Zum Inhalt springen

Geldmacherei

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Geldmacherei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 254–255
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Warnung vor überteuerten Produkten
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[254] Geldmacherei. Es giebt ungeheuer viel verschiedene Arten, den Mitmenschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Einige davon, wie Straßenraub, Erpressung, Taschendiebstahl, werden im Allgemeinen für sehr unanständig gehalten; andere, wie Erbschleicherei, Abborgen und Nichtwiederbezahlen, leichtsinniger Bankerott etc., erfahren je nach der Größe der in Frage kommenden Summe eine bald mehr bald minder ungünstige Beurtheilung. Handelt es sich um fünf Thaler, so ist es die allerniederträchtigste Lumperei, die man sich denken kann, bei fünfhundert Thalern spricht man von „offenbarem Betrug“, bei fünftausend Thalern findet die öffentliche Meinung die Sache „nicht in Ordnung“, bei fünfzigtausend erstaunt sie, bei fünfmalhunderttausend bewundert sie hutziehend. Endlich giebt es gewisse Arten des Geldmachens, die, obwohl durchaus nicht besser als offenbare Beutelschneiderei, nicht nur oft genug vom Gesetz geschützt sind, sondern zum Theil sogar bei einer gewissen Classe des Publicums für anständig gelten. Spielbanken und damit zusammenhängend falsche Spieler – Institut und Zögling – sind in der sogenannten „besten“ Gesellschaft accreditirt und der Humbug aller Art blüht üppig unter der Hand der Gauner auf seinem von der Dummheit gedüngten riesengroßen Felde.

Die göttliche Freiheitsluft Amerikas ist dieser Pflanze eine kräftige Nährerin gewesen.

„Thu’ die Augen auf“ ist das erste Gebot des transatlantischen Verkehrs. Es gehören allerdings zu jeder Betrügerei, wie zur Liebe, allemal zwei, und da jeder Kauf auf einer freiwilligen Vereinbarung des Käufers und des Verkäufers beruht, so hat schließlich der Betrogene nur sich selbst anzuklagen.

Es giebt allerdings Betrügereien, vor denen sich das Publienm selbst bewahren kann und muß; andere aber wieder kann es nicht durchschauen. Wenn sich Jemand einen falschen Gulden aufhängen läßt, so ist er an seinem Verluste selber schuld, denn Jeder muß Blei von Silber zu unterscheiden wissen; ob aber ein theuer erkaufter Apparat oder ein kostspieliges Präparat die angepriesene Wirkung hat, das kann das Publicum nicht ohne Weiteres erkennen. Dazu gehören sehr häufig physikalische und chemische und mechanische und allerhand andere Kenntnisse, die nur bei Wenigen vorausgesetzt werden können. Die große Menge wird bei Allem, was ihr angeboten wird, immer auf das Probiren angewiesen sein, wenn sie nicht von sachverständiger Seite vorher belehrt, respective verwarnt wird. Und auf dies Probiren rechnen sehr häufig die ekelhaften Marktschreier auch nur. Sie wissen, daß sie für ihre angeblich neuen Erfindungen keinen dauernden Absatz erlangen werden, aber wenn ihre nichtsnutzige Waare von Tausenden und wieder von Tausenden probirt worden ist – dann haben sie ihr Schäfchen in’s Trockne und beginnen das alte Spiel mit etwas Neuem.

Sie ziehen mit ihren Reclamen wie Nomaden herum. Wenn eine [255] Gegend abgegrast ist, hören die Anzeigen und die selbstfabricirten Zeugnisse in den betreffenden Zeitungen allmählich auf; dafür tauchen sie an weiter entlegenen Orten wieder empor.

Als die Gartenlaube dem Laurentius’schen „persönlichen Schutze“ die Maske abgerissen, zog sich derselbe aus den größeren Städten auf das flache Land zurück und beglückte mit seinem Erscheinen Gegenden, die von der großen Verkehrsströmung abliegen. Wenn daher auch solch ein sauberer Gesell manchmal seine Rolle ausgespielt zu haben scheint, so ist er deswegen nicht allemal schon vollständig verschwunden. Bei der Heimlichkeit, mit welcher mancher derartige Handel getrieben wird, und bei der fortwährenden Wiedergeburt des Publicums werden „Pillen“ und „Tropfen“ vertrieben, die schon vor dreißig Jahren verkauft wurden. –

Da nun das Volk diese Blutsauger, die sich wie das Ungeziefer anheften und mästen, von selbst in ihrer oft mit vieler Kunst lackirten Fratze nicht so leicht durchschaut, so ist es Pflicht jedes Einzelnen, der etwas dazu beitragen kann, dieselben zu kennzeichnen und für möglichst weite Kreise zu brandmarken. Die Gartenlaube glaubt bei ihrer Verbreitung in dieser Hinsicht auch großen Nutzen stiften zu können, wenn sie die Betrügereien aufdecken hilft, denen das Publicum durch die fortwährend sich vermehrende Zahl von Geheimmitteln ausgesetzt ist. Sie wird deshalb von Zeit zu Zeit eigene Erfahrungen sowohl, als auch die Enthüllungen mittheilen, welche in dieser Beziehung manche technische und wissenschaftliche Journale geben, die aber immer nur einen verhältnißmäßig kleinen und, gewöhnlich gerade den am wenigsten berührten Leserkreis haben. Dabei hofft sie auf die Unterstützung aller Redlichdenkenden.

Der Anfang dieser Demaskirung sei mit einigen ganz besonders frappanten Beispielen gemacht.

Der sogenannte Schweizer Gehörliquor wird von einem Doctor Raudnitz verkauft, und zwar kostet ein Glas mit Gebrauchsanweisung 20 Ngr. Das ist zwar an und für sich nicht viel, wenn man aber erfährt, daß man für das Geld nichts Anderes erkauft hat, als destillirtes Wasser, dem der Herr Dr. Raudnitz weiter nichts zugesetzt hat, als einige Tropfen fuselhaltigen Branntwein, und daß der ganze Quark mit Glas und Gebrauchsanweisung auf höchstens 1 Ngr. zu stehen kommt, so bekommt die Sache einen bedenklichen Beigeschmack von Beutelschneiderei. – Was von der Wirkung zu erwarten ist, kann sich Jeder selbst sagen. –

Aus Paris kommt ein Cosmeticum in Flaschen in den Handel, welche 6 Unzen halten und 5 Franken kosten, es heißt: Lait antéphélic contre les taches et boutons du visage etc. Paris, Candis et Comp. Es soll also gegen Blüthchen, Ausschläge, Flechten, kurz gegen Alles helfen, was man nicht gern in der Physiognomie haben möchte. Wittstein hat dieses Mittel untersucht, nach seiner Analyse besteht es in 1000 Gewichtstheilen aus etwa 10 Theilen Quecksilbersublimat, 1 Salmiak, 140 Eiweiß, 7 schwefelsaurem Bleioxyd, 2 Kampher und 840 Wasser; wahrscheinlich ist es durch Versetzen einer salmiakhaltigen Sublimatlösung mit Eiweißlösung und schwefelsaurem Bleioxyd dargestellt worden; gewiß aber kostet die Herstellung einer Quantität, wie sie für vierzig Ngr. verkauft wird, noch nicht 1 Ngr.!

Aus England angeblich stammt das sogenannte Krystall-Pulver. Es wird dasselbe in Päckchen von 41/2 Loth mit Gebrauchsanweisung verkauft, soll anstatt der Seife zum Waschen benutzt werden und ganz unvergleichliche Dienste leisten. Gegen alles dies ist nichts einzuwenden, nur sollte das Paket nicht zu 12 Ngr. (40 Xr.) verkauft werden, denn man kann es sich für 15 Pfennige herstellen, und dann sollte das Salz nicht Krystallpulver heißen, sondern Soda, denn es ist nichts Anderes.

Wir enden für heute hiermit unsere Schwindeldemaskirung, haben aber noch Material in Fülle zur Hand, um sie demnächst fortzusetzen.