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Genuß des Vergangnen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Samuel Gottlieb Bürde
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Titel: Genuß des Vergangnen
Untertitel:
aus: Friedrich Schiller:
Musen-Almanach für das Jahr 1799, S. 223 – 224
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: HAAB Weimar, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[223]
Genuß des Vergangnen.


Gekrümmter schleicht ihr schon am Wanderstahe,
Und klagt des Lebens sinkenden Ruin:
Ha, statt zu klagen, nutzt die gute Gabe,
Die uns zum Trost des Himmels Gunst verliehn; –

5
Den Talisman, durch den, mit schnellern Flügeln

Als Schall und Licht, die Seele rückwärts eilt,
Und auf der Jugend reichbeblümten Hügeln
Im milden Strahl der Morgensonne weilt! –

O Phantasie! du bist’s, die, trotz der Schwere

10
Des trägen Körpers, Geisterschnell uns macht;

Ach, ohne dich wär’ in des Daseyns Sphäre
Ein Lichtpunct nur, und rings um tiefe Nacht.
Von dir beleuchtet glänzt in sanfter Helle,
Vergangenheit, wie die bethaute Flur

15
Im Mondschein, wie auf dunkler Meereswelle

Weit hinterm Schiff die langgefurchte Spur.

[224]

Wem dieß Geschenk ein guter Gott beschieden,
Der leidet nie der langen Weile Pein;
Mag ihn sein Loos in enge Fesseln schmieden,
Er fühlt sich frey und reich – die Welt ist sein!
Er weiß in sich den Harfenton zu wecken,

20
Der schnell des Unmuths bösen Geist verjagt,

Und in der Täuschung süßem Traum zu schmecken,
Was Wirklichkeit dem Wachenden versagt.
Nichts kann die Zeit, nichts ihm der Tod entziehen;
Er schwingt mit mächt’ger Hand den Zauberstab,

25
Und längst verwelkte Paradiese blühen

Ihm schöner auf; ihm öffnet sich das Grab,
Er steigt hinab ins stille Land der Schatten,
Und sich, es kehrt, errungen vom Geschick,
Eurydice, am Arm des treuen Gatten,

30
Von Lethens Strand ans goldne Licht zurück.
BUERDE.