Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Die Gartenlaube 1862)

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Autor: L. M.
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Titel: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand (Die Gartenlaube 1862)
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 357-358
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand.

Nach seinem Standbild im Kloster Schönthal.


Der nördliche, vom fränkischen Volksstamm bewohnte Theil Württembergs wird vorherrschend gebildet durch die Flußgebiete des Kochers und der Jaxt, zweier namhafter Nebenflüsse des Neckars. Im freundlichen Jaxtthale, etwa vier Meilen oberhalb seiner Ausmündung in das Neckarthal, liegen die stattlichen Gebäude der früheren reichsunmittelbaren Cisterzienserabtei Schönthal.

Wie Maulbronn ist auch dieses vormalige Ordenshaus in neuerer Zeit der Sitz eines der vier sogenannten niedern Seminarien, dieser Württemberg eigenthümlichen und für sein Schulleben so einflußreichen Vorbildungsanstalten für künftige evangelische Theologen des Landes.

Während nun aber Maulbronn Jahrhunderte lang darauf bedacht war, in architektonischer Beziehung fort und fort auf dem gelegten Grunde seiner romanisch-gothischen Kloster- und Kirchengebäude weiter zu bauen und ein vielbewundertes Denkmal alter Baukunst herzustellen, ist in diesem Betracht Schönthal in Nachtheil gekommen. Zwar hat man einige ältere Klostergebäude, die aus zwei weit auseinander liegenden Zeiträumen stammen, sowie ein gothisches Kirchlein stehen gelassen, aber die alte, im edlen strengen Styl des Mittelalters gebaute große Kirche wurde zu Anfang des vorigen Jahrhunderts durch eine noch größere ersetzt, so daß das schönste hiesige Denkmal der reinen Kunst der Mode der Neuzeit zum Opfer gefallen ist. Gleichwohl ist Kloster wie Kirche von Schönthal auch jetzt noch eines Abstechers von dem vier Meilen entfernten Heilbronn aus gar wohl werth.

Das Standbild des Götz von Berlichingen im Kloster Schönthal.

Dies aber um so mehr, da sich hier einiges Andere erhalten hat, was selbst Maulbronn nicht besitzt. Außer einigen andern Bildern nämlich, z. B. von Kaiser Friedrich Barbarossa, von Papst Alexander III., von Bernhard von Clairvaux, und außer einem für die Geschichte des Costums wichtigen Ordenssaal mit Hunderten von Abbildungen aller möglichen Mönchs-, Ritter- und Nonnentrachten, ist in dem Kreuzgang dieses Klosters eine Reihe lebensgroßer Standbilder von früheren Schirmherren desselben aufgestellt. Es sind achtzehn sorgfältig in Sandstein ausgeführte Statuen, welche an sich schon dadurch, daß sie Ritter von vier verschiedenen Jahrhunderten genau in der Rüstung ihrer Zeit darstellen, für die Geschichte der Waffen und Wappen des Mittelalters und für die Kunst überhaupt von erheblicher Bedeutung sind. Sie stellen, mit Ausnahme eines einzigen Standbilds, sämmtlich nur Ritter des edlen Geschlechts der Herren von Berlichingen dar. Als nämlich der Gründer des Gotteshauses, Wolfram von Bebenburg, 1157 nach der Legende in Folge eines Gesichts genöthigt wurde, statt des früher von ihm gewählten, höher gelegenen Platzes für seine Stiftung einen andern im Thal aufzusuchen, bat er die im nahe gelegenen Jaxthausen angesessenen Verwandten seiner Frau, welche eine geborene von Berlichingen war, das zu dem neuen Kloster nöthige Ackerfeld nebst dem daran stoßenden Grund und Boden abzutreten. Diesem Wunsche wurde bereitwilligst entsprochen und nur die Bedingung hinzugefügt, daß den Herren von Berlichingen das Begräbniß in dem künftigen Kreuzgang des Klosters für alle Zeiten gestattet werde, Abt und Convent die vor die Klosterpforte gebrachte Leiche processionsweise in die Kirche begleiten und daselbst die gewöhnlichen Exequien für den Verstorbenen halten sollten.

Diesem Umstände und dieser bis zur Reformation befolgten Anordnung haben wir es zu danken, daß auch von dem durch ein großes Dichterwerk verherrlichten Sprößling dieses Adelsgeschlechts, dem durch seine Betheiligung am Bauernkriege berühmten Götz von Berlichingen, gleichfalls ein Standbild in der Reihe seiner Stammgenossen steht, das alle Spuren vollkommener Portraitähnlichkeit an sich trägt. Dafür spricht nicht allein die Verwandtschaft der Züge mit denen anderer Ahnen des Geschlechts, in deren Mitte er steht, sondern die überraschende Aehnlichkeit einzelner, noch jetzt lebender Glieder des Hauses mit der Gesichtsform, der Statur und Größe des Körpers, die wir an diesem steinernen Götz wahrnehmen. Dadurch wird aber reichlich aufgewogen, was dem Bildwerk etwa an künstlerischer Correctheit abgeht. Wäre man ja fast versucht zu behaupten, dieses minder schöne und ästhetisch nicht völlig befriedigende Abbild des Ritters mit der eisernen Hand entspreche im Grunde noch besser, als ein vollkommneres, dem Wesen und Charakter des Mannes, der mit Kunst und Wissenschaft sich niemals viel befaßt hat und in dessen ganzer Erscheinung das Biedere, Derbe und Ungeschlachte bei Weitem das Uebergewicht hatte.

Doch noch eine weitere, sonst minder bekannte Eigenschaft, die auch stark aus der von Götz hinterlassenen Selbstbiographie hervorleuchtet, eine innige und lebendige Frömmigkeit, lernen wir an ihm auch kennen, wenn wir unserem Bilde näher treten und die, nach dem wunderlichen Style zu schließen, von Götz selbst verfaßten [358] Inschriften entziffern, welche in der Nachbildung nicht wiedergegeben werden konnten.

In dem größeren Viereck über dem Standbild ist in lateinischer Lapidarschrift zu lesen:

Ano Dmi 1562 ist dots verschide der edel vn ernves gottfridt
von berlichen zu hornberg – der Sel Got genedig sei. Amen.
Mein Gott vn mein Vater – zun beweise meine arme Sele das sie ine
verde dv seit m fels burg schildt thurn hort schuez zversich hilff
haende bevil ich mein Geist Her du drever Got erlus meine arme –
ich hoff auf dich o Her erlös mich vn sei mir genedig - sel von
               dem grausame feindt

Unten steht:

Vnd er wartet alhie einer fröhlichen auferstehung


Eine Ergänzung dieser biographischen Notizen enthält eine wahrscheinlich späterer Zeit angehörige, schön ausgestattete Erztafel an der gegenüberstehenden Wand folgenden Inhalts:

Anno Domini 1562 uf donnerstag den 23 Juli umb sechs uhr zu abets
verschied der edel un ernvest gottfried vo berliching zu horberg d’elter,
So seins alters uber etlich u. achzig Jahr alt worden, dessen sele un
uns alle Got der allmechtig wolle gnedig un barmherzig sein. Amen.
Er wartet allhie sampt allen gläubigen in Christo eine fröhliche
                     Auferstehung.

Sodann in wohlfließenden lateinischen Distichen wird gesagt:

Diese Urne umschließt das Gebein des edelen Gottfried
Berlichingen, allwärts ist ja der Alte bekannt.
Er, der hochherzig im Leben der Fehden so viele bestanden,
Wird sich dagegen nunmehr stetigen Friedens erfreun.
Sicher vor Anderer Hohn und Keinem mehr furchtbar, genießet
Jetzt ohn’ Ende er auch ewiger Güter die Füll’.

Einen Lebensabriß und eine weitere Charakterschilderung des berühmten Rittersmannes zu geben, kann für diesmal nicht in der Absicht dieser Zeilen liegen. Nur über Eines, das ja auch auf dem Bilde zu sehen ist und worüber wir gleichfalls im Stande sind, aus eigener Anschauung und nach Quellen zu reden, möchte wohl der Leser zum Schluß noch Etwas erfahren, über die eiserne Hand nämlich, auf welcher der Ritter auch hier im Bilde kniet.

Götz selbst erzählt im sechsten Capitel seiner Lebensbeschreibung wortgetreu also: „Im Bayrischen Krieg 1504 ist mir vor Landshut mit einer Feldschlangen durch die Nürnberger der Schwerdknopf entzweygeschossen worden, daß mir das halbe Theil in Arm ging und drey Armschienen damit, und lag der Schwerdknopf in Armschienen, daß man ihn nit sehen kunt – – und wie ich so das siehe, so hengt die Hand noch ein wenig an der Haut und leit der Spieß dem Gaul unter denen Füßen, so that ich eben, als wäre mir nichts darum, und wandt den Gaul allgemach um, und kam dennoch ungefangen von denen Feinden hinweg zu meinem Hauffen.“ Später fügt er noch bei: „Und von der Zeit an am Sonntag nach St. Jacobstag, da bin ich zu Landshut gelegen, bis um Fastnacht außen, was ich der Zeit für Schmerzen erlitten habe, das kann ein jeglicher wol erachten, und wäre das mein Bitt zu Gott, die ich thet, wenn ich in seiner göttlichen Gnad wäre, so soll er im Nahmen Gottes mit mir hinfahren, ich wäre doch verderbt zu einem Kriegsmann, doch fiel mir ein Knecht ein, von dem ich etwan von meinem Vater seel. und olten Knechten gehört het, welcher der Köchle geheissen, der hette auch nit mehr denn ein Hand gehabt, und hette eben alsobald ein Ding gegen Feinden im Feld ausrichten können, als ein anderer, der lag mir im Sinn, daß ich Gott aber anrufft und gedacht, wann ich schon zwölff Händ hette, und sein göttliche Gnad und Hülff mir nicht wohl wöllt, so were es doch alles umsonst, und vermeint derenthalben, wann ich doch nit mehr dann ein wenig ein Behelfs hette, es were gleich eine eiserne Hand, oder wie es wäre, so woll ich dennoch mit Gottes Gnad und Hülff im Feld noch irgend so gut als sonsten ein heilloser Mensch, ich bin auch seithero mit desselben Köchles Söhnen geritten, die redlich uns berühmt Knecht gewesen. Und nachdem ich nun schier sechzig Jahr mit einer Faust Krieg, Vehd und Händel gehabt, so kan ich wahrlich nicht änderst befinden noch sagen, denn daß der Allmächtig, Ewig, Barmherzig Gott wunderbarlich mit großen Gnaden bey und mit mir in allen meinen Kriegen, Vehden und Gefährlichkeiten gewesen.“

Außer diesen Worten hat sich weder vom Ritter selbst noch von einem sonstigen Berichterstatter irgend eine verbürgte Nachricht über dieses in der That merkwürdige Kunstwerk der Mechanik erhalten, namentlich ist ganz unbekannt, wo und von wem es gefertigt worden ist. Glücklicher Weise ist es aber, nebst anderen Reliquien des ritterlichen Ahnherrn, in dem sehenswerthen Archiv des noch unversehrt erhaltenen alten Schlosses in Jaxthausen aufbewahrt. Diese eiserne Hand hat von außen ganz das Ansehen eines zierlichen Panzerhandschuhs, nur daß sie ganz von Eisen ist und im Innern ein sehr complicirtes und sinnreiches Federwerk hat, mittelst dessen es dem Ritter möglich war, nicht allein die ganze Hand bis zur Faustkrümmung einzubiegen und sehr fest zu schließen, sondern auch jeden einzelnen Finger, ja jedes Gelenk desselben für sich allein ebenfalls zu biegen, so wie auch dann wiederum durch den Druck eines einzigen Knopfs im Nu alle Finger in die Lage der offenen Hand zurückspringen zu lassen.

L. M.