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Geheimschriften

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: O. N.
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Titel: Geheimschriften
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 428
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[428] Geheimschriften. „Noth und Liebe macht Künstler und Diebe,“ sagt das Sprichwort – Noth und Liebe haben auch die Entstehung einer Kunst verursacht, die heutzutage, dank der sicheren Postverbindung, außer in diplomatischen Kreisen wenig mehr im Schwang ist, die Chiffrierkunst. Ihre ersten Anfänge reichen bis ins Alterthum zurück. Man kam allmählich auf die mannigfaltigsten Ideen, um Schriften für uneingeweihte Augen unlesbar zu machen. Das einfachste war, die Buchstaben durch andere oder durch Zahlen zu ersetzen. Dabei konnte man noch mittels veränderter Gruppierung der Buchstaben für die einzelnen Wörter die Lösung erschweren. Für „Schicket uns“ schrieb man z. B. unter Einsetzung je des folgenden Buchstabens und anderer Trennung der Wörter „TDI KDLFUV OT.“ Merkwürdig in seiner Einfachheit ist das System, nach welchem man das Alphabet in Gruppen von 4, 5 oder mehr Buchstaben ordnet und dann jede Gruppe, innerhalb der Gruppe wieder die einzelnen Buchstaben nummeriert. So wird „Abend“ zu „1 1 2 1 3 2 3 1 2 4“, wenn a g m p = Gruppe 1, a also = 11; wenn b i r d = Gruppe 2, b also = 21 und d = 24; wenn endlich n e v t = Gruppe 3, n also = 31 und e = 32 ist. Ein noch raffinierteres und dabei doch für den Eingeweihten leicht faßliches Verfahren, die Buchstaben durch Zahlen darzustellen finden die Leser im „Gartenlaubekalender“ für 1892 auseinandergesetzt. Auch mechanische Mittel wurden angewandt, ähnlich wie sie noch heute hier und da als Spielerei vorkommen, so z. B. Cartons, die an bestimmten Stellen durchlöchert waren; man legte den Carton aufs Papier, schrieb in die Lücken und füllte den Raum zwischen den so entstandenen Buchstaben oder Worten geschickt aus, so daß nur der Besitzer eines gleichen Cartons durch Auflegen dieses „Schlüssels“ das Kauderwelsch entziffern konnte. Heutzutage könnte man zwei besonders konstruierte Phonographen anwenden und sich die Staniolblättchen zusenden!

Die mechanischen Mittel leiden indessen an dem Uebelstand, daß sie leicht nachgemacht werden können und daß, wenn sie verloren gehen, auch der Adressat nichts mehr herausbringen kann. Eine Methode von größerer Sicherheit ist daher die folgende: man benutzt zwei ganz gleiche Bücher, namentlich Wörterbücher, und bestimmt jedes Wort, indem man sich dessen Seiten-, Zeilen- und Wortzahl in dem betreffenden Buche schreibt. Angenommen, ich will das Wort „groß“ übermitteln und dieses ist in dem Buche das 7. Wort auf Seite 23 in der 12. Zeile, so schreibe ich 7 X 12, 23 oder 7 oder 7, 12, 23; bei Telegrammen, wo die beiden ersteren Arten nicht wohl ausführbar sind und bei der dritten die Kommas leicht vergessen werden, wähle man etwa die Form: 7 XII 23. Gesetzt, es hätte jemand das Prinzip dieser Geheimschrift entdeckt, so weiß er doch noch lange nicht das der Sache zu Grunde liegende Buch, das herauszufinden nur auf Grund eines überaus günstigen Zufalls möglich wäre. Dieses System wurde auf die komplizierteste Weise vervollkommnet und so beinahe unbedingte Sicherheit gegen ein Entziffern erreicht. Aber auch damit war noch nicht allen Ansprüchen Genüge geleistet. Vielleicht wollen sich zwei etwas mittheilen, ohne daß überhaupt äußerlich an dem Schriftstuck etwas auffallen soll, was auf eine Geheimschrift hindeuten könnte. Einer willkürlichen, schrankenlosen Polizeigewalt gegenüber kann unter Umständen ein verdächtig erscheinendes Schriftstück oder Druckwerk, auch wenn sein Inhalt unbekannt bleibt, belastend genug sein, um unangenehme Folgen nach sich zu ziehen. Hier tritt nun die Chemie mit ihren Hilfsmitteln ein. Man kann zahlreiche chemische Substanzen zum Schreiben verwenden, die zunächst farblos sind und erst durch irgend eine Manipulation dunkel oder wenigstens sichtbar werden.

So bräunt sich z. B. durch Erwärmen alles, was mit Citronen- oder Apfelsaft oder mit Zuckerlösung geschrieben ist; mit verdünnter Eisenchloridlösung Geschriebenes wird durch Ueberschütten mit gelbem Blutlaugensalz blau. Das beste Mittel aber ist salzsaures Kobaltoxydul (Cobaltchlorür), ein an sich rosafarbenes, in verdünnter wässeriger Lösung jedoch farbloses Salz. Schreibt man damit auf gelbliches oder noch besser auf rosa gefärbtes Papier, so ist nichts zu sehen. Will man nun nicht ein unbeschriebenes Blatt absenden, was immerhin Verdacht erregen könnte, so schreibt man irgend eine gleichgültige Mittheilung mit gewöhnlicher Tinte und zwischen diese sichtbaren Zeilen mit dieser Lösung die geheime Nachricht. Der Empfänger braucht dann das Blatt nur zu erwärmen, so treten die Buchstaben in schöner blauer Farbe deutlich hervor, um dann – und das ist das besonders Günstige bei diesem Mittel – wieder zu verschwinden, wenn das Papier erkaltet. O. N.