Fürst Bismarck und F. L. Jahn

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Autor: Carl Euler
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Titel: Fürst Bismarck und F. L. Jahn
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 538–540
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Fürst Bismarck und F. L. Jahn.

Von Carl Euler.


In seinen „Gedanken und Erinnerungen“ erwähnt Fürst Bismarck „die turnerische Vorschule mit Jahnschen Traditionen“ bei Plamann und bemerkt ausdrücklich, daß er von dort „deutschnationale Eindrücke“ mitgebracht habe. Von diesen Eindrücken sagt er dann weiter, daß sie im Stadium theoretischer Betrachtungen geblieben und nicht stark genug gewesen seien, um angeborene preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen.

Als sechsjähriger Knabe, Ostern 1821, wurde Otto von Bismarck Zögling der Erziehungsanstalt des Dr. Plamann in Berlin. An ihr hatten einst Friedrich Ludwig Jahn, Friesen und Harnisch gewirkt, jene Männer, welche, von glühendem Patriotismus erfüllt, damals, in den Jahren der Erniedrigung und Schmach, die über Preußen und Deutschland hereingebrochen war, alles, was sie wollten und trieben, nur von dem Standpunkte des zu rettenden Vaterlandes ansahen. 1820 wurde über das Turnen der Bann ausgesprochen; Jahn war in Haft, Friesen 1814 in Frankreich gefallen, Harnisch bereits seit 1812 in Breslau an der Spitze des dortigen Lehrerseminars. In Berlin blieb allein Jahns treuester Schüler, Ernst Eiselen. Er ging als Lehrer ganz zur Plamannschen Anstalt über und durfte hier auch das Turnen unter dem Namen „Gymnastik“ weiterpflegen. Er war der Vermittler der „Jahnschen Traditionen“.

Anfangs soll der kleine Bismarck sich in der Plamannschen Anstalt nicht wohlgefühlt haben; er hat sich schwer in das ihn beengende Anstaltsleben hineinfinden können. Allmählich wurde aber seine Stimmung besser. Schon damals zeigte er ein ausgezeichnetes Talent zur Organisation. Bei den kriegerischen Spielen in den Freistunden im Garten der Anstalt war er stets der Anführer und Leiter. Die Kämpfe wurden oft so ungestüm und heftig, daß die Lehrer dazwischentreten mußten. Besonders der Trojanische Krieg wurde mit Vorliebe durchgekämpft; die Zöglinge legten sich die Namen griechischer Helden bei, Bismarck hieß Ajax. Er führte über jedes Treffen ein genaues Buch. Auch las Bismarck von einer Linde herab den unten gelagerten Mitschülern aus Beckers Erzählungen aus der alten Welt die Kämpfe der Griechen und Trojaner, die Thaten des Herkules und Theseus vor. Die Linde stand noch vor fünfzehn Jahren. Dann mußte sie einem Neubau weichen. Eine Inschrift über der Thür dieses Hauses (Königgrätzerstraße Nr. 88) sagt, daß hier die „Bismarcklinde“ im Garten der ehemaligen Plamannschen Erziehungsanstalt gestanden habe.

Seine „preußisch-monarchischen Gefühle“ hielten aber Bismarck nicht ab, für Deutschlands Ehre mit der Waffe in der Faust schon als Student einzutreten, so gegen jenen Engländer, der über den deutschen Michel „mit der Schlafmütze über den Ohren und dem bunten Schlafrock aus sechsunddreißig Lappen“ gewitzelt hatte. Daneben äußerte er aber auch schon damals: „Deutschland wird einig werden, aber nicht durch die Schläger der Korpsburschen, noch durch die Tinte der Schreiber.“ – –

Auch Jahn ging vom preußischen Patriotismus aus. Auch er hatte sich seine gut preußisch-monarchische Gesinnung bewahrt und sie mit der Begeisterung für die deutsche Einheit vortrefflich zu vereinen gewußt. Von einer deutschen Republik wollte auch er nichts wissen. Arnold Ruge behauptete sogar, Jahn sei in Hinsicht auf staatliche Freiheit all sein Lebtag nichts anderes gewesen als ein durch und durch königlich, ja hohenzollerisch gesinnter Mann.

1817 schloß Jahn seine Vorträge über deutsches Volkstum mit den Worten: „Gott segne den König, erhalte Hohenzollerns Haus, schirme das Vaterland, mehre die Deutschheit, läutere unser Volkstum von Welschsucht und Ausländerei, mache Preußen zum leuchtenden Vorbild des deutschen Bundes, binde den Bund zum neuen Reich und verleihe gnädig und bald – das Eine, das Not thut – eine weise Verfassung.“ Und 1840 sagte Jahn in einem Trinkspruch auf König Friedrich Wilhelm IV: „Der König ist unseres Volkes lebende und webende Fahne, zu der wir in Frieden und Freude halten, in Not und Gefahr, in Kampf und Sieg. Aber am Vaterland hat er auch sein Teil und nicht den geringsten.“

Jahns erste Schrift über „die Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche“, die im Jahre 1800 erschien, hatte einen durchaus preußischen Charakter. Sie beginnt mit den Worten: „Der Bewohner der preußischen Staaten liebt sein Vaterland, verehrt seine Fürsten und ist stolz darauf, zum preußischen Volke zu gehören. Diese Empfindungen würden seinen Busen nicht schwellen, schwebten nicht die Thaten seiner Vorfahren, die Wohlthaten und Verdienste seiner Regenten, freilich oft nur dunkel, vor seinen Augen.“ Jahn klagt aber, daß das preußische Volk in so tiefer Unwissenheit seiner Geschichte lebe. Das sei Schuld der preußischen Schulen, welche die Geschichte des Vaterlandes vernachlässigten. Auf den Universitäten ständen die Hörsäle der Geschichte des Vaterlandes leer. Vom Volkslehrer werde zwar verlangt, er solle seinen Zuhörern die Pflichten gegen das Vaterland predigen, er solle der Jugend im Unterricht Patriotismus einflößen. Aber er besitze keinen Patriotismus, kenne nicht diese Tugend, weil er sein Vaterland nicht kenne.

Jahns preußischer Patriotismus erweiterte sich infolge der Vergewaltigung der deutschen Staaten, im besondern der Zertrümmerung Preußens durch Napoleon, zu dem Hochgedanken der deutschen Einheit, deren Ahnung schon in dem Knaben aufgegangen war und die dann ihren begeisterten Herold in Jahns „Deutschem Volkstum“ gefunden hat, das Blücher als das „deutscheste Wehrbüchlein“ pries.

Aber nur ein deutscher Staat konnte diese Einheit schaffen, nur auf einem das künftige Heil Deutschlands beruhen: dies war Preußen. Mit Sorge dachte Jahn an eine Zweiteilung der Macht in Deutschland durch Preußen und Oesterreich. Letzteres war ihm ein zu großer „Völkermang“. Allezeit werde es den Oesterreichern mißlingen, ihre Staatsbrüder zu verdeutschen, ein so herrlicher Kraftstamm auch das Deutsch-Oesterreich sei, ein so ausgezeichnetes, im Glück und Unglück bewährtes Fürstenhaus auch die Länder und Staaten zusammenhalte. An Preußen lobt Jahn, daß deutsch sein Stamm sei und die überwiegende Mehrzahl des Volkes. Selbst sein namengebendes Volk sei eine alte deutsche Pflanzung. So prophezeit Jahn uns eine zeitgemäße Verjüngung des alten, ehrwürdigen Deutschen Reiches durch Preußen, und in dem Reiche ein Großvolk, das zur Unsterblichkeit in der Weltgeschichte menschlich die hehre Bahn wandeln werde.

Seine „Runenblätter“ (1814) schließt Jahn mit den Worten: „Wider die Waltlosigkeit billigt das Volk Hippokrates’ Mittel wider den Krebs: ,Was Arznei nicht heilet, heilet das Eisen, was das Eisen nicht heilet, heilet das Feuer‘.“ „Waltlosigkeit“ bedeutet in Jahns Ausdrucksweise soviel wie Anarchie. In dem Prozeß gegen Jahn bildete dieser Ausspruch einen schweren Anklagepunkt. Bismarck aber, als preußischer Minister, äußerte am 30. September 1862 in der Sitzung der Budgetkommission des preußischen Abgeordnetenhauses: „Die deutschen Zustände und Verfassungsverhältnisse zu verbessern, ist wünschenswert und notwendig, was jedoch nicht durch Majoritätsbeschlüsse, Reden etc., sondern nur durch Eisen und Blut bewirkt werden kann.“

Den Höhepunkt in Jahns Leben bildete seine am 15. Januar 1849 in der Frankfurter Nationalversammlung gehaltene Kaiserrede, in der er es als die größte Genugthuung seines langen Lebens und Strebens erklärte, daß er endlich einmal in öffentlicher Versammlung als Vertreter des deutschen Volkes reden könne für die Einheit und Freiheit Deutschlands. Die so heißersehnte Neuerstehung des Deutschen Reiches mit einem Hohenzoller als deutschem Kaiser an der Spitze hat Jahn nicht mehr erlebt. Bismarcks Stern war noch nicht aufgegangen.

Im preußischen Landtag 1848 und 1849 hatte Bismarck die schärfsten Reden gegen die herrschende preußische Politik geführt. Die dem Erfurter Parlament vorgelegte Verfassung war ihm nicht preußisch genug. In einem Bündnis Preußens mit Oesterreich sah er die einzige Schutzwehr gegen die Revolution. Erst 1862, als Ministerpräsident, schlug er die nationale Politik ein, die zu so gewaltigen Erfolgen führte. Zunächst wurde 1864 Schleswig-Holstein wieder den Dänen entrissen. Diese Befreiung [539] war auch ein Herzenswunsch Jahns gewesen. Das Lied „Schleswig-Holstein, meerumschlungen“, das er begeistert mitsang, war ihm nicht ein „Wiegenlied“, sondern ein „Weckerlied“. „Wo wäre ein Sängermund, der es nicht gesungen, ein Ohr, das es nicht gehört, und ein deutsches Herz, so es nicht empfunden,“ schrieb er 1850. Damals aber standen die „Wecker“, im Stich gelassen, „allein, nur mit Vertrauen auf Gott und ihr Recht, was die letzten vier Jahrhunderte hindurch gegolten.“

Und dann kam das Jahr 1866 und der Austrag zwischen Oesterreich und Preußen. Welche Schwierigkeiten Bismarck zu besiegen hatte, um Oesterreich einen ehrenvollen Frieden zu sichern und damit den Grund zur Versöhnung zu legen, darüber möge man in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ nachlesen. Auch hier verdient eine Aeußerung Jahns in seinem „Deutschen Volkstum“ eine Erwähnung. Er gedenkt des siebenjährigen Kampfes zwischen Oesterreich und Preußen und des darauffolgenden Friedens und schließt mit den Worten: „So balgen und raufen sich Jugendgespiele und felsenfest steht dann die Männerfreundschaft auf der frühgefühlten gegenseitigen Kraft.“

Darauf das Jahr 1870!

Jahn hatte in den „Werken zum Deutschen Volkstum“ 1833 geschrieben: „Wir haben mit Frankreich noch eine alte Rechnung abzuthun, es hat nichts von uns, wir haben noch viel von ihm zu fordern. Sollte aber der Geist der Eroberungen und die Sucht zur Ueberziehung wieder aufleben, und die Franzosen das linke Rheinufer begehren, so sei unser Feldgeschrei: Deutschland und Elsaß!“

Wie Jahn vorausgesagt, war Preußen der Vorkämpfer Deutschlands geworden, und die Saat, die 1848 und 1849 gesät worden, war aufgegangen und hatte herrliche Früchte getragen.

An Jahn wurde Fürst Bismarck erinnert durch dessen 1813 mit ins Feld gezogenen treuen Begleiter, den Oberjäger Dürre. Jahn, der im Lützowschen Korps ein Bataillon führte, war während des Waffenstillstandes 1813 in Schönhausen einquartiert, und zwar in einem Bismarckschen Schlosse. Lange hielt man dies Schloß für des Reichskanzlers Stammhaus. Da aber noch ein anderes den Bismarck gehöriges Schloß in Schönhausen sich befand, wurde man unsicher, welches das Stammhaus sei. Dürre hatte die Herrin des Schlosses, in dem Jahn nicht einquartiert war, kennengelernt und war entzückt von der schlanken, reizenden und bei aller Freundlichkeit doch eine große Bestimmtheit in ihren Zügen tragenden Frau. Um nun sicher zu gehen, schrieb Dürre am 18. Februar 1873 an den Fürsten, erzählte ihm von seinem damaligen Aufenthalt in Schönhausen und erlaubte sich die Anfrage, ob jene Dame seine Mutter gewesen sei oder nicht. Bismarck schaltete in die Briefstelle die Worte ein: „Es war meine Mutter und ich freue mich, daß sie in gutem Gedächtnis lebt.“

Er sandte Dürre seinen Brief mit einigen Korrekturen und folgendem Begleitschreiben zurück:

„Ew. Wohlgeboren haben die Güte gehabt, mir in Ihren Erinnerungen aus Schönhausen ein von Ihrem Gedächtnis so wohl bewahrtes Bild meiner Heimat und meiner Verwandten zu übersenden, daß ich mit lebhaftem Interesse diese Reminiscenzen aus dem Jahre 1813 gelesen habe. Einige eigenhändige Notizen und Berichtigungen, sowie die Antwort auf die Fragen Ihres Briefes habe ich mir erlaubt, Ihren anliegend zurückerfolgenden Notizen hinzuzufügen. Ich sage Ihnen meinen verbindlichsten Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit und wünsche, daß Sie noch lange ein lebender Zeuge der großen Zeit unserer Väter bleiben mögen. v. Bismarck.“     

Das bedeutsamste und erfreulichste Zeugnis von Bismarcks Verhältnis zu dem von Jahn begründeten Turnen bietet aber ein Bericht der Lübecker Turnerschaft von einer Turnfahrt nach Friedrichsruh am Himmelfahrtstage 1893.

Auf geschehene Anfrage hatte der Fürst sich bereit erklärt, die Turner zu empfangen. Sie kamen zur bestimmten Stunde: Männer und Knaben in großer Zahl. Auf die Ansprache des Vorsitzenden des Vereins, Kaufmann J. H. P. Evers, erwiderte der Fürst folgendes:

„Ich danke Ihnen herzlichst für die freundliche Begrüßung und sehe in Ihnen und allen Turnern Mitarbeiter auf dem Felde nationaler Arbeit. Ich bin auch in einer Turnerschaft in Berlin gewesen bei Jahn[1] und Eiselen. Arndt stand auch in Verbindung damit. Da ging’s hart her mit dem Stoßfechten. Das hat bei den leinenen Hemden zuweilen nicht wohlgethan, aber es hat gekräftigt, wie überhaupt die Turnerei die Nationen auch in ihrem geistigen und politischen Leben hebt. Die Völker, die körperlich zurückgehen, bringen das Verlorene auch geistig nicht wieder ein. Im klassischen Altertum pflegten die Hellenen die körperlichen Uebungen in hohem Maße. Mens sana in corpore sano.[2] Unsere germanischen Vorfahren, die Wandalen, sind nach ihrem Zuge nach Nordafrika auch nicht so kräftig geblieben.

Wenn wir auch manchmal hier über den Nordwind klagen; würden wir das Klima von Neapel haben, so wären wir körperlich nicht so kräftig geblieben. Ich erinnere Sie an die Normannen, auch sie sind im Süden nicht so kräftig geblieben, trotzdem sie ein durchaus kräftiger nordischer Stamm waren. Wir dürfen unserm Gott dafür danken, daß dieses Klima unsere körperliche und geistige Energie in fortwährendem Kampfe erhält. Ich wollte nur motivieren, inwiefern die Turnerei mitgewirkt hat als Trägerin des deutschen nationalen Gedankens. Wenn auch die Burschenschaftler sich mehr den Büchern zuwenden, so ist doch die Turnerei geblieben und immer kräftig geübt worden. Die deutsche Turnerschaft ist es mit gewesen, welche das nationale Gefühl gepflegt hat, und ich glaube, wir leben in einer Zeit und gehen einer Zeit entgegen, wo jeder solcher Beitrag aus der Nation nur dankbar anerkannt werden kann. Ich freue mich infolgedessen, daß ich Sie begrüßen kann, und bitte Sie, einzustimmen in ein Hoch auf die deutsche Turnerschaft als Trägerin des deutschen Einheitsgedankens.“

Freudig stimmten die Turner ein. Fürst Bismarck ging nun die Reihen entlang und richtete an manche, auch die Knaben, freundliche Worte. Als er Abschied nahm, wurde ihm ein Hoch ausgebracht. Er grüßte dankend und wollte sich entfernen. Da wurde das Lied: „Deutschland, Deutschland über alles“ angestimmt. Der Fürst blieb stehen, wandte sich wieder um und hörte entblößten Hauptes das Lied bis zu Ende an. –

Zu den Ehrengaben, die Fürst Bismarck 1895 zu seinem achtzigsten Geburtstage dargebracht wurden, gehört auch eine Spende der deutschen Turnerschaft. Sie besteht aus einer in Eichenholz geschnitzten Votivtafel von ungefähr 3/4 m Höhe und Breite, gekrönt durch ein goldenes Turnerkreuz auf rot und weißem Grunde. Auf der runden Silberplatte darunter steht der Schluß von Jahns Schwanenrede: „Deutschlands Einheit war der Traum meines erwachenden Lebens, das Morgenrot meiner Jugend, der Sonnenschein der Manneskraft, und ist jetzt der Abendstern, der mir zur ewigen Ruhe winkt.“ Darunter befindet sich ein großer vergoldeter Silberkranz, der die Worte umrahmt: „Dem Schöpfer der deutschen Einheit und unseres deutschen Vaterlandes in treuer Dankbarkeit die Deutsche Turnerschaft.“ An beiden Seiten befinden sich von Silberbändern umschlungene geschnitzte Säulen mit den Namen der Kreise und der Kreisvertreter und denen der Ausschußmitglieder.[3]

Da die Votivtafel nicht persönlich überreicht werden konnte, sandte Anfang Juli 1895 Dr. Goetz sie an Dr. Chrysander mit einem Begleitschreiben, um beides dem Fürsten zu übermitteln.

Die Antwort des Fürsten erfolgte am 15. Juli. In ihr bezeichnete er das Ehrengeschenk als eine der wertvollsten Geburtstagsgaben. Sie werde mit ihrer kunstreichen Einfassung eine dauernde Zierde der Sammlung von Andenken sein, welche er in Schönhausen eingerichtet habe, wo der Name des Turnvaters Jahn und der Lützower noch heute in guter Erinnerung stehe vom Jahre 1813 her. Er bedauerte, daß sein Gesundheitszustand ihm nicht gestatte, die Herren persönlich zu begrüßen, hoffte aber auf spätere Zeiten, um seinen aufrichtigen Dank persönlich wiederholen zu können. –

Als in Hamburg im vorigen Jahre das Deutsche Turnfest gefeiert wurde, hofften viele Turner, den Fürsten sehen zu können. An demselben Abend aber, an dem das Fest mit der Preisverteilung geschlossen wurde, ist er gestorben. –

[540] Der gewaltige Nationalheros des neugeeinten deutschen Volkes wird für alle Zeit Fürst Bismarck sein und bleiben. Ein bescheidener Platz gebührt aber auch dem treuen Eckart des Deutschtums, Friedrich Ludwig Jahn, dem Begründer des deutschen Turnwesens, dessen Standbild auf der Hasenheide bei Berlin sich erhebt. In diesen Tagen wird zu Freyburg an der Unstrut, wo er 1852 starb und seine Gebeine ruhen, im Anschluß an den Deutschen Turntag der Grundstein für ein Jahn-Museum gelegt. Alles was an Jahn erinnert und was Zeugnis ablegt von der in seinem Geiste gepflegten Turnarbeit, soll in dem Museum seine Stätte finden.


  1. Das ist ein Irrtum des Fürsten Bismarck. Als er turnte, war Jahn nicht mehr in Berlin.
  2. Gesunder Geist in gesundem Körper.
  3. Eine Abbildung der Votivtafel enthält die „Deutsche Turnzeitung“, Jahrgang 1895, und das Encyklopädische Handbuch des gesamten Turnwesens, herausgegeben von C. Euler, III. Bd., S. 339.