Gannarets Schreiben an den Präsidenten Lamoignon
Gannarets Schreiben an den Präsidenten Lamoignon[1].
Ich gebe mir die Ehre, Ihnen den Artikel, Monseigneur, zu senden, der den Tartüfe betrifft, worüber Sie mir, nämlich bei der Darstellung dieser Thatsache, wie mir Fontenelle sagt, nicht genug Diskretion und Zurückhaltung zutrauen. Ihnen, Monseigneur, sind alle abentheuerlichen Geschichtchen bekannt, die man bei dieser Gelegenheit dem guten Moliere aufbürdete. Ich habe das Ungegründete dieser Geschichtchen hinlänglich erkannt; mehr als zwanzig Personen haben mich versichert, daß die Sache sich so zugetragen hat, wie ich sie erzählte, und ich glaube es um so mehr, da es auch in den Menagiana, die 1698 mit Privilegium gedruckt wurden, ausdrücklich heißt: Ich, Menage, sagte dem Präsidenten Lamoignon, als er den Tartüfe nicht geben lassen wollte, daß die Moral des Stückes ganz vortrefflich sey und daß es dem Publikum sehr nützlich seyn werde. Sie sehen, Monseigneur, daß ich den berühmten Namen weggelassen habe, und daß ich das Urtheil über den Tartüfe so viel als möglich mit Gründen unterstützte. Fontenelle, der Monseigneur eben so schätzt wie ich, glaubt, daß ich die Stelle ganz gut behandelt habe, er billigt mein Buch, welches beinah ganz gedruckt ist. Wenn Monseigneur aber das Gegentheil glauben sollten, so bitte ich mir nur die Worte anzugeben, ich werde ein Carton hineinschieben; die außerordentliche Achtung die ich für Monseigneur und seine ganze Familie hege, erlaubt mir nicht, hierin nach eignem Willen zu handeln u. s. w.
- ↑ Vie de Moliere etc. Aus diesem Schreiben kann man sehen mit welcher Wahrhaftigkeit die Geschichtschreiber des großen Jahrhunderts d. h. des Siècle de Louis XIV zu Werke gegangen sind.