Garibaldi (Gartenlaube 1859)

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Titel: Garibaldi (Gartenlaube 1859)
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 392
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[392] Garibaldi. Ein englischer Reisender, der mit einigen Damen Garibaldi aufsuchte, gibt folgende Schilderung: „Er sah ganz anders aus, als wir erwartet hatten. Nach seinen Abbildungen und kriegerischen Thaten hatte ich mir in ihm einen sehr großen Mann mit fahler Gesichtsfarbe, langem schwarzem Haar und Bart und etwas von dem romantischen Wesen jener spanischen Guerrillaführer vorgestellt, die ihre eigenen Lieder zur Guitarre sangen, und die Leute mit eben so viel Vergnügen todtschlugen. Was ich sah, war das gerade Gegentheil. Ich konnte kaum glauben, daß der eintretende und sich zu uns setzende, ruhige, einfach natürliche, einem Gentleman ähnlich sehende Mann Garibaldi sei. Er ist ein kräftig, aber durchaus nicht schwerfällig gebauter breitschultriger Mann mit gewölbter Brust und von mittlerer Größe. Er hat eine gesunde, englische Gesichtsfarbe, hellbraunes Haar und Bart von der gleichen Farbe, Beides leicht mit Grau gemischt und sehr kurz geschnitten. Die Kopfbildung ist sowohl in intellectueller wie moralischer Beziehung sehr schön entwickelt und sein Gesicht gut, obgleich für den gewöhnlichen Beobachter nicht gerade bedeutend. Nichts verräth den Mann, welcher im Stande war, Pläne, wie den Rückzug aus Rom oder die Einnahme von Como, zu entwerfen und auszuführen. Wenn er aber von den Leiden seines Vaterlandes und dem auf ihm lastenden Druck sprach, so konnte man in Auge und Lippe das lange tief unterdrückte Gefühl und den festen, verwegenen Charakter des Mannes lesen. Ein Kind würde sich nicht scheuen, auf der Straße stehen zu bleiben und ihn zu fragen, wie viel Uhr es ist. Demjenigen aber, über den er das Urtheil gesprochen, daß er in einer halben Stunde erschossen werden soll, wird es, nachdem er einen Blick auf dieses ruhige, entschlossene Gesicht geworfen, nicht einfallen, seine Zeit damit zu vergeuden, daß er um Gnade bittet. Ich hatte mir vorgestellt, seine Operationen seien mehr das Werk einer plötzlichen Eingebung als militärischer Berechnung gewesen; aber so stark seine natürlichen Triebe auch sein mögen, offenbar weiß er sie vollständig zu beherrschen. Kühn und unternehmend bis zur scheinbaren Tollkühnheit ist er ohne Zweifel, aber er ist auch kaltblütig und berechnend, und als ich ihn beobachtete, wie er mir gegenüber am Tische saß, und den Damen von seinen Reisen nach China und zu den Antipoden so unterbaltend und gemüthlich erzählte, als ob er sich in einem Londoner Salon befände, während er jeden Augenblick von dem Feuer einer auf der Eisenbahn bei seinen Vorposten angekommenen überlegenen österreichischen Streitmacht unterbrochen werden konnte, fühlte ich keinen Zweifel daran, daß er auch für den allerschlimmsten Fall Alles genau angeordnet haben und diesen Anordnungen gemäß handeln würde. Was mir jedoch am meisten imponirte, war das geistige Kaliber des Mannes. Ehe ich ihn sah, hielt ich ihn für wenig mehr, als einen tapferen volksthümlichen Haudegen. Ich schied von ihm in der Ueberzeugung, daß seine kriegerische Laufbahn eine bloße Episode in seiner Geschichte ist, und daß seine wahre Größe sich in der politischen Wiedergeburt und in der Regierung seines Vaterlandes zeigen wird. – Da die Leute Garibaldi’s so oft als eine wilde Räuberbande geschildert worden sind, so beobachtete ich sie sorgfältig. Ihr Benehmen war überall ruhig und ordentlich. Es befindet sich eine große Zahl von Männern aus den gebildeten Ständen darunter. Jedenfalls ist Garibaldi als Mensch achtungswerther und als Feldherr um Vieles bedeutender, als sein Bundesgenosse, der Kaiser L. Napoleon.“