Feierabend

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Titel: Feierabend
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 104–105, 131
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[104–105]

Feierabend.
Nach dem Gemälde von F. Defregger.

[131] Feierabend. (zu dem Bilde S. 104 u. 105) In der ganzen europäischen Kulturwelt ist keine Stunde geeigneter, das vertraute Leben und Treiben des Volkes unter sich zu beobachten, als die Stunde des Feierabends an einem Sommertage. Da lebt das Volk im Freien; es athmet auf von des Tages Mühen und Plagen; mit der süßen wohlverdienten Rast nach saurer Arbeit kommt ein frohmüthiges Gefühl über den Menschen, und der Schimmer des Humors vergoldet ihm die Dinge.

In solchen Stunden läßt sich auch am besten erkennen, wie hundertfach schattirt und durch kleine Besonderheiten ausgezeichnet des Volkes Arbeitsleben ist. Ein schönes Beispiel dafür liefert uns wieder das Bild von Meister Defregger, welches wir heute bringen. Dasselbe hat einen bestimmten landschaftlichen und wirthschaftlichen Hintergrund. Im Herzen von Tirol, wo das Pusterthal und das Eisachthal zusammentreten, liegen üppige Bergwiesen hoch oben an den Alpengehängen. Vielstündige steile Bergwege trennen sie von den Bauernhöfen, zu welchen sie gehören, und doch ist ihr Graswuchs so reichlich, daß der Bauer ihr Heu nicht entbehren mag. So bleibt nichts übrig, als daß, meistens um den Tag des heiligen Laurentius (Anfang August), die ganze Bevölkerung des Bauernhofes, mit Ausnahme der Bäuerin und der kleinen Rinder, mit Sensen und Heugabeln bewehrt auf ein paar Tage nach jenen Bergwiesen hinauswandert, um dort oben zu mähen, das Heu zu trocknen und es dann, je nach der Beschaffenheit des Weges, entweder auf dem Rücken oder auf nachgeschleiften Fichtenzweigen bis zum nächsten fahrbaren Sträßchen herab zu befördern. Die Mäher bringen die Nächte während dieser Arbeitszeit in den Heustadeln zu; da man aber in diesen Stadeln (Scheunen) wegen der Feuersgefahr kein Feuer anzünden darf, haben sie eine eigene „Kochhütte“, die in kunstlosester Weise aus unbehauenen Baumstämmen zusammengefügt ist. Diese Kochhütte, ein alpines Speisezimmer, bildet den Versammlungsplatz für die Mäher, wo sie von der Tagesmühe rasten, während eine alte Magd im rußigen Kessel die Polenta oder die Milchsuppe für die Gesellschaft bereitet. Vortrefflich ist dem Künstler die Feierabendstimmung in Haltung und Gesichtern der kleinen Gesellschaft gelungen, meisterhaft aber auch die Individualisirung der einzelnen Köpfe. Man glaubt es ordentlich zu hören, wie der etwas einfältig aussehende Mensch auf dem Holzklotze, der sich in täppischer Weise bemüht, seinen Hut mit Alpenblumen und Vogelfedern zu schmücken, von der übrigen, ihm geistig überlegenen Gesellschaft geneckt wird – sei es nun wegen seiner „Schönheit“ und „Klugheit“ oder wegen seiner „Erfolge“ bei den Schönen des Dorfes. Wer je bei dem frohen und kraftvollen Volke der Berge herumgewandert ist, erkennt auf den ersten Blick, wie glücklich mitten aus dem Leben dieses Volkes unser Bild gegriffen ist: aber auch der, dem diese Freude nie zu theil ward, fühlt heraus, wie einfach, gutherzig und schalkhaft zugleich die Menschen sind, die da droben hausen.

M. H.