Für ein Fröbel-Institut in Italien
Für ein Fröbel-Institut in Italien.
Nachdem die „Gartenlaube“ für die Angelegenheiten des eigenen Vaterlandes ihre Werkthätigkeit stets erwiesen, darf sie wohl einmal die nationalen Schranken verlassen, um für die wichtigste Sorge eines endlich uns befreundeten Nachbarvolkes die allgemeine Theilnahme auch bei uns zu erwecken.
Italien, Jahrhunderte lang Deutschlands armer Leidensgenosse in Ohnmacht und innerer Zerrissenheit durch Großmächte und Kleinstaaten und in opferreichen Kämpfen nach staatlicher Einheit, Unabhängigkeit und Achtung, Italien hat fast gleichzeitig mit uns und zum Theil durch uns dasselbe Ziel nationaler Würde erreicht, und Alles, was in der alten und neuen Welt nach Bildung und Freiheit strebt, jubelte der neuen Zeit eines Landes zu, das in alter Zeit für die europäische Cultur die Verwalterin der edelsten Schätze der Wissenschaften und Künste war und in manchen Beziehungen noch heute ist.
Es war weder die Schuld des deutschen noch des italienischen Volkes, daß so lange der Racheruf „Tod den Deutschen!“ von Sicilien bis zu den Alpen gehört werden konnte; – war es doch Deutschlands eigenes Unglück, daß seine Kaiser ihre Macht im Süden anstatt daheim suchten; – aber beider Völker Verdienst war es, daß wir einen Tag erlebten, an welchem in reiner, freier Begeisterung aus italienischem Volksmunde der Ruf erscholl: „Es lebe der deutsche Kaiser!“
An diese Erinnerungen knüpfen wir eine Bitte an, die wir den Wohlhabenden in Deutschland recht warm an das Herz legen möchten.
Es ist allbekannt, daß in der italienischen „guten alten Zeit“ nicht nur der Kirchenstaat, sondern wo möglich noch weit mehr das Königreich beider Sicilien ein Paradies der unbegrenzten Priestermacht war. Nur das Walten einer solchen konnte es möglich machen, daß ein Jahr nach der Befreiung Süditaliens durch Garibaldi nach dem Berichte des nunmehr königlich italienischen Generalinspectors der öffentlichen Schulen in der Provinz Neapel von 6,500,000 Seelen nur 67,431, also etwa 1 von 96, Schulunterricht erhielten.
Sind nun auch die seitdem verflossenen vierzehn Jahre von der italienischen Regierung redlich benutzt worden, um der öffentlichen Volksschule nach ihren Mitteln aufzuhelfen, so ist doch die Verwahrlosung des niederen Volkes, die schlimme Erbschaft, welche die Bourbonen auch dort hinterlassen haben, namentlich in Neapel weit größer und für die Zukunft gefahrdrohender, als wir dies uns denken.
In einem Briefe des neapolitanischen Professors P. Villari lesen wir unter Anderem: „Wir haben in Neapel eine sehr große Anzahl von Menschen, deren Lebensweise für Alle ein Räthsel ist. Sie erhielten früher Almosen von der neapolitanischen Regierung, von den Klöstern und von milden Stiftungen. Der gegenwärtige Zustand Italiens hat natürlich diese Almosen verringert und somit das Elend gesteigert, weil es ihnen an Arbeit und Gewohnheit der Arbeit fehlt.“ Damit ist sogleich angedeutet, was Neapel vor Allem bedarf. „Was uns hauptsächlich fehlt,“ fährt Villari fort, „das ist jene Art von Gewerkschulen, welche Bettler und Landstreicher in Arbeiter umzuwandeln vermögen. Wird das vorläufig nur bei hundert Männern und Frauen in’s Werk gesetzt, dann werden diesen viele Tausende folgen; denn das ist eine Angelegenheit, welche die Theilnahme des ganzen Landes erregen wird, und Jedermann ist jetzt überzeugt, daß unsere zahlreichen milden Anstalten nothwendig einer Umwandlung bedürfen, um nicht nur Almosen und Brod, sondern auch Arbeit und Unterricht zu gewähren.“
„Die Hülfe,“ sagt Villari schließlich, „die uns andere Länder nicht nur an Geld, sondern auch durch Rath und moralischen Beistand leisten, würde von großer Wichtigkeit für Diejenigen sein, die als Förderer dieser Angelegenheit in Süditalien viele Kämpfe zu bestehen und viele Hindernisse zu überwinden haben. Hier, in Italien, wie überall, findet man leicht Hülfe und Geldunterstützung, wenn es sich um Politik oder Sectirerei handelt; das Gegentheil findet bei Verfolgung rein humanitärer Zwecke statt. Der Rath und die Hülfe, die wir für unsere Zwecke und unsern Kampf bedürfen, muß frei von allem Sectengeiste sein.“
Dieses Wort des italienischen Patrioten wird jeder deutsche Volksfreund mit unterschreiben, und wenn die ausgesprochene schwere Sorge um die Zukunft dieser armen italienischen Bevölkerung bereits die Theilnahme unserer Leser gefunden, so freut es uns umsomehr, berichten zu können, daß das auswärtige Hülfswerk für Italien bereits begonnen und daß es durch eine Frau begründet ist, welche durch Geburt und Familie Deutschland und England zugleich angehört.
Frau Julie Salis Schwabe aus London, jetzt in Neapel, wurde 1861 von einem Turiner Frauen-Comité aufgefordert, eine Vertretung desselben in England zu übernehmen; der thatkräftigen Dame gelang es, noch in demselben Jahre zweitausend Pfund Sterling zu sammeln und damit eine Mädchenschule in Neapel zu eröffnen. Die Anstalt gedieh und sollte eben durch Hinzufügung einer Gewerbeschule ihre Kosten selbst decken, als 1865 die Cholera dem Leben der trefflichen Lehrerin und der Schule zugleich ein Ende machte. Erst 1873 erhielt die Sache wieder festen Boden, als der damalige Cultusminister Scialoja Frau Schwabe zu ihrer Schulgründung ein großes Regierungsgebäude, das Ex-Collegio-Medico, und vierundzwanzigtausend Franken für die Einrichtung desselben zur Verfügung stellte. Noch im September desselben Jahres eröffnete sie den Kindergarten und im December die Elementarclasse in einem wahren Musterschullocale. Während der langen Unterbrechung des Unterrichts mußte der Widerstand des urtheilslosen armen Volkes gegen die „fremde“ Einrichtung gewachsen sein, denn in den ersten vier Monaten beschränkte die Zahl der Zöglinge im Kindergarten sich auf vierzehn und in der Elementarclasse auf neun. Aber das Gute siegte auch hier von selbst, denn im Januar dieses Jahres zählten beide Schulen mehr als dreihundert Kinder, und über hundert mußten aus Mangel an Lehrkräften und Mitteln von der Aufnahme in die Räume, die für fünfhundert eingerichtet sind, zurückgewiesen werden.
Nach dem Plan der Frau Julie Salis Schwabe ist es zur Vervollständigung der Mustererziehungsanstalt in Neapel jetzt nöthig, eine Normalschule zur Ausbildung von Lehrerinnen zu errichten, sowie dem Kindergarten und den Elementarschulen Gewerbeschulen anzureihen. Für diesen Zweck stehen ihr noch zwei Drittel des Gebäudes (leider noch unausgebaute leere Klostermauern und ruinenhafte Hallen) zur Verfügung.
Es ist nun der „große Wunsch“ der Frau Schwabe: in Deutschland die Mittel zu finden, um ein deutsches Fröbel-Institut zur Heranbildung von Lehrerinnen in dem einen Theil des Gebäudes einzurichten und in dem anderen Theile durch den Beistand Englands und Frankreichs Gewerbeschulen zu eröffnen. „Indem auf diese Weise“ – das sind die Worte der edlen Frau – „die menschenfreundlichen, aufgeklärten und ernsten Denker der verschiedenen Nationen sich vereinen, einen Zustand der tiefsten menschlichen Versunkenheit zu verbessern, wage ich zu hoffen, daß das Institut in Neapel auch die erste Grundlage eines Bündnisses edler Menschen werde, die ohne Unterschied der Nationalität und des Glaubens sich vereinigen, jenen unheilvollen Mächten entgegenzuwirken, die statt des Reiches Gottes und alles Guten und Wahren auf Erden nur ihre eigene Macht und Herrschaft durch Unwissenheit der Massen zu begründen suchen.“
Mit Hinweisung auf die obige Darstellung, die zumeist den gedruckten Mittheilungen der Frau Schwabe und des Professors P. Villari entnommen ist, bitten die Unterzeichneten hiermit ihre verehrten deutschen Landsleute um einmalige Beiträge zur Begründung eines Fröbel-Instituts in Italien; sie können dem Obigen sogar die Benachrichtigung hinzufügen, daß, sobald durch die deutschen Beiträge das Fröbel-Institut hergestellt ist, dasselbe für immer, ohne weitere Beihülfe von uns zu bedürfen, festbegründet dastehen wird. Der Unterhalt desselben ist gesichert durch Fundirung von 100,000 Francs, die Frau Schwabe bereits zur Verfügung stehen, ferner durch den Ertrag einer zu London stattfindenden Kunstausstellung und durch jährliche Zuschüsse der italienischen Regierung und des Municipio (Stadtraths) von Neapel. Die „Gartenlaube“ ist in den Stand gesetzt, eine erste Quittung über bereits Empfangenes diesem Aufrufe sofort beigeben zu können.
Frau Hermann Samson in Leipzig 100 Mk.; Frau Bertha Oppenheimer das. 70 Mk., Frau Fanny Oppenheimer das. 30 Mk.; Frau Geheimrath Ritschel das. 20 Mk.; N. N. das. 100 Mk.; eine Freundin von Frau Wüstenfeld das. 25 Mk.; Herr Beyersdorff in Breslau 60 Mk.; Frau Senator Pauli in Bremen 20 Mk.; Prof. Conrad in Halle 30 Mk.; Geh. Commerzienrath Jaques Reiß in Frankfurt a. M. 100 Mk.; Commerzienrath E. Reiß das. 80 Mk.; Frau Trier-Strauß das. 200 Mk.; Frau Dr. Reiß das. 40 Mk.; Frau Dr. Getz das. 20 Mk.; Dr. G. Varrentrapp das. 20 Mk.; Frau Theodor Stern das. 50 Mk.; Frau Dora Ellissen das. 40 Mk.; Graf Arthur von Dyhrn in Rohlau (West-Preußen) 20 Mk.; Frau J. Königswarter in Frankfurt a. M. 200 Mk.; Frau Philipp Speyer das. 200 Mk.; Herr Dr. Gustav Getz das. 20 Mk.; Frau Peter Koch von St. Georges das. 100 Mk.; Herr Philipp Ellissen das. 20 Mk.; Frau Sophie Hohenemser das. 40 Mk.; Herr J. Rütten das. 20 Mk.; Mad. Marquise Al. Centurione das. 20 Mk.; Herr Eduard Flersheim das. 50 Mk.; Herr Dr. Paul Heyse in München 20 Mk.; Frau Carl Ladenburg in Mannheim 40 Mk.; Herr Rittergutsbesitzer Maercker in Rohlau (West-Preußen) 10 Mk.; George Baker 6 Mk.; Comtesse Arco-Valley in München 40 Mk.; R. B. D. Morier, königlich großbritannischer Geschäftsträger das. 40 Mk.; Freifrau J. von Hirsch das. 50 Mk.; Mecklenburg in Wiesbaden 10 Mk.; Pauline Heinemann in Hannover 20 Mk.; Redaction der „Gartenlaube“ 100 Mk. Die Redaction der Gartenlaube.