Fürst Woronzow’s Krim-Palast und die Holz-Paläste der Alliirten

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Titel: Fürst Woronzow’s Krim-Palast und die Holz-Paläste der Alliirten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 96–98
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Fürst Woronzow’s Krim-Palast und die Holz-Paläste der Alliirten.

Die Bretterhütten der Alliirten in der Krim.

Das russische Sebastopol bleibt stehen und das englische fällt. Die Engländer, von der Aristokratie, ihrem Sebastopol, angeführt, erlitten in ihrem aristokratischen Militärsystem mit sieben Kriegs-Ministerien und einer Masse blos für die Aristokratie fabricirten obersten Militärposten vor dem russischen Sebastopol Niederlagen in sich und durch sich, wie man in der Geschichte kaum ein Beispiel finden wird. Es gehört nicht hierher, auszuführen, wie zu Hause in England Sebastopol nicht blos moralisch, sondern [97] auch bereits thatsächlich von allen Seiten, von Innen und Außen bröckelt und bricht. Ob es sich allmälig so „verkrümelt,“ oder anständig und nobel auf einmal in Ruinen zusammenbricht, kann man noch nicht wissen. Nur so viel ist gewiß, daß sich das englische Aristokratie-Sebastopol vor dem englischen Civil-Ingenieur-Sebastopol, d. h. dem russischen auf der Krim, den Tod geholt hat. Sebastopol auf der Krim ist nämlich wesentlich ein englisches Werk und zwar in doppelter Beziehung. Durch Begünstigung der russischen Eroberungspolitik von Seiten der englischen Aristokratie wurde es Rußland leicht gemacht, civile Engländer zu engagiren und sich Sebastopol bauen zu lassen. Der eigentliche architektonische Schöpfer der Festung Sebastopol ist Mr. Upton, vor etwa einem halben Jahrhundert Wegebaumeister in England und oberster Aufseher der Chaussee zwischen Stratford und Dunchurch. Als solcher unterschlug er 2000 Pfund Sterling und floh. Berühmt als Architekt zog er die Aufmerksamkeit des Czaren auf sich und wurde so bald der oberste Ingenieur Sebastopols. Er starb voriges Jahr als Oberst-Lieutenant in russischen Diensten. Die andern geistigen Kräfte in der Construction Sebastopols waren ebenfalls meist Engländer.

Ich dachte an diese pikante Thatsache beim Anblick des merkwürdigen Palastes Alupka, den sich Fürst Woronzow ebenfalls von einem Engländer, Mr. Blore, auf der Krim erbauen ließ, um so eher, als die Engländer auf ihrem Marsche von der Alma nach Balaklava darin Wein tranken, ihn aber sonst ganz unverletzt stehen ließen. Daß Sebastopol von ihnen bis jetzt ebenfalls nicht nur nicht verletzt, sondern drei Mal stärker gemacht ward, ist eine bekannte Thatsache. Die englische Aristokratie wollte es zwar nur schonen, dachte aber nicht daran, daß sie es verstärken und dabei den ganzen Kern der englischen Armee und sich selbst zerstören würde.

Der Krim-Palast des Fürsten Woronzow.

Der Alupka-Palast erhebt sich am Ende eines Thales, das sich aus den Bergen bis dicht an die Gestade des schwarzen Meeres erstreckt und einem wunderschönen Flusse zugleich als Bette dient. Das Thal ist Wald und Garten, dicht beschattet und bekleidet von glänzenden Trauben und Bäumen. Der Baustyl des Palastes ist sonderbar, eine Combination von englischen und orientalischen Launen. Haupteingang und Thurm sind Nachahmung des berühmten George-Thurmes am Schlosse der Königin von England in Windsor, so wie die Front überhaupt an die aristokratischen Bauten Englands erinnert. Im Uebrigen hat er ein orientalisches Gepräge. Auf den platten Dächern ging Woronzow oft mit seinen Gästen spazieren. Der Meereswind kühlt hier stets die Hitze aus den Bergen, und das Auge weidet sich auf der einen Seite an trotzigen Felsengebilden und grünen Bäumen, auf der andern in dem unabsehbaren Spiegel des Meeres. Im Innern herrscht englischer Geschmack, wie ja bekanntlich der Eigenthümer ein Zögling und Verehrer englischer Civilisation ist. Der Palast ist die größte architektonische Merkwürdigkeit der Krim, besonders als die in Wildniß und Einsamkeit plötzlich überraschende üppigste Blüthe der Civilisation und des Luxus.

Der Eigenthümer ist vielleicht der gebildetste und humanste Russe. Seine amtliche Stellung, auch vielleicht die bedeutendste nach dem Kaiser, bekommt dadurch eine große Wichtigkeit. Wir ergänzen, was die Gartenlaube schon früher (Nr. 10 1854) über seine humanen Eroberungen im Kaukasus mittheilte durch folgende Thatsachen.

Fürst Michael Woronzow ist der Sohn des Generals Grafen Simon Woronzow, des russischen Gesandten in London bis 1832. Seine Tochter Katharine heirathete den englischen Grafen (Earl) von Pembroke, so daß die Woronzow’sche Familie mit der englischen Aristokratie in intime Verhältnisse kam. Der jetzige Fürst ward 1798 in Moskau geboren, kam schon als Kind nach London, und ward hier erzogen. Als russischer Offizier zeichnete er sich zunächst gegen Napoleon (1812–1814) aus. Er war Commandeur der russischen Truppen in Frankreich, ward später Gouverneur von Odessa, Neu-Rußland und Bessarabien, und gewann durch geschickte Verhandlungen (1826) Persien. In dem russischen Feldzuge gegen die Türkei (1828–1829) spielte er eine wichtige Rolle, besonders als Eroberer Varna’s. In Folge davon ward er General-Commandeur aller Truppen und Operationen gegen die kaukasischen Völker, deren er durch humane Behandlung mehr gewann, als erschießen und erobern ließ. Ehren auf Ehren häuften sich auf seinem Haupte. Er ist jetzt erster General [98] der russischen Infanterie, Aide-de-Camp-General, erstes Mitglied des Regierungs-Senates für politische Oekonomie, General-Gouverneur von Neu-Rußland und Bessarabien, Chef-Commandeur von Georgien, Armenien und dem russischen Kaukasus und Chef-Commandeur aller kaukasischen Armeen. Im Jahre 1845 ward er zum Lohne für seine Einnahme der Festung Dargo in den Fürstenstand erhoben. Man sieht daraus, daß Fürst Woronzow die eigentliche Seele des ganzen Theiles von Rußland ist, welches um das schwarze Meer herum nach der Türkei vordrängt, also die wichtigste Persönlichkeit in dem früher oder später sich entscheidenden Kampfe um das schwarze Meer und die „orientalische Frage.“ Irren wir nicht sehr, so hält sich der Fürst augenblicklich in Dresden auf, nachdem er im vorigen Jahre einen längeren Urlaub erhalten.

Die Krim-Küsten-Gegenden und Alupka glänzen noch von einigen andern Palästen russischer Großen, der vielfensterigen Sommer-Residenz der Kaiserin, Orimeda, Nuschor, Gallitzin, und den kleinen Städten Yalta, Urzuff u. s. w. Dazwischen zerstreuen sich eine Menge kleine Tatarendörfer, halb versteckt in Felsen und unter Bäumen. Man findet jetzt aber größtentheils nur Weiber und Kinder darin. Die Männer arbeiten mit mehr als 2000 Karren und Wagen zwischen Perekop und Sebastopol auf einem fast ununterbrochenen Strome von Lebensmitteln und Soldaten für Sebastopol. So grausame Dinge man auch von der Behandlung russischer Soldaten gehört hat, man läßt sie wenigstens nicht muthwillig verhungern, erfrieren, thatsächlich in Schmutz und Ungeziefer umkommen, wie die englische Aristokratie ihre Söldner.

Aus den Krim-Palästen der russischen Großen nach den Zelten oder Hütten der Alliirten ist jetzt nur ein kleiner Sprung. Ich lege Ihnen eine Abbildung der letzteren bei. Männer, die sich, was Reichthum anlangt, wohl mit dem Fürsten Woronzow messen können, sehen den Besitz einer solchen Hütte jetzt für einen Hochgenuß an, den sie nicht um Tausende hingeben würden. Die Kälte erreicht Nachts nicht selten 10–15 Grad, der Frost packt und zerbröckelt die Glieder auf die furchtbarste Weise und die Nichtswürdigkeit der englischen Verpflegungsbeamten hat dafür gesorgt, daß Offiziere und Gemeine unter gleichen Martern des Hungers und Frostes zusammenstürzen und wie das Vieh auf dem Felde verenden. Aus den Laufgräben zurückkehrend, nur noch in Lumpen gehüllt, nichts auf, nichts in dem Leibe, fanden die von Frost Erstarrten bis jetzt nicht einmal eine Stätte, wo sie sich wärmen und dem müden Leibe eine erquickende Ruhe gönnen konnten. Leichte Zeugzelte, die jeder Windstoß bewegte oder Erdlöcher, über die nothdürftig eine Decke gespannt lag, empfing die Heimkehrenden, die dem gewissen Untergang entgegensahen. Es bedurfte erst des qualvollsten Sterbens von Tausenden und des energischen Aufschreis der Presse, ehe man Anstalten traf, den Kindern des Landes gerecht zu werden. Jetzt endlich soll’s besser werden. Von Frankreich sowohl – (denn auch aus dem französischen Lager könnten haarsträubende Liederlichkeiten berichtet werden, wenn die französische Presse nicht geknebelt wäre) wie aus England sind hölzerne Baracken abgeschickt worden, wovon bereits einige Ladungen ankamen und unendliche Freude bei den armen Leuten anrichteten. Sie sind zweckmäßig und meist auf zwanzig Mann eingerichtet, einige zwanzig Fuß lang und fast eben so breit. Eine Art Pritsche giebt dem Schlafenden ein ziemlich bequemes Lager, wobei ihm der Tornister als Kissen dient. Die Franzosen besitzen außer den hölzernen Baracken auch noch Zelte aus Weidengeflecht, die sie mit einer Art Theer bestrichen und dadurch luftdicht und warm machen. Der Himmel gebe den Armen dort recht bald warme Sonne und ein besseres Quartier, denn auch jetzt noch sind sie so vielen Qualen und Martern ausgesetzt, daß mehr als menschliche Geduld und Soldatendisciplin dazu gehört, um das Alles ruhig zu ertragen.