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Etymologische Enthüllungen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: E. U.
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Titel: Etymologische Enthüllungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 771
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[771] Etymologische Enthüllungen. „Was ist ein Name?“ fragt geringschätzig Shakespeares Julia, und: „Name ist Schall und Rauch!“ tönt es gleicherweise aus dem Munde von Goethes Faust zurück. Auch Lessing, dem das Wort entstammt: „Ach, Namen sind nur Töne!“, schlägt ihre Bedeutung offenbar gering an. Und Uhland giebt mit der ihn als Schwaben wie als deutschen Volkstribunen gleich sehr kennzeichnenden kurzen Bündigkeit die Erklärung ab: „Namen sind uns Dunst!“ Jean Paul wiederum, dessen Familienname Richter muthmaßlich zuweilen im Sinne des „nomen et omen“ als Zielscheibe des Witzes gedient haben mag, bekennt in seinen „Palinginesien“ unumwunden: „Ich war, gleichsam ahnend, von jeher allen Geschlechtsnamen, die etwas bedeuten, feind.“ Anders hat freilich über diesen Gegenstand das Volk der alten Griechen geurtheilt. Ihm dünken Namen unter Umständen als hochbedeutsame Merkmale der Person und Anspielungen darauf als keineswegs müssige Erfindungen. Und unter den Neueren spricht sich der Philosoph Hegel geradezu dahin aus: „Im Namen ist’s, daß wir denken.“

Freilich, wenn wir an der Hand der Sprachforschung den Ruhmestempel der Geschichte durchwandeln, fühlen wir uns oft weniger zur Bewunderung als vielmehr zum Lachen gereizt. Mit schalkhaftem Griffe pflegt da unsere Führerin die Maske gewisser „berühmter Namen“ zu lüften, und was sich dann zeigt, wirkt verblüffend. Wie durch einen Zauberschlag verschwindet plötzlich die gefeierte Kulturgröße, um einem meist sehr alltäglichen, mitunter geradezu fragwürdigen Geschöpfe Platz zu machen. So erscheint beispielsweise statt des erhabenen Corneille eine gemeine Krähe, statt des schwärmerischen Tasso ein lichtscheuer Dachs, statt des weisen Bacon gar ein stumpfsinniges Mutterschwein!

An den Wänden der großen Galerie des Louvre hat sich nicht Poussin sondern ein Küchlein verewigt, und die Hebung der deutschen Poesie aus dem Zerfall des Dreißigjährigen Krieges haben wir nicht zuletzt einem Affen (Opitz, slawisch) zu verdanken. Ein Kaninchen (Kohlhaas) wird wegen Landfriedensbruch verfolgt, ein Bär (Orsini) geht dem Kaiser Napoleon III. zu Leibe und ein Bock (Kossuth) versucht die Kraft seiner Hörner am Königsstuhl des heiligen Stephan. Ein friedlicher Enterich (Drake) überbringt den Hungernden unseres Erdtheiles die Kartoffel, eine geschwätzige Elster (Pyat) fliegt den Sturmvögeln der Kommunisten voran. Zur Zeit der napoleonischen Kriege hört das ganze sächsische Heer auf den Schrei eines Hahns (Lecocq). In einem Töpflein (Euler, von ollarius, lat.) vollzieht sich die Lösung wichtiger, selbst von Newton unbeantwortet gelassener Fragen über das Weltsystem. Frankreichs Traum, England den Welthandel zu entreißen, begräbt schonungslos eine Grube (Pitt), während die idealste Verkörperung Hebes einem Weinkeller (Canova) entsteigt. Der thönerne Ruhm manches Dichterlinges unserer Tage geht an den kritischen Kanten eines Eckstein jämmerlich in Brüche. Hingegen gruppiert sich das neue englische Ministerium um einen Fröhlichstein (Gladstone). Die ptolemäische Weltordnung muß sich durch einen Hutmacher (Kopernikus, litth. Kepurnikas) eine völlige Umkrempelung gefallen lassen, und unsere Kunde von der polynesischen Welt erfährt durch einen Koch (Cook) wesentliche Erweiterung. In Frankreich schwingt sich ein Schlächter (Boucher) zum „Maler der Grazien“ auf und in Italien ein Töpfer (Vasari) zum Plutarch der Künstler! Während das Rom des Alterthums sein „pater patriae!“ einem Erbsenhändler (Cicero) zujauchzt, betraut das Spanien der Neuzeit mit seiner Herrschergewalt einen Binsenverkäufer (Espartero). Ebenso unbegreiflich erscheint, daß sich ein Kurzbein (Gambetta) zum Sprunge auf den Präsidentenstuhl der französischen Republik gerüstet hat. Dagegen überrascht es minder, zu hören, daß die flammenden Träume des „Contrat social“ einem Rothkopf (Rousseau) entsprungen sind. Auch daß wir manche der vorstehenden Namensableitungen aus einem Weingefäß (Pott) geschöpft haben, wird schließlich jeder am Platze finden, dem das alte in vino veritas noch als beweiskräftig gilt.E. U.