr verwüstet, auch die weit entfernte Stadt Buxtehude nebst Horneburg, wiewol vergeblich, belagert waren, sich mit seinen Verbündeten zurückzeihen mußte. – Als die friesischen Häuptlinge Fokke Ukena und Occotom Broocke sich bekriegten, unterstützte der Erzbischof nebst andern Grafen und Herren den Letzteren, wurde aber in der für sie unglücklichen Schlacht bei Detem (im J. 1426) gefangen, jedoch durch des glücklich geretteten Grafen Dietrich von Oldenburg und der Stadt Bremen, besonders des dasigen Bürgermeisters Johann Vasmer Vermittelung (nach Kranz, ohne Lösegeld) bald wieder in Freiheit gesetzt. Dieser Krieg, und andre Umstände brachten den Erzbischof in eine schwere Schuldenlast, welche ein Anleihen nach dem andern, und die Verpfändung mehrer ihm frei überlieferter Güter nothwendig machten. Von seinen Gläubigern hart gedrängt, nahm er erst den Grafen Otto von der Hoya zum Coadjutor an, und als dieser die übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllte, übertrug er im J. 1435 dem reichen Abt Balduin von Lüneburg das Erzstift, welcher, nachdem er schon 38,000 Gulden erzbischöflicher Schulden bezahlt hatte, und der Anmeldung der Gläubiger kein Ende war, sich rechtskräftig nur auf die Bezahlung der Schulden beschränkte, die der Bischof Nicolaus mit Einwilligung des Domkapitels kontrahiert hatte. Aus seinen übrigen Geldverlegenheiten und daher entstandenen persönlichen Bedrängnissen rissen den Erzbischof seine Verwandten und dessen Söhne, und thaten es gern, weil Graf Dietrich, wie angedeutet worden, die Grafschaft Delmenhorst wieder von dem Erzstifte getrennt, und mit dem Oldenburgischen auf immer vereinigt hatte. Erzbischof Nicolaus starb im J. 1437 auf dem Schlosse zu Delmenhorst, wo er sich seit Übertragung der erzbischöflichen Regirung an Balduin beständig aufgehalten hatte.

Dieser 40) Balduin, ein gelehrter, kluger und erfahrener Mann, übernahm nach seines Vorgängers Tode das Erzstift nur unter der Bedingung, daß er seine Abtei zu Lüneburg beibehalten und auch daselbst wohnen dürfte. Der Papst verstattete ihm dies auf 6 Jahre. Als diese sich ihrem Ende nahten, starb er im J. 1442, und wurde nicht, seinem Wunsche gemäß, in Lüneburg, sondern im Dom zu Bremen begraben. Sein Nachfolger 41) Gerhard III., geborner Graf zu Hoya, ein äußerst friedlich gesinnter Mann, wußte den Anlässen zu Streitigkeiten so geschickt auszuweichen, daß er dem Erzbisthum bis an seinen Tod († 1463) 21 Jahre hindurch ganz in Frieden vorstehen konnte. Inzwischen glaubten doch die Städte Bremen, Stade und Buxtehude von ihm in ihren hergebrachten Gewohnheiten und Privilegien dermaßen beeinträchtigt zu seyn, daß sie im J. 1445 den Abschluß eines Bündnisses für nöthig erachteten, dem Erzbischof bei Eingriffen, die er machen möchte, gemeinschaftlich zu widerstehen, und ihre Zwistigkeiten in Güte, oder durch die Waffen auszumachen. Er wurde sehr geliebt, und nach seinem Absterben wegen der darauf eintretenden unruhigen und kriegerischen Zeiten sehr vermißt.

Ihm folgte 42) Heinrich II., Graf von Schwarzburg, durch einmüthige Wahl des Domkapitels im J. 1463, als er sich erst im 23sten Lebensjahre befand, auf Empfehlung des, der Sage nach damals zum Erzbischof bestimmten Dompropstes Johann Rode, eines Oheims des gleichnamigen auf unsern Heinrich folgenden Erzbischofs, eines auch wegen seiner Verbindungen mit dem päpstlichen Hofe, wo er Corrector bullarum apostolicarum war, einflußreichen Mannes, in Gefolge eines Ansuchens von Seiten des Grafen von Schwarzburg, des Vaters, mit dem gedachten Rode auf seinen öftern Reisen nach Rom in Bekantschaft gerathen war, und der bei einer zahlreichen Familie ihn gebeten hatte, bei Gelegenheit einem seiner Söhne zu einer ansehnlichen geistlichen Würde zu verhelfen. Im dritten Jahre seiner Regirung (1465) wurde Heinrich auch zum Bischof zu Münster erwählt, und änderte nach vorgängigem, dem münsterischen Domkapitel gegebenen Versprechen, mit Zustimmung des Papstes, seinen Titel dahin, daß er sich Bischof zu Münster und Administrator des Erzbisthums Bremen schrieb, womit man in diesem Erzbisthum eben so wenig, als mit der Verlegung seines Wohnsitzes nach Münster zufrieden war. Ein Mann jedoch von großem Verstande, Klugheit und Heldenmuth regirte er beide Stifte mit seltenem Glück. Die vielen Kriege, welche er mit dem Grafen Gerhard von Oldenburg, mit den Friesen, auch als vom Kaiser Friedrich III. ernannter Generalisimus gegen den Herzog Karl den Kühnen von Burgund und sonst führte, gehören nicht in die Geschichte des Herzogthums Bremen; nur sey bemerkt, daß es in jenen unruhigen Zeiten auch in dieser Provinz nicht an Verheerungen fehlte, und sie zu außerordentlichen Geldbeiträgen genöthigt war. Einen nachtheiligen Einfluß auf das Erzstift hatte seine fast beständige Abwesenheit aus demselben. Seine bremischen Einkünfte zog er von dort weg. Die bremischen Schlösser, Burgen, Mühlen und sonstige erzbischöfliche Güter verfielen, und konnten wegen Mangels an Gelde nicht ausgebessert werden; verschiedene Landgüter waren verpfändet, die meisten Kleinodien nach Münster gebracht, und der bremischen Kirche in ökonomischen Angelegenheiten nur trübe Aussichten eröffnet, dagegen die Stadt Bremen seine Abwesenheit weislich zur Vergrößerung ihrer Macht, ihres Ansehens und ihrer Gerechtsame benutzte. Doch bleibt ihm der Ruhm, daß er für die öffentliche Sicherheit auf den Heerstraßen sorgte, besonders seitdem er durch Erneuerung alter Ansprüche auf Delmenhorst sich in den Besitz des dasigen Schlosses und der Grafschaft gesetzt hatte, welche er jedoch, gegen seine dem bremischen Domkapitel gegebene Zusage, nicht wieder mit dem Erzstift Bremen, wozu sie schon ehemals gehört hatte, sondern mit dem Bisthum Münster vereinigte, wobei sie bis zum Jahre 1547 verblieb († 1496).

III. Neue Geschichte. Erster Abschnitt. Die 7 letzten Erzbischöfe bis zum westphälischen Frieden und der Secularisation des Erzbisthums. J. 1496–1648.

Die traurigen Umstände, in welchen Heinrich II. das Erzbisthum zurückgelassen hatte, verursachten, daß die mehrsten Mitglieder des Domkapitels, damit das Stift sich erholen möchte, sich nach einem reichen und die Ruhe liebenden Nachfolger umsahen. Deswegen fielen die meisten Wahlstimmen auf den gelehrten, frommen und willfährigen Dompropst Johann Rode den Jüngern, [445] eines Rathsherrn Sohn, der damals etwa 52 Jahre alt war, und in der Reihe der bremischen Erzbischöfe 43) Johann III. genant wird. Konnte er auch während seiner Regirung aus mehren Ursachen nicht immer den Frieden erhalten, so kamen doch dem Erzstifte die großen Güter sehr zu Statten, die er von seinem Oheim, dem Dompropst Johann Rode dem Ältern geerbt hatte; da sich aber viele vornehmere Personen im Domkapitel befanden, die, so wie der ganze Landadel und die Städte des Erzstifts, lieber einem Erzbischof von noch angesehenerem Geblüte gehorcht hätten, z. B. dem Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg, oder Graf Otto von Oldenburg, die sich auch beide um diese Würde bemühten, so erweckte dies dem Erzbischof Johann Rode gleich Anfangs vielen Verdruß. Doch er blieb Erzbischof und nahm schon im J. 1500 mit Genehmigung des Domkapitels den Herzog Christoph, einen Sohn des Herzogs Heinrich von Braunschweig, damals erst 13 bis 14 Jahre alt, zum Coadjutor an, um durch diese mächtige Verbindung sich Beistand gegen seine widerspänstigen Landesstände und unruhigen Nachbarn zu verschaffen. Denn damals war er in einem bereits im J. 1499 begonnenen Kriege mit dem Herzog Magnus von Sachsen-Lauenburg begriffen, der, unter andern Ursachen, aus Rache, daß sein Bruder, Herzog Johann, bei der Wahl zum Erzbischof übergangen war, von dem ihm zugehörigen Lande Hadeln aus das zum jetzigen Herzogthum Bremen gehörende Land Wursten erobern wollte. Verlor gleich der Herzog Magnus jetzt einstweilen sein Land Hadeln durch das Waffenglück der Truppen des Erzbischofs und der mit ihm verbündeten Städte Hamburg und Bremen, so konnte sich doch bald der Erzbischof mit seinen Bundesgenossen gegen den Herzog nicht mehr halten, nachdem dieser nach jenem ersten Verluste seines Landes die damals so berühmte große oder schwarze Garde in Sold genommen hatte, welche das Bremische, besonders die geistlichen und Klostergüter äußerst verheerten, aber die adligen Güter der Dienstmänner der Kirche verschonten, weil diese es gegen den Erzbischof mit seinen Feinden hielten. Von dem Ausgange dieses Krieges schweigen die Geschichtschreiber, und bleiben bei dem Untergange der Garde stehen, welche vom Könige Johann von Dänemark und seinem Bruder, Herzog Friedrich zu Holstein, in Sold genommen, um die Aufrührerischen Ditmarsen völlig zu unterjochen, in den Dithmarsischen Sümpfen ihr Grab fand. Wahrscheinlich wurde jener Krieg bald nach dem Abzuge der Garde in Güte beigelegt. Die Friesen, die bald nach dem Regirungsantritt des Erzbischofs Johann Rode ihre Freiheit gegen ihn behaupteten, wurden im J. 1502, durch hinzugekommene Vermittelung der Städte Bremen und Lüneburg und der kriegerischen Wurster dahingebracht, ihn wenigstens zum Schein für ihren Herrn anzuerkennen. – Vertheidigten die Wurster für das Mal die weltlichen Rechte des Erzbischofs gegen die Friesen, so wollten sie doch bald darauf selbst im J. 1504 sich ihm in bürgerlichen Angelegenheiten nicht unterwerfen, obgleich sie sich seiner Aufsicht in geistlichen Angelegenheiten nicht entzogen. Dies führte kriegerische Unruhen für den Erzbischof herbei, so wie es auch der Fall mit seinem Nachfolger im J. 1518 war, wobei aber am Ende nichts herauskam, als daß viele ihr Leben verloren, viel Geld verschwendet, und bedeutende Strecken des Stifts zum größten Nachtheil der Landleute verwüstet wurden. – Andre, zum Theil kleinere, Streitigkeiten, auch mit der Stadt Bremen, woran dieser Erzbischof Theil nahm, übergehe ich, und bemerke nur noch, daß er bis an seinen im J. 1511 am 4 Decbr. zu Bremervörde erfolgten Tod in der letztern Hälfte seiner Regirung, besonders in den letzten 5 Jahren, in denen er auf dem bremischen Schlosse Hagen als seinem Leibgedinge, ohne jedoch seinen Einfluß als Erzbischof aufzugeben, lebte, mehr Ruhe, als in der erstern genoß, wozu ohne Zweifel seine mächtigen politischen Verbindungen das Meiste beitrugen. Sein ungedrucktes Registrum bonorum et jurium ecclesiae Bremensis, aus welchem hin und wieder Verschiedenes auch abgedruckt worden ist, ungeachtet sein Inhalt von Stadtbremischen Schriftstellern verschiedentlich in Anspruch genommen wird, ist für die Geschichte des Erzstifts, und sein im J. 1511 zu Straßburg gedrucktes Missale ecclesiae Bremensis wegen seines ehemaligen Gebrauchs und seiner jetzigen Seltenheit wichtig [8].

Der Nachfolger dieses Erzbischofs war sein bisheriger Coadjutor 44) Christoph, (s. nachher). Als Johann Rode ihn noch sehr jung zum Coadjutor angenommen, hatte er sich ausbedungen, das Stift, so lange er wollte, selbst zu regiren, und sein Coadjutor, dem der Antritt der erzbischöflichen Regirung vom Papste Alexander erst mit dem Eintritt in sein 27stes Lebensjahr zugesichert war, ob er gleich wegen Johann Rode’s Tode etwas früher erfolgte, sollte sich nicht anders, als dazu eingeladen, in kirchliche Angelegenheiten mischen. Johann regirte es auch wirklich bis an seinen Tod, ungeachtet Christoph unterdessen schon im J. 1502 auch zum Bischof von Verden erkoren war, behielt sich jedoch in den letzten Jahren seines Lebens, wie oben bemerkt ist, nur die Burg Hagen im Bremischen zum Leibgedinge vor. – Die Regirung Christophs, dem die Stadt Bremen wegen der von Erzbischof Johann Rode nicht abgegebenen Regirung deswegen auch erst im J. 1512 gegen die Confirmation der bis dahin von der Stadt erworbenen Privilegien, gleichwie Stade und Buxtehude, auf die gewöhnliche Art huldigte, war von langer Dauer, aber auch sehr unruhig. Seine fast beständige Abwesenheit von Bremen entfernte ihn von der Sorge um das Erzstift, wenn er anders überhaupt dazu geneigt gewesen wäre. Die im Jahre 1517 durch ihn geschehene Einrichtung des noch zu Stade fortdauernden Hofgerichts und einige andre gute Verfügungen, sind gegen das Elend nicht in Anschlag zu bringen, in welches er das Land stürzte. Die J. 1517, 1518, 1527, 1545, 1547 und 1557 waren besonders unglückliche Kriegsjahre für das Erzstift, und insonderheit auch für das heutige Bremische. Die großen, zu verschiedenen Zeiten angerichteten Verheerungen der Wrisbergischen Völker, der Soldaten des Schmalkaldischen Bundes, der Einwohner des Landes Wursten und der Creditoren des Erzbischofs (unter denen die von Pentz aus Mecklenburg seiner Schulden halber das Kloster Harsefeld unfern Stade und die umliegende [446] Gegend durch Plünderung und Brand verwüsteten) mußten das Land zu Grunde richten. Der Mangel an Gerechtigkeit und Sicherheit, die Armuth des ganz ausgesogenen Landes, die schweren Prozesse zu Rom und Speier, und die Beeinträchtigungen von dessen Nachbarn, vermehrten das allgemeine Unglück des Landes. Durch des Erzbischofs unordentliche Haushaltung, seine außerordentliche Verschwendung, weitläufige Prozesse und vielen kostbaren Reisen wurden Schulden auf Schulden gehäuft, so daß er in die tiefste Armuth sank. Dies veranlaßte zunächst die Verpfändung der Stiftsschlösser und Güter. Bei den daraus zusammengebrachten, aber längst nicht zureichenden Summen mußte es dem Erstern nebst sämtlichen bremischen Landständen noch unangenehmer seyn, daß sie mit ihrem Landesherrn zum Besten des Erzstifts und zur Bezahlung seiner ungeheuren Schulden so viele Verträge schlossen, von denen er keinen hielt. Dieser traurige Zustand verursachte zuletzt, daß sein eigner Bruder, Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig, dem Kapitel den Rath gab, ihn abzusetzen, in ein Kloster einzusperren, und die Regirung selbst zu übernehmen, welches des Kapitel inzwischen zu thun Bedenken trug. – Als hierauf Erzbischof Christoph sich vergebens auf einer Reise zum Kurfürsten Joachim II. zu Brandenburg nach Berlin um einen Stellvertreter bemüht hatte, der ihn gegen eine jährliche Apanage aus allen seinen Verlegenheiten herausreißen sollte, und wobei er durch die Vermittlung des Kurfürsten sogar zunächst auf seinen Vetter, Herzog Franz Otto, Harburgischen Theils, mit dem er in Feindschaft gelebt hatte, um so mehr, da er der ihm so verhaßten Reformation ergeben war, rechnete, entging er, wiewol er schon unter andern in den J. 1541 und 1552 wegen seiner Rechtshändel beim kaiserl. Kammergerichte auf eine Zeitlang suspendirt war, dem Schimpf der Absetzung durch den auf der Rückreise zu Tangermünde am 22. Jan. 1558 im 71 J. seines Alters durch eine starke Erkältung herbeigeführten Tod.

Nach diesen Grundzügen des politischen Lebens dieses Erzbischofs komme ich auf die unter seiner Regirung begonnene, und auch im Bremischen eingeführte Reformation, wodurch sie von einer andern Seite höchst merkwürdig wird. Da er ein wollüstiger Mann war, der drei öffentliche Concubinen zu Verden, Rotenburg und Bremervörde hatte, auch fast an allen Orten, wohin er kam, seine Beischläferinnen hielt, so hätte man glauben können, daß er sich um die Religion nicht viel bekümmert habe. Doch sang er oft im größten erzbischöflichen Ornate und in höchster geistlicher Gravität, mit einer schönen Stimme Messe, stellte viele Betfahrten und Kreuzumgänge an, stiftete strenge Orden, zwang die Verdenschen Domherren zu Abschaffung ihrer Concubinen, ein so schlechtes Beispiel er ihnen in diesem Stücke gab, und nöthigte sie oft, des Nachts mit ihm in die Metten zu gehen. – Der Reformation setzte er sich durch die grausamsten Mittel entgegen. In Verden ließ er viele Leute, die derselben zugeneigt waren oder schienen, ums Leben bringen. Auf sein Anstiften wurde Heinrich von Zütphen, der seit dem J. 1522 eine Zeitlang in Bremen Luthers Lehre zuerst gepredigt hatte, am 11. Dec. 1524 zu Heyde in Dithmaschen, und der bremische Prediger Johann Bornemacher verbrant; ähnlicher Handlungen zu geschweigen. Insonderheit hatte er im J. 1547 um der Religion willen gefährliche Absichten gegen die Stadt Bremen und das ganze Erzstift, die er durch kaiserliche Kriegsheere auszuführen gedachte. Allein er sah bald ein, daß es ihm im Erzstifte Bremen nicht gelingen würde, sich der Reformation, wie es von ihm im Stifte Verden geschah, zu widersetzen, weil er sich im letzteren gewöhnlich aufhielt, und die Stände leichter unterdrücken konnte. Die Ursachen, warum im Bremischen die Reformation einen schnellen Fortgang gewann, scheinen folgende zu seyn: 1) das seit dem 15. Jahrh. sehr gestiegene Ansehn der bremischen Stände, und die durch dagegen immer mehr eingeschränkten Kapitulationen der neu erwählten Erzbischöfe gesunkene Gewalt der letzteren; 2) des Erzbischofs große Armuth, welche ihn außer Stand setzte, seinem Willen durch Gewalt Nachdruck zu geben; 3) seine fast beständige Abwesenheit aus dem Erzstift, worin deswegen das Domkapitel und die Stände fast ganz nach ihrem Belieben regirten; 4) Mangel an freiwilliger auswärtiger Hilfe, da er sich sogar die ihm zunächst verwandten benachbarten Herzoge zu Feinden gemacht hatte; 5) der allgemeine Widerwille, den er sich durch seine landverderbliche Regirung zugezogen. Unter solchen Umständen bereitete sich die Reformation also auch im Herzogthum Bremen unter Christophs Regirung schnell aus [9].

Doch genug von diesem Erzbischof. Ihm folgte sein jüngster Bruder, 45) Herzog Georg zu Braunschweig und Lüneburg, geb. 1494, – welcher Anfangs seit dem J. 1535 Dompropst des Stifts zu Köln und seit dem J. 1553 Bischof zu Minden gewesen war, – im Jahr 1560 im verdenschen Bisthum nach († 1566). Er war dem lutherichen Lehrbegriff zugethan. Da er indessen als ein schon ziemlich bejahrter Mann zur erzbischöflichen Würde erhoben wurde, so war natürlich seine Regirung nicht von langer Dauer, aber doch friedlich. Hier stehe nur die in seine weltliche Regirung gehörige Bemerkung, daß die Stadt Bremen ihm das Schloß Ottersberg, 3 Meilen von gedachter Stadt, in dessen Besitz sie sich nach der bekannten Schlacht bei Drakenburg im J. 1547 gesetzt hatte, im J. 1562 wieder abtrat, und dies Schloß nebst dem davon genannten Amte seit jener Zeit mit dem jetzigen Herzogthum Bremen vereinigt gewesen ist.

Länger, wie er, regirte nach ihm 46) Heinrich III. ein Sohn des Herzogs Franz I. von Sachsen-Lauenburg, welcher nachmals im J. 1574 nach vielen vorhergegangenen Wahlstreitigkeiten zugleich Bischof von Paderborn und Osnabrück wurde, und im J. 1585 an den Folgen eines unglücklichen Sturzes vom Pferde zu Bremervörde sein Leben beschloß. Er war im 19. J. seines Alters unter der ausdrücklichen Bedingung zum Bischof erwählt worden, daß sein Vater seine Ansprüche auf das bisher streitige Land Wursten, auf die Herrschaft Bederkese und [447] auf die Elmischen Güter im heutigen Herzogthum Bremen aufgeben sollte. Dies geschah sogleich im Jahr 1567 durch einen Rezeß, welcher auch ein gegenseitiges Schutzbündniß enthält, und unter andern festsetzt, daß dem Herzog Heinrich während seiner Minorennität von dem Domkapitel, dem bis dahin die Verwaltung des Erzstifts natürlich überlassen blieb, halbjährlich 500 Joachimsthaler aus den Gütern des Erzstifts gegeben werden sollten. – Noch war er nicht lange zum Erzbischof erwählt, als zu einem von den Türken gegen das römische Reich unternommenen schweren Kriege das Erzstift zu den Kosten 24,000 Thlr. beitragen mußte. – Unter den ruhmwürdigen Anordnungen, welche die Regirung dieses Erzbischofs auszeichnen, gehört die Abfassung des bremischen Ritterrechts, welches auf einem zu Volkmarkt, nicht weit von Basdahl, dem jetzigen vieljährigen Versammlungsorte der bremischen Ritterschaft, gehaltenen Rittertage im J. 1577 glücklich zu Stande gebracht und im J. 1673 zuerst gedruckt wurde [10].

Der folgende Erzbischof 47) Johann Adolph, dritter Sohn des Herzogs Adolph, des Stammesvaters der Herzoge zu Schleswig und Holstein Gottorp, war im J. 1575 geboren, im J. 1585 zum Erzbischof zu Bremen und im J. 1586 zum Bischof von Lübeck erwählt. Auch folgte er in der väterlichen Landesregirung nach des Vaters Tode und dem unverhofften frühen Ableben seiner beiden dem Vater succedirenden ältern Brüder im 16. J. seines Alters. Zum Erzbischof zu Bremen war er unter der Bedingung erwählt worde, daß er sich so lange mit einem gewissen Jahrgelde begnügen sollte, bis die von seinen Vorfahren versetzten erzstiftischen Güter wieder eingelöst wären. Er verheirathete sich im J. 1596 mit Auguste, der Schwester des Königs Christian IV. von Dänemark, womit das Domkapitel zu Bremen unzufrieden war, weil nach der neuern Konstitution die evangelischen Erzbischöfe unverheirathet bleiben sollten. Dies veranlaßte ihn, noch in demselben Jahre als bremischer Erzbischof zu resigniren; doch blieb er Bischof zu Lübeck bis zum J. 1608, da ihn auch hier sein jüngster Bruder Johann Friedrich wie früherhin im Erzbisthum Bremen folgte [11].

Eben gedachter Herzog Johann Friedrich von Schleswig-Holstein (geb. 1579 am 31. Aug.) bestieg also als 48) Erzbischof zu Bremen den Stuhl. Zu dieser Wahl hatte das Kapitel die concurrirenden Stände, als die Ritterschaft nebst den Städten Bremen, Stade und Buxtehude durch gewöhnlichen, unterm 7. Sept. des Jahres 1596 datirten Anschlag an der Domkirche zu Bremen auf den bevorstehenden 22. Okt. eingeladen. Hierüber entstanden aus einer bis jetzt unbekannten Ursache Mishelligkeiten zwischen dem Domkapitel und den Ständen, welche die Folge hatten, daß das Kapitel sich nach dem unweit Stade gelegenen Kloster Harsefeld begab, und daselbst für sich die Wahl Johann Friedrichs vollzog. Das geschah nicht ohne Widerspruch der Ritterschaft und übrigen Stände; doch wurde aller Streit durch die eintretende Vermittlung des Königs von Dänemark, des Herzogs Ulrich von Mecklenburg und des Herzogs Johann Adolph zu Holstein durch einen zu Basdahl angefangenen, und zu Stade im J. 1597 am 6. Januar geschlossenen Vergleich beigelegt. – Das Wichtigste aus der Regirung dieses Erzbischofs, der sich zwar im J. 1600 mit der ältesten Tochter des Grafen Johann von Oldenburg verlobte, sie aber nicht ehelichte, ist der Umstand, daß die erstere Hälfte des für ihn und das Herzogthum Bremen so nachtheiligen 30jährigen Kriegs in dieselbe fällt. Die Kaiserliche Armee unter dem Grafen Tilly und das Heer des Königs Christian IV. von Dänemark brachen in das Bremische ein. Letzterer entließ alle Unterthanen des Erzstifts ihrer Pflichten gegen dasselbe und gegen ihren bisherigen Herrn, entsetzte diesen seiner Würde, und bestellte seinen Sohn, den Prinzen Friedrich, zum Coadjutor. Im Kriege hatte der Erzbischof Johann Friedrich vormals dem Kaiser viele wesentliche Dienste geleistet, konnte ihn aber nicht dazu bewegen, ihm wieder zum Besitz seiner Länder zu verhelfen. Jene Dienste erkannte der Kaiser zwar an, entschuldigte sich aber mit dem berüchtigten Edikte de restituendis bonis ecclesiasticis, welches den Erzbischof für unfähig erklärte, geistlichen Gütern vorzustehen. Er drückte dabei seine Hoffnung aus, der Erzbischof würde Bremen gegen die Zusicherung einer anständigen Apanage dem Erzherzoge Leopold Wilhelm überlassen. Die Kaiserliche Armee drang hierauf ins Erzstift Bremen, besetzte dasselbe, und hoffte den sich widersetzenden Erzbischof selbst in die Gewalt zu bekommen. Dieser eroberte jedoch im J. 1631 nach der Leipziger Schlacht das Bremische (nebst dem Verdenschen) mit Hilfe der Schweden, in deren Händen er diese Länder ließ, als er im J. 1634 am 3. Sept. im Altenkloster bei Buxtehude sein unruhiges Leben beschloß. Der unruhigen Zeiten ungeachtet erschienen während seiner 38jährigen Regirung manche nützliche und heilsame Verordnungen. Ausgezeichnet zu werden verdient sein Edikt 1603 vom Prozeß in Zaubereisachen, worin er mehr Vorsicht und glimpflichere Behandlung gegen die der Zauberei verdächtigen Personen ernstlich anbefahl. Auch ist seine vermuthlich bald nach dem J. 1607 erschienene Kanzleiordnung [12], als ein Produkt jener Zeiten für Beförderung der Rechtspflege und für Kentniß des Geschäftsgangs ungemein wichtig.

Die Reihe der bremischen Erzbischöfe beschließt 49) Friedrich, zweiter Prinz des Königs Christian IV. in Dänemark, geboren zu Hadersleben im J. 1609 am 18. März, ein gelehrter Fürst und großer Beförderer der Gelehrten. Er erhielt schon im J. 1616 eine Domherrnstelle [448] in Bremen, wurde 1618 im 9. Jahre seines Alters Coadjutor zu Verden, und 1621 Coadjutor des Erzbisthums Bremen. Er succedirte zwar im J. 1634 gleich nach seines Vorgängers Tode, konnte aber die kaiserliche Confirmation nicht eher erreichen, bis sein königl. Vater, als Herzog von Holstein, und auch er selbst in dieser Eigenschaft nebst dem Domkapitel gleich den anderen Ständen des Reichs sich zur Vollziehung des prager Friedensschlusses verbindlich machten. Dieser Umstand, und die im Bremischen fortdauernden Kriegsunruhen verzögerten die ihm zu leistende Huldigung bis zum 22. März 1637 [13]. – Während der 30jährige Krieg noch wüthete, entstand im J. 1644 auch ein heftiger Krieg zwischen der Königin Christine von Schweden und dem Könige Christian IV. in Dänemark, welcher für das Erzstift Bremen die Folge hatte, daß der schwedische General, Graf Hans Christoph von Königsmark mit aller Macht in dasselbe eindrang, noch in demselben Jahre das Schloß Langwedel, im folgenden aber die Stadt Stade nebst den Schlössern Ottersberg und Bremervörde, welches die erzbischöfliche Residenz war, eroberte, dadurch das Land dem Scepter seiner Königin unterwarf, den Erzbischof vertrieb, und den bremischen Distrikt bis zum westphälischen Frieden (1648) im Besitz behielt, in welchem es nebst dem Bisthum Verden dem Königreiche Schweden zur Schadloshaltung für die aufgewandten Kriegskosten als zu secularisirende Länder unter dem Titel von Herzogthümern überlassen und zum Reichslehn erklärt wurde. Inzwischen erhielt dieser Erzbischof nach dem Tode seines königlichen Vaters im Jahr 1648, und da sein älterer Bruder das Jahr zuvor ohne Erben gestorben war, unter dem Namen Friedrich III. die väterliche Krone, die er bis an seinen im J. 1670 erfolgten Tod trug.

Neue Geschichte. Zweiter Abschnitt. Die schwedische Regierungsperiode. J. 1648–1712.

Die nun dem schwedischen Scepter unterworfenen Herzogthümer Bremen und Verden wurden sofort in Regierungs-, Justiz- und Konsistorienangelegenheiten unter eine Verwaltung gesetzt, wobei es auch bei den nachmaligen Veränderungen der weltlichen Besitzer dieser Länder, ungeachtet mancher im Laufe der Zeit herbeigeführten Veränderungen in zufälligen Dingen, im Allgemeinen unverändert blieb [14]. Sämtliche höhere Landescollegia erhielten ihren Sitz, der sonst in Bremervörde gewesen war, in Stade, wie es noch heutigen Tages der Fall ist. Auch wurden den Bremer- und Verdenschen Landesständen und der Ritterschaft bald nach dem Anfange der schwedischen Regirung (den bremischen Landesständen und der dasigen Ritterschaft namentlich durch einen allgemeinen Abschied oder Landtagsreceß d. d. Bremen den 30. Juli 1651) ihre althergebrachten Gerechtsame bestätigt; die vom Könige Karl XI. im J. 1692 beigefügte s. g. Erläuterung der bestätigten Privilegien der bremischen Stände, durch die sie bedeutend eingeschränkt wurden, hob König Georg II. von Großbritannien, als Herzog von Bremen, da er im J. 1732 am 30. Juli die Landesständigen Privilegien bestätigte, gänzlich auf [15].

So bald die Königin Christina zum Besitz der Bremenschen und Verdenschen Länder gelangt war, fing sie auch hier an, die Domaninal- und geistlichen Güter zu verschenken, und sie trieb dieses weiter, als irgend einer ihrer Vorfahren. Die ansehnlichen Güter der Domkapitel, alle Klöster im Lande, verschiedene Ämter und Flecken u. s. w. wurden von ihr an 89 ihrer vornehmsten Civil- und Militärbedienten, Leibärzte und andre verschenkt. Dadurch gerieth das Finanzwesen auch in diesen Provinzen ganz in Verfall. Nach einem frühern Versuche, den Karl X. Gustav gleich nach Christinens Thronentsagung machte, demselben durch ein angesetztes Reductionskollegium aufzuhelfen, welcher aber größtentheils wegen der unruhigen Zeiten seinen Zweck verfehlte, riß endlich das unter Karl XI. auf einen festen Fuß gesetzte Reductionskollegium die Krone Schweden – das Hauptland mit den Nebenländern – aus dieser Verlegenheit. Damals wurden denn also auch die in den Herzogthümern Bremen und Verden verschenkten Güter wieder eingezogen [16]. – Gegen die Mitte der königl. schwedischen Regirungsperiode trat auf eine Zeitlang eine politische Veränderung ein. Schweden wurde im J. 1675 in die Reichsacht erklärt, weil es mit den gegen das teutsche Reich immer noch feindseligen Frankreich ein Bündniß geschlossen und sich hatte verleiten lassen, dem am Oberrhein kriegführenden Kurfürsten von Brandenburg durch einen feindlichen Einfall in seine Länder unter dem General Wrangel eine Diversion zu machen. Damit nun unter diesen Umständen keine andre benachbarte Macht die Herzogthümer besetzen möchte, vereinigten sich der Herzog Georg Wilhelm von Celle, der Herzog Rudolph August von Braunschweig-Wolfenbüttel, und der Bischof von Münster, Bernhard von Galen, diese Länder bis zum Ausgang der Sache in Besitz zu nehmen, um mögliches Unheil von sich selbst zu entfernen. Die beiden Herzoge nahmen Stade und den größten Theil des Herzogthums Bremen, der Bischof aber das Herzogthum Verden und den zunächst daran gränzenden Theil des Herzogthums Bremen ein, ohne daß eine wesentliche Veränderung in der Landesverfassung gemacht wurde. – Diese interimistische [449] Besetzung hörte mit dem J. 1679 auf. Karl XI. kam zur Ruhe, entsagte weislich allen Kriegen, und dachte nur daran, seinem durch die Kriege geschwächten Reiche eine festere und glücklichere Verfassung zu geben, woran denn jene Länder auch Theil nahmen.

Neue Geschichte. Dritter Abschnitt. Die interimistische Dänische Periode (J. 1712–1715) und Großbritannisch-Hannoversche Regierungszeit seit dem J. 1715.

Unter seinem Sohn und Nachfolger Karl XII. erfuhren diese Herzogthümer eine doppelte neue Veränderung des Landesherrschaft, zuerst die Dänische, und dann die Großbritannisch-Hannoversche. Die Kriege, welche Karl XII. unaufhörlich in weit entlegenen Ländern führte, sein dadurch geschwächtes Reich, und Umstände, die in der Vorzeit ihren Grund hatten, veranlaßten den König Friedrich IV. in Dänemark, im J. 1712 am 31. Juli eine Armee von 11,000 Mann in 2 Kolonnen über die Elbe zu setzen, mit welcher er nach 5 Wochen Stade eroberte und dadurch Herr des Bremen- und Verdenschen wurde. Doch überließ er sie im J. 1715 am 11. Juli dem mit ihm verbündeten Könige von Großbritannien als Kurfürsten von Braunschweig-Lüneburg gegen 6 Tonnen Goldes, worauf die wirkliche Cession am 15. Okt. desselben Jahrs erfolgte. Nach Karls XII. Tode (1718) entsagte auch die Königin Eleonore, welche die Nothwendigkeit erkannte, ihren Ländern Frieden und Ruhe wieder zu geben, ihren Ansprüchen auf diese Herzogthümer gegen Erlegung von 1 Million Thlr., und 90,000 Thlr. Schadloshaltungsgelder, über welchen letztern Punkt beide kontrahirende Theile sich im J. 1729 am 18. Aug. zu Hamburg verglichen. – Zu diesen angeführten Summen, welche Hannover auf die Erwerbung der beiden Herzogthümer verwandt hat, kommen noch andre beträchtliche Summen, welche zur Einlösung verpfändeter Domänen erfordert wurden. Doch schlägt Scharf [17] das Ganze, was die Erwerbung jener Provinzen gekostet hat, mit 2½ Million Thlr. zu hoch an, indem er das Geld, welches von Zeit zu Zeit zum Ankauf von Privatgütern und Privatgerechtsamen im Lande, zu großen Deichsunkosten u. s. w. verausgabt ist, mit Unrecht zu demjenigen zählt, wofür diese Herzogthümer ursprünglich von Hanover erworben sind, wiewol diese Provinzen dem Könige sonst allerdings diese 2½ Millionen und wol noch ein mehres gekostet haben.

Unter königlich Großbritannisch-Hannoverscher Regirung genossen die Bremen- und Verdenschen Länder eine langjährige Ruhe, und der Wohlstand des Landes stieg insonderheit auch durch die im J. 1750 begonnene und immer fortdauernde Moorkultur, wovon schon die im J. 1790 in den Annalen der braunschweig-lüneburgischen Kurlande S. 704 fgg. gegebene Übersicht Erstaunen erregen muß. Nur der 7jährige Krieg führte vorübergehende Übel herbei. Der Lüneviller Friede (1802) arrondirte das kleine Gebiet der jetzigen freien Hansestadt Bremen, und entzog zur Erreichung dieses Zwecks dem Herzogthum Bremen die alte Metropolitankirche mit ihren Zubehörungen und einigem angränzenden Gebiete. Gleich darauf äußerte der große französische Revolutionskrieg auch seine nachtheiligen Folgen auf die Bremen- und Verdenschen Provinzen, als Napoleon dort das Statsruder führte. Die Franzosen besetzten nebst den übrigen hannoverschen Ländern auch diese in den J. 1803–1806. Die damalige Überlassung derselben an Preußen dauerte nur bis zur Schlacht von Jena. Um dieselbe Zeit erfolgte die französische Wiederbesetzung. Vieles vom Bremen- und Verdenschen wurde darauf den im J. 1810 errichteten ephemerischen Königreiche Westphalen zugetheilt, aber zum Theil bald wieder von demselben durch des damaligen französischen Machthabers Willen getrent und seinen Staten einverleibt, bis sie durch die neusten Ereignisse wiederum ihrem rechtmäßigen Landesherrn zufielen.


  1. Bremen besitzt, wie so manche viel geringere Provinz Teutschlands, keine eigentliche Chorographie. Was Pratje in seinen beiden Werken: die Herzogthümer Bremen u. Verden 1757–1762 und im Alten und Neuen aus Bremen und Verden 1769–1781 geliefert, und Schlichthorst von 1796–1806 fortgesetzt hat, enthält zwar manches schätzbare Material zu einer künftigen Darstellung des Landes, macht aber kein Ganzes aus. Nach diesen und Büsching ist Bremen in dem großen weimarschen Handbuche bearbeitet. – Eben so dürftig sieht es mit den bildlichen Darstellungen dieses Landes aus; de Roths Charte war zu seiner Zeit (Ende 16. Jahrh.) trefflich, und lag den Nachrichten von Homan, Vischer, de Witt u. s. w. zum Grunde; von wenigerem Werth, obgleich in größerem Maßstabe, ist die der Akademie von Berlin in 2 Blättern. Am ausführlichsten zeigt das Land der sogenannte milit. Atlas des Königr. Hannover von 1817, am besten die Hogrefe-Heiligersche Charte der Länder zwischen Elbe und Weser von 1812, die in Hinsicht der Genauigkeit noch Vorzüge vor der neueren Müllerischen des Kön. Hannover behauptet, wenn gleich ihr Äußeres und ihr Strich sie, wie diese, wenig empfehlen
  2. Im Bremenschen gilt in den Kassen und im gemeinen Leben hanöversches Kassen- und Konventionsgeld, welches erstre aber seit 1817, wo Hanover Konventionsgeld eingeführt hat, immer mehr verschwindet. Außerdem kursiren aber auch noch viele Stadt Bremer- und oldenburger Münzsorten, und von dem Altbremenschen Gelde, das die Erzbischöfe schlagen ließen, ist wenig mehr übrig. – Maße und Gewicht sind höchst verschieden; bei trocknen Sachen hat man den Braunschweigischen, Stadischen u. Stadt Bremenschen Himpten; bei dem Gewichte ist das Stadt Bremener schwerer als das Stader.
  3. 1) Urkunden enthalten Erp. Lindenbrog’s Scrptt. rerum septentr. Fref. 1609. fol. verm. von. J. Albr. Fabricius. Hamb. 1706. fol. Luneberg Murhard’s monum. nobilit. antiq. famil. illustr., inpr. ord. equestris in ducat. Brem. et Verd. Bremen 1708. fol., später unter dem Titel: Bremisch-Verd. Rittersaal etc. eb. 1720.fol. Petr. Lambecii orig. Hamburg. Hamb. 1652-61. 4. von neuem herausg. v. J. A. Fabricius 1706. Fol. Staphorst’s Hamburg. Kirchengesch. Hamb. 1723-31. 5 B. 4. – Von H. Muhlii Diss. hist. theol. (Kiel 1715. 4.) enthält die 7te viele Freiheitsbriefe Brem. Erzbischöfe. Auch machte G. Roth einzelne bis dahin noch nicht gedruckte Stücke bekant (1714-22.). Später lieferten J. Vogt, monum. inedita rer. germ. praec. Bremens. Bremen 1740-63. 2 B. 8. J. H. Pratje und H. Schlichthorst in den obgedachten, J. Ph. Cassel in mehren bekannten Sammlungen. Zerstreute Urkunden finden sich in den größeren allgemeinen Sam. von Mencke, Lünig, v. Ludwig, v. Westphalen, u. Scheidt. – Von alten Geschichtschreibern sind zu nennen Adam v. Bremen und Albert von Stade (s. deren Art. B. I. II.) ein Ungenannter, der diese ausschrieb, herausg. von Lindenbrog, Leyden 1595. 4. und in dessen Scriptt. rer. sept.; der oft fabelhafte Can. Wolters, dessen Chron. Archiepisc. Brem. in H. Meibomii scriptt. rer. germ. T. II. sich findet; Dr. Alb. Kranz in seiner Saxonia u. Metropolis u. dessen Forts. D. Chyträus; J. Otho’s Catal. omn. episc. et archiepisc. Brem. (1584) in J. B. Mencke Sciptt. rer. germ. T. III., fortgesetzt von J. J. Kelp bis 1648., abgedr. in Pratje’s Saml. II. Auch gibt es ungedr. Chroniken von H. Scheene und J. Renner in plattteutscher Sprache auszugsweise gedruckt, Bremen 1583 8 und in hochteutsche Reime übersetzt 1642, verbessert von Roth, Stade 1718. – Auch ist zur Geschichte des Landes, Roller’s Geschichte der Stadt Bremen (1799–1803, 4 B. 8.) zu vergleichen. (H.)
  4. 2) S. Mannerts Geographie III. 307.
  5. 3) Adam der Bremer liefert die Urkunde, in welcher Karl das bremische Bisthum stiftete. Nach der Unterschrift ist sie zu Speier am 12. Juli des J. 788 ausgefertigt. So viel von mehren Gelehrten über ihre Echtheit oder Unechtheit gestritten worden, glaube ich, man folge denen am sichersten, die sie der Form nach für unecht und stark interpolirt halten, ihrem wesentlichen Inhalte nach aber, besonders, was die noch nie angefochtene Gränzbeschreibung betrifft, für echt erklären. Ihre jetzige Form hat die Urkunde, wenn sie nicht älter ist, spätestens im 11. Jahrh. erhalten (Ein Mehres über diese berühmte Stiftungsurkunde, s. bei Lappenberg in Pratje’s Herzogthümer Bremen und Verden II. 196 fgg. und Delius über die Gränzen und Eintheilung des Erzbisthums Bremen. 1808. 8.)
  6. 4) Eigentlich stand auch den Kaisern das Wahlrecht zu, aber bei vielen inneren Kriegen und Unruhen zu den Zeiten der Karolinger und nach dem Abgange dieses Stammes achteten sie nicht viel auf ihre Rechte über die teutschen Bischofthümer, und ließen es gemeiniglich bei Bestätigung des von der Geistlichkeit und dem Volke erwählten Subjekts bewenden.
  7. 5) S. Halem’s Geschichte des Herzogthums Oldenburg I. 310 fgg.
  8. 6) Ausführliche Nachrichten von Johann Rode liefert Cassel Bremensia I. p. 1-92. und p. 259-341.
  9. 7) S. Lappenberg über den Anfang der Reformation im Stifte Bremen in Pratje’s Herzogthüm. Bremen und Verden I. 359 fgg.
  10. 8) Es wurden darin die alten Rechte, Gewohnheiten und Privilegien, welche die erzstiftische Ritterschaft in Ansehung der Succession in ihren Erb- und Stammgütern und in andern Fällen von jeher gehabt hatte, in ein gewisses System gebracht, und auf diesem Wege für die Zukunft manchem Prozesse vorgebeugt, die Besorgniß zu Familienzwistigkeiten auch späterhin durch eine neue Bearbeitung des Werks, das darauf im J. 1739 zum Druck befördert wurde, noch ungemein verringert, wenn nicht gänzlich gehoben; s. Pratje Altes und Neues III. 8 fgg.
  11. 9) Seine fernere Lebensgeschichte gehört in die holsteinische Geschichte.
  12. 10) S. von Ende und Jacobi Samlungen für Geschichte und Statskunde aus den braunschweig-lüneburgischen Churlanden, 1. Th. S. 27 fgg.
  13. 11) Sie fand in der Domkirche Statt. Diese alte, berühmte Kirche war seit dem J. 1561, da Dr. Albert Hardenberg nach den von ihm genannten Unruhen, aus der gedachten Stadt und dem niedersächsischen Kreise entfernt worden war, verschlossen gewesen; Erzbischof Friedrich aber, welcher der lutherischen Confession eifrigst zugethan war, stellte, aller Protestationen des bremischen Stadtmagistrats und der von demselben ergriffenen gewaltsamen Maßregeln ungeachtet im J. 1638 am 23. Sept. den noch daselbst fortdauernden Gottesdienst in derselben wieder her.
  14. 12) S. königl. schwedische Instruction vom 20. Juli 1652 für die Bedienten bei Gouvernir- und Regirung der Herzogthümer Bremen und Verden in Pratje’s Altes und Neues B. 4. S. 1–98.
  15. 13) S. kurzer, doch gründlicher Bericht von den althergebrachten und confirmirten Gerechtsamkeiten der löblichen Landstände und Ritterschaft des Herzogth. Bremen in Pratje’s Herzogth. Bremen u. Verden III. 197–402, ingleichen: Joa. Nic. Goetze commentatio de origine, statu hodierno juribusque praecipuis ordinum provincialium ducatuum Bremens. et Verdensis. Goetting. 1795. 4. – Vom bremischen Adel insonderheit, s. Pratje Altes und Neues I. 241 fgg. II. 103 fgg. III. 1 fgg. IV. 151 fgg. V. 201 fgg. VII. 187 fgg. XI. 171 fgg.
  16. 14) Weitere Nachricht von der Geschichte dieses Donationswesens s. in Pratje Herzogth. Bremen und Verd. V. 327 fgg.
  17. 15) Annalen der braunschweig-lüneburgischen Kurlande 6ter Jahrgang S. 305–322.