Etwas von alten Steinbrücken im Harz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Reinecke-Altenau
Illustrator: Karl Reinecke-Altenau
Titel: Etwas von alten Steinbrücken im Harz
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Karl Reinecke-Altenau
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag:
Drucker:
Erscheinungsort: Harz
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Schaltjahr 1920, S. 34–37
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: [1]
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht Korrektur gelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du bei den Erklärungen über Bearbeitungsstände.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[34]

Zeichnung von K. Reinecke-Altenau
Alte Steinbrücke im Harz.
(Zu dem Aufsatz auf S. 35.)
[35]
Etwas von alten Steinbrücken im Harz.
Von Karl Reinecke-Altenau
Mit Zeichnungen vom Verfasser.


     Ich wandere an einem munteren Harzbächlein aufwärts und habe meine Freude an dem sprudelnden Geplauder des Wassers und der fröhlichen Buntgestaltigkeit des Bachbettes. Wie es da zwischen moosigen Felsblöcken, verwaschenen Steinen und Kieseln und Sand gurgelt und plantscht und plätschert und trällert! Ist nicht so ein Harzbach ein Bild ausgelassensten Lebens?

     Und nun stehe ich mit einem Male entsetzt vor einer jener maßlos öden Betonbrüken, die unsere Landstraßen- und Forstverwaltungen den letzten Jahren und Jahrzehnten zu bauen beliebten. Stelle dir den Gegensatz vor: Da fließt das Wasser mit herzerfrischendem, lebendigem Geriesel talab in seinem malerischen Bette, – und darüber hinweg legt sich plump diese graue, leblose, langweilige Betonmasse. Kann man sich zu einem hüpfenden und spritzenden Gebirgswasser etwas Betrüblicheres und Geschmackloseres denken?

     Ihr Schuldigen, schlagt an Eure Brust: wenn Ihr das Wort „Naturverschandelung“ hört, so möge Euch das schlechte Gewissen peinigen. Denn Ihr habt ein gut Teil zu diesem traurigen Kapitel beigetragen.

     Gott sei Dank, daß die wunderschönen alten Steinbrücken, die unsere Väter und Großväter bauten, auf so festen Füßen ruhen, daß sie zur Freude vieler Menschen noch manches Jährlein ihre Bogen über unsere Harzbäche spannen werden und eines neuzeitlichen, zweifelhaften Ersatzes nicht bedürfen. Diese alten Brücken sind ein Bild voll Kraft und Trotz und Schönheit zugleich. In ihnen ist Zweckmäßiges und Wohlgefälliges zu einer wundersamen Gesamtwirkung vereinigt. Diese immer wieder in Erscheinung tretende Gabe, das Nützlich-Praktische mit dem Angenehmen und Schönen zu verbinden, war eine der glücklichsten unserer Großväterzeit. Fühlt man nicht bei allem, was sie uns hinterließen, heraus, daß mehr Freude und mehr Sang und Klang in ihrer Arbeit lag als in der unsrigen? All’ ihr Tun und Wirken war durchweht von einem heiteren Hauch fröhlicher Poesie, die auch den nüchternsten Alltag verklärte. Das war die schöne Sinnenfreude der Alten, die sich nicht genügen ließ an der praktischen Brauchbarkeit eines Dinges, sondern die daneben auch etwas verlangte für Auge und Seele. Blicke Dich um in Museen oder draußen, wo Du noch Spuren großväterlichen Handwerks siehst: bei keiner Sache wirst Du das Moment der Freude und Schönheit vermissen und bei keiner den Willen, dem Nützlichen gleichzeitig den Stempel des Edlen und Wohlgefälligen aufzudrücken. Konnte oder sollte das nicht erreicht werden durch schmückendes Beiwerk, so sprach eben das Ding für sich durch seine Gesamterscheinung, die sich ergibt aus Werkstoff („Material“) und Form. Und von diesem letzten Gesichtspunkt aus sieh Dir die alten Harzer Steinbrücken an.

     Es ist großartig zu nennen, mit was für einfachen Mitteln die Alten ihre Steinbrücken einmal als Bauwerke auszuführen wußten, und wie meisterhaft sie es zum andern verstanden, die Brücken in die Landschaft einzufügen. Das Flußbett selbst oder der nächstgelegene Steinbruch bot ihnen bodenständigen Werkstoff in Hülle und Fülle. Was sich vorstand und sich als brauchbar erwies, wurde [36] verwertet. Die Steine wurden nur notdürftig behauen. Es gab kein Frisieren und mathematisches Zurechtstutzen; groß und klein, dick und dünn, es war alles verwendbar, wurde mit weißem Mörtel zu einem schwungvollen Bogen zusammengefügt, ein kräftiges Mauerwerk darüber, – und fertig war die Brücke. Und was für eine! Schau, wie die Buntgestaltigkeit der Steine, ihre Formen, ihre Farben, wie das alles zur lebendigen Vielfältigkeit des Flußbettes paßt, sich der Umgebung anschmiegt, aus ihr herausgewaschen zu sein scheint!

     Un nun stelle Dir als Gegensatz dazu ein neuzeitliches Machwerk vor. Ist nicht auch Dir diese nichtssagende, tote Betonkleisterei wiederlich? Wie fade und mager wirkt so eine Betonbrücke im Vergleich zu den steinernen, von denen eben die Rede war.

     Weit schlimmer als das Betonbrückenbauen, ungleich, unverständlicher und verwerflicher ist es allerdings noch, wenn gute alte Steinbrücken bei Ausbesserungsarbeiten vollkommen mit Zement überschmiert worden sind, sodaß ihr Gewand und ihre Art gänzlich verloren gingen. Wieviel grausige Beispiele kann man leider gerade für diesen Unverstand finden! Das ist Gewissenlosigkeit, Denkmalsschädigung. Ich lasse es mir gefallen, einzelne Stellen tüchtig mit Zement auszufüllen, wenn es nottut, das erhöht unter Umständen und zumeist sogar den malerischen Reiz. Aber wegen einzelner bröckeliger Steine oder einiger Risse gleich die ganze Brücke einzuzementieren, – das sollte eigentlich schon die Hochachtung vor dem Alten verbieten, wenns bessere Einsicht und Vernunft nicht tun. Das ist gerade so, – um ein wenig abgeschmackt, aber treffend zu reden, – als wenn ein Zahnarzt ein paar Goldplomben einzusetzen hat und bei der Gelegenheit gleich das ganze Gebiß mit vergoldet in der Meinung, es dadurch wiederstandsfähiger oder womöglich schöner zu gestalten. – Gewiß, so eine alte Harzbrücke ist kein klassisches Bauwerk, das mit peinlicher Sorgfalt in alter Herrlichkeit erhalten werden soll. Aber sie hat doch auch ihre eigene Schönheit. Und Schönheit sollte immer unantastbar sein.

     Es gibt eine sehr gesunde und begrüßenswerte Bewegung, die sich „Denkmalsschutz“ nennt, und die Erhaltung schöner und wertvoller alte Bauwerke, Städte- und Landschaftsbilder erstrebt und vor Verschandelung hüten will. Sind nicht auch unsere alten Harzbrücken Denkmale? Freilich, keine von ihnen kann sich messen etwas mit der alten Friedrich-August-Brücke in Dresden oder der alten Mainbrücke in Frankfurt, um welche beiden viel geschrieben worden ist, als man sie abreißen und durch zweifelhafte Neubauten ersetzen wollte, die das Stadtbild zerstört hätten. Wie gesagt, so wertvoll sind unsere Brücken an sich sicher nicht: Aber für unsere Harzer Bachlandschaft sind sie von genau dem gleichen Wert wie die genannten großen Brücken für das Stadtbild jener Städte!

     Doch nun eine kleinen Sprung zurück zu den Betonbrücken. Ich will selbstverständlich dem Betonbrückenbau keineswegs allgemein die Berechtigung absprechen. Er mag zu einem in ruhigen Bahnen fließenden Flachlandgewässer passen, als reines Kunsterzeugnis vielleicht am besten zu einem Kanal. Doch über unsere munteren, ewig eilenden Harzbäche gehört kein Eisen und kein Beton.

     Kürzlich sah ich im Harz ein paar Steinbrücken aus neuster Zeit. Ihre Wucht und Kraft war erfreulich. Doch löste ihr Anblick nicht jenes reine Wohlgefallen in mir aus wie eine jener alten Brücken. Das hatte zweierlei Gründe. Einmal war der verwandte Baustoff kein Bodenständiger, sondern fremder, weither geholter (obwohl in der [37] Umgegend die schönste Grauwacke wuchs). Der zweite störende Umstand lag darin, daß sämtliche Steine gleichmäßig behauen und in streng gleichmäßigen Schichten ausgemauert waren. Hierdurch hatten die Brücken etwas zu Steifes, zu Salbungsvolles bekommen, was nicht zu der unbekümmerten Lebendigkeit des Harzwassers taugen will. Jene Bauart mag wiederum zu einem ruhigen, breiten Strom passen, ist da sogar Bedingung. Bei einer Harzbrücke ist sie nicht am Platze. Gerade wegen der Verwendung roh behauener Steine verschiedenster Größe und wegen des hierdurch bedingten nahezu vollkommenen Verzichts auf jegliche gleichmäßige Schichtung machen unsere alten Brücken einen so lebendigen Eindruck.

     Wer von Lautenthal nach Wildemann wandert, hat die beste Gelegenheit, sämtliche Brückentypen kennenzulernen und zu prüfen, welche nun tatsächlich für einen Harzbach am schönsten wirken. Da sind zunächst die herrlichen und prachtvoll geschonten alten Steinbrücken in Lautenthal selbst, (von denen die zweibogige hier im Bild wiedergegeben ist).

Sehr schön und der ursprünglichen Art sehr nahekommend ist auch die große Brücke unterhalb Wildemanns, an der mich nur die wie Spielerei anmutenden erhöhten Fugen stören. Warum das? Zwischen diesen bezeichneten finden wir dann eine waschechte Betonbrücke und weiter eine recht fromme und langweilige Sandstenbrücke mit allem möglichen faulen Zauber, der die Langstieligkeit fortbannen soll. – Man denke: Sandsteinbrücken im Innerstetal!

     Ich habe mich oft gefragt, wie es kommen mag, daß man in der Jetztzeit so selten Steinbrücken in alter Art erbaut. Sachliche Gründe können es kaum sein. Die Steinbrücken unserer Alten haben ihre Lebensfähigkeit und Brauchbarkeit doch wahrlich zur Genüge erwiesen. Mangel an geeigneten Baustoffen kommt doch im Harz auch nicht in Frage. Es werden demnach, wie in so vielen anderen Fällen, rein materielle Überlegungen den Ausschlag geben: schnellere Fertigstellung, infolgedessen weniger Kosten. Früher wurden solche Arbeiten den einheimischen Handwerkern übertragen. Sie machten ihre Sache gut. Heute wird eine Submission ausgeschrieben: Wer tut’s am billigsten? Selbstverständlich kann da der Handwerksmann nicht mit, – die auswärtige, landfremde „Firma“ schießt den Vogel ab. Und der ist es zumeist egal, wie die Brücke nachher aussieht, ob sie in die Landschaft paßt oder nicht. Und auch die auftraggebenden Geschäftsstellen haben für diese Frage durchweg leider wenig Verständnis. Ihr streberhaftes Interesse richtet sich lediglich auf die Geldfrage. Sie sind befriedigt, wenn sie ein paar Pfennige gespart haben. Das ist ein bedauerlicher Standpunkt. Dieses nüchterne, berechnende Rücksitnehmen auf das Nur-Zweckmäßige und Nur-Nützliche hat manche landschaftliche Schönheit zu Grabe getragen. Man braucht sich nur draußen umzusehen, um gleich hundert traurige Beweise vor Augen zu haben. –Wohlgemerkt: Zweckmäßig und nützlich soll jedes praktische Ding sein, das unsere Hände schaffen. Doch, – und nun kommt das große Aber, – es verrät keine Kulturgröße, wenn jene beiden Forderungen die allein maßgebenden sind und höhere Rücksichten ausgeschaltet bleiben.

     Darum eine Bitte zum Schluß. Sie gilt in erster Linie Euch, Ihr Forst- und Wegebaukanzleien und Gebaut im Harz keine Eisen- oder Betonbrücken. Schont die alten Steinbrücken bei Ausbesserungsarbeiten. Baut Ihr neue, so nehmt Euch die alten zum Vorbild. Zum VOrbild nehmt Euch auch die gute alte Zeit unserer Väter, die nicht so kühl berechnend, nüchtern und engherzig war wie die unsrige, sondern wo ungeschrieben über allem nützlichen Tun und wirken das große, fröhliche Gesetz der Schönheit waltete.