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Fliegende Blätter Heft 42 (Band 2)

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Titel: Fliegende Blätter Heft 42 (Band 2)
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 2, Nr. 42, S. 137–144.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Universitätsbibliothek Heidelberg, Commons
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[137]



Nro. 42.
18. II. Band.
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- Erscheinen wöchentlich. Subscriptionspreis für
handlungen, sowie von allen Postämtern und den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W.
Zeitungsexpeditionen angenommen. od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.W. oder 3 ggr.

Eine Nacht aus dem Leben eines Dichters.
(Schluß.)

Er hatte in seinen Historienbüchern nachgeschlagen, was seine Lieblingshelden in ähnlichen Fällen gethan, hatte jedoch nichts finden können; aber ein starker Geist weiß in jeder Lage des Lebens Rath. Hinter dem alten Kasten lehnte eine noch ältere Muskete bei einem Säbel, voll Rost und Staub und Schmutz. Dieses edle Paar wurde hervorgezogen, gereinigt, mit Feilspähnen und Sand gerieben und in Ordnung gebracht; ein funkelnagelneuer Feuerstein wurde ans den Hahn geschraubt, die Batterie sammt dem Schlosse eingeschmiert und eingerieben, und auf solche Weise die alte Maschine wieder in Gang gesetzt. Als die Reihe an den eingerosteten Säbel kam, zog Schneider und Schneiderin und Schneiderstöchterlein mit großmächtiger Anstrengung; aber es gelang nicht, den alten Gesellen aus

seiner Scheide zu bringen; vielleicht daß er sich schämte, von solcher Schneidershand geführt zu werden; doch darüber ließ sich der grimmige Schneider die Haare nicht noch mehr ergrauen; er ließ Pulver holen auf Abrechnung, da der Nachbar Krämer kürzlich für seinen jüngsten Buben die ersten Hosen bestellt hatte, und lud die Muskete; sei es nun Ungeschicktheit und Unerfahrenheit, oder die Hast, mit welcher der Mann mit den stahlgrauen Haaren zu Werke ging, er brachte erst Papier und dann Pulver in den Lauf, ohne zu bedenken, daß auf diese Weise unmöglich irgend Jemanden der Hintere voll Schrot angeschossen werden könnte. Wäre das Schneiderlein ein Waidmann worden, ich wollte wetten, die Hasen und Füchse ließen ihm wegen seiner neuen Ladmethode ein Privilegium ausstellen. Nachdem er Pulver auf die Pfanne geschüttet, den eingerosteten Säbel umgehängt und den Hahn ängstlich gespannt hatte , nahm er das Gewehr unter den Arm und schritt in der Stube auf und ab.

Mit Schrecken hatten Frau und Tochter dem Heldenwerke zugesehen, und konnten sich eines kalten Schauders nicht erwehren; so« grimmig ernsthaft hatten sie den Schneider noch nie gesehen.

„Um Gotteswillen!“ begann endlich die Frau, „du wirst doch die Studenten nicht erschießen wollen."

„Zu Staub schieße ich die Lumpen zusammen,“ schrie dieser mit entschlossener Miene, die große Aehnlichkeit mit einem Heldengesichte von der Art der Oranoutang hatte.

„Vater!“ weinte das zartnervige hysterische Töchterlein, „das Ding knallt ja, und ich kann dies nicht hören; ich erschrecke zu stark daran, ich bitte dich, schieße nicht.“

„Hin müssen sie sein! Alle zusammen!- Bei mir ist keine Gnad und Pardon zu hoffen. - Laßt mich in Ruh mit eurem Geheul, oder“ - - - mit diesen Worten setzte er den Hut tief in die Augen wie Rinaldo Rinaldini gethan, wenn er in den

[138] Wäldern und Gebirgen auf harmlose Kaufleute lauerte, und lehnte sich an den Kasten neben der Thüre, die zur Stiege hinausführte, aus der die Muthwilligen herauskommen mußten. Vergebens beschwor ihn die Frau, abzustehen von seinem Vorhaben, umsonst bat und weinte heute das Töchterlein; der kleine Mann blieb unbeweglich; er wollte einmal fest auftreten, um zu zeigen wer und was er sei.

Wie die Spinne in des Gewebes dunkelstem Winkel verborgen lauert, so das Männlein mit den stahlgrauen Haaren. Heute durfte kein Licht das Zimmer erhellen, damit ja kein Verdacht bei den Studenten rege würde, als ob er lauere, und sie um so sicherer in die Schlinge gingen; Frau und Tochter mußten in’s Bette, um ja nicht zu hindern, und selbst der kleine zottige Schooshund mußte mit, um nicht durch voreiliges Gebell den wohlerwogenen Plan zu vereiteln Mit bleischweren Füßen schritten die trägen Stunden am Lauernden vorüber; die Christenheit war längst aus der mitternächtlichen Andacht heimgekehrt in's trauliche Stübchen, oder zu Bette gekrochen, und noch stand der Held auf seinem Posten, noch kamen die Polterer nicht. Der schwere Säbel drückte die Achseln, und die Muskete wurde von Stunde zu Stunde schwerer; weglegen oder hinlehnen durfte er sie nicht; denn wie leicht konnten die losen Vögel gerade kommen, und in der Hast und Eile und Finsterniß und Verworrenheit möchte sie nicht gleich zu finden sein. Er nahm sie bald unter den linken, bald unter den rechten Arm, stand bald auf dem bald auf dem andern Fuß, indem er sich nicht zu setzen getraute, da nach seinem besten Wissen die Helden seiner Lieblingsbücher sich auf der Wache auch nicht setzten; aber das vertrieb die Langweil ihm nicht. Stunde an Stunde schlich vorüber, der Schlaf drückte die schweren Augenlider, Mattigkeit zerrte an allen Knochen, das Gewissen begann in unheimlicher Sprache mit dem Schneiderlein zu flüstern und es ward der Geist eines wirklichen Helden erfordert, auf diesem Posten auszuhalten Von Zeit zu Zeit rief die schlaflose Ehehälfte: „Komm lieber Mann, leg dich zu Bette, du erkältest dich,“ erhielt aber keine Antwort; „Vater, lieber Vater,“ ächzte des Töchterleins melancholische Stimme aus dem stillen Kämmerlein, „geh zu Bette, du bekommst Husten und Fieber; ich bitte, leg dich nieder! Hu! wie kalt da draußen!“ Aber es folgte keine Antwort.

„Endlich erscholl ein Getümmel von der Straße, die Hausthür knarrt; und ein Geräusche ließ sich unten an der Stiege vernehmen; dann aber war Alles so still und ruhig wie zuvor"

„Daß die Pest!“ murmelte der Schneider vor sich hin; „der Plan muß verrathen worden sein; sie schleichen ganz still die Stiege herauf;" aber kaum hatte er dies gemurmelt, erhob sich vor seiner Thüre ein Getrampel, Gestampse und Gepolter mit Füßen und Stöcken, ein Gebrüll und Pfeifen und Schreien, wie wenn eine Legion Tollhäusler draußen rumorten. Meckmeckmeh! Meckmeh!“ gellte es gräßlich herein, und rief den Helden aus seiner anfänglichen Betäubung zu sich. „Ihr Lumpenkerle!“ schrie er hinaus zur geöffneten Thüre, und streckte die Muskete vor sich kluger Weise hinaus und drückte mit zitternder Hand und geschlossenen Augen los. Zu seiner großen Verwunderung hörte er keinen Knall, und spannte hastig den Hahn, drückte wieder mit geschlossenen Augen los, und sieh! ein heller Blitz durchzuckte das Dunkel zu nicht geringem Schrecken des Männleins und der Studenten.

„Flieht!“ schrieen alle zusammen, „er hat ein Gewehr!“ und rannten die Stiege hinauf; aber wie das Wetter stürmte der Mann im Biber nach, mit lautem Feldgeschrei sich anfeuernd und die Muskete zur Vorsicht voraus streckend.

"Jesus, Maria!" schrie mit einemmale eine Stimme, „ich bin erstochen; ich stürze, ich falle" Es war der Poet, und die

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übrigen waren der lange Hans, der lustige Zeisig, Bruder Schlick, und einige Mitkonsorten. Der Schneider hatte im Dunkel und in seinem wüthigen Heldenmuth den armen Thomas ganz von ungefähr mit dem Bajonette in den Schenkel gestochen, und der war voll Schrecken umgefallen.

„Licht her! Licht her! der Schneider ist toll!“ schrie man oben, während von unten Heulen und Schreien in feierlichem Chore antwortete. Mit ihren Stöcken hielten die Polterer die Thüre besetzt, und als das Licht die Finsterniß verjagt hatte, sahen sie nur Thomas Knappauf am Boden liegen mit geschlossenen Augen, der auf ihr Schütteln und Rütteln endlich zum Leben kam, und als sie nach seiner Wunde fragten, mit weinerlicher Stimme nach dem Schenkel wies, wo denn freilich eine kleine Wunde das mürbgesessene Beinkleid geröthet hatte; der Held aber war längst die Stiege hinabgerannt in sein Stübchen, wo ihm Weib und Kind schreiend und heulend entgegen kamen; denn sie hatten mit Schaudern des Poeten Angstschrei: „ich bin erstochen!“ vernommen, und glaubte, er sei in der That erstochen worden. [139] „Ich bin verloren,“ schrie der Mann mit den stahlgrauen Haaren ihnen zu, und warf die Muskete in einen Winkel, seine eigne Person aber erschöpft und ermattet in den Lehnstuhl, und wischte den Angstschweiß von der Stirne. „Ich werde am Galgen sterben - habe einen erstochen! - Leb wohl, liebes - Weib, - liebe Tochter - leb - leb wohl! Hier hast du meinen Segen. – Lebt wohl! – Hört! hört! schon kommen sie und führen mich ins Gefängniß; ich sterbe am“ - da leuchtete plötzlich, des blassen Männlein Schluchzen unterbrechend, ein heller Blitz, und krachend entlud sich die Muskete im Winkel. Das Töchterlein fiel in Ohnmacht, die Frau verlor die Sprache, der kleine Mann sank starr und steif zu Boden, und rührte sich nicht mehr; die Studenten ließen den Poeten, und rannten die Stiege herab mit Licht, der Meinung, das Schneiderlein habe sich in seiner Tollheit ein Leid zugefügt, und als sie ihn auf dem Boden liegend fanden, glaubten sie ihrer Sache gewiß zu sein. Aus allen Thüren und Gängen des Hauses eilten die Bewohner heraus, halb oder gar nicht angekleidet, mit Licht in den Händen und fragten mit furchtsamen Mienen, was geschehen sei, ohne daß Jemand Aufschluß geben konnte. Nach und nach sammelte sich eine Menge im Zimmer des Schneiders, den man mit vieler Anstrengung ins Leben zurückrief. Als er die vielen Leute um sich her gewahrte, glaubte er sein Stündlein wäre gekommen, und nahm nochmal Abschied von Weib und Kind, obgleich er diese nirgends sah in dem Gedränge, und bot seine Hände den Fesseln dar, also sprechend: „ich habe den Tod verdient, und mit Recht; wer mordet, soll umkommen durch das Schwert“

Dieses bestätigte noch mehr die neugierigen Zuschauer in der Meinung, daß der kleine blasse Mann mit den stahlgrauen Haaren im blauen Biberkittel plötzlich toll geworden sein müsse; zwar meinten sie, daß man schon früher Symptome an ihm bemerkt habe, als ob es nicht ganz richtig mit ihm sein müsse, und bedauerten den Unglücklichen und seine Familie gar sehr. Der Hauseigenthümer aber erklärte der Frau des Schneiderleins, daß bei solchen Umständen ihres Bleibens nimmer in seinem Hause sein könne; sie möge deßhalb so bald wie möglich sein Haus räumen, um nicht durch die Tollheit ihres Mannes das Leben der Inwohnenden zu gefährden; dabei bedauerte er gar sehr solche ordentliche Miethleute zu verlieren.

Also ging es dem Männlein im Biberkittel wie es dem Freunde der Musen geht, wollen mir hier in Kürze vernehmen. Die Studenten hegten und pflegten den verwundeten Dichter einige Tage auf ihrem Zimmer nach ihrer Weise, schleppten den armen Teufel mit in ihre Kneipe, und verloren ihn endlich bei einen anderweitigen fidelen Streiche, wo er den Polizeimännern in die Hände fiel, und manchen Tag in seinem Käficht saß, und sich nach den Fleischtöpfen Aegyptens, das ist, nach den Gastereien und Zechgelagen der freigebigen Herrn, oft zurücksehnte. Von seinen ferneren Schicksalen wollen wir später unsern freundlichen Lesern Bericht erstatten, sobald wir vernommen haben, daß der Held unserer Erzählung mit sammt seinem Unglücksstern ihre Theilnahme erregt habe.




Schach und - matt!


[140]


Heinz von Stein.
Ballade.

Es zog von dannen der wilde,
Gefürchtete Heinz von Stein,
Er zog von dannen und kehrte
In einem Wirthshaus ein.

5
Er setzte sich stolz zu Tische

Und herrschte: „Bringt mir Wein!“
Husch lief mit Glas und Flasche
Des Wirthes Töchterlein.

Da ward ihm acht so wehe -

10
Er seufzt: „O Holde mein!

Wie wär’s, gäbst du ein Küßchen
Dem tapfern Heinz von Stein?“

Sie sagte: „Wollt Ihr ein Küßchen
Von einem Mädel fein,

15
So müßt Ihr vor allen Dingen

Ein hübscher Junge sein.“

Das wurmte den Ritter sehre
In seinem Herzen drein;
Er grollte: „Was bin ich schuldig

20
Für deinen sauern Wein?“


Drauf ritt er trotzig heime
Und kehrte nimmer ein:
Das ist die schaurige Mähre
Vom wilden Heinz von Stein.

Adalbert Müller.




Geistesgegenwart

Ja, ein Wolf ist ein gefährliches, wildes, grausames Thier, dem ich um Alles in der Welt nicht begegnen möchte. Und doch wäre eine solche Begegnung selbst in unserm civilisirten mit Eisenbahnen und Chausseen durchschnittenen, waldarmen Lande nicht unmöglich. Hat nicht erst vor fünf oder sechs Jahren ein vierzehnjähriger Knabe in Schwaben einen Wolf erschossen, der jetzt in Stuttgart im Naturalienkabinet ausgestopft hinter Glas und Rahm steht? Und hat sich nicht vor Kurzem eine solche grausame Bestie in der Vilip sehen lassen? Der Jägerbursche, der mir davon erzählt, hat das Thier zwar nicht selbst erblickt, aber aus glaubwürdigem Munde es erfahren; und ein Fräulein, das einen einsamen Spaziergang dem Alpbach bei Tegernsee entlang gemacht, hat zu ihrem nicht geringen Schrecken am hellen lichten Tage den Raubgesellen über den Berg laufen sehen. ,,Aber um Gotteswillen!“ sagt der Herr Pathe Zobelmeyer, „so ist man denn im Gebirg seines Lebens kaum sicher? Was fange ich an, um sicher zu sein, wenn ich nächstes Jahr mein großes Reiseprojekt ausführe? Mit Schießgewehr lasse ich mich nicht ein, das fürchte ich noch mehr als selbst den Wolf!“ Verehrter Herr Pathe, es muß nicht gerade Schießgewehr sein, das Sie schützt; Geistesgegenwart, Geistesgegenwart, das ist die Hauptsache. Verliert man die nicht, so müßte es ganz curios zugehen, wenn man solch einer Bestie, und sei sie noch so flink, nicht entrinnen könnte. Man muß vor der Gefahr nicht erschrecken, aus der Umgebung Vortheil ziehen, und behend in der Benutzung des Rettungsmittels sein. Wer Geistesgegenwart besitzt, dem fällt sicher ein guter Gedanke bei, seien die Umstände noch so drohend; der ihn sichert. Es fällt mir da eine merkwürdige Geschichte ein, die ich Ihnen als Beweis meiner Behauptung mittheilen will. Sie werden dieselbe umso weniger bezweifeln, da sie mir Herr Förster Dreihaar, dem sie passiert, selbst erzählt hat.

[141] In dem kalten Winter von Anno 29 kamen über die gefrornen Flüsse viele Wölfe, der Himmel weiß woher, in Gegenden, wo man dieses Raubthier bisher nur aus der Naturgeschichte kannte. Da sagte man sich denn auch einmal in dem Marktflecken, wo Herr Dreihaar wohnt, ein Wolf sei in der Nachbarschaft gesehen worden. Wer ein ordentlicher Jäger ist, der weiß, daß eine solche Kunde, worüber andere Leute erschrecken, dem Weidmann die größte Freude macht. So war es denn auch bei Herrn Dreihaar. Kaum hörte er das Gerücht, so nahm er seine Büchse, und suchte, trotz der bittersten Kälte, vom frühen Morgen bis spät Abends seine ganze Revier ab. Leider war all sein Mühen vergeblich; ein schneidender Nordwind wehte den ganzen Tag über und machte das Auffinden einer Fährte unmöglich, und so wendete denn endlich der Förster, verdrießlich und halberfroren, eine Stunde nach Betläuten seine Schritte dem Marktflecken zu. Herr Pathe, stellen Sie sich den Förster vor, wie er heimwärts geht. Seine Halsbinde hat er bis an die Nase aufgezogen; die Hände mit Fausthandschuhen bedeckt, stecken unter der Joppe, die Büchse, von der er das Zündhütchen abgenommen, hängt über die linke Achsel und so wadet er im tiefen mehligen Schnee mühsam daher. Der Mond scheint hell und klar auf die funkelnde Winterlandschaft. Da rennt auf einmal, denken Sie sich des Försters Ueberraschung, aus einem Hohlwege ein ungeheurer Wolf mit weitgeöffnetem Rachen, den buschigen 2 Ellen langen Schweif auf dem Schnee nachschleifend, geradenwegs auf den Förster zu. Was sollte der thun? Handschuh ausziehen, mit erstarrten Fingern eine Zündkapsel suchen, aufsetzen, schießen, das war unmöglich. Schneller als ich es Ihnen erzählen kann, war des Försters Entschluß gefaßt und ausgeführt. Rechts von ihm stand ein alter, dicker Weidenbaum mit knorriger weitüberhängender Krone und hohlem Stamm: den erkletterte er mit der Geschwindigkeit eines Eichhörnchens, und sah, von oben in Sicherheit, auf seinen gefährlichen Bekannten herab, der seinen Appetit nach des Försters Fleisch durch einige erfolglose Sprünge den Baum hinauf, an den Tag legte. Aber kaum saß der Förster und wollte daran gehen , seine Büchse in Stand zu setzen, so krachte es unter ihm, sein Sitz senkte sich einwärts, und er hatte kaum noch Zeit, seine Beine einzuziehen, und mit den Händen einige Zweige zu packen, um nicht herab zu purzeln, als die morsche Kronenrinde brach. Rasch sank er in die Tiefe des hohlen Stammes hinab; das Gewehr blieb an den Weidenästen hängen. Da stand er nun in seinem engen Schilderhaus, in dem er kaum die Arme bewegen konnte, und nur eine zweizolldicke Rinde trennte ihn von dem blutdürstigen Wolfe, dessen Keuchen und Kratzen er deutlich hörte. Plötzlich sprang, von den Krallen des Wolfes losgerissen, ein Stückchen Rinde, und durch das Loch streckte sich die heiße Wolfschnauze herein. Ein tüchtiger Faustschlag veranlaßte den Wolf, sie zurückzuziehen , und als sich die Bestie drehte, um wo möglich einen andern weniger gefährlichen Eingang zu suchen, fuhr die Hand des Försters blitzschnell durch das Loch, packte den Schweif des Wolfes, und zog ihn, so weit es ging, durch das Loch herein. Hier begann nun der Förster den Schweif zu drehen, wie man eine Kassemühle dreht, und daß diese Operation dem Schweifeigenthümer keineswegs angenehm war, konnte der Förster an dessen fürchterlichem Heulen und Winseln wohl abnehmen. Ich will ihnen die Position der beiden einmal aufzeichnen, muß aber freilich die vordere Hälfte des Weidenbaumes weglassen, sonst können Sie nicht sehen, wie es Herr Dreihaar machte.

Nachdem er so lange gedreht hat, als es seine Kräfte erlaubten, ließ er endlich den mehrmals gebrochenen Schweif fahren und wie ein Pfeil vom Bogen schoß der Wolf davon. Der Förster wartete eine Viertelstunde, schob sich dann in die Höhe, richtete auf dem Baumrande sitzend, seine Büchse schußfertig, was ihm jetzt nicht schwer wurde, da er sich warm gearbeitet hatte , und sprang dann vom Baume herab. Vorn Wolfe war keine Spur mehr zu sehen, und so ging denn Herr Dreihaar nach Hause, innig vergnügt darüber, durch seine Geistesgegenwart eine große Gefahr abgewendet zu haben.

„Donner und Dorla!“ ruft Herr Pathe Zobelmeyer, „das heiße ich besonnen! Dem Weidenbaum hatte er sein Leben zu danken. [142] Aber wenn der Baum nicht gerade so nahe gestanden hätte, wie dann?“ Herr Pathe, meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Herr Dreihaar konnte kaum das Tageslicht erwarten, um wieder auf das Wolfsuchen zu gehen. Er sagte Niemand ein Wort, nahm keinen Jägerburschen mit, nicht aus Furcht, daß ihm das Schußgeld entginge, nein, blos der Ehre willen, er wollte den Wolf schießen. Hatte er gestern emsig gesucht, so suchte er heute noch emsiger; umsonst! nirgends eine Spur. Die Fährten von gestern waren längst wieder verweht und alles Suchen war vergeblich. „Der Kamerad hat an der gestrigen Lektion genug gehabt und ist wieder hingelaufen, wo er hergekommen ist,“ dachte Herr Dreihaar, und wendete sich endlich, des fruchtlosens Umherlaufens müde, heimwärts. Der Mond schien so hell wie gestern, und Herr Dreihaar wadete ganz in derselben Weise wie gestern, im Schnee einher. Plötzlich, wer sollte es denken, sprang hinter einem Föhrenbusch der Wolf hervor und wieder gerade auf den Förster zu. Kein Schutzverheißender Weidenbaum in der Nachbarschaft, kein schußfertiges Gewehr! Der Förster verlor dennoch die Geistesgegenwart nicht. Mit schalkhaftem Lächeln stellte er sich seinem fürchterlichen Feinde, der in einer Secunde drei Fuß weit von ihm stand, in der Positur des Schweifdrehens gegenüber, blickte ihn fest an und sagte, indem er aus Leibeskräften zu drehen schien, höhnisch: „He, woll’ mehr wieder a bisl?“ Kaum aber sah der Wolf die drohende Geberde, so nahm er das gefährdete Glied zwischen die Beine

und rannte spornstreichs von dannen. Seit der Zeit hat Herr Dreihaar nie wieder einen Wolf gesehen. Was meinen Sie dazu?

„Das ist eine sehr meckwürdige Geschichte,“ sagt Herr Pathe Zobelmeyer, „die ich mir wohl merken will, für gleiche oder ähnliche Fälle.“

H. C. B.




Conseribirte.
Die Conseribierten stellen sich vor der Conseriptions-Behörde mit den Qriginal-Zeugnissen ihrer Gemeinden oder Landärzte.


Zeugnuß.

Dem Konschriebirten Basist (Baptist) Klickmuxer, Schustersohn in Tiefenhafen wird auf Ansuchen bekönnt, daß er in den zehen Jahr feiner Alter den rechten Arm zerbracht, wo man seine Dienstherrn zu Zeigen aufrufen kann, das er zu ungestimmer Witterung und hattet Arbeit ville Schmerzen läuten muß, indem man aber das Erztliche Zeugnuß des Kuriorgens nicht aufstellen kann, weil er gestorben ist, besteht mit Wahrheit gemäß in diesem.















Zeigniß

für den Konstririerten Jingling, Xaver Rost hester, von Resseding, das er von Juget auf einen Zustand bis gegenwärtig wo er öfters mit schmerzhaften Orinmachen befallen wird was aller Warscheinlichkeit ein orkanischer Feller durch alle Dinstherrn bezeigt und auch ein schlechtes Gesicht hat wird durch sie Vollmagd bezeigt.


[143]

Conscribirte.


Zeugnüs.

Fir den Pepü Lehmhöfer, Schneiders-Sohn, auch Schneier-Pepü genannt wegen seiner Gehör in die Ohren, weil er zu der Conskristions-Zeit nicht höret und Gehör ganz verfallt, auch hat er in jüngern Jahren von einem Kerschbaum das Axlpein und den rechten Fuß geprochen, welche ihn der Vater Scheer wohl kuirt, aber dann gestorben ist und kein Zeugnüß ist aufgestellt worden, man glaubt daß der Pepü were Zeugnüß gnug. Denn es were für ihn Viel besser wen dieses nicht wer. Das ist die Wahrheit gemäß.

B. S. Mit aller Hochachtung.



Parere!

Nachdem ich unterzeichneter den Franz Hachemäyer, Halbauern Sohn von Ditzenfeld an gehabten Histeri oder Geistes Zerrittung behandelte, wo ich ihm Vissicatohr mit Kamvor vermischt ad nackum setzte und ünnerlich Schweiß trieb, worauf er sich gleich besserte und dann·Arbeits unföhig worden ist. Kan nichts mehr machen beim militari. Deshalb gehorsampst.



Zeichnühs

vir Anton Mayr, bei mir Endesunterzeuchnet, daß ihm schon mer Mahl sein Axl aus dem Pfandl gegangen, wohin sein Natur sehr deklinirt. Ist alljährig am solches Miaßma von mir corirt worden, aber imer darauf noch schlechter geworten. Auch ist ihm durch das Reiden eines Pferdes dieses dorchgegangen, somit für den Cafalörie-Dienst nicht geeugnet.




Ende gut, Alles gut.


Ein - und - zwan·- zig -
Zwei - und - zwan - zig -

[144]

Des Herrn Beisele und seines Hofmeisters Dr. Eisele
neue Kreuz- und Querzüge durch Deutschland.

Augsburg.



Augsburger Straßenbeleuchtung.


Sobald die neunte Stünde erklingt, wandelt ein Bediensteter der Stadt durch die stillen Straßen, eine Blendlaterne vor sich hertragend. Wer noch um diese Stunde auf der Straße etwas zu thun hat, schreitet hinter dem Laternenträger drein. Punkt zehn Uhr verlischt das Licht, und mit ihm die Straßenbeleuchtung [1]

Die Reisenden sehen sich durch Lokal-Justitutionen genöthigt, in einem Wirthshause jenen Platz einzunehmen, welchen man gewöhnlich dem treuesten Hausthiere einzuräumen pflegt.

Ein Augsburger Fiaker, dessen man sich bedient, um möglichst schnell aus dem einen Theile der Stadt in den anderen zu kommen.


Ansicht in Maximiliansstraße.


Dr. Eisele.
(Fortsetzung folgt)


Redaction: Caspar Braun und Friedr. Schneider. - München, Verlag von Braun & Schneider.
Kgl. Hof- und Universitäts-Buchdruckerei von Dr. C. Wolf & Sohn in München.

  1. Dem Vernehmen nach dürfte sich übrigens Augsburg unter sämtlichen Städten Bayerns der ersten Gasbeleuchtung zu erfreuen haben, während in München bereits abermals eine neue Concurrenz zu Lieferung von Johanniswürmchen für das künftige Etatjahr ausgeschrieben sein soll.