Geschichte des Marktfleckens Grönenbach/A. Äußere Geschichte

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Geschichte des Marktfleckens Grönenbach
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A. Äußere Geschichte.


1. Älteste Zeit und Keltenzeit.

In der sog. Eiszeit waren unsere Alpen in Schnee und Eis begraben, vollständig vergletschert; ja, diese Gletscherströme reichten weit heraus auch in das Alpenvorland, wobei sie starke Schürfungen und Furchen, „Gletscherbeete“, aushöhlten, auswühlten und die sog. Moränen, Erdhügel, schufen. Diese Gletscher traten allmählich zurück – Gletscherschmelze –, wodurch unsere Bergströme und Flüsse ihren Wasserreichtum in früherer Zeit bezogen; so war auch die Iller früher bei Ausgang der Eiszeit bedeutend größer und in mehrere Arme gespalten, von denen einer auch in der nunmehr ausgetrockneten Illerebene zwischen Grönenbach–Wolfertschwenden dahinfloß. Auch schon Ausgang der Eiszeit finden wir Bewohner unserer Gegend im Allgäu, die sog. Höhlenbewohner, die sich größtenteils zu ihrem Schutze in Höhlen aufhielten, die von Natur geschaffen sich boten: Höhlenfunde; daß auch unsere vielen Seen und Hochmoore Pfahlbautenbewohnern Schutz geboten, ist wohl außer allem Zweifel. Diese Höhlenbewohner und Pfahlbauteninhaber kannten aber den Gebrauch der Metalle noch nicht; daher waren sowohl ihre Angriffs- und Verteidigungswaffen wie auch ihre sonstigen Gebrauchsgegenstände aus Stein, daher sog. Steinzeit. Ungefähr um das Jahr 1500 v. Chr. lernten sie Bronze kennen, die sie sowohl zu ihrer Verteidigung wie zum täglichen Gebrauche, nachdem sie auch das Feuer sich dienstbar gemacht, verwendeten. Zirka 500 v. Ch. kam bei ihnen auch der Gebrauch des Eisens auf. Die „geschichtliche“ Zeit für unser Allgäu beginnt mit der Zeit, in welcher die mächtigen Römer auf die Donauländer ihr Auge warfen und zu ihrer Eroberung und Unterwerfung sich anschickten. Die Ureinwohner unseres Allgäus waren Vindelicier, ein Zweig von dem mächtigen Volke der Kelten, von denen noch spärliche Überreste in der Bretagne, in Irland und Schottland [2] sich heutzutage noch vorfinden. Diese Vindelicier waren in sog. Clans d. i. Gauverbände abgegliedert, von denen drei Hauptstämme zu bemerken: die Estionen mit der Hauptstadt Campodunum (Kempten), die Likatier, das sind die Lechanwohner, und die Brigantier mit dem Hauptort Brigantium (Bregenz). Sie nährten sich größtenteils von Ackerbau; bauten sie doch wie heute noch thrazischen Weizen, das ist der Spelt oder die Vesen, mit Vorliebe; aber auch die Viehzucht war ein Hauptnährzweig, da schon in den ältesten Zeiten einen Hauptruhm ihr Käse ausmachten. Ein sicheres Zeichen der Keltenansiedlung ist jederzeit das Vorhandensein von sog. Hochäckern. Den Pflug kannten die Kelten schon sehr frühe, und da sie ihre Pflügeart so einrichteten, daß sie nicht wie bei uns die Beete wieder auseinanderteilten, sondern immer in der Mitte des Beetes zu ackern anfingen, entstand nach und nach die hügelige Bodenform, sog. Hochäcker. Ein zweites Erkennungszeichen sind die sog. „Erdgruben“, die sie sich schufen, um besonders in der rauhen Winterszeit Schutz gegen die Unbilden der Witterung zu haben. Inmitten dieser Gruben war eine Art Mastbaum senkrecht aufgestellt und fest eingerammt; an diesen Mastbaum waren angelehnt kleinere Baumstämme, eine Art Raven, die auf dem Grubenrande ihre Auflage hatten. Diese alle dem Mastbaum zustrebenden Seitenraven waren mit Reisig, Laub, dürrem Gras, Stroh und Erde eingedeckt. Doch auch die später eingewanderten Germanen bedienten sich ähnlich den Kelten solcher Erdgruben, so daß dieses Merkmal nicht absolute Sicherheit bieten kann; ein weiteres sicheres Anzeichen ehemaliger keltischer Besiedlung sind ihre Gräber, sog. prähistorische Gräber. Sie legten ihre Toten auf den Erdboden, gaben ihnen Waffen, Geräte und Speisen, bei Frauen auch Schmuckgegenstände bei, schütteten dann über die Leichen Erde und beschwerten selbe mit möglichst großen Steinen zum Schutze; dann kam eine Schichte Lehm oder Erde, dann wieder Steine, so daß oft über solchen Leichen große Hügel sich wölbten, die bis 40 Fuhren Steine enthalten und deshalb in späteren Zeiten sogar als Steinbrüche benützt wurden. Ein letztes Zeichen keltischer Siedelung sind sog. Refugien, Erdfestungen, welche sie zu ihrem Schutze anlegten; sie pflegten nämlich Berge und Hochflächen, die dreieckig aus zwei sich vereinigenden Schluchten emporragen und nur an der dritten Seite einen feindlichen Angriff zulassen, zu verschanzen und zu befestigen, indem sie diese Berge oder Hochplateaus an der dritten Seite von dem anstoßenden Gelände mit einem oder mehreren Gräben trennten, warfen dann Erdwälle auf und sicherten diese Wälle durch Dorngestrüpp oder Pallisadenzäune. Solche Erdburgen waren in unsern [3] Gegenden wohl Theinselsberg (dunicellus, kleiner Hügel) und das Plateau in Rotenstein, auf dem später die Veste Rotenstein als Erd- und Wasserfestung erstand.

2. Vindelicien unter Römerherrschaft 15 v. Chr. bis 355 n. Chr.

Die Vindelicier hatten durch mehrere Raubeinfälle nach Italien die Römer gereizt und sich feindselig gegen durchwandernde römische Bürger und Bundesgenossen benommen; deshalb willkommener Anlaß für die Römer, ihre Ländergier an den Alpenvorlanden zu stillen. Von zwei Seiten griffen dieselben an: von Süden Drusus und von Westen, von Gallien her Tiberius i. J. 15 v. Chr. Über den Verlauf des Krieges, der mit vollständiger Unterwerfung von Vindelicien endete, ist nicht viel bekannt; nur soviel ist sicher, daß die Vindelicier nicht in einer Feldschlacht, sondern getrennt den römischen Waffen erlagen, indem die einzelnen vindelicischen Clans, statt im Zusammenhalt mit geeinter Kraft dem Eindringling entgegenzutreten, sich in ihre Städte und Erdburgen zurückzogen und so vereinzelt leicht überwunden wurden. Der Hauptschlag war wohl auf der alten Erdfeste Damasia, dem heutigen Auerberg. Die Vindelicier wurden nach dem grausamen römischen Kriegsrecht vollständig entrechtet, entnationalisiert und gingen als Volkstum vollkommen unter unter den italischen römischen Neusiedlern und Veteranensiedlern. An das ehemalige Keltentum in unserer Gegend erinnern bloß noch die Flußnamen und einige Ortsnamen. Die Römer setzten einen Dux Räthiae ein, brachten ihre Sprache, ihr Recht, ihr Münzwesen in die neu eroberte Provinz und legten Befestigungen, Munizipien, civitates, Städte und Straßen an: Abodiacum, Ephach am Lech, Campodonum, Kempten, und Brigantium, Bregenz; das waren im Allgäu die drei civitates, an welche kleinere Ortschaften oder Kastelle zugeteilt wurden; so Castra Navoae, Eggenthal bei Günzburg, Vemania, Burkwang bei Isny, Esco zwischen Kempten und Ephach, Cassiliacum, wahrscheinlich Nikolaiberg bei Obergünzburg. Von der Anwesenheit der römischen Siedler in einer Gegend zeugen: Römerfunde (Münzen, Waffen, Statuen, römische Gebäude und Heiz- und Bäderanlagen), römische Bauwerke (Kastelle, regelrechte Vierecke), Römertürme (Gußwerke aus einer Verbindung von Kalk, Sand- und Steinbrocken), Römerstraßen; es existiert noch eine Straßenkarte für ehemalige Römerstraßen: die berühmte tabula Peutingeriana und ein Straßenverzeichnis: Intinerarium Antonini. Solche Römerstraßen führten von Campodonum über Navoa, Eggerthal, nach Augusta Vindelicorum (Augsburg), über Esco (Echt?) nach [4] Abodiacum, Ephach; über Vemania, Burkwang, nach Brigantium; ebenso war Caeli Mons, Kelmünz, mit Campodonum verbunden, die Straße, ungewiß, ob rechts oder links der Iller laufend; Vemania mit Augusta Vindelicorum. Abgesehen von diesen Hauptstraßen bestanden noch viele Nebenstraßen, sog. „viae diversoriae“. Ob in Grönenbach und nächster Umgegend schon je einmal Römerfunde gemacht worden sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Vielleicht war Theinselberg ein kleines Römerkastell oder der an der Iller gelegene Kapf oder Bergvorsprung (Kapf = caput).

3. Einführung des Christentums im 4. Jahrhundert n. Chr.

Wohl schreibt Baumann: „Wann das Christentum Eingang bei uns gefunden, ist völlig unbekannt.“ Aber mit Recht schreibt er weiter, es dürfe der Termin der Einführung des Christentums nicht allzu weit heruntergerückt werden; denn fürs erste wurde unser Allgäu von den beiden römischen Hauptstraßen, welche die rätische Hauptstadt Augusta Vindelicorum mit Italien verbanden, durchschnitten; und zweitens

○ Augusta Vindelicorum

/\ 00000000000000000000

/00\ 00000000000000000000

0/00000○ Abodiacum (Ephach am Lech)

Brigentium ○00000000\00000000000000000000000000000000

00/00000000000○ Verona 000000000000000

○ Como 000000000000000000000000000000

lagen römische Truppen, Legionarii, hier in Vemania, Caeli Mons, Cassiliacum und namentlich in Campodonum selbst. Es ist aber bekannt, daß das Christentum sich insbesonders den Hauptstraßen entlang und vermittelst der Legionen und Kaufleute rasch in die Provinzen verbreitete. Ich erinnere an den hl. Narzissus und den Martertod der hl. Afra und ihrer Genossinnen: Digna, Eunomia, Eutropia und Hilaria, die unter Kaiser Diokletian den Martertod erlitten in Augsburg (298–311); ich erinnere an die thebaische Legion, die unter ihrem Anführer St. Mauritius im Kanton Wallis in der gleichen Verfolgung niedergemetzelt wurde, so daß man schließen darf, daß im 4. Jahrhundert unser Allgäu im ganzen völlig christlich geworden ist noch vor der Völkerwanderung; denn mit deren Eintritt wurde die weitere Ausbreitung des Christentums in allen römischen Donauländern unmöglich gemacht. Tatsächlich aber fand der hl. Severin, der im 5. Jahrhundert [5] im anstoßenden Norikumlande auftrat, alle Romanen wenigstens dem Namen nach christlich; die Verhältnisse dieser beiden Römerprovinzen waren aber ohne Zweifel einander völlig ähnlich. In diesen christlichen Zeiten der Römerherrschaft gehörte das ganze Allgäu wie die Provinz Rätia secunda wie politisch so kirchlich zum Bistume Augusta Vindelicorum, denn die Diözesaneinteilung der alten Römerzeit fiel regelmäßig mit der provinizalen des Reiches zusammen.

4. Alemannen (Schwaben) im Allgäu im Jahre 496 n. Chr.

Schon im Jahre 161 n. Chr. fielen die Chatten verheerend in diesen unseren Gau ein, dann 201 wiederum die Germanen. Im Jahre 259–271 wurde diese römische Provinz von den Alemannen (Sueben) erobert; jedoch 292 wurden dieselben in den Wertachgefilden unter Konstantius Chlorus, dem Vater des Kaisers Konstantin, zurückgeschlagen. Im Jahre 355 fielen die Alemannen wieder ein, wurden zum letztenmal durch den römischen Feldherrn Arbetio siegreich zurückgeschlagen. Nach 50 Jahren brauste der Sturm der Völkerwanderung auch über unsere Gaue hinweg. 407 gelang es zwar dem römischen Feldherrn Generidus, nochmals die gesamten römischen Donaulande für das Reich wieder zu gewinnen. Aber schlimm sah es jetzt im 5. Jahrhundert in diesen einst so blühenden Provinzen aus. Die Macht Westroms verfiel immer mehr, alljährlich brachen verheerend und zerstörend die Thüringer und Alemannen in die unglücklichen, ungeschützten Provinzen ein. Die romanische Bevölkerung auf dem flachen Land wurde erschlagen oder in Knechtschaft fortgeschleppt; der Landbau hörte auf, Wildnis trat ein. Nur an den wenigen festen Plätzen erhielten sich Überreste der romanischen Einwohnerschaft. (So schildert es die ergreifende Geschichte des hl. Severin in Noricum, und so war’s wohl auch in Rätia secunda.) Erst als Italien unter dem Ostgotenkönig Theodorich feste Verhältnisse gegründet, wurde auch die Lage dieser ehemaligen Außenprovinzen, die derselbe sofort auch seinem Reiche einverleibte, etwas besser. Er ernannte einen Servatus als „Dux Rätiae“ und legte eine Besatzung von 6000 Mann in die Clausurae Augustanae (Augsburg). Jedoch diese Provinzen waren nur mehr von den spärlichen Resten der ehemaligen romanischen Bevölkerung besetzt; daher war es ein kluger Staatsakt Theodorichs, daß er die 496 vom Frankenkönig Chlodwig zurückgeschlagenen Alemannen in seinen Schutz nahm und ihnen, die bisher am Main und Mittelrheine wohnten, den westlich des Lechs gelegenen Teil der alten Provinz Rätia secunda (unser Schwabenland jetzt) überließ; jedoch bekamen diese neuen [6] Ansiedler nur die herrenlos gewordenen verödeten Ländereien; den noch vorhandenen romanischen Einwohnern ward ausdrücklich der Besitz ihres Grundes und Bodens gewahrt, und so lebten nun die Romanen und Alemannen (Schwaben) ruhig nebeneinander fort; sie behielten ihren Besitz, zahlten ihre Steuern, bedienten sich auch fortan der lateinischen Sprache oder besser einer Mundart derselben (die heute noch fortlebt im Graubündtnertale, im Grödner, Enneberger und Ampezzaner Tale Tirols in der sog. räto-romanischen Sprache). Jedoch bildeten die Romanen gegenüber den Schwaben eine verschwindende Minderheit, bewahrten aber gleichwohl mitten unter den heidnischen Schwaben ihre christliche Religion. Aber wie es allzeit noch das Los aller fremdsprachigen, nicht geschlossen sitzenden Minderheiten gewesen, so erging es auch ihnen; sie wurden allmählich von den Schwaben aufgesogen, was bereits vor der Mitte des 9. Jahrhunderts geschehen war.


5. Allgäu unter der Ostgotenherrschaft von 496–536 und Allgäu unter Fränkischer Herrschaft von 536–843.

Die ostgotische Schirmherrschaft dauerte nur einige Jahrzehnte. Als die Ostgoten in Italien vom oströmischen Kaiser Justinian selbst angegriffen wurden, blieb ihnen 536 n. Chr., um einem Rückenangriff von seiten der Franken zuvorzukommen, nichts übrig, als die Oberhoheit und Schutzherrlichkeit über die Alemannen (Schwaben) an die Franken abzutreten. Durch diese Abtretung änderte sich indessen in den inneren Verhältnissen des Schwabenlandes nichts, nur in der Person des Oberherrn trat ein Wechsel ein. Die Franken bekamen einfach jene Schirmhoheit, welche bis 536 die Ostgoten ausgeübt hatten. Von Bezahlung eines Tributes oder von vollständiger Unterwerfung der Schwaben unter die Franken war keine Rede, sie behielten vielmehr auch unter Oberherrschaft der fränkischen Könige, der Merovinger, ihr eigenes Recht, ihre eigenen Herzoge und waren diesen Frankenkönigen außer zur Heeresfolge wohl nicht weiters verpflichtet. Leider sind uns die Geschicke des Schwabenlandes im 6., 7. und 8. Jahrhundert unter den Merovingern so gut wie gar nicht bekannt. Allerdings berichten die Kemptner Chronisten im 15. und 16. Jahrhundert, daß der alemannische Herzogssproß Gottfried die völlige Unabhängigkeit seines Volkes von den Franken in einem 50jährigen Kampfe immer wieder angestrebt habe; Pipin habe ihn 683 besiegt und Kempten verwüstet; trotzdem hätten die Schwaben sich weiter gewehrt und mit ihren Bundesgenossen, den Bayern, aber eine neue blutige Niederlage erlitten [7] 727 am Feilenhorste; in dieser mörderischen Schlacht seien auch viele Allgäuer Edle gefallen. Unter andern sind auch aufgeführt: „Gottschalk von Grönenbach und Petermann von Ruotenstein.“ Das ist bestimmt, daß der bayerische Herzog Oatilo 743 am Lech im Bunde mit dem Schwabenherzog Theutbald 15 Tage dem Heere Pipins Widerstand leistete. All diese Versuche, die Oberherrlichkeit der Franken zu brechen, führten im Gegenteil zur Beseitigung der schwäbischen Herzogswürde und zur gänzlichen Einverleibung ins fränkische Reich 748. Auch unter den Karolingern ist über unser schwäbisches Allgäu ziemliches Dunkel. Nur das wissen wir, daß Karl der Große Hildegardis, eine Urenkelin des Herzogs Gottfried, 771 heiratete; sie starb schon sehr bald und liegt in Metz und nicht in Kempten begraben; sie vermachte große Schenkungen ihrer Allgäuer Güter ihrer herzoglichen Ahnen an das von St. Gallen aus gestiftete Kloster Kempten (gestiftet anno 725 von Theodor, jedoch 752 erst vom St. Galler Mönch Audogar in ein selbständiges Kloster verwandelt). Bei der Teilung des großen fränkischen Reiches anno 843 kam Schwaben ans deutsche Reich unter Ludwig dem Deutschen. Einfälle der Hunnen 909 und zum zweiten Male 910 auch in unsere Gegend.


6. Bekehrung der Alemannen (Schwaben) zum Christentum im 7. Jahrhundert.

Einfluß der eingesessenen christlichen Romanen; Einfluß der christlich gewordenen Frankenkönige; Einfluß der Bischöfe von Augst (Basel), von Windisch (Konstanz), von Augsburg; am meisten aber bewirkten die Christianisierung die eifrigen Glaubensboten besonders von St. Gallen, Theodor, Magnus, Gallus und Kolumban, Fridolin. Diese und die ihnen folgenden Mönche gründeten Siedelungen (Zellen) mit Kirchen; bald folgten Weltpriester nach, und so sehen wir schon vom Konstanzer Bischof eine kirchliche Organisation, 786–789 die Einrichtung der sog. Landkapitel. Als Grundlage diente hiefür der Gauverband für den Argengau, Alpgau, Nibelgau; an die Spitze des Kapitels trat immer ein Archipresbyter; der Pfarrverband (Abgrenzung der Pfarreien) trat erst viel später ein. Jedenfalls ist auch hier in Grönenbach das Christentum schon sehr frühe eingeführt worden; vielleicht waren es Sendboten aus dem einen oder anderen Kloster in Kempten oder Ottobeuren, die viel und früh zur Festigung und Ausbreitung des Evangeliums in der Umgegend beigetragen. Wer das Christentum hier gelehrt und das erste Gotteshaus gestiftet, ist in Dunkel gehüllt; aber bereits im Jahre [8] 1136 am 27. Mai wurde die Grönenbacher Pfarrkirche vom Augsburger Bischof Walter konsekriert, und laut Baumann war im Jahre 1150 ein gewisser Bertold Pfarrer in Grönenbach.


7. Grönenbach unter eigenen Adelsgeschlechtern im 8., 9. und 10. Jahrhundert.

Angebliches Wappen der Herren von Wolfertschwenden nach Siebmacher.

Der Landbesitz war in Schwaben bei Einwanderung der Alemannen 496 nach „Hundertschaften“ verteilt worden; diese nannte man Mark oder Markschaft; wie viele solcher Markschaften anfänglich in Schwaben bestanden, ist unbekannt. Jeder Freie bekam dann von der Mark als Eigentum eine Hofstatt mit Grund und Boden um die Hofstatt, die man Baindt (abgebunden, losgebunden von der Almand, algimeinda) nannte. Dazu hatte jeder Freie noch das Recht, von der Mark durch Rodung unbebauten Boden in Besitz zu nehmen und zu kultivieren; diese Besitznahme geschah in feierlicher Weise mittelst Umganges unter Zuziehung von Zeugen und durch tatsächliches ununterbrochenes Bewohnen desselben während dreier Tage und Nächte und durch Einzäunung und Abgrenzung desselben. Das war das sog. „Bifangrecht“. Die Adeligen des Volkes sowie der Herzog hatten schon anfänglich bei der Grundverteilung größere Parzellen zu eigen bekommen. So hatten auch adelige Schwaben, die sich bald Edle von Wolfertschwenden, bald Edle von Ochsenhausen, bald Edle von Grönenbach benannten, in Grönenbach, in Wolfertschwenden und in der Gegend von Ochsenhausen bedeutenden Grundbesitz erhalten und siedelten daselbst ihre Leibeigenen an zu den übrigen Freien, die an diesen Orten von der Mark oder Hundertschaft ihre freie Hofstatt mit Baindt erbauen konnten.

[9] Diese Adeligen lebten im 8., 9. und 10. Jahrhundert und ihr Stammwappen ist uns aufbehalten in einer Ochsenhausener ehemaligen Klosterüberlieferung (pag. 8). Mit Vorliebe legten dieselben ihren männlichen Gliedern den Namen „Hatto“ bei, so daß nach begründeter Vermutung das älteste Glied dieser Sippe in dem Ottobeurer Klausner Hatto zu ersehen sein dürfte, ein Zeitgenosse des Bischofs St. Ulrich von Augsburg circa annum 973. Bekannt machte sich derselbe durch Stiftung des Klosters Ochsenhausen im Illertale. Adalbert und Konrad, Söhne eines Edlen Hatto, der bald nach Wolfertschwenden, bald nach Ochsenhausen genannt wurde, traten selbst als Mönche in dem Kloster Ochsenhausen ein, das vom Schwarzwaldkloster St. Blasien aus besiedelt und als Filialkloster zu erachten ist. Bei ihrem Eintritt brachten sie dem Kloster Ochsenhausen alle ihre im württembergischen Illertale gelegenen Güter als Mitgift zu. Dieser Wolfertschwendener Linienzweig dieser edlen Familie erlosch schon sehr frühe; länger blühte der Linienzweig zu Grönenbach; ja ein Glied dieser Sippe, Berthold, war im Jahre 1150 Pfarrherr und Leutpriester in Grönenbach. Mit der Ottobeurer Nonne Adelheid von Grönenbach aber, welche nach dem Ottobeurer Totenbuch kurz nach 1260 gestorben, erlosch auch dieser Grönenbacher Zweig. (Wappen der Edlen von Grönenbach-Ochsenhausen.)


8. Grönenbach ein Lehen des Stifts Kempten von 1260 ab.

Schon sehr früh hatte sich im sog. Illergau, einer von den sieben Gauen (Bezirken), in welche das Schwabenland eingeteilt worden, eine gefürstete Grafschaft Kempten gebildet. „Der von Kaiser Ottone dem zweyten mit kundbaren gränzen ordentlich aufgezeichnete bezürk der fürstl. Graffschaft Kempten begreiffet und umbfasset neben anderen ohnwidersprechlich auch das vralte Adeliche schloß Rotenstein sambt allen dessen so dies als jenseits dr Ihler gelegenen zu- und angehörungen, mit welchen es schon von altershero dem fürstl. Stifft Kempten zu rechten Lehen gegangen etc.,“[1] dessen Inhaber das Benediktinerstift Kempten resp. dessen Abt war, der deshalb auch Fürstabt benannt wurde;[2] später trat noch das Erzmarschallamt der Kaiserl. Königl. Majestät des römisch-deutschen Kaisers hinzu. Schon sehr frühe war auch Grönenbach, Ittelsburg und Rotenstein-Kalden [10] ein Bestandteil dieser gefürsteten Grafschaft Kempten; auf welche Weise das Kempter Hochstift in den Besitz dieser Lehen („feuda“) gekommen, ist nicht bekannt; vielleicht durch Schenkung oder Kauf von den letzten Sprossen des eingeborenen adeligen Grönenbacher Geschlechtes. Urkundlich nachweisbar ist nämlich Konrad von Rotenstein vom Jahre 1293 Pfandherr der Herrschaft Schönegg, Grönenbach, Woringen und Wolkenberg. Genannter war auch Gubernator des Stifts Kempten, besaß die Hälfte von der ehemaligen Stadt „Babenhausen“ in anno 1315, besaß des weiteren die Burg Hausen im Rheintal vom Stift St. Gallen und schloß mit dem Erzherzog Leopold von Österreich 1323 einen Vertrag wegen Erbauung der oberen und unteren Burg in Woringen. Hiemit tritt das ehemals berühmte Adelsgeschlecht „derer von Rotenstein“ mit Grönenbach-Rotenstein-Woringen in engste Fühlung und übte bestimmenden Einfluß auf die späteren Geschicke und Geschichte dieser Orte. Cfr. Stammbaum nach Baumann, Gesch. d. Allgäus; cfr. Stammbaum der Rotensteiner nach bischöfl. Archiv und Stammbaum nach dem Neuburger Archiv.

Burg Rotenstein vor dem Einsturze 1873.


[11] Allerdings waren die Rotensteiner im 14. Jahrhundert Grönenbach einige Zeit hindurch wieder verlustig gegangen; denn es fiel erblich an Hans Rizner von Memhölz und Überbach (cfr. Wappen, Urbar) und kam von diesem an Hans dem Syrgen von Syrgenstein, geboren zu Veringen, und dieser verkaufte anno 1384 Schloß und Herrschaft Grönenbach wieder an Konrad und Ulrich von Rotenstein. Seit dieser Zeit aber blieben die Rotensteiner im Lehenbesitz von Grönenbach.


9. Grönenbach unter den Rittern von Rotenstein von 1384–1482.

Ruine Kalden an der Iller bei Altusried.

Die Rotensteiner, die ihren Namen von ihrer Stammburg Rotenstein, eine halbe Stunde von Grönenbach westwärts gelegen, herleiteten, vergrößerten ihr Besitztum durch Hinzufügung von Kalden a. d. Iller und Altusried; dieses Kalden mit Altusried war ebenfalls ein kemptisches Lehen und stand zuerst unter einem einheimischen Adelsgeschlecht, den Edlen von Kalden. Nach deren Aussterben im 14. Jahrhundert kam dieses Lehen an die Herren von Lautrach, sodann an die Edlen von Schellenberg, 1357 an die Edlen von Hattenberg, 1370 als Pfand an den Memminger Bürger Walter Schwertfürber und wurde endlich 1384 von Ursula von Hattenberg, der letzten ihres Stammes, und deren Ehegemahl Konrad von Rotenstein von diesem Memminger Pfandherrn ausgelöst und ging so in Rotensteinischen Besitz dauernd über. Desgleichen brachten

[12] die Rotensteiner auf Grönenbach die Herrschaft Theinselberg, nahe bei Memmingen, anno 1476 dauernd in ihren Besitz. Dieses Theinselberg war ehedem eine von Österreich lehenbare Herrschaft – also außerhalb der fürstabtlichen Landesmark – und gehörte bis 1424 den Herzogen von Teck; diesen folgte Hans von Stein zu Ronsberg bis 1446. Von diesem erwarb sie 1446 Ludwig von Rotenstein. Diese Erwerbung war für die weitere Entwicklung der Rotensteiner Herrschaft von besonderer Bedeutung; denn diese Herrschaft Theinselberg besaß nicht bloß die Niedergerichtsbarkeit, sondern war sogar mit dem Blutbann, der malefizischen Gerichtsbarkeit, ausgestattet auf Kosten der oberschwäbischen Landvogtei. 1476 machte Ludwig von Rotenstein Theinselberg vom österreichischen Lehensverbande völlig frei.

Wappen der Ritter von Rotenstein. Aus dem Donaueschinger Wappenbuche von 1438.
Zweidrittel-Größe des Originals.

Auch Woringen gehörte einige Zeit dem Grönenbacher-Rotensteiner Zweige an, vom Jahre 1380 ab bis 1417, in welchem Jahre Corona von Rotenstein und ihr Gemahl Haupt von Pappenheim die zwei Burgen zu Woringen, Dorf und Gericht als Mann- und Frauenlehen des Stifts Kempten an Rudolf Mettelin, Bürger von Ravensburg, später Edle von Rappenstein, verkauften. Selbst die ehemalige „Stadt“ Babenhausen war einige Zeit mit diesem edlen Geschlecht der Rotensteiner verbunden. Wie schon oben angedeutet, hatte anno 1293 Konrad der Alte von Rotenstein die Hälfte von Babenhausen inne; dessen vier Söhne Heinrich, Ludwig, Konrad und Friedrich kauften mitsammen im Jahre 1333 die andere Hälfte von Babenhausen hinzu; im Jahre 1339 erfolgte aber die Teilung, und Heinrich, der Babenhausen zu eigen erhielt bei dieser Teilung, verkaufte es schon anno 1363 um 6000 fl. an Albrecht von Rechberg. Ja selbst bis im fernen Kärnten hatte der Ritter Ludwig von Rotenstein eine Herrschaft sich erworben, „Leostein“ oder Löwenstein, wie schon sein Ururahne, der Edle Konrad von Rotenstein der Alte, 1320 die Burg „Hausen“ im Rheintal inne hatte. Dieses Edelgeschlecht spaltete sich in mehrere Zweiglinien: Rotenstein-Rotenstein, Rotenstein-Grönenbach, Rotenstein-Woringen-Zell, [13] Rotenstein-Falken-Ittelsburg, Rotenstein-Albrechts, Rotenstein-Ebenhofen und starb aus mit Hans Heinrich von Rotenstein anno 1562. Ihr Familienwappen pag. 12.

Dieses Geschlecht der Rotensteiner hat bedeutende Männer und Frauen hervorgebracht, die gar wichtige Stellungen und Ämter einnahmen. So war Konrad der Alte 1293 Gubernator des Stifts Kempten, ein Sohn von ihm, „Johannes“, Deutschherrenritter, seine Tochter „Anna“ Äbtissin im Frauenstift Edelstetten. Hug von Rotenstein, † 1417, war Pfarrer in Woringen, desgleichen sein Bruder Konrad von Rotenstein Pfarrer in Woringen, † 1351. Hans von Rotenstein trat ins Kloster in Füssen um dieselbe Zeit. Christoph von Rotenstein war Kirchherr zu Grönenbach circa annum 1400. Iban von Rotenstein war 1410–1426 Abt zu Füssen und Mariaberg, 1432 Abt zu Wessobrunn, † 1439 im Kloster Mariaberg in der Schweiz. Eine Tochter des Ulrich von Rotenstein, welcher 100 Jahre alt wurde und mit einer Christine von Thürheim verheiratet war (1421), mit Namen „Anna“ von Rotenstein, ward wiederum Äbtissin in Edelstetten; sein Sohn Georg von Rotenstein war Dekan im Hochstift Kempten, 1488 pilgerte er nach Rom. Ein Rotensteiner aber, der für die Geschicke Grönenbachs von der nachhaltigsten und tiefeinschneidendsten Bedeutung geworden, kann nicht mit bloßer Namensnennung übergangen werden; denn dessen heute noch bestehende Stiftungen würden laut dagegen protestieren. Es ist der edle Ritter Ludwig von Rotenstein und Leostain und dessen edle fromme Gemahlin Ida, auch Jutta oder Juditha von Hirnhaim. Ludwig war ein stolzer, reicher Ritter von edler Gestalt und Freund des Waffenhandwerkes und des Turnierspieles; sein Epitaphium in der kath. Pfarr- und Stiftskirche Grönenbach zeigt seine portätähnliche Gestalt – gedrungene, gepanzerte Gestalt – mit einem herrlichen Kopf und prächtigem Bart und einer Warze auf der linken Backenseite. Er lebte leider in kinderloser Ehe mit seiner frommen Gemahlin; gegen Ende seines Lebens ergriff ihn tiefer Ernst, und so brachte er, um für sein, seiner Gattin und seiner Vorfahren Seelenheil zu sorgen, Werke zustande, die heute noch zum Teil bestehen und Zeugnis ablegen von dem tiefen Glauben und der frommen Gesinnung dieser beiden edlen Gatten.

Zirka 1470 hatte seine Gemahlin ein Frühmeßbenefizium oder Kaplanei mit ewigen Messen nach Altusried gestiftet. Anno 1479 nach Christi Geburt unseres lieben Herrn, am Freitag vor St. Philippi und Jakobi, der hl. 12 Botentag, stiftete Ludwig von Rotenstein mit seiner Gemahlin Ida in Grönenbach ein Kollegiatgebäude für zwölf [14] Kanoniker und einen Dechant – eine Nachbildung des Augsburger Domkapitels –, welche Säkularpriester sein sollten und ähnlich wie die Domkapitularen dem Chordienste in der Kirche sich widmen und ein Leben des Studiums, des Gebetes und der Betrachtung führen sollten, soweit sie nicht mit der Seelsorge zu tun hatten in Grönenbach und Umgebung. Selbstverständlich erbaute Ludwig ein entsprechendes Haus – das Kollegiatstift hat heute noch das Allianzwappen (Rotenstein-Hirnhaim) eingelassen auf der Nordseite des Pfarrhauses –, stattete das Stift reichlich aus für den Unterhalt der Kanoniker und baute auch die Pfarrkirche um durch Erweiterung, Vergrößerung und Verschönerung. Daher die dritte Kirchweihe am 5. Juli 1495 durch den Suffraganbischof und Generalvikar Johannes – damaliger Augsburger Bischof Friedrich Graf von Zoller –; sieben Altäre, davon zwei privilegierte (cfr. Kopie des Stiftsbriefes, Pfarrakten). Anno 1471 stiftete Ida, die Gemahlin des Ludwig von Rotenstein, auch eine „ewige“ Messe in hiesige Pfarrkirche, welche mitsamt dem Pfarreinkommen von Grönenbach, Teinselberg, Herbishofen und Zell an die neue Stiftung kam unio plenissima (Inkorporation). Über die Schicksale dieses Stiftes siehe unten.

Ludwig von Rotenstein und seine Gemahlin stifteten des weiteren in Grönenbach am Freitag vor „sand Jörgen tag, des heiligen Ritters, im Jahre 1479 ein Spital, darin sey und sein solle eine Anzal armer notturftiger Menschen, soviel deren die notturft ertragen und gehaben mag, und sie sollen aus ainem Hafen essen; es ist auch mein Will und Meynung, so arm bilgren oder ander fremdt arm nottürfftige Menschen in das spital kummen und begeren, daß diese allbey über nacht beherbert und ihnen in die Speis der notturfft gegeben, und wenn solche arme bilgren erkranken würden, daß selbe darinnen gepflegt werden, bis sie wieder gesund werden und weiter kummen mögen.“ (Cfr. Stiftungsbrief, Original-Pergamenturkunde im bischöfl. Archiv.) Mit diesem Spital, das zugleich Poppert oder Armenhaus war, verbanden die Stifter eine Kirche, die Spitalkirche zum hl. Geist, in welcher nach der Intention der Stifter täglich eine hl. Messe pro fundatoribus gelesen werden sollte. Das Spital wurde mit Gütern reich ausgestattet: „Mit dem Hoffgut, das man nennt den ‚Mairhoff‘, den Andres gaisser und Cönetz pucher innegehabt haben, item mit dem Hoffguet, das Hans Adam baut, item mit dem Hofguet, das der Clostermann baut, item die Schönau; ebenso zwei Gilten in Hirschdorf und Krugzell.“ Dieses Spital samt Kirche wurde im 30jährigen Kriege durch die Schweden anno 1633 niedergebrannt. Diese Spitalkirche [15] spielte auch bei den späteren Religionswirren in Grönenbach eine wichtige Rolle; davon später. Laut Pfarrakten ist das Spital zwar nach dem Brande wieder aufgebaut worden, ebenso auch die Kapelle oder Kirche. Anno 1721 und 1722 ist das Spital renoviert worden und den 23. Jänner 1723 der erste Gottesdienst, kath. Messe, wieder gehalten worden, nachdem das Kirchlein des Spitales hundert Jahre „öd“ gestanden hatte.

Kirchenportal von Ittelsburg.

Ludwig von Rotenstein und seine Gemahlin sind aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Stifter der jetzigen Leonhardiskapelle in Ittelsburg. Es soll damit freilich nicht gesagt sein, daß sie die Leonhardisverehrung in Ittelsburg erst eingeführt, daß also nicht schon längst früher an dieser Stätte eine Kapelle zu Ehren des hl. Leonhard in Ittelsburg bestanden; wohl aber die jetzige Kapelle ist eine Stiftung dieser beiden edlen Gatten; dafür spricht fürs erste die in Sandstein eingemeißelte Inschrift ob der Eingangstüre der Ittelsburger Kapelle: anno domini mccccxxxviiii (1439) und die links und rechts in Stein eingehauenen Familienwappen (Rotenstein und Hirnhaim); fürs zweite die am St. Ambrosiustag (4. April) 1550 von Diepold Zwicker von Memmingen und der „Gesampten Gepaurschaft der ganzen Gemaind Ittelspurg“ abgegebene Erklärung, daß sie mit Ritter Ludwig von Rotenstein und dessen Bruder Thomas von Rotenstein ihrer St. Leonhardskapelle wegen folgendermaßen übereingekommen seien: „Wenn auch in ihrer Capell über kurz oder lang eine Messe gestiftet werden sollte, so sollen die Opfer dem Pfarrherrn oder Kirchherrn zu Grönenbach zufallen in gleicher Weise, als ob sie in seiner Kirche zu Grönenbach gefallen wären; item es werd eine ewige Meß oder mer und ein Caplan oder mer da gestüfftet und [16] gesetzet oder nit, oder was dahin gestüfft würde, es soll alles dem Kirchherrn zu Grönenbach gehören. Item es soll ein Caplan, ob einer oder mehr auf die genannt Capell gestüfft und gesetzt worden, so soll er oder sie in dem Dorff Grönenbach ihre Wohnung und Behausung haben allweg und nirderst anderswo und dem Pfarrherrn daselbst nach Gewohnheit gehorsam sein … Item es sollen auch dieselben Caplän allsammt, ihrer seind viel oder wenig, alle Sonntäg in der Pfarrkirch zu Grönenbach Meß halten und lesen und nit in der genannten Capel Ittelspurg … Item sollen in der genannten Capel 2 Heiligenpfleger sein und das Einnehmmen und Ausgeben aufschreiben und dem Lehensherrn, dem Pfarrherrn und der Gmaindt zu Grönenbach darüber Rechnung ablegen … Item es sollen die Caplän in der Seelsorg nichts zu schaffen haben und dem Volk die Sakrament nit spenden außer mit des Kirch- und Pfarrherrn zu Grönenbach wissen und willen und auch sonst keine pfarrlichen Rechte an sich ziehen … Item wenn auch in die Capell zu Ittelspurg eine Mess solte gestüfftet werden, soll Ludwig von Rotenstein und sein Bruder und seine Erben Lehnherren sein.“ (Kopie im Kreisarchiv Neuburg und Reichsarchiv F. 2.)

Ruine Rotenstein bei Grönenbach.

[17] Trotzdem die Stiftungen dieser frommen Edelleute, das Stift Grönenbach, Chorherren- oder Collegiatstift und die Spitalstiftung heutzutage nicht mehr bestehen, in Grönenbach bleibt ihr Andenken daselbst ein gesegnetes, und mit stiller Wehmut und heiligem, frommen Gedenken schauen die Grönenbacher, so oft sie in der ehrwürdigen Stifts- und Pfarrkirche sind, den herrlichen Grabstein im Innern der Pfarrkirche mit der Inschrift: Anno Domini 1482 am 8. tag Mai starb der edle Herr Ludwig von Rotenstein und Leostain, Ritter, Stifter dieses würdigen Stifts. Anno Domini 1501 am 15 Tags April starb die edle Frau Utta von Hürnheim, sein Hausfrau. Den Gott gnad.

Mit Ludwig von Rotenstein, dem sein Bruder Thomas kinderlos im Tode vorangegangen anno 1473, stirbt der Rotensteiner Zweig Rotenstein-Grönenbach, Rotenstein-Kalden aus. Die einzige Schwester des Ludwig und Thomas von Rotenstein, „Corona“, war nun mit Haupt von Pappenheim vermählt, und waren laut Stammbaum (Neuburger Kreisarchiv) vier Söhne da. Konrad von Pappenhaim-Rotenstein ward der Stammvater der Zweiglinie Pappenheim-Gräventhal; ein zweiter Sohn Bernhard war Domherr zu Regensburg, ein dritter Sohn Johann Domherr zu Eichstätt. Der vierte Sohn „Heinrich“ nun wurde von Ludwig von Rotenstein mit Übergehung der Rotensteinischen Verwandten vom Falken zum rechtmäßigen Erben der Lehenherrschaft Grönenbach, Rotenstein, Kalden eingesetzt, und so kommt nunmehr zur Herrschaft das Geschlecht der Pappenheimer.


10. Grönenbach unter den Pappenheimern. 1482–1611.

Zu Unrecht traten die Pappenheimer eigentlich das Erbe Ludwigs von Rotenstein an, da mit dem Tode Ludwig von Rotenstein das vom Hochstift Kempten lehenbare Erbe eigentlich an Kempten zurückgefallen war, indem die Herrschaft ein Mannslehen war und nicht in weiblicher Deszendenz übertragbar war – das Lehen war also „apert“ geworden. Hätte das Hochstift damals sein Augenmerk darauf gerichtet, wären die Pappenheimer niemals ins Erbe eingetreten und wären, menschlich gesprochen, die unglückseligen Irrungen und Wirrungen der Reformation unserem Grönenbach erspart geblieben und Grönenbach nicht religiös gespalten worden. Das natürlichste wäre beim Ableben des letzten Rotensteiners gewesen, daß nach Fug und Recht die männlichen Glieder der Rotensteiner Zweiglinie Rotenstein-Woringen-Falken in das Erbe eingetreten wären. Aber Ludwig von Rotenstein liebte diese seine Vettern, die ziemlich verarmte Adelige waren, nicht; ja er wollte ihnen sogar die Führung desselben Schildes und Namens verwehren. Der [18] Landvogt Jakob Truchseß zu Waldburg mußte diesen Verwandten aus der Friedericianischen Rotensteiner Linie ihr Recht besiegeln durch einen förmlichen Rechtsspruch; trotzdem aber riß Ludwig seinem Vetter Gerwig dem Jüngeren auf dem Tourniere zu Heidelberg, weil er meinte, derselbe sei wegen seiner Heirat nicht tournierfähig, sein Wappen herab. Diese Verwandten Rotensteiner der Falkenlinie ließen sich auch diese Zurücksetzung und Ausschließung vom Erbe gegenüber den bevorzugten Pappenheimern nicht ruhig bieten; sie erregten einen Rechtsstreit, der selbst in Fehde ausartete. Die Rotensteiner Falken und Woringen-Ebenhofen griffen zum Schwerte. Die Pappenheimer wandten sich an den 1488 errichteten schwäbischen Bund (gestiftet zur Aufrechterhaltung des Landfriedens) um Abhilfe. Sie erhielten auch von demselben am 24. Juni 1501 zwanzig Knechte als Besatzung nach Grönenbach. Zwei Jahre später aber gelang es Arbogast und Achar von Rotenstein, den Marschall Heinrich von Pappenheim mit seinen Knechten niederzuwerfen. Derselbe mußte schwören, sich ihnen binnen Monatsfrist auf der Burg Hohenwart im Aargau, welche dem Schwager der Rotensteiner, dem Herrn von Hallwill gehörte, zu stellen. Der Pappenheimer war willens, seinen Schwur zu erfüllen, wurde aber von Jörg von Freiberg auf dem Wege nach Hohenwart im Auftrage des schwäbischen Bundes, der diesen Schritt für rechtswidrig ansah, gefangen genommen und auf das dem Melchior von Stein gehörige Schloß Reichenburg gebracht, wo er auf Befehl des Bundes einige Zeit unfreiwillig zubringen mußte. Zwar befahl der Bund im Namen des Königs am 19. Jänner 1505 den beiden Teilen Ruhe zu halten, die Gefangenen freizugeben und vor dem Abt in Kempten den Streit lehensrechtlich schlichten zu lassen; aber dieser Befehl bewirkte keine dauernde Ruhe; im Gegenteil, als das Kemptner Lehensgericht zugunsten der Pappenheimer 1506 erkannte, griffen die Rotensteiner abermals zu den Waffen und zwangen die Leute der Marschälle, ihnen zu huldigen. Erst als der Bund am 9. Oktober 1508 beschloß, den Pappenheimern 15 Mann zu Roß und 70 zu Fuß nach Grönenbach zu senden, und falls die Ruhe bis Martini d. J. nicht hergestellt sei, noch weitere 100 Reisige und 2000 Knechte mit Geschütz gen Memmingen zu schicken, gaben die Rotensteiner nach und bequemten sich zur Annahme des Urteils, das 1508 die k. Regierung zu Innsbruck gefällt hatte und das den Rotensteinern lediglich die Burg Rotenstein, den Pappenheimern aber das gesamte übrige Erbe Ludwigs von Rotenstein zusprach; jedoch schon 1514 verkauften die Rotensteiner ihre so heiß umstrittene Stammburg auch noch an die Marschälle. Auch in diesem letzteren [19] Falle, wenn die Rotensteiner Erben der Hinterlassenschaft Ludwigs von Rotenstein geworden wären, wären die religiösen Wirren in Grönenbach, Theinselberg und Herbishofen erspart geblieben, da die Rotensteiner katholisch geblieben und nach ihrem Aussterben wiederum das Hochstift Kempten auf das feudum apertum Hand gelegt hätte.


11. Grönenbach unter den Erbmarschallen von Pappenheim.

Diese Edlen sind eines der ältesten und angesehensten Geschlechter des ehemaligen römisch-deutschen Reiches. Sie führen die Namen Calatin-Pappenheim; ersteren von einem alten Römerkastell (Castrum Calatinum) an der Mündung des Lechflusses in die Donau (Lechsend), letzteren von ihrem Stammschloß, das schon 802 in einer Urkunde vorkommt. Mitte des 10. Jahrhunderts erhielt diese Familie das Amt eines Reichsmarschalles und wurde dasselbe von 1193 an in der Familie erblich. Calatin veränderte sich später in Kalentin, Kalden (Burg nordöstlich von Donauwörth). Marschalk oder Marschall dürfte wohl abzuleiten sein von Mähre (Pferd) und Schalk (Diener), und bedeutete etwa kaiserl. Hofstallmeister. Doch der Marschall hatte mehr als den kaiserl. Hofstall zu besorgen; es oblag ihm u. a. auch des Reiches Sturm- und Rennfahne zu tragen, bei öffentlichen Aufzügen mit dem Reichsschwert oder dem Marschallsstab dem Kaiser voranzutreten oder voranzureiten. Metzen, Streichmaß, Marschallstab waren seines Amtes Insignien. Anno 1439 teilte sich dieses Geschlecht in fünf Linien: Pappenheim-Rotenstein, Pappenheim-Graeventhal, Pappenheim-Stühlingen, Pappenheim-Treuchtlingen, Pappenheim-Aletzheim. Marschall war immer das älteste Glied der ganzen Familie ohne Rücksicht auf die Primogenitur. Zurzeit besteht nur noch die Aletzheimer Linie fort; der kath. Zweig der Aletzheimer starb 1690 aus, der wieder kath. gewordene Zweig der Aletzheimer starb 1808 aus; die noch bestehenden jetzigen Aletzheimer sind lutherischer Konfession. Das Familienwappen derer von Pappenheim cfr. pag. 20.

Ähnlich wie die Rotensteiner hat auch dieses Geschlecht der Pappenheimer bedeutende Männer hervorgebracht, die mit ihrem Wirken und Schaffen oft ausschlaggebend im Geschicke unseres Vaterlandes und unseres kleinen Heimatgaues eingriffen. So sind u. a. zu nennen: Haupt, Marschall von Pappenheim, welcher sich mit Corona von Rotenstein, der Stiefschwester des letzten Rotensteiners in Grönenbach, Ludwig von Rotenstein, Ende des 14. Jahrhunderts vermählte und dadurch der Stammvater der neuen Linie Pappenheim-Rotenstein-Grönenbach-Kalden geworden; da er aber in zweiter Ehe mit Barbara [20] von Rechberg sich vermählte, so wurde er auch nach dieser Seite hin Stammvater der noch jetzt bestehenden Pappenheimer.

Wappen der Marschälle von Pappenheim. Aus Grünenbergs Wappenbuch von 1483.

Marschall Alexander I. von Pappenheim, welcher 1488 dem in diesem Jahre gestifteten „schwäbischen Bunde“ beigetreten ist, befehligte die Truppen, welche 1488 aus unserer Gegend nach Flandern zogen, um den König Maximilian I., welcher zu Brügge in Gefangenschaft gehalten wurde, zu befreien. Der Hofnarr, Kunz von der Rosen, ein gebürtiger Kaufbeurer, suchte seinen kgl. Herrn mehrmals zu befreien. Er versuchte den Wassergraben zu durchschwimmen, um in das Gefängnis des Königs zu gelangen, aber Schwäne verrieten ihn; die Wächter wurden aufmerksam, und nur mit Mühe entrann er der Gefangennahme. Dann verkleidete er sich als Franziskanerpater, gelangte so in das Gefängnis zu seinem Herrn und suchte ihn zu bereden, in dieser Verkleidung der Kerkerhaft zu entrinnen; jedoch ritterlich wies König Maximilian dieses Ansinnen zurück. Die Freiheit erlangte derselbe aber dennoch; die deutschen Reichstruppen, darunter auch die Fähnlein unserer Gegend, befehligt von Marschall Alexander von Pappenheim, brachten die Befreiung zustande. Baumann in seiner „Geschichte des Allgäus“ sagt von ihm: „Er war ein Freund des Waffenhandwerkes, dabei aber ein gewalttätiger Mann, der hartnäckig seine wirklichen oder vermeintlichen Rechte gegen jedermann verteidigte; er geriet deshalb mit dem Kloster Ottobeuren wegen Zehentrechte und wegen Besteuerung der in seinem Gebiete ansässigen Ottobeurer Gotteshausleute 1490 und 1493 in Zwist; nicht weniger lebte derselbe mit seinem Lehensherrn, dem Fürstabt von Kempten, wiederholt in bösem

[21] Zwist und Streit.“ Er starb 1511; sein Grabmal ist heute noch eine Zierde in der kath. Pfarrkirche zu Grönenbach.

Bernhard von Pappenheim war um die Mitte des 15. Jahrhunderts Domherr zu Regensburg, dessen Bruder Johann von Pappenheim von 1414–1438 Domherr zu Eichstätt; desgleichen war Kaspar von Pappenheim von 1477–1511 Domherr zu Eichstätt; Haupt von Pappenheim 1479 Domherr zu Regensburg. Friedrich von Pappenheim ist 1514 Deutschordens-Komtur geworden. Christoph von Pappenheim war Bischof in Eichstätt von 1535–1539. Der Pappenheimer Altar befindet sich im Eichstätter Dom. – Von besonderer Bedeutung aber für die Ortsgeschichte Grönenbachs sind die nun folgenden zwei Pappenheimer: Alexander II., genannt der Katholische, der mit einer von Syrgenstein vermählt war, † 1612, dem Grönenbach die Erhaltung des kath. Glaubens in erster Linie dankt und der auch Sorge trug für die Erhaltung des Chorstiftes, welches sein Vetter Philipp säkularisieren wollte. Ebenso einflußreich war auf die Geschicke Grönenbachs Philipp von Pappenheim, genannt der Reformator und Testator, der mit einer geb. Freiin Anna von Winneberg und Beilstein vermählt war, † 1619[3]. Er brachte auf seinen sog. rotensteinisch-pappenheimischen Besitzungen anno 1559 durch einen aus Basel mitgebrachten Prädikanten, früheren Eisenkrämer, Bächli genannt, den schweizerischen reformierten Neuglauben nach Zwingli und Calvin zur Einführung und seine Untertanen zum Abfall vom katholischen und zur Annahme des neuen Glaubens nach dem damaligen Grundsatze „Cujus regio illius religio“, d. h., wem das Gebiet gehört, der hat auch über den Glauben dieses Gebietes zu entscheiden.

Eines der bekanntesten Glieder der Pappenheimischen Familie aber ist und bleibt Gottfried Heinrich von Pappenheim (aus der 1647 schon ausgestorbenen Treuchtlinger Linie). Er war geboren am 29. Mai 1594 und gestorben am 17. November 1632 auf der Pleißenburg. Er studierte in Altdorf und Tübingen, machte große Reisen, wurde 1614 katholisch und diente unter Sigismund in Polen und Max I. von Bayern; durch seinen ungestümen Mut trug er wesentlich mit bei zum Sieg am Weißen Berg 1620, wo er schwer verwundet wurde. 1623, vom Kaiser selbst zum Ritter geschlagen, wurde er Chef eines Kürassier-Regimentes („Pappenheimer“), unterdrückte in der Lombardei (Oberösterreich) die Bauernrevolten, kämpfte sodann von 1627–1629 in Norddeutschland und wurde nach Wallensteins erster Abdankung [22] Befehlshaber der Kavallerie unter Tilly. An der Belagerung und Eroberung Magdeburgs am 20. Mai 1631 hatte er hervorragenden Anteil; durch sein ungestümes Vorgehen zwang er Tilly zur Schlacht bei Breitenfeld und verschuldete so die Niederlage; er entsetzte dann das von Banèr, dem schwedischen General, besetzte Magdeburg, kämpfte erfolgreich am Niederrhein und in Westfalen. Im Oktober 1632 vereinigte er sich mit Wallenstein, half ihm Leipzig erobern. Auf dem Weg zum Niederrhein, von Wallenstein auf das Schlachtfeld von Lützen zurückgerufen (16. November 1632), brachte er die schon verlorene Schlacht zum Stehen, empfing aber selbst die Todeswunde. Pappenheim ist eine der markantesten Figuren der neueren Kriegsgeschichte, als Reiterführer von wenigen erreicht.

Ludwig von Rotenstein starb 1482. Als Erben und Rechtsnachfolger seiner Gesamtbesitzungen setzte er mit Übergehung der verwandten Rotensteiner Woringen-Falken die Nachkommen seiner anno 1419 gestorbenen Stief- und Halbschwester Corona von Rotenstein ein; aus ihrer Ehe mit Haupt von Pappenheim waren vier Söhne entsprossen:

Diese zwei Söhne Heinrichs, Wilhelm und Alexander, teilten den Gesamtbesitz Ludwig von Rotensteins anno 1494, und zwar so, daß Wilhelm der Begründer der Linie Pappenheim-Rotenstein und Alexander der Begründer der Linie Pappenheim-Grönenbach wurde. Nach dem Erbfolgestreit, den die drei Brüder Wilhelm, Alexander und Heinrich mit den Rotensteiner Woringen-Falken auskämpfen mußten und wonach den Rotensteinern anno 1508 ihre Stammburg Rotenstein allein zugesprochen wurde, kaufte Wilhelms Sohn Wolff anno 1514 von den Rotensteinern das Stammschloß Rotenstein zu seinen Besitzungen noch hinzu. Wilhelm selbst hatte den pappenheim-rotensteinischen Besitz schon bedeutend vermehrt; anno 1496 kaufte er Dorf und Gericht Ittelsburg mitsamt dem Burgstall, sog. Hahnentanz, von dem Memminger Bürgergeschlecht Zwicker (Zwingherrn).

[23] Seit 1494 sehen wir nun die beiden Linien nebeneinander: erstens Pappenheim-Grönenbach und zweitens Pappenheim-Rotenstein. Das wichtigste soll von diesem Zeitraum an in bezug auf diese beiden Herrschaften im nachfolgenden berichtet werden.


12. Grönenbach im Bauernkriege 1525.

Wie schon bemerkt, hatten die freien Städte in Schwaben, die Landadeligen, Klöster und Stifte unter sich 1488 den schwäbischen Bund aufgerichtet zur Erhaltung des Landfriedens, wohl aber auch zur Aufrechterhaltung ihrer Freiheiten und Rechte, Güter und Renten. Schon Ende des 15. Jahrhunderts machte sich nun auch unter den Bauern, die mit verschwindenden Ausnahmen Hörige, Leibeigene, zinspflichtige Untertanen der Adeligen, der Klöster und Stifte und freien Reichsstädte waren, ein Geist bemerkbar, der im Zusammenschluß der gedrückten Bauernschaft in der Befreiung von ihren oft harten Lasten sein Ideal erschaute; so in den Vereinen „Der arme Konrad“, „Der Bundschuh“. Dazu kamen die neuen revolutionären Ideen in der sog. Renaissanceperiode, und nicht zu allerletzt die sog. religiösen Neuerungen eines Dr. Martin Luther und seiner Gesinnungsgenossen; die Menge der Schriften der Neuerer, in welchen das Papsttum, die Bischöfe, die Orden, der Klerus der Kirche angegriffen und lächerlich gemacht wurden, in welchen von der evangelischen Freiheit des Christenmenschen geredet, zum Abfall von der Kirche gemahnt, von der Wertlosigkeit der guten Werke gesprochen, worinnen in oft recht leidenschaftlicher und leicht mißzudeutender Form aufgefordert wurde zum Ungehorsam, zur Abschüttelung des Joches, waren nicht dazu angetan, den Gährstoff und die vorhandene Unzufriedenheit zu bannen und zu dämmen; eher das Gegenteil war der Fall. Darum sehen wir auch an der Spitze dieser nunmehr auftretenden revoltierenden Bauernhaufen meistteils abgefallene kath. Geistliche; so den Pfarrer Wehe von Leipheim, so den Pfarrer Florian von Aichstetten, so Thomas Münzer etc. Darum sehen wir auch, daß die Bauernhaufen in ihren sog. zwölf Bauernartikeln immer das „neue Evangelium“ im Munde führen und Freiheit auf kirchlichem und Freiheit auf politischem Gebiete kunterbunt vermengen; daher auch die Erscheinung, daß die revoltierenden Bauern neben den Burgen der Adeligen es großteils auch auf die Klöster abgesehen hatten und die schamlosesten Kirchenräubereien, Sakrilegien gegen die kath. Gotteshäuser unternahmen. Der aus der Schweiz nach Memmingen zu St. Martin zugezogene Prädikant Schappeler und der abgefallene ehemalige Kartäusermönch Sympert Schenk aus der ehemaligen [24] Kartause Buxheim, der ebenfalls nach Memmingen hineingezogen, übten in unserer Gegend zu Beginn des Bauernkrieges durch ihre Predigten und Schriften einen keineswegs beruhigenden Einfluß aus. „Lueg, lueg! das ist das rechte Evangeli –, wie hant die alten Pfaffen gelogen und falsch gepredigt, wie hant sie uns also herrlich betrogen und beschissen; man sollt die Buben alle zu tot schlagen.“ Sehr wahrscheinlich ist auch Schappeler der Urheber oder Mitverfasser der sog. zwölf Bauernartikel.

Bildnis des Memminger Reformators Christoph Schappeler.
Nach einer Photographie des in der St. Galler Stadtbibliothek befindlichen Originales.

[25] Es bildeten sich im Schwabenlande drei große Haufen anno 1525, nämlich: 1. der Allgäuer Haufen, anfänglich unter Führung eines ehemaligen Landknechtes „Bach“, der sich aber als unfähig erwies und durch den Schmiedssohn von Leubas bei Kempten, den sog. „Knopf von Leubas“ ersetzt wurde, der seine größte Freude im Niederbrennen der adeligen Herrenburgen fand – Marstetten, Liebenthann, Wolkenberg etc. 2. Der Bodenseehaufen, der hauptsächlich im württembergischen Allgäu tätig war bei Kißlegg, Wurzach, Waldburg und Isny. 3. Der Baltringer Haufen, der Mittel-, Unter- und Nordschwaben umfaßte mit seinem Obristen, dem Schmied von Sulmingen. Diesem letzteren Haufen waren einzelne kleinere Bauernkontingente angegliedert, so u. a. der Legauer Haufen, der Altusrieder Haufen, der Grönenbacher Haufen, der Haufen auf der Wurzacher Heid, letzterer unter dem Kommando des Pfaffen Florian von Aichstetten, und der Leipheimer Haufen unter Führung des Pfarrers Wehe.

Diese Bauernbewegung von 1525, die in ihren Ursachen gewiß nicht völlig unberechtigt war, hatte große Aussicht auf Erfolg. Die bayerischen Herzoge hatten damals nur ein ganz geringes Heer und mußten fürchten, daß der Aufruhr auch in die bayerischen Lande hinübergetragen werde. Der schwäbische Bund hatte mit seinem keineswegs großen Heere die Aufruhrherde in Württemberg, Franken, Schwaben und Allgäu zu dämpfen – weit auseinanderliegende Gebiete; die Söldknechte waren zerstreut, die Landsknechte selbst vielfach voll Unmut, daß es gegen die Bauern, ihre Brüder, gehe. Die Reichsstädte, besonders Memmingen, hielten sich gegen die Bauernerhebung vielfach in wohlwollender Neutralität. Dagegen fehlte es den Bauern an einheitlicher Leitung, an Organisation und Disziplin, es mangelte ihnen an Lebensmitteln, und die in den geplünderten Burgen, Klöstern und Stiften vorgefundenen reichen Getreidevorräte verpraßten und verschleuderten sie; ebenso fehlte es ihnen an Geld, und das bei ihren Plünderungen und Beutezügen gewonnene wurde sinnlos verschleudert.

Auch Grönenbach, Rotenstein, Kalden und Altusried machten mit dem Bauernaufstande getreulich mit und waren angeschlossen an den Baltringer Haufen. Der zum Baltringer Haufen gehörige Sonderhaufe „auf der Wurzacher Heid“, dessen Obrist Pfaffe Florian von Aichstetten war, sandte, als der schwäbische Bundesfeldherr Georg Truchseß von Waldburg, genannt „Bauernjörg“, (s. Abb. S. 27), gegen die Wurzacher anrückte, ein flehentlich [26] Schreiben an den Grönenbacher Haufen, sie möchten doch ylends zu Hilfe kommen:

Schreiben des Pfarrers Florian an den Grönenbacher Haufen. Original im fürstlichen Archive zu Wolfegg[4]. Halbe Größe des Originals.

[27] Es kam in der Nähe von Wurzach auch zu einem Treffen, das ungünstig für die daselbst angesammelten ca. 4000 Bauern endete; sehr wahrscheinlich war bei diesem Treffen auch der zu Hilfe gebetene und zu Hilfe geeilte Grönenbacher Haufen; der Grönenbacher Haufen umlagerte, wie aus diesem Briefe hervorgeht, das hiesige gräfliche Schloß. In Vorausahnung der Dinge waren daher der Marschall Wolfgang von seinem Schloß Rotenstein und die Witwe des Marschalls Alexander von Pappenheim nach Kempten in die schützende Umwallung geflohen;

Truchseß Georg von Waldburg.

desgleichen hatten sich auch die Grönenbacher Stiftsherren in ihr Haus (receptorium) in Kempten geflüchtet. Laut einer Kopie des Vertrages zwischen dem ehemaligen Stiftsdekan Konradus Rottmayr und dem Bürgermeister und Rat der Stadt Kempten hatten die Stiftsherrn anno 1503 in Kempten das Haus, Gasthaus zum „Weißen Hund“, jetzt „Gold. Kreuz“, gekauft, um ein sicheres Heim zu besitzen in Zeiten der Bedrängnis. Dieses Heim besaß das Chorherrstift Grönenbach bis anno 1695 (Pfarrarchiv). Die Stiftsherren waren ebenfalls gewitzigt; denn schon im Jahre 1523 zog ein Memminger Bürger Kimpel mit einem Haufen Bauern vor das Kollegiatstift in Grönenbach, wo sein Bruder Dechant (?) (wahrscheinlich Stiftskanoniker) war; als er nun denselben eben bei einem Laden herausschauen sah, rief er: „Sehet dort oben meinen Bruder, des Teufels Mastrind!“ Der Baltringer und Grönenbacher Haufen versuchten

[28] am 8. April 1525 die Stadt Memmingen zu überrumpeln, und der ebenfalls am gleichen Tage noch zugezogene Allgäuer Haufen forderte von den Memmingern durch den sie begleitenden Pfarrer Wanner von Haldenwang Ablassung von schwerem Geschütz. Auf die Kunde, der Truchseß von Waldburg naht, stäubten die Bauernhaufen zurück bis Wolfertschwenden, und als nun gar von Norden her noch Ritter Jörg von Frundsberg zu Mindelheim heraufzog, da wich auch der Ottobeurer Haufen, der die Burg Falken, auf dem Ritter Achar von Rotenstein hauste, schwer heimgesucht hatte, nach den Schrattenbacher Höhen zu aus. Am 12. Juli 1525 ließ der Truchseß sein verstärktes Heer bei Wolfertschwenden lagern; er selbst ging mit 200 Reitern über Grönenbach vor und stieß bei Schrattenbach auf einen Haufen von 3000 Bauern, die eben im Begriffe waren, sich mit dem Allgäuer Haufen hin gegen Leubas zu vereinigen. Es war nur ein kurzes Scharmützel, die Bauern entwichen gegen Leubas, woselbst dann am 15. Juli die Entscheidungsschlacht geschlagen wurde mit dem vollen Zusammenbruch des Aufstandes. Die Lage der irregeleiteten Bauern war nach diesem Aufstande bedeutend minder als früher. Die Grausamkeiten, Ausschweifungen und Plünderungen der Burgen, Klöster und Kirchen durch die Bauernrotten in der Mitte und gegen Ende dieser Revolte mußte schwer gebüßt werden durch den Tod von beinahe 100000 Bauern, durch Niederbrennung ganzer Ortschaften, schwerer Geldbußen und beinahe gänzlicher Entrechtung.


13. Reformation in Grönenbach und Umgegend anno 1559.

Im Jahre 1528 hatte die freie Reichsstadt Kempten sich für die neue Lehre Luthers erklärt, die Klöster aufgehoben, die frommen Stiftungen zugunsten der Stadt und zur Besoldung der Prädikanten eingezogen. Schon im Jahre 1522 war die freie Reichsstadt Memmingen durch Schappelers Predigten und durch den Exkarthäusermönch Schenk zum reformierten Glauben schweizerischer Art übergegangen und hatte mit der Reformation eine Säkularisation der reichen geistlichen Pfründen, Stifter, Stellen und Klöster vorgenommen. Die Versuchung, ähnliches auch in Grönenbach mit dem reich ausgestatteten Chorherrenstifte vorzunehmen unter Einführung der Reformation auch allda, diese Versuchung lag für die keineswegs besonders begüterten Landadeligen von Pappenheim sehr nahe. 1558 starb Wolfgang von Pappenheim-Rotenstein, noch gut katholisch. Er liegt in der Stiftskirche hier begraben und hat ein in Sandstein künstlerisch ausgestattetes Epitaphium. Seine drei Söhne Philipp, Wolfgang und Christoph hatten, damaliger Sitte [29] und dem Zuge damaliger Zeit folgend, eine Wallfahrt ins hl. Land nach Jerusalem angetreten. Philipp jedoch änderte mit seinem Bruder Wolfgang den Plan in Venedig, und sie kehrten in die Schweiz zurück nach Zürich. Allda lernten sie einen reformierten Prädikanten, einen ehemaligen Eisenhändler, wahrscheinlich der erste reformierte Prädikant in Grönenbach, „Bächli“, kennen und nahmen selber den neuen Glauben der Schweizer an. Sobald Philipp heimgekommen, vermochte er seine Untertanen in Grönenbach, Rotenstein, Teinselberg, Herbishofen, Ittelsburg und Herbisried ebenfalls dazu, daß sie den schweizerischen reformierten Glauben annahmen nach dem in damaliger Zeit allgemein üblichen Grundsatze: „Wer Herr der Gegend, ist auch Herr über die Religion seiner Untertanen,“ d. h., der jeweilige Landesherr hatte das Recht, seine Untertanen zu zwingen, daß sie denselben Glauben bekennen mußten, den der Landesherr bekannte.

Sein Bruder Christoph blieb zuerst noch einige Zeit in der Schweiz, zog dann nach Frankreich und starb dorten kinderlos. Der dritte Bruder Wolfgang soll die Wallfahrt nach Jerusalem wirklich ausgeführt haben. Anno 1563 pilgerte sein Vetter Alexander von Pappenheim ebenfalls ins Heilige Land, wie laut einer Urkunde im Reichsarchive München Stift Grönenbach besagt: „Am 10. Sept. 1563 bezeugt Fr. Bonifaz, Guardian auf dem Berge Sion in Jerusalem, daß Alexander von Pappenheimb, Erbmarschall, die heiligen Orte in Jerusalem besucht hat.“ Daß Philipp von Pappenheim bei Einführung der Reformation in seinen Gebietsteilen wohl nicht so ganz selbstlos zu Werke gegangen, dürfte wohl daraus hervorgehen, daß er sofort schon 1559 einen Angriff auf das Chorstift Grönenbach, dieser frommen Stiftung Ludwig von Rotensteins, unternahm. Laut Urkunde im Neuburger Kreisarchiv d. d. 26. April 1662

„hat sich anno 1558 die Religion bey der Herrschaft Rotenstein zertrennet und ist selbige calvinisch geworden; gleich selbiges Jahr wie auch anno 59 hat solche Herrschaft alsobalden angefangen, alle Stüfftsgefäll bey Ihren Untertanen zu arrestiren (in Beschlag genommen), dem Stüfft die Gefäll zu entziehen und die kathol. Herrschaft Grönenbach unter Alexander von Pappenheim genetigt, daß man von des Stüffts Gefällen dem Calvinischen Prädicanten 200 fl. Jährlich geben müessen und weilen nun die Stifftseinkommen merklich geschmölert worden und die bisherigen 6 Stüfftsherrn nicht mehr haben können unterhalten werden, hat man blos mehr 4 Priester angestellt bis adannum 1577; allda den 30. May haben beede Herrschaften Philipp und Alexander einen Vertrag gemacht, crafft dessen, daß hinfüran im Stüfft mehrer nit denn 3 Priester sollen aufgestellt und denselben neben dem Essen und Trinken jährlich 120 fl. an gelt, dem Prädicanten 200 fl., dem calvinischen Schuelmeister 16 fl. und 2 Malter Roggen gegeben werden und im fall yber solche Ausgaben [30] bey des Stüffts Einkommen noch viel oder wenig per Rest verbleibe, sollen es beede Herrschaften mitainander theilen und ad pias causas ihres Gefallens verwenden. Nun hat dies continuirt bis ad annum 1592 hat die unruewige calvinische Herrschaft Rottenstein abermalen per forze erzwingen wollen, das Stüfftseinkommen in 2 theil abzutheilen; seyndt auch 1593 unterschiedliche Cavalire und vom Adel als „Schiedtleith“ nacher Grönenbach kommen, solche Abthailung des Stiffts vorzunemmen. Unterdessen hat die kath. Herrschaft in Grönenbach, Alexander von Pappenheim, (jedenfalls im Gewissen beunruhiget, wie mit der frommen Stiftung ihrer Vorfahren vorgegangen werden sollte), solches uff Augspurg berichtet und als die Tagessazung angesagt gewesen, ist am abend zuvor der Herr Weihbischoff von Augspurg hieher ins Stüfft kommen, des andren Tags als beede Herrschaften und andre Herren beysammen im Stüfft in der Ritterstuben gewesen, der Herr Weihbischoff zu Ihnen getretten und wider solche Abthaillung protestirt und also die Sach zertrennet worden.“ Nichtsdestoweniger ist zwischen beeden Herrschafften damahlen ein recess auffgerichtet worden, crafft selbigem es beym Vertrag 1577 sein Verbleiben völlig haben solle. Wie hartnäckig Philipp von Pappenheimb auf die Einziehung und Secularisierung des Chorherrnstiffts Grönenbach erpicht war und seinem alten Vetter, dem kath. Alexander von Pappenheim in Grönenbach, nach dieser Richtung hin incommodirte, geht klar hervor 1tens aus dem im Originale noch vorhandenen Kayserl. Rescript d. d. 2. März 1577 (bischöfl. Archiv Augsburg), worin der Kaiser Rudolph der Andere von Gottes gnaden Erwelter römischer Kayser an Philipp von Pappenheim schreibt: „Dieweilen wir nun aus deines vetteren abermalen einkhommenen beschwernusschriften soviel vermerken, daß du nicht desto minder ungeachtet unseres mehreren Kayserlichen bevelchs mit Zerthailung des Stüffts eigenthättlich fortfarrst, indeme daß du berürtes Stüffts Zinß, gülten und Renthen zum halben theil und soviel deine Unterthanen deren zu raichen schuldig, durch angelegte verpott und Arrest aufhebest, auch zu einziehung derselben ainen besonderen Schaffner (der auch sein Underhaltung aus dem Gestüfft haben soll) geordnet und also bemelten deinen Vettern seines Herbringens und possession wider den außtrucklichen Inhalt der Fundation selbst aigenthettlich und de facto entsetzest, welches dir aus den in deiner vermainten protestation angezogenen unerheblichen Ursachen gar keineswegs gepüret, sondern jezo angeregter Stifftung und danebens gemainen beschriebenen Gaistlichen und weltlichen Rechten darzu auch dem durch dich selbst allegirten Religionsfrieden gestracks zuwider und deßwegen bemelten deinem Vettern zu schädlichen Verfang, sonderlich aber zu verachtung unseres Kayserl. billichen bevelchs und künfftiger ärgerlicher Nachfolg im hayl. Reich mit nichten nachzusetzen und nachzugestatten ist, Hirumb so haben wir tragenden Kayserl. Amtshalber nit unterlassen wollen, dich dieses deines in denen Güetter und Gefällen, die von Ewren Voreltern zur Kirchen vergebet und weder in aines oder des anderen Privati commercio sein, viel weniger getheilt werden können noch sollen, vorgenommenen Unfuegs nochmal zu erinnern und bevelchen dir nochmals hiemit alles Ernsts und by unsrer Kayserl. Ungnad, daß du von fürgenommener Zertrennung des Stüffts abstehest, den bestellten [31] Schaffner alßgleich wiederumb urlaubest und ohne ainige fernere widersetzung oder thettlichkeit die Stüfftsgefäll treu der Fundation und altem Herkommen nach by dem Stüfft und desselben Personen ordentlicher Administration und Verwaltung bleiben oder je zum wenigsten durch einen gemainen Schaffner auffheben und verrechnen und dich an deme bemüegen lassest, was dir dißfalls zu unterhaltung aines Prädicanten halben durch deinen Vettern guetlich bewilligt oder nachmals auf unseren Kayserl. Commissarium fernerer güetliche Unterhandlung bewilligt werden möchte.“

2tens aus dem von Alexander v. Pappenheimb beim Kayser erbetenen Kayserl. Conservatorium v. J. 1601 zur Erhaltung des kath. Glaubens in Grönenbach und zur Erhaltung und Manutenirung des Chorherrstiffts Grönenbach. In diesem Kayserl. Rescript d. d. letzter tag des Monats Februars nach Christi unseres lieben Herrn und Seligmachers Gepurt Sechzehnhundert und im ersten Jahr spricht der Kayser Rudolph der II. sich aus, daß er von Alexander v. Pappenheimb wegen der Stüfftung des Ludwig v. Rotenstein bittlich angegangen worden, diese fromme Stüfftung zu schützen auf grund des Fundationsbriefes gegenüber seinem Vetteren Philippus v. Pappenheimb, der vor ettlich Jahren under dem Schain damals zugelassener Augspurger Confession der calvinischen Sect sich anhängig gemacht und dieselbe die Zeit her in der Stüfftskirchen zu Grönenbach nit allein ungescheucht exerciren und predigen, sondern auch des Gestüffts Einkommen gueter Theils an sich ziehen und unter die nach und nach gehabte und noch habende Calvinische Prädicanten verwenden lasse, dadurch dann das Stüfft an Einkommen also extenuirt und geschmälert, daß der Überrest zu Unterhaltung der gestifften Anzahl Priester bey weitem nit mehr erklecken thette und seien in summa mehr besagtes seines Vetters Philipp Sinn und Gedanken dahin gerichtet, inmaßen sich albereits der gemaine Pöbel verlauten lassen solle, als wann man mit der Zeit die ganze kath. Fundation zumalen auf sein, Alexanders Erbmarschalken tötlichen Abgang (den er bey seinem nunmehr erraichten Siebzigjärigen Alter stündlich zu gewarten hette) gar zu profaniren und auszuräuten und alles der Calvinischen Sekt underwürffig zu machen gedacht were; deßhalb verordnete Kayser Rudolph II. als oberster Schutz- und Schirmherr im Reiche mit wohlbedachtem Muet, gueten Rath und rechtem Wissen den Ehrwürdigen Hainrich, bischoffen zu Augspurg, und Johann Adamen, Abten des Stüffts Kempten, und deren Amptsnachfolger des Stüffts und Collegii Grönenbach als respective in spiritualibus Ordinarium als auch der weltlichen Obrigkeit halber zu Conservatoren, Handthaber und Beschützer, daß sie die Collegiatkirche und Stüfft und Dechenei zu Grönenbach bey ihren wesentlichen Esse und cath. Gottesdienst bey den darzu gestifften Unterthanen, Höfen, Renten, Zinsen, Gülten, Nuzungen, Zugehörungen erhalten und vor aller gefehrlichen profonation, alienation und Veränderung auch Vergewältigung und Beleidigung verhüeten und vermahnt fürters allen und jeden Churfürsten, Fürsten, Gaistlichen und weltlichen Prälaten, Graven, Freyen, Herren, Ritter, Knecht, Landvogt, Hauptleut, Vitztomb, Vogt, Pfleger, Verweser, Amptmann, Burger und Gemaind wie auch insonderheit Philipp Erbmarschalken zu Bappenheimb und alle seine Erben oder Nachkommen ernstlich und vestiglich, daß sie vielbenanntes Collegium und Decheney auch Pfarrkürche zu Grönenbach bei irem Wesen, cath. [32] exercitio und Gottesdienst belassen, als lieb einem Jeden sey, bey unser und des Reichs schwerer Ungnad und bedroht mit schwerer Straff und dazu mit ainer pein nemblich vierzig Markh lötiges Goldts.

Mit Recht bemerkt Baumann in seiner „Gesch. d. Allgäus“, Bd. III, S. 395: „Es ist rätselhaft, wie das Stift Kempten ruhig zusah, wie Philipp von Pappenheim, der ja doch nur Vasall und Lehensträger des Fürstabtes in Kempten war, also nicht Landesherr, das jus reformandi beanspruchen und widerspruchslos ausüben und so die Glaubensspaltung in Grönenbach aufrichten konnte. Landesherr mit Lehenshoheit, mit jus regale, mit hoher Gerichtsbarkeit, Blutbann und malefizischer Gerichtsbarkeit über Grönenbach-Rotenstein war der Fürstabt in Kempten, dem allein dieses Recht zugestanden hätte. Ebenso bleibt rätselhaft, wie Philipp es wagen durfte, das kalvinische Bekenntnis, das damals im Reiche noch nicht anerkannt und zugelassen war, unbeanstandet hier einzuführen.“ Eine Erklärung dieses letzten Punktes dürfte wohl in dem Bittschreiben Alexanders von Pappenheim an den Kaiser Rudolph II. de anno 1601 um Aufrichtung eines Konservatoriums für das Chorherrenstift in Grönenbach zu finden sein, indem derselbe schreibt, „daß Philipp von Pappenheim vor ettlich viel Jahren unter dem Schein damals zugelassener Augspurger Confession (seit 1559) der Calvinischen Sect sich anhängig gemacht etc. …“ Also per dolum auf Umwegen und Schleichwegen gleichsam wollte Alexander von Pappenheim besagen, kam das Helvetische Bekenntnis hieher und zur Einführung.

Ob die damaligen Untertanen Philipps von Pappenheim ganz so gutmütig und ganz so freiwillig sich dieser Umänderung in Glaubenssachen gefügt, oder ob mit Gewalt, Druck und Androhung von Exilierung und Rückforderung der leibfälligen Güter vorgegangen wurde, darüber sind bislang in den Akten keine direkten Angaben gefunden worden[5]. [33] Jedoch darf wohl angenommen werden, daß die einfachen Landleute hier und in der Umgegend bei ihrem zähen und konservativen Charakterzuge einer solchen plötzlichen, tiefeinschneidenden Änderung in der wichtigsten Angelegenheit des Menschen, in Sachen des Glaubens und der Religion, wohl anfangs auch hier, wie ja bereits an allen Orten, wo nicht durch Vernachlässigung der Seelsorge, mangelhaftes Predigen und Katechisieren und oft auch durch sittenlosen, anstößigen Lebenswandel der Geistlichen der Glaubensspaltung Vorschub geleistet und der Boden vorbereitet war, Widerstand entgegensetzten.

Vielleicht mögen auch einzelne Chorherren des hiesigen Stifts mit schuld daran sein, daß die Katholiken, soweit sie Untertanen Philipps von Pappenheim waren, als an sie das Ansinnen des Glaubenswechsels gestellt wurde, gerade an der Lebensführung einzelner Stiftsherren sich gestoßen und ihnen so der Schritt des Glaubenswechsels entschuldbarer erschien. Schon anno 1580 laut Kopie im Neuburger Archiv Bd. 387 wendet sich Alexander von Pappenheimb an den Stiftsdechant und seine Concapitulares und besagt, „daß er schon seit einigen Jahren zugesehen, daß in Verrichtung des kath. Gottesdienstes nit sogar in allemaß letzterem Willen unsrer lieben Altvordren, der Herrn Stiffter Selligen, durchaus gelebt ist worden, sovil das Singen und Lesen der Sieben Tag Zeiten, sonderlich die Matutin oder Mettin, Prim und Tertiam betreffend, wozu doch das gewenliche Geleuth zur Matutin nichts weniger vollbracht; so würde denn nun vom Gegenthail (von den Reformierten) fürgeben, es seye woll vil Läuthens aber wenig bettens und wann die Katholischen Gottesdienst sollen verrichten, so müessens nur die gloggen entgelten, sintemalen es seye den Pfaffen nit soviel umb die Kirchen als umb andres Ires Genueß zu thun.“ Demgemäß fordert er Dechant und Capitularen des Stifts auf, „sie sollen sich darob verantworten und in Zukunft ire gebürende Sieben Tagzeiten wie Gottliebende Priester in der Kirchen mit Singen oder Lesen anstellen und Alexander erwartet dies umso ehender, als die Chorherrn dasselbige leichtlich unter druckenem Dach und sicco pede thun kinnen.“

Eine andre nicht ganz unparteiische Quelle, „Pappenheimischer Bericht und Information über ein fürstlich Kemptisches Schreiben an S. Kayserl. Majestät d. d. 6. März 1646,“ führt gegen den damaligen Stiftsdechant Sebastian Brunner klagend aus: „Obgemelter Dechant will die christliche Kirchengesäng nit leiden, dagegen aber helt er im Stüfft den ledigen Töchtern und Mägden bey Tag und Nacht öffentliche Gunggelhäuser oder Hoffstuben, laßt denselben Baches (Gebäck), Bier und Branntwein geben und sie allerhandt weltliche [34] Liedlen singen, tanzen und springen, selbige auch bei Nacht ins Stifft versperren, bis es ihme gefällt, sie anheimbs zu lassen. Seyne geweste treue Magdt hat er, Dechant, dem Fuggerischen Gärtner zugetyrmet und selbige vom Stifft außgefertiget und als seine leibliche Schwester, so er mit ihrem Töchterlein bey sich im Stifft gehabt, nur etwas darwider vorm Gesindt geredt, dieselbe alsbaldt mit Pistolen aus dem Stifft verjagt und unlängsten des Gärtners Weib in sein des Gärtners Abwesen von Memmingen heraus hinter ihme uffm Pferdt geführt und sie selbige Nacht bis um 11 Uhr im Stifft behalten.“ (Neub. Kreisarchiv, Bd. 391.)

Eine weitere, ebenfalls nicht unparteiische Quelle de anno 1698, „fernere Information facti yber die Nullität und nulliter beschehene Fundation des Stiffts zue Grönenbach behaupten die Kempter Räthe, die Chorherren im Stifft Grönenbach seien sacerdotes lusidi, otiosi, invicem rixosi, nulli spirituali aedificationi intenti.[6] Dechant Gg. Kohler im Stift Grönenbach wird von den Kempter Räten als ein streitsüchtiger, unruhiger, schifriger, lunatischer Kopf bezeichnet. Doch, wie schon bemerkt, sind die zwei letzten Zeugnisse, weil von der Gegenpartei, nicht ganz einwandfrei; es ist von den vielen Akten sonst nichts Anstößiges über das Leben der Säkularpriester im Chorherrenstift Grönenbachs aufgestoßen.

Als weiterer Grund, der den Religionswechsel damals probabel erscheinen ließ, mag angeführt werden die scheinbar leichtere Lebenshaltung und leichtere, freiere Lebensführung in der neuen, von ihrem weltlichen Herrn ihnen angeratenen, ja anbefohlenen Religion; entband doch das neue helvetische Bekenntnis seine Anhänger von so manchen althergebrachten kirchlichen Gebräuchen, Vorschriften, Einrichtungen und Sakramenten, die dem natürlichen Menschen gar manchmal unangenehm und beschwerlich fallen mögen. Fiel doch weg die hl. Beicht, das Bußsakrament mit Sündenbekenntnis, das Fasten, die Heiligenverehrung, die Haltung der Feiertage, der regelmäßig gebotene Kirchenbesuch etc. Und wenn dieser Grund nicht zog, so hat wohl auch hier die Widerwilligen Druck, Gewalt und Drohung mit Verbannung und Einziehung der hingeliehenen leibfälligen Güter zum Wechsel im Glauben gebracht.

Daß bei Einführung der Reformation in hiesiger Gegend dies letztere wohl mitgespielt hat, dürfte wohl daraus geschlossen werden, daß schon in den letzten Lebensjahren Philipps von Pappenheim und nach seinem Tode, † 1619, als die Erben desselben, ebenfalls Pappenheimer, [35] seine Verwandten, mit dem äußeren Zwange etwas nachließen, indem dieselben vielfach sich auf ihren andern Gütern, nur selten im Schloß Rotenstein aufhielten, vielfach Konversionen oder Rückkehr der zum reformierten Glauben Übergetretenen erfolgten; soweit die Pfarrakten Aufschluß geben, sei es gestattet, diese Konversionen anzuführen.

Folgen die Namen derer, welche anno 1615 durch Dechant und Pfarrer Andreas Epplin vom Calvinischen Glauben wiederum in die Mutterkirche aufgenommen worden sind:

Anno 1615: 04. Februar Maria Hochmannerin,
04. Februar Hans Nägglin von Deinselensberg,
10. Februar Barbara Henklerin von Gsäng,
10. Dezember Anna Feunlerin von Ziegelberg,
1616: 20. Jänner Maria Deublerin von Grönenbach,
29. März Simeon Zeller von Altusried,
29. März Barbara Bleychmännin von Altusried,
30. April Anna Schützin von Grönenbach,
1617: 05. Jänner Georgius Miller von Kreßen,
05. Jänner Anna Sonderin von Grönenbach,
10. April Michael Diepolder von Ittelsburg,
27. April Anna Haußer von Kempten,
1618: 03. Juni Michael Weinhart von Grönenbach,
05. Oktober Maria Nötzin von Schwenden,
02. November Magdalena Schützin von Grönenbach,
1619: 17. Jänner Mich. Rauch ob den Wäldern bei Woringen,
25. März Agathe Endresin von Reicholzried,
14. Mai Balthasar Notz vom Gsäng,
31. Mai Hans Streycher von Altusried,
23. Martii N. N., Köchin im Pfarrhause zu Wolfertschwenden,
1620: 21. Februar Tobias Heberlin von Kalden,
1621: 27. August Barbara Frölin von Woringen,
1624: 26. August Ursula Bräunin von Dickerlishausen,
1627: 11. Februar Michael Huober von Muesbach,
1657: Anna Junkerin, eine Schweizerin,
1658: Michael Haider von Herbisried,
1659: Anna Hommannerin von Zell,
1661: Ursula Zegerin und Anna Schlauderin von hier,
1666: Sebastian Hochmanner von Zell,
1667: Agatha Mairin ob dem Weiler nahe Teinselberg,
1670: Anna Hochmannerin von Schachen bei Zell,
Anna Hergerin, ledig, von Winters, Pfarrei Grönenbach,
1671: Magdalena Eßerin, ledig, von Hausen bei Memmingen,
1672: Michael Schlauder, ledig, von Grönenbach,
1674: Jakob Keiß, Schneider von Grönenbach,
 Lücke in Aufzeichnungen.
1723: 17. Jänner Salome Kochin vom Thal,
1741: 05. Februar Rebekka Weidlin von Zell,
1742: 12. August Jakob Einsiedler, ledig, von Grönenbach,

[36]

Anno 1747: 24. September Sybilla Hohlin von Zell,
1787: Samuel Bichteler von Grönenbach,
1790: Sybilla Würth von Ziegelberg.
Weitere Aufzeichnungen fehlen.


14. Fortgang der religiösen Wirren in Grönenbach von 1619 ab.

Philipp von Pappenheim, der nicht mit Unrecht von den Reformierten in Grönenbach, Herbishofen und Theinselberg in ehrendem Andenken gehalten wird, war der Begründer, Förderer, Erhalter, die Seele und Stütze der helvetischen Glaubensneuerung dahier. Schon im Jahre 1560 ertrotzte er vom Stiftsdechanten und Pfarrer und von seinem kath. Vetter Herrn Alexander von Pappenheim die Mitbenützung und den Mitgebrauch der kath. Stifts- und Pfarrkirche zur Abhaltung des calvinischen Exerzitiums. Das Hauptmittel zur Einführung und Befestigung der Glaubensneuerung war seitens des Philipp von Pappenheim die Berufung und Aufstellung eines calvinischen Prädikanten und eines calvinischen Schulmeisters, für deren Besoldung und Unterhalt Philipp die ihrem Stiftungszwecke entfremdeten und beschlagnahmten Gefälle des hiesigen Stifts verwendete und benutzte. Im Jahre 1613 faßte er ein Testament ab, in welchem er seinen Nachfolgern bei Verlust des Erbes, des sog. rotenstainischen Fideicommißgutes, die Erhaltung und Fortpflanzung der reformierten Lehre in hiesiger Gegend aufs Gewissen band. Dieses Testament wurde seitens der Reformierten hier und in der Umgebung stets als ihr kostbarstes Kleinod angesehen und in gefahrvollen Zeiten bis in die Schweiz gebracht. Auf dieses Testament beriefen sich die nachfolgenden Erben Philipps immer wieder, und selbst als die späteren Erben Philipps, so ein Wolf Philipp, wiederum katholisch geworden, wagten sie es nicht, ihre Untertanen reformierten Glaubens trotz mehrfachen Drängens seitens des Bischofes zu Augsburg und des Fürstabtes zu Kempten zu inkommodieren, wegen der bekannten Klausel im Testamente Philipps. Als Testamentsexekutoren, Wächter und Vollstrecker der darin enthaltenen Bestimmungen ernannte Philipp die freien Reichsstädte Lindau und Memmingen durch ihre beiden Bürgermeister, und diese bekräftigten durch angehängte Insiegel die Vollstreckung auf sich zu nehmen. (Abdruck des Testamentes cfr. S. 37.)


15. Versuch der Restitution 1621.

Ganz im Geiste Philipps von Pappenheim wirkte seine Gemahlin auch noch nach seinem Tode. Es war dies Anna, Erbmarschalkin, Freiin von Pappenheim, geb. Freiin von Winneberg und Beilstein,

[37]
[Anmerkung (Wikisource): Der folgende Auszug aus dem Testament ist nach der Abbildung der Handschrift transkribiert]

Wann auch einer yeden Oberkeit vnd Herrschafft Ihrer von Gott anbeuolhnen Vnderthonen vnd Leuten nuzen vnd Wollfahrth, zuuorderst aber Ihrer Seelenheyl vnd Ewige Selikeit, vnd das Sye durch offenliche Übung vnd gebrauch der wahren Religion vnd des lautern ohnverfälschten worts Gottes, von allerley abgötterey vnd Irrthumb ab, vnd auf den rechten weg zum Ewigen leben mögen gewysen werden, billich zum höchsten solle angelegen sein. Als ist für das Sexte mein Ernstlicher entlicher Letster will vnd höchster beuelh, das meine In vnd substituirte Erben vnd all Ihre Nachkommen Innhabere meiner gütern, zu allen vnd ewigen zeiten schuldig vnd verbunden sein sollen, die Christliche Reformirte mit dem rainen, ohnverfälschten wort Gottes übereinstimmende Religion, vnd derselben offenlich Exercitium zu Grönenbach, Herbißhouen vnd am Teinsselberg, weniger nicht als bishero von mir beschehen, zuvnderhalten vnd fortzupflanzen Von deren Sye auch einichen meiner Vnderthonen, oder dero selben Nachkommen, in keinen weg abhalten, sonder die Jungen so sich darzuo bekennen, oder ins künfftig derselben wollen beypflüchtig machen, nach Ihrem eussersten vermögen darbey handhaben, schüzen vnd schürmen sollen. Zudem nun dises mein Letster liebster will, so erweysen meine Erben vnd Erbens Erben hieran Gott im Himmel das angenemeste gefallen, haben sich auch gegen seiner Göttlichen Mayestat desto mehr Segens zu getrösten, Im widerigen fall aber Sye die wahre Religion nicht vnderhalten, oder yemand in einichen weg dauon abhalten wurden, wirdt der Gerechte Gott [s]olches nicht allein ohngestrafft vnd ohngerochen nicht lassen, sonder sollen auch meine Erben oder Erbenserben, so sich vber kurz oder lang hierwider vergreiffen würden, dardurch alles das ienige, was Sye krafft dises meines Testaments von mir zugenüessen, vrthetlich verwürkt haben.

philip der Elttest Reichs Erbmarschalckh herr zur Bappenheim etc.

Aus dem Testamente des Marschalls Philipp von Pappenheim.
Halbe Größe des Originals (in Donaueschingen).

die nach dem Tode Philipps Wohnung nahm im untern Schloß, das von Philipp und dessen drei Brüder anno 1653[WS 1] auferbauet war, wie aus der Inschrift über dem Eingang heute noch zu sehen ist. In diesem Schlosse beherbergte sie 1625 den calvinischen Prädikanten „Langhans“ und ließ dorten während der Zeit des lutherischen Exerzitiums in [38] Grönenbach heimlich calvinischen Gottesdienst abhalten; später zog sie nach Memmingen und starb dorten 1635 am letzten September an der Pest und wurde nach Grönenbach überführt; davon später Näheres.

Katholische Kirche im Markt Grönenbach.

Im Jahre 1621 gingen nun der Bischof von Augsburg, Heinrich, und der Fürstabt von Kempten, Eucharius, auf Grund des vom Kaiser ihnen 1601 aufgetragenen Konservatoriums gegen das reformierte Bekenntnis in Grönenbach vor. Durch ein Dekret des Fürstabtes von Kempten vom Jahre 1621 wurde am 2. September „mit Beihilff und Rath Sr. Exzellenz des Herrn Grafen Ott Heinrich Fugger in Grönenbach“, welcher seit 1613, nach dem Tode Alexanders von Pappenheim anno 1612, mit dessen Erbtochter Anna von Pappenheim, verwittibte von Rechberg, vermählt war, der damalige calvinische Prädikant Philippus Gessertus ausgeschafft, ebenso wurde das calvinische Exerzitium aus der kath. Pfarr- und Stiftskirche hinausgedrängt und die Ausübung des calvinischen Exerzitiums völlig untersagt, so daß also weder publice noch privatim von anno 1621, 1622, 1623 und 1624 „kain einiges calvinisches exercitium mehr zu Grönenbach gewesen [39] noch gehalten worden, massen von des Stiffts Einkommen in genannten Jahren und noch weither, wie die Originalstiftungsrechnungen zeigen, kein ainiger Heller auf ein oder andren Prädikanten gegeben worden“. (Kreisarchiv Bd. 397 und 395.)

Stiftsdechant Epplin erstattet am 9. Jänner 1622 Bericht an den Fürstabt, daß die Calviner de novo anno 1622 in die Stifts- und Pfarrkirchen eingedrungen sind. Der Fürstabt trachtete nun am 11. Jänner 1622 „mit aufgebottenen 540 Underthanen zu Fuß und 40 zu pferdt armatâ manu die Calvinische Rott in der Stifftskirchen zu ergreifen; es hatten aber diese hievon Wind bekommen und sich damals wie auch hernach der kath. Kirche ferne gehalten; der calvinische Vogt und seine Adhärenten waren überdies heimlich entwichen. Die Kemptischen adeligen Officiere hielten an die zusammenberufenen Underthanen eine scharfe Red und hielten das Unerlaubte ihnen billig vor“. In einem Schreiben des Grafen Ott Heinrich von Fugger vom 5. April 1622 an den Bischof Heinrich ersucht er, wie er auch an den Fürstabt in Kempten geschrieben, „von Conservatorio wegen den weltlichen bisherigen Stifftsschaffner zu inhibiren, daß er auf das unnötige Exerzitium und selbige Kirchendiener weder des Prädikanten noch andre Besoldungen verabfolgen lassen solte“, indem er mit Recht anführte, daß der alte, zwischen Philipp und Alexander von Pappenheim anno 1577 aufgerichtete Vertrag wegen gemeinschaftlicher Administration der Stifftsgefäll ohne Konsens des Bischofes aufgerichtet, also ohne Krafft sei. Bischof Heinrich antwortet dem Grafen und kaiserl. Obrist Ott Heinrich Fugger am 10. Dezember 1622, daß er in seinem Namen und im Namen des Fürstabtes von Kempten dem bisherigen weltlichen Stiftsschaffner eröffne, daß er am 2ten nächsten Monats sein Amt niederlegen und alle in handen habende, dem Stift zustehende Bücher, Rechnungen und Dokumente dem Stiftsdechant daselbst abliefern und Beschlußrechnung machen müsse.

Der Fürstabt von Kempten bemerkt zu diesem bischöfl. Schreiben d. d. 21. Jänner 1623: „Er seye ja wohl einverstanden, daß der weltliche Stiftsschaffner abgethan werde und extradiren müsse und H. Graf Ott Heinrich Fugger als Executor dabey handeln solle“, fügt aber bei: „Wiewohlen seine F. Gndn. berührte Restitution gerne effectuirt, darzue auch alle mögliche und verantwortliche Hilfe so eifrig subministiren wolten, als Sie es neben andern gueten executionibus allbereits dahin gebracht, daß dem Calvinischen Schuelmaister und Mesner von den Stifftsgefällen das wenigste nit mehr gereicht werde, so geben Sie doch zu bedenken, daß:

[40] a) das kays. Conservatorium allein die Stifftskirch in Grönenbach, darinnen sich dieselben zur Zeit der Impetrirung befunden, vor künfftigen Wirren und Attentaten zu conserviren, gar nit aber die vorhergegangenen mutationes und innovationes zu revociren angesehen;

Fürstabtliche Feste, Schloß Liebenthann bei Obergünzburg.

b) sey solches Conservatorium von der Reg. K. M. noch nie confirmirt;

c) seyen Fugger und Pappenheim gedachten Stiffts weltliche Patroni und Castenvögt, die sich der weltlichen Administration nit gern begeben werden, sonderlich wegen ihrer langwährenden possession;

d) da die Abschaffung de facto fürgenommen würde, Pappenheim leicht ein mandatum restitutorium auswirken könnte tum ex capite possessionis diuturnae, als daß dergleichen weltliche Administration ex canonibus et generali consuetudine sich wohl justificiren lassen.“

[41] Inzwischen wurde die „begonnene Restitution“ weitergeführt, der weltliche gemeinschaftliche Stiftsschaffner abgeschafft und der Dechant des Stifts selbst Verwalter. Dechant Megglin schreibt am 24. September 1625 an den Generalvikar, daß er durch Selbstverwaltung der Stiftseinkünfte bedeutende Ersparungen erzielt habe. Trotz dieser Bemühungen des Augsburger Bischofes, des Kempter Stiftsabtes und des Grafen Ott Heinrich Fugger in Grönenbach, eine Restitutio in integrum und die Ausrottung des helvetischen Bekenntnisses herbeizuführen, gelang dieses nicht, indem 1. der rotensteinisch-pappenheimische Verwalter Georg Weidlin in leidenschaftlicher Weise bei seinen Glaubensgenossen agitierte und in dieser prädikantenlosen Zeit die Stelle eines „Quasiprädikanten“ versah; 2. die alte Pappenheimische Wittib Anna von Pappenheim anno 1625[WS 2] den calvinischen Prädikanten Langhans zu sich ins untere Schlößle aufnahm und dorten wie auch im Wäldchen, genannt Schulerloch, privatissime und ganz insgeheim das calvinische Exerzitium ausüben ließ; 3. der weltliche Herr Max von Pappenheim schützend seine Hand über seine reformierten Untertanen hielt und beim Kaiser Klage führte über diese rechtswidrige Restitution, die seitens der Konservatoren in Grönenbach vorgenommen werde; 4. gerade Druck und Verfolgung in religiösen Dingen meistenteils erst recht Bekenntnismut und Bekenntnisfestigkeit erzielt. Das Tun und Treiben im untern Schloß in Grönenbach, seitdem Adolf Langhans im Jahre 1625 seine Tätigkeit entfaltete, blieb nicht verborgen; darum erlies der Fürstabt Johannes Eucharius von Kempten am 23. Oktober 1625 ein Absetzungs- und Ausweisungsdekret gegen diesen eingedrungenen calvinischen Prädikanten:

„Demnach hochw. Fürst und Herr Johannes Eucharius, Abt des fürstl. Stiffts Kempten glaubwürdig berichtet worden, daß zu Grönenbach ein neuer Calvinischer Prediger sich aufgehalten und zum Calvinischen Predigtamte in der Spitalkirche daselbst aufgestellt wurde und Ihro fürstl. Gndn. so wenig gemaint, das Calvinische Exercitium allda zu Grönenbach zu gestatten als wenig daselbst in dem Religionsfrieden und von Reichs Constitutionen zugelassen, als ist hochgedacht Ihr fürstl. Gndn. ernstlicher Bevelch. Will und Meinung, daß nit allein vermelter Prediger sich des Calvinischen Predigens, der Kanzel, der Stiffts-Spital- oder andrer Kirche in diesem besagten Grönenbach allerdings bemüeßigen, auch die Grafschaft Kempten und landtgerichtlichen Bezirk, darinnen das Dorf Grönenbach gelegen, innerhalb 8 Tagen hoc dato an zu rechnen, meiden, räumen und sich nit so wie ein Hanswursten daraus erhöben und migriren, sondern auch weder der wohlgeborenen Frau Anna Erbmarschalkin, Freyin von Pappenheimb, geb. Freyin von Winneberg (bei Kißlegg) und Beilstein (bei Unterthingau), Wittib, noch von dem pappenheimbischen [42] Vogt Georg Weidlin, noch jemand andrem weiteres beherbergt und mit Unterschlupf versehen werden soll bey Straff 100 Pfennig gegen den Erbrecher dieses Bevelchs unausbleibentlich fürzunemmen; darnach man sich redlich zu richten.“ Datum im fürstl. Stifft Kempten 23. Oktober 1625. (Kreisarchiv, Bd. 391.)

Nun scheint weder die Gräfin-Witwe noch auch Adolf Langhans von diesem Absetzungs- und Ausweisungsdekret des Fürstabtes in Kempten Kenntnis genommen zu haben, da Langhans fortfuhr, im untern Schlosse Konventikel zu halten mit calvinischem Exerzitium und excurrendo auch in Teinselberg calvinische Predigten abhielt. Als nun der Fürstabt in Kempten dieses vernahm, hat man dem Prädikanten aufgepaßt, und als er mit obiger Wittib nach Teinselberg hat fahren wollen, hat man ihn im Holz, das „Schulerloch“ genannt, aus der Kutsche herausgenommen und nach dem festen Schloß des Fürstabten „Liebenthann“ gefänglich geführt anno 1626 im März. „Am 13. April 1626 Ist Hans Adolph Langhans von Prugg uß der Pfalz, abgeschaffter Calvinischer Prediger zu Grönenbach, zu Liebenthann Im Arrest examinirt worden.“ (Kreisarchiv, Bd. 391.)

Zufolgedessen wurde er in die im Absetzungsdekrete festgesetzte Summe Geldes verurteilt wegen Übertretung des Gebotes und mußte Urphed schwören, darnach er sich im Grönenbachschen Gebiete nicht mehr blicken lassen werde. Er zog sich nach Entlassung aus seinem Arrest in Liebenthann nach Teinselberg zurück, versah dorten die calvinische Prädikantenstelle, verheiratete sich mit der Tochter des Herbishofer calvinischen Predigers, blieb aber mit den Grönenbacher-Rotensteiner Reformierten stets in enger Fühlung und ihr ständiger Berater, wie aus einem Briefe des Langhans an den rotensteinischen Verwalter Weidlin d. d. 3. April 1632 klar hervorgeht. (Kreisarchiv, Bd. 391.)

„Ehrenvester und Hochgeachter! Demselben seien neben meinem frdl. grues auch meine willigen Dienst iederzeit bevor, günstiger H. Verwalter!

Es hat der Meßner zu Herbishofen am erschienen Montag, als mein H. Swäher mir sagen lassen, herabgebracht, E. G. habe Ihme befohlen, mir anzuzeigen, daß ich uff künfftigen Sonntag, wils Gott, zue Grönenbach predigen müesse. (Inzwischen waren die Schweden ins Allgäu eingerückt und dadurch waren die Neugläubigen mutig geworden.) Nun weis ich nit, ob es Ernst oder nicht, weilen auch vor acht Tagen Caspar Klotz zu Lachen kommen und das Gleiche in des Herrn Namen mir angezeigt und nichts daraus worden; derowegen E. G. Ich gebeten haben will, mich eigentlich zu berichten, ob es Ernst und ob es auch mit Consens und Erlaubnis des Abbtes zu Kempten geschehe? Denn wie dem H. Verwalter wol bewußt, ich einen ayd getan, daß ich nit nacher Grönenbach kommen, weniger etwas andres daselbsten fürnehmen wolle; ee nun mein Revers nit herausgeben worden, oder sonst ich [43] meines ayds ledig und nicht des Stiffts Kempten Erlaubnus gewiß, kann ich meines ayds und auch der Gefahr wegen, so druff stehen und mir noch über eine Zeit erfolgen möchte, nit hinauff. Ich kann jetzt, da ich Weib und Kind habe, nit so leichtlich wagen wie vor diesem, da ich ohne gewesen; darumb ob ich gleich jetzt gedächte wegen gegenwärtiger Gelegenheit etwas fürzunehmen, mit mir möchte es doch etwa einmal gesucht werden und ich darüber in neue Gefahr kommen, sintemal auch das Schreiben von Kempten aus „Acht“ lauten soll. Wann bis uff den Sambsttag keine Antwort erfolge, möge man thuen, wozu man Recht habe, welches genug gesagt und noch nit zuläßt und erlaubt, was man begehrt. Bitt demnach meiner hierin zu schonen und meinen Herrn Schwäher anzusprechen, welcher es vileicht eher wagen möchte und dürfte. Es ist mir auch gesagt worden, die Predigt müesse in der „oberen“ Kirche verrichtet werden, welches Keiner unter uns mit guetem Gewissen wirdt thuen können, weil es darinnen alles voller Götzen, unden aber eine reinere Kirch droben ist. Endlich wirdt E. G. auch wegen des Kirchengebetes sich müessen bedenken, wie es zu verrichten, ob man den Kayser auslassen solle oder nit, und für den König in Schweden beten und was sonsten mehr darinnen sein mag, daß man sich darnach richten könne, dann ich sonst für meine Person das Gebet ohne Befehl nit ändern, sondern behalten wie ichs alhier funden. Welches ich E. G. hiemit zur Nachrichtung anzeigen solle und thue dieselbe sambt die Ihrigen neben frdl. Begrüßung göttl. Gnade befehlen.

          Datum Teinselberg, 3. Aprilis 1632.

E. G. U. G.
Diener Adolph Langhannß.“     

Dieser reformierte Prädikant Adolph Langhans spielte nach dem westfälischen Friedensschluß, als die Restitution auf Grund des annus normalis am 1. Jänner 1624 auch in Grönenbach vorgenommen wurde, eine große Rolle, ob er nämlich am 1. Jänner 1624 am Neujahrstag wirklich in der Spitalkirche zu Grönenbach öffentlich gepredigt habe oder nicht.


16. Einführung der Augsburger Konfession in Grönenbach
anno 1626–1632.

Die Bemühungen der beiden Konservatoren, des Fürstbischofs zu Augsburg und des Fürstabtes zu Kempten, auf Grund des ihnen erteilten Konservatoriums in Grönenbach das Chorherrenstift auf Grundlage des Stiftungsbriefes des Ludwig von Rotenstein in seinem vollen Umfang wieder herzustellen und das kath. Glaubensbekenntnis in Grönenbach wieder zur ausschließlichen Geltung zu bringen, waren erfolglos. In den Jahren 1621, 1622, 1623, 1624 und 1625 gelang dies nicht. Die Gründe sind bereits oben angegeben. Deshalb übertrug der Kaiser die Regelung der Verhältnisse in Grönenbach [44] den zwei Herzogen von Bayern und Württemberg. Diese bestimmten lediglich, daß in Grönenbach an die Stelle des reformierten Bekenntnisses die „Augsburgische Konfession“ zu treten habe. Diesen Entscheid nahm auch der Erbe Philipps von Pappenheim, Marschall Maximilian von Pappenheim, 1626 an und setzte einen lutherischen Prädikanten nach Grönenbach, stimmte jedoch zu, daß in Grönenbach Stift und Pfarrkirche ausschließlich den Katholiken, die Spitalkirche der obengenannten neueingeführten Augsburger Konfession zugehören sollte. Deshalb wandte sich der Fürstabt Johann Eucharius in einem Schreiben d. d. 27. Februar 1626 an den Grafen Max von Pappenheim:

„Wir haben uß eurem Antwortschreiben vom 23. dieß vernommen, daß Ihr ohnerachtet unsrer zuvor gegen Euch schriftlich gethanen Erinnerung und Vermahnung mit neuerlicher Einführung der Augspurger Confession in das Dorff Grönenbach fürzugehen, Euch aber darbey erbietig machet, die Verordnung zu thun, daß der neue Prediger sich der Stifftskirchen enthalten und allein der Spitalkirchen bedienen solle, wie uns entzwischen gewisser bericht eingelangt, daß Ihr gemelten Prädicanten nechst verschienen Samb: und Sonntag in erstberührter Spitalkirch wirklich für- und uffgestellt, auch das Predigen darin allbereit verrichtet habe.

Nun ist uns gar nit lieb, daß wir uns mit Euch dieser Sachen halber weittläuffig Irren sollen, sondern wollten Euch viel lieber allen beliebig und frdl. Willen darfür erzaigen; nachdem Ihr Euch aber selbsten genugsamb zu erinnern, daß Ihr und Eurer Vetter wegen Grönenbach kein „Reichs- und Kreißstandt“ seyet, Euch auch und gemeltem Eurerem Vetter dieser Orth kein Jus terrioriale, merum imperium, hohe Obrigkeit und regal, sondern dies alles unserem Stüfft Kempten in crafft der Fundation: Kayserl. Markungs- und Lehens-Briefen gehörig, inmassen dann von unseres Stüffts wegen Euren Vorfahren niemalen andere und mehrere Obrigkeit und Gerechtsambe zubestanden worden als was sie in crafft „Niedergerichtsbarkeit“ entweder von unseren Vorfahren jederweilen durch Verträg uß Gnaden erlangt oder sonsten durch rechtmeßige praescription erworben, deßgleichen Euch nit weniger bewußt, daß das jus mutandae et conservandae religionis der „hohen Obrigkeit“ und den Regalien anhängig und obwohlen die gefreyte Reichsritterschafft des Religionsfriedens auch fähig, daß sich doch solche Fähigkeit uf Ihre innhabende Güetter anderst nit erstrecken lasse, es sey dann, daß sie zumahl mit erstgemelter „hohen Obrigkeit“ und Regalien undiesputierlich versehen; dieweilen dann dies Euer Beginnen unsere zu Grönenbach habende hohe Obrigkeit und Regalien merklich abbrüchig, also will uns unverantwortlich sein, denselben zu condeszendiren, sondern wir repetiren unser voriges Schreiben und wollen Euch nochmalen sowohl umb deren in selbigem begriffenen als jetzt angedeuter Ursachen willen frdl. vermahnt haben, davon auszusetzen, den eingeführten Prediger wieder abzuschaffen, des rechtlich oder guettlich Ausschlags zu erwarten und dadurch unbeliebender Weitläufigkeiten [45] fürzukommen, wolten Euch abermahlen zuschreiben und verpleiben mit frdl. Willen Euch wolgewogen.

Datum In unserem Stifft Kempten 27. Febr. 1626.
Johann Eucharius.“     
(Kreisarchiv, Bd. 391.)     

Auf dieses Schreiben antwortete Graf Max von Pappenheim-Rotenstein am 4./14. März 1626 dem Fürstabt Eucharius, „daß Grönenbach und dessen Inhaber seit unfürdenklichen Zeiten der freien Reichsritterschaft inkorporiert seien und in Kraft solcher Inkorporation und Immedietät vor 67 Jahren für den rotensteinischen Teil die Änderung der kath. Religion und zwar ganz unbehindert seitens des Stiffts Kempten vorgenommen und bisher in ruhigem Besitz verblieben. Wegen hoher Obrigkeit und Regalien über Grönenbach wolle er sich mit dem Abt nicht lang herumbstreiten und solle Abt zufrieden sein, wenn derselbe zu underthennig Ehren sich erbotten habe, der Stüfftskirchen fortan zu entsagen.“ In gleichem Betreffe wendet sich Herzog J. Friedrich von Württemberg an den Bischof von Augsburg und H. Fürstabt zu Kempten, d. d. 21. März 1626, und mahnt dieselben, sie sollen die Pappenheimer, die nun einmal „Craißständ“ seien, wegen Anstellung eines neuen evangelischen Predigers in Grönenbach in Ruhe lassen. Derselbe Herzog Joh. Friedrich von Württemberg getröstet in seinem Schreiben d. d. Stuttgart, 22. März 1626 den Grafen Max von Pappenheim, Landgraf zu Stülingen, wegen eines etwaigen gewaltsamen Vorgehens des Augsburger Bischofes und des Fürstabtes von Kempten, daß er ihm allerdings „keine Craißhilff in Aussicht stellen kann, für den Notfall aber anräth, vom Kammergericht ein mandatum non offendendo uff den Landfrieden, aber nicht auf den Religionsfrieden zu erholen“.

In gleichem Betreff ist auch von Wichtigkeit ein Schreiben des Grönenbach-Fuggerschen Verwalters Haggen an seinen Herrn Graf Ott Heinrich Fugger, kaiserl. Obrist, d. d. 23. März 1626. Derselbe teilt mit, daß der lutherische neue Prädikant in der Spitalkirche seine widerliche Lehre an allen Sonn- und Feiertagen vornehme, ja daß auch der reformierte Prediger Langhans, den die Frau Wittib von Pappenheim im September verwichenen Jahres hieher gebracht und in ihrer Behausung beherberge, trotz beschehener Abschaffung immer noch passiere und von hier nach Teinselberg und Herbishofen sich begebe. Das Stift Kempten lasse alles passieren und scheue die sumptus (Kosten) zu einer neuen Exekution zur Manutenierung der hohen Obrigkeitsrechte. Er habe zwar erfahren, daß acht stiftische Reiter dem Langhans auflauerten, um ihn auf seinem Wege nach [46] Teinselberg abzufangen, jedoch sei derselbe in der Nacht vorher gewarnt worden. Er, Verwalter, gebe Herrn Grafen zu bedenken, daß die beiden lutherisch und reformierten Exerzitien in der Spitalkirche nichts Hergebrachtes seien.

Stiftsdekan Andreas Epplin berichtet in seinem Schreiben d. d. 15. September 1626, daß, nachdem anstatt des ausgeschafften calvinischen Prädikanten Langhans ein lutherischer sich jetzo eingedrungen, „wäre Kempten resolviert, die Amotion, wie vorher mit dem Calvinischen beschehen, auch mit dem Lutherischen fürzunemmen, wenn nur der Fürstbischof von Augsburg, deme das Wesen causâ religionis mehrers concernire, auch mit Autorithet mithelfen und als Conservator das Seinige dabey thun wolte“.

Reformierte Kirche.

Der von Grafen Max von Pappenheim-Stülingen für Grönenbach aufgestellte lutherische Prädikant Herrmann wurde verpflichtet, sich nach der Memminger Kirchenordnung zu richten, die im großen und ganzen identisch war mit Confessio Augustana. Jedoch die Grönenbacher Calvinisten ließen sich diesen Eindringling nicht gefallen. Anfangs hielten sie sich an den calvinischen Prädikanten Adolf Langhans, der im Schlößle calvinisches Exerzitium privatim ausübte; nach dessen gewaltsamer Hinwegnahme und Arrestierung gingen sie nach [47] Herbishofen und Teinselberg; nur ganz wenige schlossen sich dem lutherischen Prediger Johann Herrmann an, der im Jänner 1630 an der Pest starb mit Hinterlassung einer Wittib, welche der neue lutherische Prediger Joh. Jakob Trautmann aus Tübingen sofort zum Weib nahm. (B. Archiv Augsburg.) Derselbe verblieb in Grönenbach, bis er im Jahre 1632 von den eingedrungenen Schweden abgesetzt und an dessen Stelle wiederum ein calvinischer Prädikant eingeführt und diesem durch die Schweden auch die Stiftskirche vorübergehend wieder erschlossen wurde. Dies endete aber mit der für die Schweden unglücklichen Schlacht von Nördlingen im Jahre 1634, die den Katholiken auch in Grönenbach die Oberhand wieder gab und dadurch sowohl der lutherische wie die calvinischen Prediger hier, in Herbishofen und Teinselberg wegkamen.


17. Religiöse Wirren im 30jährigen Krieg von 1635–1648.

Diese Zeit von 1635 bis Ende des 30jährigen Krieges kann für die Reformierten in Grönenbach und Umgegend als eine Art Interregnum, eine Zeit bezeichnet werden, in welcher sie keine Prediger mehr hatten. Nichtsdestoweniger ist diese Zeit reich an herben und bitteren Kämpfen und Wirren. Besonders hervor taten sich in dieser Zeit die rotensteinischen calvinischen Beambten, die in dieser pfarrerlosen Zeit die Führung des Religionswesens an sich rissen. Unter ihnen ragte besonders hervor der rotensteinische Vogt Georg Weidlin und seine zwei Söhne Heinrich und Eberhardt. Laut Bericht des Stiftsdechant Fischer an das Ordinariat Augsburg d. d. 16. Juni 1638 ist den Calvinern de novo anno 1635 und 1636 durch ein öffentliches Patent das Exerzitium verboten worden. Am 3. März 1637 hatten die Konservatoren des Stifts Grönenbach ein Patent erlassen, „daß in der Stiffts- und Pfarrkirchen zu Grönenbach kein anderes als nur das kath. Exerzitium zugelassen seye“.

„Von Gottes Gnaden Wir Hainrich Bischoven zu Augspurg und Johann Willibaldt Abte des fürstl. Stiffts Kempten als bey Ordinarius und weltliche hohe Obrigkeit auch respective Conservatores, so den Ott Heinrich Fugger Graff zu Kirchberg und Weißenhorn, Herr zu Grönenbach, Ritter vom Orden des gold. Vließes, Römisch Kayserl. und in Hispania Königl. Majestät auch Churfürstl. Dchl. in Bayern respective geheimber Rath, Cämmerer und General Zeugmeister als ordentlicher Patronus und Collator entbieten den Underthänigen und würdigen auch Ehrwürdigen und wohlgelehrten Magister Georg Fischer unserem lieben, getreuen und besondern auch lieben Herrn und Freundt, Dechant des Stiffts, sodann allen Beambten undt Underthanen zu Grönenbach unsern bischöfl. und gndg. Grues und dabey weiters zu vernemmen, alldieweilen [48] wie offenbar und kundbar sich keineswegs gebühret noch zuläßig, weder nach Besag des Religionsfriedens oder vermög der jüngst getroffnen Pragerischen Pacification ainzig anders als allein das alte allgemeine römisch-catholische Exercitium in der Stifft- und Pfarrkirchen zu obverstandenem Grönenbach oder anderen hiezu gehörigen Orten zu haben und zu gebrauchen oder einzuführen und anzustellen, sondern alles Widriges ain gewaltthätiges Unrechtes und nit verantwortliches procediren uf sich het und an Tag legte, derowegen befehlen wir euch sampt und sonders und ernstlich in crafft dieses offenen Patents bey unsrer Ungnadt und anderen Straffen Nach Ermüeßigung, daß ihr niemandt, wer dergleich sei, auf sein begünnen, da auch schon ain Kayserl. Rescript fürgewiesen wurde, im sonderbaren bedenken, daß solches aus obbedeutem Hauptfundament und Ursachen notwendig sub et obreptitium und also null, nichtig und ungöltig sein mueß, zu ainzigem anderen als wie obgehört dem Cathol. Exercitio die Kirch nit eröffnen noch außer das Cathol. Exercitium ist was darin noch, ein uncatholischen Meßner gedulden oder verstatten, sondern darwider protestiren, alles contradiziren und auch widersetzen, falls aber verbottene Gewalt, dem Ihr zu widerstehen nit mechtig fürgingen, dieß alsbald an Uns bringen sollen, so lieb Jedem ist, obangezogene Ungnadt und Straffen zu vermeiden; dessen zur Urkundt und Männiglichs Nachricht haben wir die Patent mit aigenen Handen unterschrieben und derselben unser gewöhnlich Insigel zu endt auftrucken lassen. Beschehen und geben den dritten Mai 1637.“

L. S. L. S. L. S.
Heinrich, Bischov zu Augsburg. Johann Willibaldt. Ott Heinrich Fugger.
(Kreisarchiv, Bd. 391).     

Die Erlassung dieses offiziellen Patentes war durchaus notwendig; denn der rotensteinische Verwalter und sein Anhang suchten fortwährend den Mitbesitz und Mitgebrauch der kath. Pfarrkirche zu erzwingen und scheuten deswegen selbst nicht vor roher Gewalttat zurück. So berichtet der ehemalige Dechant des Stifts, Pfarrer Gg. Fischer, d. d. 6. Nov. 1635 an Herrn Grafen Ott Heinrich Fugger, daß die Pest wiederum viele Todesfälle verlange, „Deus misereatur nostri;“ interim vacante sede et interregno („Er“ mußte in die Pfarrei Altusried wegen Weidlin sich flüchten; auf das Stift Grönenbach hatte er einen Interimsvikar bestellt), „geht’s halt confus zue; jeder thuet, was er will, nec Deum, nec homines timens; der rothensteinische Verwalter Georg Weidlin habe dem Ammann in Lachen ein öffentlich Patent überschickt, daß nit allein seines Ampts Verwandte, sondern auch die Fugger’schen Underthanen die dem Stifft schuldigen Zins, Rent und Gilt nit zu zahlen, bis wieder ein weltlicher Administrator aufgestellt werde; ebenso habe dieser Weidle seinen Fugger’schen Underthanen in Ziegelberg dimissorium und Freybrief ertheilt; nit weniger habe derselbe gestrig sich des [49] calvinisch. Exercitii in der Stifftskirchen unterfangen; ist ihm zwar auf seiner Söhne betrohlichen Anhalten vom neuen Vicario die Stifftskirche eröffnet worden und wird sich rebus sic stantibus inskünfftig wider denselben nec interveniendo nec protestando procediren lassen, da Leib- und Lebensgefahr darauf stehet, wie denn seine Söhne, freche Leute, vor wenigen Tagen, da er, der Pfarrer, geschäftshalber zu Grönenbach war, mit Beiglen und Kolben ihme auf den Dienst gewart, aber Gott habe ihn einen andren Weg gewiesen, daß er denselben entgangen; des weitren habe Weidle heut einen Calvinischen

Rotensteinisches Amtshaus in Grönenbach.

Mesner ein- und aufsetzen wollen, die Kirchenschlüssel von Herrn Vicario begehrt – aber auf seine kräftige Resolution hin seien sie ihme verwaigert worden –, was sich nun morgens begeben, exitus docebit, sollts noch einmal das Leben gelten, will ich pro viribus resistiren, einigen Zutritt zur Kirche, zum Mesnerambt und Schlüssel nit gestatten bis auf ferner gräfl. Ordinanz.“ Am 27. Nov. 1635 antwortet dem Dechant in seinem refugium Herr Graf Ott Heinrich und drückt sein Bedauern aus über diese weitere grobe, unverantwortliche Ungebühr, die seitens des Verwalters Weidle gegen die Stiftsgeistlichkeit unternommen; er bemerkt, er habe von diesem allem den

[50] Bischof, den Generalvikar und den Fürstabt in Kempten in Kenntnis gesetzt, den aber das Schreiben nicht erreicht, da sich der Prälat in diesen harten Kriegsläufen geflüchtet hatte. Er werde sorgen, daß gegen diesen „muetwilligen Tropfen ein solches Exempel statuirt werde,

Plan der kath. Kirche in Grönenbach.

daß man fürters Ihres Muetwillens geübrigt bleiben möge“. Es wurde vom Bischof von Augsburg und Ott Heinrich Fugger beschlossen, den sog. calvinischen Prädikanten, Weidle und dessen Söhne manu militari zu überfallen und in sichern Ort zu bringen. Jedoch wegen Abwesenheit des Fürstabtes in Wartegg wegen Kriegsgefahr unterblieb die Ausführung noch; gleichwohl schickte Ott Heinrich, der nach Vertreibung der Schweden aus Augsburg kaiserl. Stadtkommandant geworden war, eine Schar Soldaten dem Stiftsdechant zur Einheimbsung des mit Beschlag gelegten Zehents. Inzwischen wurde obiges Patent zur Aufrechterhaltung des kathol. Gottesdienstes in der Stifts- und Pfarrkirche ausgegeben; am 3. Dez. 1637 erklärte endlich auch der Fürstabt seine Zustimmung, den Strafzug gegen Weidle und seinen Anhang, wie schon früher geplant, auszuführen. Diese Strafexekution wurde denn auch am 14., 15. und 16. Dezember 1637 von den Soldaten Ott Heinrichs vorgenommen unter Beiziehung des Kemptischen Untervogtes Gg. Kumbler. Dieser Strafzug gegen Weidle sollte neben Bestrafung und Sühnung der Gewalttätigkeiten

[51] des Weidle und seiner Söhne gegen den Stiftsdechant Fischer, der Arrestierung sämtlicher Zinsen, Gilten und Renten fürs Stift, der gewaltsamen Eindringung in die Stiftskirche im Jahre 1635, zugleich Sühne und Buße sein für die gewaltsame Erbrechung der Stiftskirche anläßlich der Leichenfeier der pappenheimischen Wittib den 8. Oktober 1635. Damit hatte es folgende Bewandtnis:

„Anno 1635 den letzten Septembris ist die Bappenheimische alte Frau Wittib (des Philipp von Pappenheim Ehefrau), Anna von Pappenheimb in Memmingen an der Pest gestorben; derselben inficirte Cörpel wurde volgents den 4. Octobris durch den rotenstainischen Vogt (Weidle) Prädicanten, Cantores, hieher begleitet. Weidle hat wider erhaltene Kayserl. Urtel, auch wider meine (Pfarrers und Dechants Fischer) Protestation, so beschehen im beysein des Herrn Hanß Jacob Stollenmayr und Alexanders Hopp im namen allerseiz meiner gd. Fürsten, Frau und Herrn, die Kirche besteigen, das Fenster einschlagen und die Port eröffnen und die inficirte Leich in die Grufft setzen lassen, daran ein schloß gehängt, so ich alsbald weggeschlagen, als het Er Gewalt in der Kirch nach seinem Gefallen und Mutwillen zu disponiren. Und wurde dieser inficirte Cörpel allererst den 10. October zu Nachts nit anders als ein toter Hundt begraben; mußte also eine ganze Pfarrgemeindt das inficirte spectacul in 7 tagen vor Augen haben, bis endlich der Sarg zerschnellt. Grönenbach, 18. October 1635. M. Gg. Fischer.“

Bezüglich dieses rohen Attentates schreibt Ott Heinrich Fugger am 20. Oktober 1635 an Stiftsdechant Gg. Fischer: „Was die Pappenheimische bewußte Leich und derselben etwas schlechtlich fürgangene Erdtbestattung in der Stüfftskirchen zu Grönenbach anlanget, hette ich gleichwohl gern sehen mögen, daß solches etwas präjudicirliches Werk fürgenommen werden möge und man sich dessen ex parte des Herrn Ordinarii (weilen uns unsresteils die Mitel hiezu ermangeln) wirklich abzuwenden, mehrers angelegen sein lassen; weilen aber Iro fürstl. Gndn. (Herr Bischof) dafür gehalten, daß man mangels der notwendigen Acten und andrer angeregten Ursachen (wann je etwas weiteres darmit fürgehen sollte) solches dissimuliren und dermalen bei E. E. eingewandten Protestation bewenden solle, also dürfen wir es wider unsern Willen auch derbei bewenden lassen. (Der Bischof beruft sich darauf, daß durch sepultura non Nominatim Excommunicatorum die Kirche nicht profaniert worden.) Datum in Dillingen, 13. October 1635. Heinrich, Bischoff.“

[52] Infolge dieser Strafexekution gegen Weidle senior und seine Söhne seitens des Grafen Ott Heinrich Fugger im Dezember 1637 hat sich der Graf Max von Pappenheim an Kempten in einem Vorwurfschreiben vom 24. Jänner 1638 gewendet und machte geltend:

„a) Pappenheimb als Collatores und Kastenvögt seien seit 1550, also vor dem Religionsfrieden, berechtigt, weltliche Schaffner über bemeltes Styfft zu verordnen und seither in ruhiger possession.

b) Anno 1559 haben etliche von Pappenheimb neben der Cathol. auch die Augsburger Confession in krafft des Religionsfriedens „als Mitglieder der Reichsritterschafft in Schwaben“ eingeführt und eine Zeitlang sich mit einer geringen Competenz vom Stifftseinkommen zur Unterhaltung des ministerii contentiren lassen.

Inneres der kath. Pfarrkirche zu Grönenbach.

c) Anno 1577 sey mittels einer cath. Theils erlangter Kayserl. Commission verglichen worden, daß der Stifft auch fürders durch einen weltlichen Schaffner verwaltet und von dem Einkommen beyderlei exercitia sollen erhalten werden.

d) Anno 1591 habe Herr Alexander von Pappenheim die völlige Abteilung des Styffts Herrn Philippo ultro offerirt, die dieser auch acceptirt, Herr Alexander aber aus Anstifftung des Herrn Ordinarius bald wieder eine Abspannung genommen, deßwegen [53] Herr Philippus auf die angebotene Abteilung des Stiffts wider Herrn Alexander in Camera geklagt.

e) Erst darüber habe der Bischof zu Augsburg und Abt von Kempten mit Fürwand eines erworbenen Conservatorii interveniendo sich eingemischt, da sie vorhin bis 60 Jahre wider die weltliche Stiftsadministration noch das Evangelische Exercitium jemalen geahndet und dahero umb so weniger befugt gewesen, Herrn Philippum und ihn ihrer possession mit Gewalt zu spoliren, vorab in Camera anno 1616 super interventione submittirt worden, folglich des Ausschlags zu erwarten.

f) Am Kayserl. Hoff seye durch ein Kemptisches an den Bischof zu Augsburg abgegangenes Schreiben erwiesen, daß Kempten bekennt, beede Fürsten können die von Pappenheim der habenden Stifftsadministration zu depossessioniren weder krafft Conservatorii noch weltl. Obrigkeit ohne befahrende Restitution nit behaupten noch verantworten.

g) Jedennoch habe Kempten anno 1621 den evangelischen Prediger in Grönenbach de facto bedrohlich abgeschafft und neben Herrn Bischoffen zu Augsburg anno 1624 den weltlichen Schaffner von seiner Administration verstoßen, da doch

h) die Kayserl. Majestät anno 1623 ernstlich mandirt, die Reichs-Erbmarschallen bey dem Vertrage de anno 1577 solang verbleiben zu lassen, bis mit Recht ein anderes erkennt werde.

i) Jedennoch haben beede Fürsten an Kays. Hoff 26. Juni 1623 wider Herrn Wolff Christoph von Pappenheim, welchen sie selber seiner possession quasi spoliirt, ein mandatum de restituendo extrahirt, worwider pendent. lit. Cammeral. neben andren exceptionibus eingewendet worden und darüber die Herren Impetranten die Sach auch in aula Caes. erstehen lassen.

k) Habe Er Graf Max zu Continuirung seiner possession nit allein in des abgeschaffenen calvinischen Predigers Stell einen anderen der A. C. zugethanen Prediger zu Grönenbach aufgestellt und einen eigenen Stifftsverwalter verordnet, welcher die Stifftsgefäll von den Underthanen einziehe und zum Unterhalt des Evangel. ministerii verwenden soll, sonder er seye auch in solcher possession den 12. Novembris 1627 auch gute geraume Zeit vorher und hernach notorie gewesen, daher vermög Prag’schen Friedensschlusses dabey zu manuteniren, begehrt derowegen mit Hinwegräumung dessen, so bis erwähnter Execution (anno 1637 im Dezember) fürgangen, plenariam restitutionem, indem er [54] beyfügt, daß ihm vermög uralter Ertailung alle Gerichtsbarkeit allein zustehe.“

Dagegen macht Herr Stiftsdechant Jörg Fischer sub dato 16. Juni 1638 an das Ordinariat, das an den Fürstabt in Kempten in dieser Angelegenheit geschrieben, daß „wegen der Widerparthey behuetsamblich und mit großer Obsichtigkeit zu procediren seye“, geltend:

„1°. Die Herrschaft Rotenstein seye allererst anno 1559, also post pacem religionis, von der kath. Religion abgewichen und zur Calvinischen getretten.

2°. Bis ad annum 1621 sub praetextu (unter dem Vorwand und Vorschützung) A. C. geblieben.

3°. Eodem anno 1621 seye uff dessen by Kayserl. Hoff erfolgten Beweistumb durch das Stifft Kempten der calvinische Prädicant abgetrieben worden und alles Exercitium calvinistic. etiam privatum abgeschafft worden, daher alleinig das Catholische bis 1625 prakticirt worden.

4°. Anno 1625 seye ein ander Prädicant (calvinisch. Langhans) zwar aufgestellt, doch alsbald wieder abgeschafft, beygefangen, umb gelt gestrafft und des hochobrigkeit und landgerichtsdistrikts verwiesen worden.

5°. Anno 1526 den 21. Februar seye abermal ein andrer und zwar lutherischer Prädicant in die Spitalkirchen eingeführt, darwider Kempten protestirt, hingegen das lutherische Exercitium bis 1632 continuirt, doch nur pro forma, weilen die Underthanen ihre vermainten Sacramente alzeit zu Herbishofen bey den Calvinisten geholt.

6°. Anno 1632 seye der lutherische Prädicant von Ihnen beurlaubt und wieder ein Calvinischer aufgestellt worden.

7°. Seye 1635 und 1636 (nach dem Wegzuge der Schweden und ihrer Niederlage bei Nördlingen anno 1634) den Calvinischen durch öffentliches patent de novo das Exercitium verbotten worden.

Die Stifftsadministration betreffend, weilen wegen Todfalles Decani et Capitularium und daraus erfolgter Unordnung seye solche Stifftsverwaltung „ohne Consens des Bischoffes“ auf weltliche Personen transferirt worden (Ludwig von Rotenstein’sches Collegiatstifft zu Grönenbach mit 1 Dechant und 12 Canonikern florirte ungekränkt von 1479–1550, alwo durch damals graßirende Seuche der Dechant sambt den meisten Canonikern gestorben, auch in selbiger bekannter [55] penuria sacerdotum das Stüfft mit andern Subjectis nit allsogleich besetzt werden konnte, sondern die Verwaltung einem weltlichen schaffner überlassen worden, dessen Administration aber wenige Jahre gedauert, dann anno 1555 wieder aufgehoben und das Collegiatstifft in den vorigen Standt restituirt worden; b. Archiv), Rotenstein aber niemalen in ruhiger possession gewesen, sondern nichtige Vergleiche darüber getroffen, solchen aber allewegen vom Bischoffen contradicirt worden; deßhalb hielten Ihro fürstl. Gndn. zu Kempten darfor, daß bey deme möge bleiben, wie es anno 1624 den 8. Augusti der Fundation gemäß bestellt worden, daß nemblich die Administration den weltlichen abgenommen und wieder auf Dechant und Capitel remittirt werde. Weylen die Calvinisten bedrohen, das Stifftsgefäll und Zehent aufs neue zu arrestiren, so gibt Er, Dekanus, an die Hand, daß die Lieferung durch Augsburg, Kempten und Fugger zeitlich unter scharpfer Straff durch öffentliches Patent mandirt und Kempten wieder als brachium seculare implorirt werden möchte, zu exequiren, wozu sich auch fürstl. Gndn. erbiethen.“

Gegen diesen rotensteinischen Verwalter Jörg Weidle erhob der damalige Stiftsdekan Nikolaus Brunner laut Kreisarchiv Bd. 397 Klage in seinem Schreiben an den Fürstabt in Kempten d. d. 9. Oktober 1645. Es war nemlich am 14. September 1645 Georg Biechteler calvinischen Bekenntnisses gestorben; seine Glaubensgenossen veranstalteten nun einen feierlichen öffentlichen Leichenzug mit öffentlichem Gesang und anderem calvinischem Exerzitium, und trotzdem der Dekan ihnen protestierend entgegentrat und sie daran erinnerte, daß das calvinische Exercitium hierorts gänzlich abgestellt und verboten, haben sie gleichwohl mit Gesang und calvinischen Zeremonien fortgefahren, und der alte Weidlin habe den Leichensermon gehalten trotz heftigem Protestieren des Dechants; deswegen bittet Dechant, daß diesen Sachen nach fürstabtl. judicio zeitlich remediert werden möge, da er eine so starke Gewissenslast nicht auf sich dulden wolle – Wiedereinführung des calvinischen Exercitiums, das mit so vieler Mühe und starker Hand habe abgetan werden müssen. Vom Schlosse Liebenthann aus d. d. 19. Oktober 1645 erließ der Kempter Fürstabt Romanus an den „Ehrenhaften Georgius Weidlin, pappenheimbschen Verwalter“, ein geharnischtes Schreiben, worin demselben vorgehalten, daß er das gänzlich abgeschaffte calvinische Exercitium in Grönenbach wieder heimlich einführen wolle durch die Abhaltung der Leichenfeier des Jörg Biechteler nach calvinischem ehemaligen Brauche und Haltung eines Sermon. Dagegen protestiert der Fürstabt und droht, daß er, [56] „ohnerachtet Weidlin ein Kayserliches protectorium für sich ausgewirkt (nach den Vorkommnissen im Dezember 1637), das aber der hohen landtgerichtlichen und malefizischen Obrigkeit des Stiffts Kempten keineswegs derogire,“ justifizirlich gegen Weidle vorgehen werde. Am gleichen Tage noch, 19. Oktober 1645, machte der Fürstabt zum Zeichen, wie ernst er das Wideraufleben des calvinischem Exercitiums in Grönenbach bekämpfen wolle, eine Eingabe an Kaiserliche Majestät, worin mit Angabe der Vorkommnisse gebeten wird, „das des Fürstabts ungehört für Weidle anno 1640 ausgewirkte Kayserliche protectorium zu retrahiren,“ indem Weidle es als Deckmantel benütze, um straffrei den Calvinismus wieder einzuführen, „überdies das Ambt eines calvinischen Prädicanten sich anmaße, den Stifftsdecan mit Schlägen ärgerlich tractirt, einen seiner Underthanen mit Spottmeßgewand öffentlich umherziehen lasse zur Verhöhnung des katholischen Exercitiums,“ und worin weiter gebeten wird, „daß der Kayser den Fürstabt bey Ausübung der hohen auch Malefiz- und landtgerichtlichen Jurisdiction manutenire und das Conservatorium vom Jahre 1601 aufrecht erhalte.“ Von Linz aus d. d. 17. November 1645 befahl der Kaiser dem Caspar Gottfried, des heiligen römischen Reichs-Erbmarschalk, H. zu Pappenheim, unter Mitteilung der vom Fürstabt Romanus in Kempten vorgebrachten Klagen wegen Wiedereinführung des Calvinischen Exerzitiums in Grönenbach schriftlich binnen 2 Monaten Bericht einzusenden.

Am 6. März 1646 erfolgte Pappenheimischer Bericht und Information „über das Fürstl. Kempt. d. 19. Oktober anno 1645 an die Römisch Kayserliche Majestät des Calvinischen Exercitii zu Grönenbach wegen“. (Neuburger Kreisarchiv Bd. 391.) „Ist erstlich nit wahr, daß Weidlin sich anmaßte das Calvinische Wesen alda aigens Gefallens hochsträfflich wieder einzuführen, sich deswegen auf das anno 1640 erlangte Kayserliche protectorium verlaßend noch viel weniger andere zu Gebrauchung der abgethanen Calvinischen Ceremonien und Gesäng instigire und eines Prädicantenampt im predigen zu vertretten vermessentlich unterstehen thue; es seien nur einige lutherische Leichengesäng bei Biechteleres Leich gesungen worden und er habe, da kein Prediger dagewesen, im namen der Befreundten des † denen Mitgängern „Catholischen und Uncatholischen“ für erzeugten letzten Ehrendienst die Danksagung gethan, das könne nicht als ein Attentatum gegen Catholische Religion angegeben werden; er habe wider die gehässige Protestation des Dechants neben Allegirung alten Herkommens blos erwidert, daß Er Dechant bald widerumb einen [57] Prediger allda leiden und dulden müssen. Daß unlängst zur hochsträflicher Verschimpfung der Priesterschaft und Religion ein rotensteinischer Undrthan Ime selbsten von Kindern ein Meßgewand, Stoll und Manipul gemacht und mit demselben öffentlich aufgezogen sein solle, solches ist der purlautere erdichte Ungrund; waist es auch der Dechant und hat selbsten gehört und gesehen, daß es allein seine aigenen Zuhörer, etliche junge Buben, gethan haben, darunter sein Dechants Schwesters Sohn, den er bei sich im Stifft hat, einer gewesen und mit im Dorff herumbgegangen und zum Chor gesungen. Die geben gleichwol aus, Er, Dechant, habe etlichemalen an sie gefragt, ob sie solche That uff Jergen Einsiedler, Evangelischen Pappenheimbschen Underthanen legen möchten, das sie aber nit thuen können“ (also nur Bubereien).

Jetzt folgen die schon früher erwähnten Anklagen Weidlins gegen den Dechant „wegen Spinnstuben und Hofstatthalten im Styfftshause, ebenso die ungerechte Ausstossung seiner getrewen Magd“ und das Vorkommnis mit des Gärtners Weib, was alles wohl objectiv nicht ganz mit der Wirklichkeit zusammenstimmen dürfte. Nunmehr folgt ein interessanter Passus über die Erlangung des Kaiserlichen Protektoriums für den rotensteinischen Verwalter Weidlin seitens seines Herrn, des Erbmarschallen Caspar Gottfried von Pappenheim. „Weylen das Styfft Kempten dem Erbmarschallischen Rotensteinischen Verwalter Georgen Weidlin in unterschiedlichen Einfällen als anno 1613 mit 1300 bewährten Männern zue Roß und Fueß, anno 1624, 1629, 1635, 1637 und 1639 armata manu zugesetztet, denselben beizufachen, ime Vieh und Roß, Kleider, Gewehr, briefliche Documente, schrifften und andre sachen per spolium entführt und nachmahlen unziemlicher Weis zugemuetet in des Styffts Kempten Dienst mit hindansetzung seiner Pflichten sich wider seinen aigenen Herrn gebrauchen, zu lassen aber uff sein Verwaigern solcher zugemueteter praevarication, ihne und seinen Sohn gewaltettig gefangen, als Übeltäter verwahret hin und wiedergeschleppt, entlich auch ein unrechtmeßiges gelübdt abgenötigt, daß er sich uff erfordern bei straff, leib, Hab und gueths wiederumb stellen wolle, dazue ihme aus seinem Haus umb 8 fl. 36 kr. Wein wider versprechen unbezahlt abgenommen, alß hat H. Caspar Gottfried v. P. beim Kayser dero Kayserlichen protectorium anno 1640 unterthennigst ausbitten müessen.“ Ebenso wird bestritten, daß Weidlin „des Stiffts nechst geweßten Dechant“ ärgerlich mit Schlägen traktiert haben soll; es soll damit folgende Bewandtnis haben: „Als besagter Dechant im Würthshauß zue Grönenbach In Erbmarschallischen [58] Gerichte mit begoßener Nasen seinen Kopf hat verwetten wollen, wann das Stifft Kempten deme wider dasselbe exparte Pappenheimb erlangten Kayserlichen Mandato restitutorio folgen werde und auff des Verwalters Andeutten, es werde nun müessen sein, unverschampt gesaget, Er spüe reverenter Ins Kayserliche Mandat, darauff des Verwalters Sohn erstlich mit einem Stuehl und nachmahlen mit zween bloßen Messeren zugeeilet, – wider welchen (Dechant) sich der Sohn einig und allein gewehret (also Wirtshauszänkerei, Wirtshausrauferei und seitens des Sohnes Weidle ein Akt der Notwehr), aber hernach hierumben von des Stiffts Kemptischen gefänglich hinweggeschleppt, beurphedt und umb eine starke Summe Gelts gestrafft; ja selbst nach erlangtem und insinuirtem Kayserlichen Protectorium seien Vater und Sohn Weidlin betrolich nochmals citirt worden von den Kemptischen, so daß eigentlich das Styfft Kempten die dem Protectorio einverleibte Poen (Buße) der 20 Mark Goldts urthetlich bezahlen müßte.“ Des weitern wird angefügt: „Am 2. September 1621 habe Fürstabt von Kempten den Calvinischen Prädicanten in Grönenbach abgeschafft, den 23. Oktober 1621 den Calvinern die Kirchen zu Grönenbach versperrt, am 9. August 1624 dem weltlichen Schaffner unter Fürwandt geistlicher Visitation und „angemaßter“ hohen Obrigkeit die Stifftsschlüssel, Urbar, Rechnungen und andre briefliche Documente durch gewalthetige Betrohung abnemmen und dem vermeinten Dechant einhändigen lassen; das alles sey gegen die bisherige, ruebige possesion der Pappenheimer-Rottensteiner und ihrer Unterthanen in ihrem Helvetischen Bekenntnisse und diese Gewaltacte des Fürstabtes mehr ein Mißbrauch des per sub- und obreptionem übel erworbenen Kayserlichen Conservatorii über das Stifft Grönenbach.“ Daraus kann ersehen werden, daß die Herren Beamten des Grafen von Rotenstein-Pappenheim bei Ausdeutung, Umdeutung der Vorkommnisse nicht ganz ungeschickt, aber auch keineswegs verlegen waren.

Nachdem der unheilvolle 30jährige Krieg unser deutsches Vaterland in ein Meer von Jammer und Weh gestürzt, kam endlich am 24. Oktober 1648 der westfälische Friede zu Münster und Osnabrück zustande. Aber damit endeten in Grönenbach die Wirren noch lange nicht; es bedurfte noch vieler Verhandlungen und Streitigkeiten, bis endlich durch die beiden subdelegierten kaiserlichen Kommissäre, nämlich Franziskus Johannes, Bischof zu Konstanz, Herr der Reichenau und Öhning, und Eberhart, Herzog zu Württemberg und Tecks, Graf zu Mömppelgardt, Herr zu Heidenheim, welche zwei Herren für den Reichskreis Schwaben vom Kaiser als Kommissäre zur Schaffung [59] geordneter Zustände in Schwaben aufgestellt waren, einigermaßen ein leidlicher Zustand geschaffen wurde.

In seinem Schreiben vom 9. Dezember 1648 an des Stifts Kempten Rentmeister Georg Haimen teilt der Grönenbacher Stiftsdechant mit, daß der neue Friedensschluß zu Münster-Osnabrück den allhiesigen Calvinern Mut gemacht, „indem laut öffentlichem Geschrey dieselben beschlossen, den 4. January 1649 den Eingang in die Pfarr- und Stiftskirche sich zu erzwingen mit Antrohung, wofern Dechant Nicolaus Brunner ihnen nit die Schlüssel gutwillig gebe und öffne, sie den Eingang, wie vor diesem schon beschehen, durch die Fenster nehmen werden;“ daher erbittet der Dechant Verhaltungsmaßregeln vom Fürstabt zu Kempten. Am 4. Jänner 1649 feierten nämlich die hiesigen Calviner ihr Weihnachten; wie nämlich die Neugläubigen, ob Lutheraner oder Zwinglianer oder Calviner, alle in ihrer Abneigung gegen den apostolischen Stuhl zu Rom den vom Papste Gregor XIII. verbesserten neuen Kalender mit Auslassung von 10 Tagen, den sog. gregorianischen Kalender, hartnäckig zurückwiesen, einfach weil er vom Papste herrührte, und dem alten julianischen Kalender treu blieben, so hielten es selbstverständlich auch die hiesigen Neugläubigen; daher in allen folgenden Aktenstücken immer die doppelte Datumangabe nach julianischem und gregorianischem Kalender.

In derselben Angelegenheit wandte sich auch der gräfl. Fuggersche Verwalter Valentin Zeis an den fürstl. Kemptischen Rat und Landrichter Wilhelm Christoph Beißer d. d. 30. Dezember 1648; er teilt ebenfalls mit, daß die hiesigen Calviner auf den 4. Jänner 1649 an ihrem zu feiernden Weihnachten mit dem Plane umgehen, wieder in die hiesige Pfarrkirche einzudringen; dieselben hätten zu diesem Zwecke zweimal schon Boten abgeschickt an die oben erwähnten subdelegierten Kommissäre, Bischof von Konstanz und Herzog zu Württemberg – mit welchem Erfolge wisse er nit; ebenso hätten sie sich an ihren H. von Pappenheim gewendet, der es ihnen aber rotunde abgeschlagen; das fürstliche Stift Kempten möge Weidlin und seinen Calvinischen Anhang vor dieser neuen Gewalttat verwarnen, wie er es selbst auch schon getan. Die gleiche Angelegenheit behandelt ein Schreiben vom Ordinariat Augsburg d. d. 3. Jänner 1649 an die Fürstl. Kemptischen Räte, worin besagt, die Calviner hätten keinerlei Recht zum Wiedereindringen in die Stiftskirche Grönenbach, weshalb man Ursach habe, die Kirche mit gewisser Mannschaft zu verwahren; am wenigsten aber solle der Dechant selbst die Schlüssel von seinen Händen geben noch den Calvinern die Kirche öffnen, [60] „um einigen possess allda zu nehmen. Sollte aber Gewalt darüber gebraucht und de facto ein Prädicant aufgestellt werden, hat man guett Recht, den Prädicanten velut intrusum wiederumb vi et propria autoritate abzuschaffen und die verübte Gewaltthat ernstlich abzustrafen.“ – Auch die Einwände des Karl Kaspar Gottfried von Pappenheim, Rotenstein sei Fideikommißgut und das Testament Philipps von Pappenheim binde ihn, wird bündig in diesem Schreiben abgetan. „Selbst wenn die zwei Kayserl. subdelegierten Commissäre den Calvinern Recht willkührlich zudictiren würden, müßte man Kayserliche Majestät appelieren tamquam ab abusu executorum, da dieselben in zweifelhaften Sachen nicht nach Belieben zu decidiren hätten, da derartige Erörterungen auf einen gemainen Reichstag gehören nach dem Instrumentum pacis § 17: „Si quid dubii hinc aut aliunde incidat aut ex causis pacem religiosam aut hanc transactionem tangentibus resultet, de eo in Comitiis vel aliis Imperii conventibus inter utriusque religionis proceres nonnisi amicabili ratione transigatur.“

Dorf Ittelsburg.

Wie sehr der Stiftsdechant Nikolaus Brunner mit seinem obigen Schreiben vom 9. Dezember 1648 bezüglich der hiesigen Religionsneuerer recht hatte und wie sehr der rotensteinische Verwalter Georg Weidlin zu gewalt- und eigentätigem Vorgehen für seine Glaubensgenossen aufgelegt, bezeugt das Attentat desselben auf die St. Leonhardskapelle in Ittelsburg am Kirchweihfest daselbst. Der gräfl. Fuggersche Verwalter Valentin Zeis schreibt darob an seinen Herrn, den Grafen Bonaventura Fugger, d. d. 6. September 1649: „Es wurde in Ittelsburg das alljährliche Kirchweihfest gehalten; als H. Dechandt neben mir und der katholischen Pfarrgemaindt dahinkommen, in maynung den Gottesdienst in so besagter St. Leonhardiskapelle zu

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verrichten und zue besuechen, so seint die Calvinische alle sambt vor uns, die haben ihr exercitium mit Predigt und Singen solenniter verrichtet und solange continuirt, daß wir alle sämbtlich vor der Kirch herausen theils eine halbe, theils bis erbar die Stundtlang aufwarten müessen, bis sie gleichwohl fertig worden und endlich herausgangen sein; weilen nun von dieser Filialkirchen weder bey der Kayserlichen Commission nach derselben ergangenem Beschaidt auch

Ittelsburger Filialkirche.

sogar bei der hernachgefolgten Zeugendisposition mit keinem jota gedacht worden, ich auch niemal gehört, daß sie, die Calvinischen, von diesem in diese Kirche gegangen weren, als wie ich erst von etlicher alten Personen berichtet werde, daß sie bey vorigen Zeiten außer der Kirchwey und sonsten niemal im iahr aber keineswegs vor Mittag sondern erst nachmittag in diese Kirche gangen seien, ob es nun auch 1624 geschehen oder nit, wirdt sich vileicht in actis finden; welches [62] ich eh heut gleich den HH. Conservatores als Augsburg und Kempten auch berichte, die sich zwar des Wesens eifrig genug annehmen; alleinig, weil die Völker (feindliche Heere der Schweden und Franzosen) noch im landt seien, melden sie, man müesse die Gewalt vor Recht solange gehen lassen, bis es einst anders werde.“

18. Vom westfälischen Friedensschlusse 1648 an,
sog. „Restitutio in integrum“.

Die Hauptaufgabe nach dem Friedensschlusse auf westfälischer Erde war, Deutschland selbst wieder zu pazifizieren und die in den schrecklichen Kriegsjahren zerütteten und verworfenen Verhältnisse, besonders die religiösen Wirren zur Ruhe zu bringen; deshalb wurden vom Kaiser für alle Kreise Deutschlands sog. Exekutions-Kommissäre ernannt; für den schwäbischen Reichskreis wurden, wie bereits früher schon gesagt, der Bischof von Konstanz und der Herzog von Württemberg aufgestellt. Als „Normaljahr“, annus normalis, d. h. als Ausgangspunkt bei Schlichtung und Entwirrung, aber auch bei Fixierung und Festlegung der religiösen Verhältnisse galt der 1. Jänner 1624, d. h. alle Verhältnisse in religiöser Beziehung mußten nach dem westfälischen Friedensschlusse genau so hergestellt werden, wie es an dem betreffenden Orte am 1. Jänner 1624 war; das war nun für die Herren Exekutions-Kommissäre keine kleine Aufgabe, diese sog. restitutio in integrum ganz unparteiisch und gerecht festzustellen, da ja bereits 25 Jahre verstrichen und diese restitutio in integrum andrerseits für die Orte mit religiös gemischter Bevölkerung von einschneidendster Bedeutung war, indem alle innerhalb der 25 Jahre erfolgte Änderung aufgehoben und der Zustand wie anno 1624 am 1. Jänner wiederhergestellt werden mußte. Die beiden kaiserlichen Kommissäre fingen in Kaufbeuren mit ihrer Tätigkeit an; schon dorten wurde von den Reformierten in Grönenbach ein Bittschreiben eingereicht wegen Abhaltung ihres Weihnachtsfestes, wozu sie die Erlaubnis zur Feier in der Stiftskirche sich im Dezember 1648 erbaten, aber nicht erhielten.

Ebenso reichte der pappenheimisch-rotensteinische Verwalter Josef Jenisch am 15. April 1649 an die zwei kaiserlichen Commissarii ein Schreiben ein, worin er dieselben aufforderte, die Pappenheimer wieder zu restituieren, wie es am 1. Jänner 1624 gewesen sei, und das Exerzitium der calvinischen Religion wieder zu introduzieren, denn die Pappenheimer hätten seit unfürdenklichen Zeiten [63] das jus patronatus, Lehenschaft, Kastenvogtei und Verwaltung desselben gehabt und das reform. Religions-Exerzitium sei am 1. Jänner 1624 in der Spitalkirche zu Grönenbach bestanden. Am 4./14. April 1649 schrieben die zwei kaiserl. Kommissäre aus Kaufbeuren an die fürstl. Kemptischen Räte, daß sie nach Memmingen kommen und im Namen der Freiherrn von Pappenheim als auch der Bürgermeister und Räte der Stadt Memmingen die Verhältnisse in Grönenbach und Woringen in den Stand vom 1. Jänner 1624 zu restituieren willens seien; dazu möge das Stift Kempten einen bevollmächtigten Vertreter abordnen. Am 16. April 1649 schrieb der fürstl. Kemptische Rentmeister Georg Haim an den Fuggerschen Verwalter in Grönenbach und macht aufmerksam, „daß in diesem wichtigen Werk der Restitutio in integrum durch die beeden Commissionsmitglieder sehr zu vigilieren sei, und daß man vileicht als Vertreter des H. Grafen Fugger-Grönenbach bei den Verhandlungen den Dr. Holzapfel abordnen möchte.“ In dieser gleichen wichtigen Angelegenheit schrieb die Gräfin Maria Elisabeth Fuggerin Wittib an ihren Verwalter Valentin Zeis d. d. 18. April 1649 und spricht die Zuversicht aus, daß er, der Verwalter, die Akten wegen Restitution und Normierung des Religionswesens in Grönenbach den Kemptischen Räten bereits überschickt haben und mündliche Information gegeben haben werde; zugleich ersucht sie, Dr. Holzapfel möge „neben ihme, dem Verwalter, und mit Zuthuen der Kemptischen Räth in Kaufbeuren resp. Memmingen das Grönenbach’sche Religionswesen bei den HH. Commissariis so annehmen, daß kein Calvinisches Predigtamt derart mehr aufgestellt und selbe nit mehr in die Kirche gelassen werden; was die Castenvogtey und andre die weltliche Herrschaft concernierende sachen betreffe, würden sich die beeden Herrschafften Pappenheim-Fugger künfftig schon selbst miteinander vereinigen und bräuchten sich die H. Commissarii sich dieseshalben nit bemühen“. Am 21. April 1649 schrieb Dr. Holzapfel von Kempten aus an den gräfl. Fuggerschen Verwalter Zeis und bestätigt darin, daß nach Durchsicht der eingereichten Vorlagen es unzweifelhaft, ja gewiß sei, daß am 1. Jänner 1624 weder ein calvinischer, noch ein lutherischer Prädikant allda in Grönenbach gewesen; „weilen nun von den Kemptischen Räthen Herr Canzler und Herr Rentmeister bereits wohl informiert in loco Commissionis (Memmingen) sich befinden, sei sein Erscheinen nicht notwendig.“

Am 22. April 1649 war die Verhandlung der zwei kaiserlichen Exekutionskommissäre in Memmingen wegen restitutio der Verhältnisse [64] in Grönenbach; wie es da zugegangen, berichtet am 23. April 1649 schon der gräfliche Verwalter Valentin Zeis an seine Herrin Maria Elisabeth Fugger und ist auch klar zu ersehen aus einem Bericht des Neuburger Kreis-Archiv Bd. 395 mit folgenden Worten: „Und als nun die Grönenbach’schen Calvinisten sich bei der Kayserlichen Subdelegations-Commission zu Memmingen angemeldet und gleich anfänglich restitutio in integrum begeret und sogar hatten haben wollen, daß man sie wiederumb in die Stifftskirche einlassen solte, hat man sich aber gleich opponirt und ihnen erwiesen, daß sie schon anno 1621 daraus expellirt und weiter nit mehr eingelassen worden, hierauf sie gleich abstrahiert und ihren Sprung auf die Spitalkirchen alda genommen mit diesem Vorwand, als wenn der praedicant Langhans am 1. Jäner 1624 in ermelter Spitalkirchen gepredigt habe; da man ihnen solches abermahlen contradicirt, haben sie sich auf ein Zeugenverhör bezogen.“

Am 26. April 1649 schreibt der gräflich Fuggersche Verwalter Zeis wiederum an seine Herrin Witwe Fugger: „Euer gräfliche Gnaden habe vom 23. dieß ich in Unterthennigkeit berichtet, wie es bei den K. H. subdelegirten Commissariis mit hiesigem Calvinischen Religionswesen abgeloffen und daß es uff einer Zeugenverhör noch beruhe, so auf morgigen Tag, geliebt’s Gott, angesehen, zu welchem Ende ich bereits den fürstl. Kempt. H. Canzlern und Räthen 26 alte Männer (darunter mehrer Theil in die 50, 60, ja gar 80 Jahr alt sind) mit namen angegeben, welche bereits und schon der mehrertheil alle öffentlich und willigklich bekennen und aussagen, daß nach deme das erstemal uß der Stiffts-Kirchen außgeschafft worden, habe sich hernach kein calvinischer Predicant alhier bey weitem nicht öffentlich dörffen blicken oder sehen lassen, geschweigen, daß einer hette öffentlich in der Spitalkirchen predigen dörffen bis anno 1626, alwo ein lutherischer öffentlich in der Spitalkirchen aufgestellt worden, dessen sich aber die Calvinisten im geringsten nicht bedienen können. – Wie es nun morgen weiter ablauffen wird, soll Ew. gräfliche Gnaden durch mich ein underthennig gehorsamber fleißiger Bericht folgen. Es sind unter diesen Zeugen vordrist E. Gräfl. Gndg. Herrschaffts, sodann Stüfft Kemptisch, Ottenbeurisch, Cronburg’sche und sogar Rotenstein-Pappenheimb’sche underthanen begriffen; verhoffen mit der Hilff Gottes, weilen der Calvinismus bereits uß der Stiffts-Kirchen, man solle ihne auch auß der Spitalkirchen folgendts vertreiben, alsdann würde alhier wieder recht und gueth wohnen und hausen sein.“ (Kreis-Archiv Bd. 391.)

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19. Zeugenvernehmung in Grönenbach am 27. April 1649.

Es erfolgte nun am 27. April 1649 in Grönenbach in Gegenwart eines katholischen Notars, M. Johannes Hainle, papalis et imperialis Notarii, und Jakob Schüz, Kaiserlicher Notar, lutherischen Bekenntnisses im Wirtshaus daselbst die Zeugenvernehmung, wie es in Grönenbach am 1. Jänner 1624 in der Spitalkirche war. Von seiten des Fürstabtes waren zugelassen H. Johann Rudolph Schad von Bellmont, Doktor der Rechten und Kanzler, und H. Georg Haimb, fürstlicher Rat und Rentmeister; von gräfl. Fuggerscher Seite H. Valentin Zeis, gräflicher Verwalter, von seiten Pappenheims H. Joseph Jenisch, der Rechten Lizenziat und Memminger Rats-Advokat und der pappenheimsche Verwalter Georg Weidlin.

An die Zeugen wurden 3 Fragen gerichtet: „1°. Weß Underthan der Zeuge seye? 2°. Welcher Religion Er zugethan sey? 3°. Ob den 1. January anno 1624 das Exercitium der reformierten Lehr in der Spitalkirchen alhie geübt worden oder nit?“

Von katholischer Seite wurden 26 Zeugen, von reformierter Seite 17 Zeugen vernommen. Dieses Zeugenverhör war von der höchsten Wichtigkeit. – Sein oder Nichtsein hieß es für die Reformierten in Grönenbach. Es war ein Kampf ums Dasein; denn hätte das Zeugenverhör ergeben, daß am 1. Jänner 1624 das Calvinische Religionsexerzitium nicht öffentlich stattgefunden, würde der Schiedspruch der zwei kaiserlichen Kommissäre das Todesurteil für das helvetische Bekenntnis gewesen sein, das dann vielleicht noch einige Jahre oder Jahrzehnte ein kümmerliches Winkeldasein gefristet und dann eingegangen wäre. Die Hoffnung, die der gräfliche Verwalter Zeis in seinem Briefe an seine gnädige Frau Gräfin vom 26. April 1649 ausdrückte bezüglich der von ihm benannten 26 Zeugen, erfüllte sich nicht, indem diese 26 Zeugen es nicht auf ihren Eid mit gutem Gewissen nehmen zu können glaubten, ganz bestimmt vom 1. Jänner 1624 diese Begebenheit der Ausübung des Calvinischen Exerzitiums bejahen oder verneinen zu sollen. Es ist ja auch begreiflich, wenn nach Umfluß von 25 Jahren gefragt wird, was vor 25 Jahren am 1. Jänner geschehen, wird es wohl jedem beschwerlich, wenn nicht bereits unmöglich sein, zu behaupten: Das und das ist gerade an dem oder dem Tage vor 25 Jahren geschehen. So dürfte es auffallen, daß von den 17 Gezeugen, die die Reformierten stellten, so prägnante und präzise und bestimmte Aussagen und Behauptungen gemacht worden; zudem, da tatsächlich, wie gleich erwiesen werden wird, [66] Adolf Langhans unmöglich am 1. Januar 1624 in der hiesigen Spitalkirche gepredigt haben kann; wenn man sich auch das Urteil von dem Aktenstücke im Neub. Kreisarchiv Bd. 395 aus dem Jahre 1692 nicht zueigen macht, das da besagt: „Da man aber bezüglich der Predigt des Langhans im Spitalkirchen alhier am 1. Januar 1624 contradicirt, haben sie sich auf ein Zeugenverhör bezogen und die Underthanen auf die beschehene Aussag vorher genugsamb informirt, was sie sagen sollten; seint hierüber etliche Zeugen verhört worden, welche ganz falsch ausgesagt, als were anno 1624 obgemelter praedicant Langhans schon zu Grönenbach gewesen und hete am 1. Januario in der Spitalkirchen alda gepredigt.“ Immerhin auffallend erscheint die konkordierende präzise Aussage dieser 17 Gezeugen über eine objektiv unrichtige Tatsache; darum heißt es auch in dem Berichte des amtlichen Konventsabgeordneten (Dezember 1653) seitens des fürstlichen Hochstifts Augsburg an die Chur- und fürstlichen Reichsdeputierten: diese 17 Calvinische Zeugen hätten so einheitlich ausgesagt, als hätten sie alles auswendig gelernt und ex una charta gelesen[7]. Daß tatsächlich die von den 17 reform. Gezeugen gemachten eidlichen Aussagen, am 1. Jänner 1624 sei in Grönenbach calvinisches Exerzitium abgehalten worden und der Prädikant Adolf Langhans habe dabei gepredigt in hiesiger Spitalkirche, objektiv unrichtig seien, und daß also diese Zeugen sich geirrt in der Angabe des Jahres, geht klar hervor:

1. Aus den Jahresrechnungen (Originale in hiesigem Pfarrarchiv) hiesigen Stifts aus den Jahren 1615, 1616, 1617, 1618, 1619, 1620, 1621, 1622, 1623, 1624, 1625 und 1626, die nachweisen, daß in genannten kritischen Jahren für den reformierten Prädikanten hier von Galli 1623 bis wieder Galli 1624, ebenso von Galli 1624 bis wieder Galli 1625, ebenso von Galli 1625 bis wieder Galli 1626 kein Salair, keine Besoldung aufgeführt erscheint, also auch keiner anwesend war. Ebenso ist Wein (für 8 Maß) um 1 fl. 12 kr. in Rechnung gestellt in Jahresrechnung aus Anlaß des Herabkommens des Dr. Schwarz am 22. Februar 1625, um im Namen des Stifts Kempten wegen Aufstellung eines „lutherischen“ neuen Prädikanten gegen Pappenheim-Rotenstein zu protestieren.

2. Noch klarer erhellt dieses aus einem Protokoll der Marktgemeinde Viechtach (Oberpfalz) vom 4. Juni 1650 (Neub. Kreisarchiv, [67] Bd. 391): „Demnach der Hochwohlehrwürdige und Hochgelehrte Herr M. Balthasar Forster, Pfarrer allhie zu Viechtach und Kayserl. Stüfft zur alten Kapell in Regensburg Chorherr, wie auch heyl. Schrifft und christl. Recht Candidat vor Uns Bürgermaister und Rath den 23. May 1660 sich angemeldet und gebetten, Ihme uf diese nachfolgende fünf Puncten genugsamb Erleuterung und Nachricht zu geben, Allß sein dero Ihro Hochwürden diese fünf Puncte dermassen erleutert und ersetzt worden, welche wir von Magistratswegen uf dero bittliches frdl. Ansuchen und Begehren der Wahrheit zur Steuer mit Unserm und gemeines Markts Secret (Signet) und Insigel (doch demselben ohnbeschadet) uftruckend verfertigt, zugestellt. Signatum Viechtach, den 4. Juni 1650.

1°. Ob nicht umb das Jahr 1620 ein Diaconus seye hier (Viechtach) gewesen, der habe M. Adolf Langhans geheißen?      2°. Wann derselbe herkommen?      3°. Wielange Er allhie gewesen?      4°. Wann er wiederumb von hier wegkommen?      5°. Welches Jahr ein catholischer Priester seye herkommen?

Uff den 1. Punkt hatt man sich gar wohl zu erinnern, daß allbesagter Diaconus oder Caplan als damals als ein calvinischer Prädicant so auch eine guete Zeit die Pfarr uff Absterben damahligen Inspectoris Samuel Salmueths verrichtet umb das Jahr 1620 allhie gewest.

2°. Ist ungefähr umb das Jahr 1619 herkommen.

3°. Ist in die 6 Jahr hier gewest.

Ufn 4. und 5. Punct: Umb Lichtmeß anno 1625 ist Er durch gnedige Churfürstl. Bevelch abgeschafft worden und hatt ein Pater societatis Jesu den Gottesdienst etliche Wochen verrichtet, underdessen, weilen solcher nit lang allhier sich ufgehalten, hat Er Nicola Christ, so damahls ein lutherischer Prädicant zu Murach gewesen, die Kinder tauffen und begräbnisse zu verrichten anbevolchen, solange bis hernach ein cathol. Priester ordinirt worden, wie dann auch ettliche Wochen hernach Herr M. Johann Wolfius, der erste cathol. Priester, die Pfarr bekommen.“ Da also Langhans von 1619 bis 21. Jänner 1625 Helfer und Diaconus in Viechtach war, kann er doch nicht am 1. Jänner 1624 in Grönenbach in der Spitalkirche gepredigt haben. Auch die Ausrede, derselbe könne auf der Durchreise am 1. Jänner 1624 in Grönenbach gewesen sein und am genannten Tage das Exerzitium geübt haben, ist nicht stichhaltig, da Langhans laut Einträge in Viechtach am 28. und 30. Dezember 1623 in Viechtach [68] Kindstaufen gehalten, so daß er also unmöglich am 1. Jänner 1624 in Grönenbach hätte sein können, da, wie der Augsburgische Konventsabgeordnete in seinem Schreiben im Dezember 1653 bemerkt, ein 34 Meilen weiter Weg zwischen Viechtach und Grönenbach liegt.

Als drittes Argument ist anzuführen der Attest des Pfarrers Mang Hartmann von Legau d. d. 27. April 1649:

„Ich Mang Hartmann, ieziger Zeit Pfarrer zu Legau, bekenne mit dieser meiner Attestation, bey meinen priesterlichen Ehren, hiemit, soviel ich mich in meinem Gewissen zu erinnern weiß daß weder in der Stüfftskirchen noch Spitalcapell zu Grönenbach weder calvinisch noch luthrischer Prädicant ainiges exercitium publicum anno 1624 ab initio Januarii gehabt habe, sondern ein ziemblich lange Zeit erst hernach 1626 Ein luterischer Prädicant in der Spitalcapell das exercitium lutheranismi sine auditoribus ferme gehabt habe, dies erstlich meines Wissens, daß damahlen zu Woringen ich, nechst bey Grönenbach gelegen, Pfarrer bis auf 1632 Jahr gewessen bin. Dies zur Urkund habe ich den Schein mit aigener Handt geschrieben und mit meines namens Pettschafft und Zeichen becräfftigt.       Signatum Legau, den 27. April 1649.

Ich Hartmann Mang Pfarrer zu Legau.“     
(N. Kreisarchiv, Bd. 391.)     

Als viertes Dokument ist anzuführen: „Extract Schreibens von deß gewesenen Fugger’schen Verwalters Bartholome Haggen sel. hindlassene Wittib, so 80 Jahre alt und dero Tochter bei 39 Jahre alt. (N. Kreisarchiv, Bd. 391.)

An den Herrn gräfl. Fugger’schen Verwalter zu Grönenbach,
abg. 25. April 1649.

Uf mein und meiner Tochter vielfältiges Nachgedenken könnten wir anderst nit finden, daß 1624 sich ganz kein Prädicant zue Grönenbach befunden; ohngefähr umb Jacobi 1625 ist Adolf Langhans, calvin. Prädicant, dahin kommen, welchem die Frau Witib von Pappenheim zu Ihro ins Schlößlein aufgenommen, allda Er in ihrem Schlößlein in der großen Stuben anfangen zu predigen und den Zugang von den Unterthanen haben, hat es gewährt bis uf Allerheiligentag, da ist solches öffentliches Exercitium meines Behalts durch den fürstl. Kempt. Untervogten und noch iezigen Castenvogt Herrn Friedrich Reußlin durch ein öffentlich Decret, sowohl der Frau Witib als dem Prädicanten abgeschafft worden, über welches Er anfangen, die Kirchen zu Theinselberg zu besuchen und endtlich auff dem Weg gefangen worden, nacher Liebenthann geführt, da Er ein Urfehd über sich müessen geben und Er der Stifft Kempten hohen Obrigkeit sich nirgends mehr betreten zu lassen, welches Er auch gehalten; nach diesem umb anno 1626 Herr Johann Herrmann, lutherischer Wortsdiener nach Grönenbach kommen und in der Spitalkirchen allda seinen Gottsdienst öffentlich verricht bis anno 1629 ist er an der Pest gestorben; deme hat succedirt Herr Johann Jacob Trautmann auch lutrisch und sich mit des Hermanß Witib verheürat, seine Predig auch im Spital gehalten bis anno 1632 hat der [69] Calvinische Herr Weidlin (mit Zustimmung und Beihilfe der inzwischen eingerückten lutrischen schwedischen Soldaten) diesen gemelten Evangelischen Trautmann selbsten abgeschafft und solche evangelische Lehr verachtet, ja sogar weder Kindertauffen, Hochzeit halten noch anderen Kirchengebrauch bey Ihnen Herr Trautmann noch dessen Vorfahren Herr Hermann fürgehen lassen, sondern wieder einen Calvinisten in der Stiffts Kirchen eingesetzt namens Jacob Preußer, ist aber nit lang allda verblieben; nach diesem ist sein bruder Philipp Preußer auch eine kurze Zeit dagewesen. Von anno 1621 ist kein calvin. Exercitium öffentlich niemal mehr gehalten worden bis auf anno 1632. Im Spital hat gar nie kein Calvinist gepredigt und in der Stiffts Kirche nie ein Luteraner.

     Datum Memmingen, den 25. April 1649.
Maria Cleopha Haggin.“     

Diese Witwe war des gräfl. Fuggerschen Verwalters Bartholomä Haggen Witib und lebte mit ihrer Tochter in Memmingen nach dem Tode des H. Verwalters.

Des weiteren ist aus einem Schreiben des Fuggerschen Verwalters Zeis an Frau Gräfin Witwe Fugger d. d. 30. Juli 1649 ersichtlich die Unrichtigkeit der beschworenen Angaben, indem derselbe schreibt, daß er in Memmingen im Fuggerhaus unter anderen Literalien auch ein Paket Schreiben gefunden habe von dem gewesten ehem. Verwalter Bartholomä Haggen, aus denen, da sie die Abschaffung allhiesiger Prädikanten von anno 1621 bis 1627 und 1628 zum Gegenstande haben, sonnenklar erscheint und zu lozieren ist, „daß weder anno 1624 noch 1625 primo Januario ein Calvinischer Prädicant allhir gewesen sey und eben derjenige Adolf Langhans (worauf sich der alte Weidlin und sein Anhang bezogen, als were Er anno 1624 den 1. Jäner mit seinem Calvinischen Prediger in der Spitalkirchen gewesen) erst im September 1625 vermög oben angezogener Copie alhero nach Grönenbach gekommen, welchen die alte Frau von Pappenheimb zu Ihro ins schlößchen genommen.“

Desgleichen bezeugen die geistlichen und weltlichen Räte des Stifts Kempten am 31. Juli 1649, daß die bisher wegen Kriegsgefahr und Unsicherheit von hinnen als einem unverschlossenen Ort notwendigerweis transferierten Akten, die nicht ehender zur Hand gebracht werden konnten, klar nachweisen, daß der Calvinische Prediger Langhans erst im September 1625 von der alten Frau Pappenheim von der Oberpfalz nach Grönenbach gefordert worden sei. Ganz dasselbe beweist ein Schreiben des Dechants Ulrich Moll von Grönenbach d. d. 1. III. 1690 an H Grafen Paul Fugger, worin er demselben danksagt für die Auswirkung eines „Kayserlichen Excitatoriums an die 2 Kraißausschreibende Fürsten (ehem. Kayserliche Executions-Kommissäre) [70] wegen der ihnen ratione exercitii reformati aufgetragenen Kommission“, wobei er bemerkt: „Wie unbegründet aber und der Wahrheit ganz zuwider gedachter 17 Zeugen Narration bey der kayserlichen subdelegirten Commission zu Lindau anno 1649 war, erhellt handtgreiflich, augenscheinlich hell und clar aus dem von der Churfürstlichen Regierung zu Amberg gemeinen Markt zu Viechtach ertheilten und copialiter beygelegten Attestationen „Extract aus der sog. Annä Meß zu Viechtach Rechnungen“ und andrenteils von Ihme Langhansen theils wegen seiner anno 1625 erlassenen supplication, Bericht des Pflegers von Murach und Churfürstlichen Befelch. Findet sich auch bey der hochfürstl. Regierung zu Dillingen under denen das Stüfft grönenbach betreffenden Acten ein Kalender von anno 1625, so einem hochgräflichen Fuggerschen Beambten zue Grönenbach angehörig gewesen, in welchem er, H. Beamter, ein ordentliches Diarium seiner Geschäften fiehret und auf den 10. Dezembris gedachten Jahres 1625 diese Formalia verzeichnet säzet: „Der Calvinische prädiger das erste mahl in der spüthel Kirche geprediget,“ mit welchem übereinstimmt des damaligen Dechants zu Grönenbach Andreä Epplin Berichtschreiben an die hochfürstl. Regierung, in welchem er unter anderem wider Pappenheim überschriebene gravamina berichtet: „den 10ten und 14ten diess hat ein Calvinischer verjagter prädicant neuerlich in der hiesigen spüthalkirchen gepredigt.““

Hochinteressant ist, was über diese Verhandlung in Memmingen wegen annus normalis und Restitution in Grönenbach vor den zwei kaiserl. Kommissarien der gräfl. Fuggerische Verwalter V. Zeis vom 23. April 1649 an seine gnädige Frau Gräfin Fugger berichtet (Kreisarchiv, Bd. 391). „Drei Punkte kamen in Memmingen zur Sprache: 1. Die kath. Stifts- und Pfarrkirche in Grönenbach, worauf die Reformierten ein Mitbenützungsrecht geltend machen wollten, aber mit dem Hinweis, daß sie schon anno 1621 das Benützungsrecht verloren hatten, gänzlich abgewiesen wurden. 2. Die Spitalkirche zu Grönenbach, auf welche die Reformierten ein Mitbenützungsrecht geltend machen wollten, da sie anno 1624 in Posseß gewesen seien und solches auch mit etlichen alten Scharteken zu beweisen versuchten, worauf ihnen entgegnet worden, daß nach anno 1621 kein calvinischer Prediger allhier sich habe öffentlich sehen oder blicken lassen dürfen, viel weniger öffentlich in der Spitalkirche hätte geprediget. Die zwei Kommissäre entschieden nun, wegen des calvinischen exercitii in der Spitalkirche solle beederseits noch besser und mehrer Beweistum mit Lebendigen aufgebracht und docirt werden, ob anno 1624 in [71] gedachter Spitalkirche das calvinische Exercitium „öffentlich“ gehalten worden oder nicht. (Darauf erfolgte die „berühmte“ Zeugenvernehmung in Grönenbach den 27. April 1649.) 3. Die weltliche Stifftsschaffnerei, wobei die Reformierten geltend machten, es wer anno 1624 den 1. Jänner der von beeden Herrschafften gesetzte Stifftsschaffner noch wirklich vorhanden gewesen und erst am 8. August gedachten Jahres abgeschafft worden, dahero habe die Herrschafft Rottenstein das jus patronatus, Castenvogtey und Stifftsadministration neben der Fugger’schen Herrschaft zu präsentiren; weilen nun dieser Punct in facto also beschaffen, als hat man wieder denselben nit viel einwenden können – daher wurde auch seitens der zwei k. Commissare beschlossen, bezüglich dieses dritten Punctes habe es sein Verbleiben wie bisher und wie es anno 1624 war.“

Nun bemerkt der Herr Verwalter weiter: „Ich hoffe, es soll auch wegen der Spitalkirche wohl abgehen, gleich wie mit der Stifftskirchen; da einmal gewiß, daß nach anno 1621 nach Ausschließung der Calvinischen aus der Stifftskirchen sich kein calvinischer Prädicant alhier öffentlich hat dörffen sehen noch blicken lassen biß 1626, da ist ein lutherischer Prediger in der Spitalkirchen aufgestellt worden; wohl aber und nit ohne ist, daß die alte Frau von Pappenheim (Witib des Philipp von Pappenheim) „allzeit“ einen Calvinischen bey Ihro im schlößlein gehalten; der hat nur „heimblicher“ Weiß und „nit öffentlich“ balt in diesem, balt in Jenem Hauß oder bisweilen in der Spitalkirchen gepredigt, wormit aber sich die Jezigen keineswegs bedienen können.“ Des weiteren bemerkt er: „Die Württembergischen Herren Gesandten (Geschäftsträger des lutherischen Kays. subdelegirten Einen Executions-Commissärs des Herzogs Eberhardt von Württemberg) haben sich in diesem Wesen (bei dieser in Memmingen statthabenden Verhandlung wegen Restitution in Grönenbach) „ganz parteiisch“ erwiesen; Herr Dr. Köberle aber als Constanz’scher Abgesandte (Geschäftsträger des Erzbischofs Franziskus Josefus, Bischofen zu Konstanz, des zweiten Kays. subdelegirten Executions-Commissärs) hat sich ganz eifrig der sachen angenommen; ja derselbe hat ihm sogar bevolchen, daß Er, der Verwalter, an Seine Gräfin berichten solle, es seye höchste Notturft, wann durch den Herrn Administratorem nit allein mit einem beweglichen Schreiben, sondern gar mit einer aigenen Gesandtschafft der Herr Obriste zu Pappenheimb-Rottenstein erinnert würde, daß er ja als ein katholischer Christ (die Erben des calvinischen Philipp von Pappenheim in Rotenstein waren wiederum katholisch geworden) von selbsten nit begehren werde, daß der Calvinismus [72] alhier wieder eingeführt und der Prädicant vom Stüfftseinkommen besoldet werden solle.“

Bevor nun die definitive Entscheidung über Fortbestand des calvinischen Glaubens und Exerzitiums in Grönenbach und Lindau durch die zwei kaiserl. subdelegierten Exekutionskommissäre, Bischof Franziskus Josephus von Konstanz und Herzog Eberhard von Württemberg auf Grund der Memminger Verhandlung und auf Grund der Grönenbacher Zeugenvernehmung und Aussage erfolgte, „wandten sich die Fürstlich Kemptischen und die Fugger’schen Räth und Beampte in einer summarischen Deductio des angebl. exercitium Calvinisticum in Spitalkirche hier d. d. 2. May/22. April 1649 an die zwei kayserl. Herren Commissäre mit der Bitte, in re tam ardua nit zu übereillig vorzugehen, sondern in so hoch importirlicher Sach die Parteien ad productionem articulorum und notwendigem Fragstuck und notwendigen Exceptiones beikommen zu lassen.“ Sie bringen Aktenstücke von größter Wichtigkeit in Vorlage: Attest des Legauers Pfarrers Hartmann, der Witwe Cleopha Haggin, ebenso Auszüge aus den Stiftsrechnungen etc., machen weiter aufmerksam, daß die Rottensteinischen 17 Gezeugen nicht einwandfrei seien, „daß diese Zeugen in aigener Sach et in proprium et singulorum emolumentum nemblich zu lang gewünschter Einführung Ihrer Religion Zeugnis abzulegen nicht rechtsgiltig zulässig seien; erbieten neue weitere Zeugen vorzubringen“. Ebenso geht aus einem Schreiben des convertierten Herrn Wolf Philipp von Pappenheim, Herr zu Rotenstein, an den Stiftsdechant Nikolaus Brunner d. d. 4. Mai 1649 (Kreisarchiv Bd. 391) hervor, „daß man sich auch seitens des Stiffts Grönenbach, seitens des Fürstlichen Stiffts Kempten an den genannten Inhaber der rottenstainischen Herrschaft gewandt. Er und sein Bruder, die ja beide katholisch geworden, möchten bey den zwei kays. Executionscommissären, ehe der Endspruch gefällt werde, ihren Einfluß geltend machen, daß das calvinische Exercitium in ihrem Gebiete – weil es ja 1. Jan. 1624 tatsächlich auch nicht bestanden – nicht wieder zugelassen werden solle.“ Jedoch Wolf Philipp antwortet namens seines Bruders, des Obristen Philipp, „daß sie zwar beyde der alt Catholischen Religion zugethan und durch göttliche Verleihung dabey ihr Leben zu beschließen gedenken, daß sie aber durch die Klausel im philippischen Testament – Erhaltung der Calvinischen Religion bei Verlust[WS 3] des Fideicommisses – sich gedrängt sehen, der Sach ihren Lauf zu lassen, um unliebsame Weiterungen zu vermeiden.“ So erfolgte denn nun die wichtige Entscheidung in dieser Angelegenheit in Lindau am 19./9. May 1649.

[73]
20. Lindauer Signatur vom 19./9. May 1649.

Die beiden kaiserl. subdelegierten Kommissäre erließen als Restitutionsedikt für Grönenbach nachfolgende Signatur. (N. Kr.-A., Bd. 391.)

„Demnach bey der zur Execution des allgemeinen Friedensschlusses in dem schwäbischen Craiß verordneten Kays. subdelegations Commission die wohlgeborenen H. H. Philippus, Obrister, Wolf Philipp und Franz Christoph, Gevetern und Brüdern, deß Heyl. Röm. Reichs Erbmarschallen respective Graffen und Herren zu Pappenheimb und Berolzheim auf Rotenstein, Kalden und Böllenberg sich angemeldt und zu erkennen gegeben, wie nemblich Ihnen von dem Stifft Kempten in dem Flecken Grönenbach sowolen ratione juris patronatus, Lehenherrschafft und Kastenvogtey über die Stiffts- und Pfarrkirchen allda, so in anno 1624 den 1ten Jannarii Ihre Vorderen mit und neben den H. Graffen Fuggern als Inhaber des andern Teils an Grönenbach durch einen gemeinsamen weltlichen Schaffner und also zum halben theil zu administriren, wie nicht weniger die Bestellung des Mesner Ampts gehabt und in dessen allen wie auch in possessione des Exercitii der reformirten Religion in der Spitalkirchen daselbst in gedachtem 1. Jan. 1624 geweßt, bisher Eintrag geschehen, Allhero wegen gebeten, sie in krafft des Friedensschlusses dies Orths wieder in den standt, wie solcher sich anno 1624 den 1. Jan. befunden, zu restituiren, Als ist bey obgedachter K. Commission auf vorhergegangene Ersehung und reife Erwägung deren ein- und andrerseiths vorbrachten Behelfen und eingezogene Kundschaft es dahin gestellt und verabschiedet worden, daß wohlbesagte H. Reichsmarschallen respective Grafen und Herren zu Pappenheim in das jus patronatus, Lehenschaft und Kastenvogtey deß Stiffts und Pfarrkirchen zue Grönenbach, wie solches anno 1624 den 1. Jan hergebracht und mit Vorbehalt ein Jedes, Jedem dazumahl bey gedachtem Stifft gehabten und besessenen Rechtens wiederumb sollen restituirt und eingesetzt wie nicht weniger das Exercitium Religionis in der Spitalkirchen allda, maaßen es anno 1624 gewest und das instrumentum pacis ausweist, wieder einzuführen fügt (befugt) seien.
Zu Urkundt dessen sind vier gleichmeßige Signaturen ausgefertigt und mit der H. Kayserl. subdelegirt. Commissarien fürgedruckten Adel und gewöhnlichen Petschafften auch aigenhändt underschrieben, bekräfftigt; deren eine dem fürstl. Stifft Kempten, die andre aber dem offt bemelten Grafen und H. zu Pappenheim zugestellt; die zwey aber bey der Kayserl. Subdelegations Commission aufgehebt worden und geben zu Lindau den 19./9. May Anno 1649.
Der röm. Kays. Mst. alhie anwesende subdelegirte Commissarii:


L.S.     L.S.
Wolf Christoph von Bernhausen.     Hans Albrecht von Wöllwarth.
L.S. L.S.
G. Köberlin Dr. Bernhard Plöner.“

[74] Mit diesem Entscheid war der Würfel gefallen und damit der Fortbestand resp. das Neuaufleben der calvinischen Religion in Grönenbach gesichert. Ganz natürlich ward dieser Entscheid in Grönenbach seitens der Reformierten mit hellem Jubel aufgenommen, wie der Brief des gräfl. Fuggerschen Verwalters Valentin Zeis an den fürstl. Kempt. Rentmeister Gg. Haim d. d. 29. Mai 1649 besagt: „Daß diesen Erlaß die hiesigen Calvinisten mit nit geringem Jubel alhier spargiren, der sey ufs beste für sie außgangen, zu welchem Endt sie als-

Inneres der reformierten Kirche in Grönenbach.

gleich die Spitalkirch allhier aufbauen lassen und nechstens ihr leichtfertiges Exercitium under dem freien Himmel (weilen besagte Spitalkirchen noch nit reparirt) interimsweis darinnen zu halten, hat sich beineben der junge Weidlin gegen mir vermerken lassen, die Herrschafft Rotenstein werde iezo und künftig vermög angeregten der H. subdelegirten Commissarii beschaids das halbe Stiffts Einkommen, Gülten, Zehenden und andern Gefällen ganz zu sich zu ziehen, hingegen möge Fugger’scherseits was das andre halbe theil gleichwol hin- [75] thuen, wo man wölle; wann dem also wär, so möchten alle Catholische hier sammbt dem H. Dechant nur den Gang thun und wo solches wieder das uralt Herkommen ja solang das Stifft steht, solches noch nie also gemacht worden.“ Dann fügt er bei, „die Calviner müßten aber die Kirche zum Spital so bauen, daß auch die Catholiken sie mitbenützen können, und von den Stifftsgefällen dürfe man wie ehedem dem Prädicanten mehrer nit als 200 fl. geben als Salair.“

Gegen diese Lindauer Signatur legte namens des Grafen Fugger und namens seines Herrn, des Fürstabtes Romanus, der Kanzler der Fürstabtei Kempten eine Schedula Appellationis durch einen Notar ein, „dessen Notariat Ambt hierumb in bester Form instanter, instantius, instantissime implorirend und bringen vor, daß bei dieser Lindauer Signatur nit gründlich und vorschnell gehandelt worden sei, d. d. 31. May 1649. – Dieser Bescheid von Lindau sei salvo duorum Subdelegatorum honore widerrechtlich, laufe gegen den Westfälischen Frieden und seien dadurch das löbl. Stifft Grönenbach, ejusque Caesarei Conservatores und Interessati aufs höchste graviret. Der Friedensschluß verlang austrucklich, daß dergleichen Sachen, welche weitläufige Nachsuchung erfordern zur Erkundung, welcher theil den 1. Jänner 1624 in der possession aigentlich gewesen, nach dem ordentlichen Recht zu behandeln seien. In Memmingen bei der vor einigen Wochen angestellten Commission hätten zwar die Calviner die possession in der Spitalkirche praetendiret, aber nit erwiesen; dagegen sei Kemptischerseits, obwohl nicht ihm, sondern den Calvinern das onus probandi obgelegen, ex superfluo durch unterschiedliche Attestationes, sonderlich auch aus des gewesten Stüfftsverwalters Rechnungen dargethan worden, daß 1. Jänner 1624 kein exercitium Calvinisticum, in sonderlich kein exercitium publicum, darauff die H. Subdelegirten selbsten gezielet, alda in Spitalkirche zue Grönenbach nit gewesen, sondern es könne nur bisweilen und heimlich in aedibus privatis durch den Prediger zu Herbishofen vorgegangen sein.“ Dann wird des weiteren an diesem Lindauer Bescheid getadelt, daß derselbe sich auf ein Zeugenhör in Grönenbach aufbaue, das anzufechten aller Grund sei; „es sei bei demselben nit zugegeben worden, daß einige wenige uff Fürstl. Kempt. seits ufgesetzte praeliminarstuck ad eruendam veritatem (v. g. ob der Zeug nit unterrichtet, was er sagen solle etc.) an die Zeugen gerichtet worden; die 17 Zeugen rotensteinischerseits seien lauter Rotensteinische Underthanen und größteils calvinischer Religion gewesen und seien nach dem gemeinen Rechte als testes de universitate in sui ipsius et singulorum [76] utilitatem deponentes zu verwerffen; des weiteren seien diese 17 rotenst. Zeugen, so gleich in ihrer Aussage, von wortt zu wortt sagend, nit mehr noch weniger aufsagend, woraus sonderlich zu vermuethen, daß ihnen, was sie sagen sollen, ins Maul gegeben worden seye. Katholischerseits habe man fast lautter frembder Herrschafft Underthanen fürgestellt als Zeugen.“

Aus dem Briefe des gräfl. Fuggerschen Verwalters Zeis an gnädige Frau Gräfin Witwe d. d. 7. Juni 1649 ersehen wir, wie die Reformierten am 6. Juni 1649 zum erstenmal ihr exercitium publice wieder ausübten auf Grund der Lindauer Signatur. Er schreibt nämlich: „Gestern haben die Calviner den 1ten Eingang gemacht mit Ihrer Religion in der verbrännten Spitalkirchen nur in dem blossen Mauerstock unter dem freyen Himmel und dies mit solchem Jubel- und Freudengesang, darvon nit zu sagen; sogar die kleinen Kinder zu 2, 3 und 4 Jahren haben solchem Acte beywohnen müssen. Aber wie sie schon wiederumb die Spitalkirchen erpauen, so mues sie doch erbaut werden, wie sie anno 1624 geweßt den alle Sonntäg und Feiertäg vor diesem hat die Stifftspriesterschafft darinnen den Gottesdienst verrichtet.“ Das mag wohl auch der Hauptgrund gewesen sein, die Furcht, daß die von ihnen neuerbaute Spitalkirche dem Simultangebrauche geöffnet würde, daß die hiesigen Reformierten von der Erbauung der Spitalkirche abstanden und ein neues sog. Predigthaus mit Prädikantenwohnung an einer ganz neuen Stelle – jetziges Gartenlokal zum „schwarzen Adler“ – errichteten, was wieder als „novum opus“ große Dissidien heraufbeschwor.

Aber nicht bloß Jubel und große Freude über Zulassung des exercitium calvinisticum erregte dieser Lindauer Erlaß bei den Reformierten, sondern es wurde dadurch auch das alte Gelüste und Begehren nach des Stifts Einkommen – Zehenden und Gilten –, die sie zur Hälfte für sich und ihre Herrschaft beanspruchen und festlegen wollten, wieder wachgeweckt. In dem angezogenen Briefe des Verwalters Zeis vom 7. Juni 1649 heißt es nämlich: „Nun will der alte Erzcalviner Weidlin solchen Lindauer Beschaid, daß nämlich die H. Grafen Fugger und die v. Pappenheim das jus patronatus, die Lehenschafft, Kastenvogtey und Stifftsadministration beede Herrschafften je zum halben Theil haben sollten, wie es am 1. I. 24 gewesen, dahin extendiren, seiner gdg. Herrschafft gehöre das halbe Stiffts- und Heiligen-Einkommen in allen Fällen, an Renten, Zinsgülten, Zehendten u. dergl. und laßt sich schon allbereits verlauten, bis künfftige Erntezeit werde Er den halben Zehendt vom Feld hinwegnehmen; die H. Grafen Fugger [77] könnten den anderen halben Theil hinthuen, wo sie wöllen. Item soll dem kath. Meßner das halbe Einkommen genommen werden, desgleichen auch dem H. Dechant des Stiffts, welches nun alles recte wider anno 1624 und das uralte Herkommen wer, denn anno 1615 bis 1619 seien dem calvinischen Prädicanten mehr nit als von des Stiffts Einkommen 200 fl. an gelt und etliche Klaffter Holz gegeben worden und wann nun diesem Wesen nit bey Zeiten und sonderlich nicht noch vor der Erndt gesteüert und vorkommen wirdt, gehet der Stifft ganz zu grundt, massen der H. Dechant sich allbereits habe vermerken lassen, wann von Ew. gräfl. Gndn. und von beeden hochansehenlichen Conservatoren Er bey dem Stifft und dessen Einkommen nit besser geschützt werde, wolle Er sich anderwärts umb ein Condition bewerben und ist gewiß gdg. Frau Gräfin, wenn man dem alten Weidlin nit anderst und mit Macht wird begegnen, thuet er solche Sachen gewaltetiger Weis tentiren, deren Er in Ewigkeit noch nie berechtigt gewesen.“

Wie sehr der Fuggersche Verwalter recht hatte in diesem seinem Schreiben vom 7. Juni 1649 mit dem Vorfahren des rotensteinischen Verwalters Gg. Weidlin, beweist das Schreiben der Fürstl. Kemptischen Räte an den Augsburger Kanzler Johann von Beichelring den 31. Juli 1649, worin sie mitteilen, „daß der rotensteinische Verwalter Weidlin bey der inzwischen eingefallenen Ernte seine Leute inhibire, den Zehend an das Stifft zu zahlen, und bereits daran gehe, eine neue Kirche zu erbauen, was doch alles gegen das Instrumentum pacis seie, darumb solle conjunctis viribus vorgegangen werden; man habe bereits bey Kays. Majestät ein Inhibitorium gegen die Calviner nachgesucht, ebenso bey den 2 H. Commissarii“; dabei bemerken die Räte lakonisch: „Es fehlt eben am meisten bey uns an der notwendigen spesa, dahingegen der widersprechend theil Hilf und Befirderung erlangen.“ Ja selbst der bischöfl. Generalvikar in Augsburg wandte sich in einem Brief vom 30. Juli 1649 an den alten rotensteinischen Verwalter Weidlin, worin er demselben, „da er von ihm gehört, daß er den Zehend an das Stüfft Grönenbach zu geben seinem Anhang abgeraten und verbotten, droht, daß gegen ihn als reum fractae pacis verfahren werden würde und worin der Generalvicar in 3 Tagen Antwort gewärtigt, ob Er, Weidlin, sein dem Friedensschluß zuwiderlauffendes Attentatum einstellen wolle und die Gebühren an das Stifft verabfolgen lassen wolle oder nit.“ Ja, das gefürstete Stift Kempten mußte am 31. Juli 1649 ein Signat nach dieser Richtung hin erlassen, „des Stiffts Grönenbach, des Mesners- und Hailigen Gefall betreffd.“, folgenden Inhalts: „In crafft des Kays. [78] protectorii und auf grund der hohen Obrigkeit wird allen rotensteinisch-pappenheimischen Underthanen befohlen, den dem Stüfft Grönenbach und Heiligen schuldigen Zehend, Gült und Zins zu entrichten, da man vernommen, daß Weidlin Arrest darauf gelegt und diese Zahlungen an das Stifft als rothenst. Verwalter verboten habe. Würde auch sich einer oder der andere gelüsten lassen, gemeltem Stifft die Schuldigkait zu waigern, solle es bey solchen neben vorbehaltener schwerer Straff wieder unausbleiblich aufs neue gesucht und gefordert werden. Deßgleichen legten die anwesend Gaistl. und weltl. Räth des Stiffts Kempten am 31. July 1649 an die beeden Kays. subdeleg. Commissarii Bischof v. Constanz und Herzog v. Württemberg gegen Weidlin Beschwerde ein wegen einer neu aufzubauenden Kirche reform. religionis zu Grönenbach. Dem am 19/9. May ertailten beschaid der beeden Kays. Commissarii direkt entgegen understehen sich der pappenheimisch Verwalter Weidlin und sein Anhang, statt, wie der beschaid (Lindau) lautet, das Simultaneum in der Spitalkirche zu üben, also die alte verbrannte Spitalkirche im Verein mit den Katholiken wieder zu erbauen, iezt auf einen gantz absonderlichen Platz nächst der Stifftskirche zur Hinderung des kath. Gottesdienstes eine neue Kirch oder Predighaus aufzubauen und zu solchem und allem deß Stiffts Zehenden und Gefäll bey den Calvinern de facto und eigentettig wider das kundbare Herkommen und in anno 1624 1mo Januario auch vor und nach ruhig gehabten possession Arrest zu nehmen und hiedurch das kath. Exercitium aus Mangel notwendiger hiezu gestiffteten Unterhalts bald gar aufhören müeßt und wegen neuen Anbau gehindert würde; bitten daher um eine Inhibition gegenüber Weidlins novum opus im Kirchbauen an dieser neuen Stell und Arrestirung der Zehendten.“

Gegenüber diesem allem suchten sich nun die rotensteinischen Beampten, Weidlin an der Spitze, „in einem vom 1./11. August 1649 abgefaßten Requisitions Zeddel, insinuirt durch Notar Josaphat Weinlin, Bürger und Rathsschreiber der Reichsstadt Memmingen, zu rechtfertigen. Fürs erste legten sie vor diesem Notar enixissime Protest ein gegen das Einspruchsverfahren des fürstl. Stiffts Kempten in sachen Arrest der Zehenden und Neubau des calv. Predighaus; protestiren im namen des H. Philipp v. Pappenheim ihres Herrn. 2. Sie hätten dem Stifft Kempten in bürgerlichen und in Civilsachen kein Gelübde gemacht, sondern ihrem gdg. H. v. Pappenheim. 3. Die landesfürstl. Obrigkeit des Stiffts Kempten über Grönenbach sei durch den Vertrag anno 1575 – aufgerichtet zwischen Stift Kempten und den [79] Reichsmarschallen von Pappenheim – nicht mehr bestehend. 4. Nur die malefizische Obrigkeit sei dem Stifft Kempten reservirt und auch diese nicht absolut, sondern auf gewisse Fälle eingeschränkt.“

Am 8. August 1649 schrieb Dr. Gg. Koberlin, Geschäftsträger des Bischofs von Konstanz, an die fürstl. Räte Kempten in dieser Grönenbacher Calviner Neuwirrsache, er lebe der Hoffnung, daß, wie sein Herr, der Bischof von Konstanz, so auch der Herzog von Württemberg cooperieren werde, daß der alte rotensteinische Amtmann Gg. Weidlin in den Schranken des status quo von 1624 gehalten werde, und bemerkt schließlich: „Ist kain Mittel dem Cathol. H. v. Pappenheimb das Gewissen in diesen Sachen zu schärfen, damit sie den Calvinisten den Zaum nit zu weit lassen?“


21. Rückkehr der Erben Philipps von Pappenheim, der Marschälle
von Pappenheim, zur kath. Mutterkirche i. J. 1645 und ff.

Die Erben Philipps von Pappenheim, aus einer Zweiglinie der Erbmarschälle von Pappenheim, kehrten 1645 wieder zur Mutterkirche zurück und wurden wieder Katholiken, hatten aber nicht den Mut, die Gegenreformation auch in Grönenbach, Herbishofen und Theinselberg durchzuführen, aus Furcht vor dem Testament Philipps von Pappenheim, indem sie vermeinten, es könnte ihnen dadurch seitens der lutherischen Glieder der Familie Pappenheim Schwierigkeiten erwachsen, sogar das Erbe ihnen verloren gehen. Im Jahre 1649 am 21. Juli schrieb der Administrator des Stifts Augsburg an den Grafen Philipp von Pappenheim und beschwört ihn, „in seiner lieben alten katholischen Voreltern Fußstapfen und hinterlassenen gottseligen Dispositionen, ihm dem Administrator, dem infolge Conservatorium die Erhaltung der kath. Religion und des Stiffts Grönenbach heilige Gewissenssache seye, behilflich zu sein, daß das Stifft Grönenbach wieder sein volles Einkommen erhalte wie im Normaljahr 1624 und kein Theil davon für Unterhalt eines uncatholischen Prädicanten verwendet werden dürfe, und soviel möglich die vorhabende aufferbauung einer neuen calvinischen Kirch verwerffen helffen.“ Im Antwortschreiben des Grafen Philipp von Pappenheim an den Administrator d. d. 10. August 1649 erklärte derselbe rundweg, „daß er, obwohl Katholik, seine Pappenheimb’schen Unterthanen in Grönenbach das ihnen durch Kayserl. Commission zugesprochene Exercitium calvinisticum nicht abthuen und auch aus demselben Grunde den Aufbau einer neuen Kirche nicht verwehren könne; das sei er dem Testament Philipps von Pappenheim, dem Instrumento pacis, dem Lindauer Beschaid der Executoren [80] und Commissarii schuldig, und des weiteren die Rücksichtnahme auf seine Agnaten, die demselben (calv. oder luthrischen) Glaubensbekenntnisse zugehören, lege ihm Hindernisse.“ In ganz gleichem Sinne schrieb der Vetter vorgenannten Philipps von Pappenheim, der ebenfalls wieder katholisch gewordene Wolff Philipp von Pappenheim, an den Stiftsdekan Nikolaus Brunner in Grönenbach d. d. 4. Mai 1649, der mit der gleichen Bitte und derselben Insinuation wie der bischöfl. Administrator an Philipp von Pappenheim herangetreten war, in dessen Namen ablehnend und negative. Es soll hiemit den beiden Erben des Reformators Philipp von Pappenheim anmit kein Vorwurf erwachsen, aber was eben Philipp, Reformator in Grönenbach, tun zu dürfen sich für berechtigt hielt, das gleiche Recht der Gegenreformation hätten diese beiden kath. Erben Philipp und Wolff Philipp ebenfalls gehabt, da zudem in diesen Jahren und weit länger noch der barbarische Grundsatz Geltung hatte: „Der Landesherr bestimmt die Religion seiner Untertanen, und wer sich nicht fügt, der fliegt.“

Unter Wolff Philipp wurde auch die Theinselberger Kirche, die der hl. Afra, Martyrin, geweiht war und in den Besitz der Calviner übergegangen war, wiederum den Katholiken zurückgegeben. Im hiesigen Pfarrarchiv in einem alten Matrikelbuche ist folgender Eintrag darüber: „Deo optimo Maximo, Omnipotenti sit sempiterna Laus, Honor Virtus et Gloria. Ad perpetuam rei memoriam. Ego indignus Canonicus Philippus Jacobus Ettlinger, Tyrolensis, Suazensis cum assistentia divinâ nec non Illustrissimi Comitis de Pappenheim (Wolff Philipp) primum sacrum in Aedibus S. Afrae in Deisslperg (Theinselsberg) die 9. Februarii 1663 legi et ex Calvinistico gremio ac potestate has sacras aedes obripui ac in integrum quisquis successor restituet.“ Aber schon 1666 räumte Wolff Philipp zu Pappenheim, Landgraf zu Stühlingen, auf Vorhalt von Churbrandenburg, Chursachsen, Braunschweig und Hessenkassel, die sich auf Anruf seitens der dortigen Prädikanten in Herbishofen und Theinselberg der Calviner dieser Gegend annahmen, diese St Afrakirche zu Theinselberg wiederum dem Exercitium calvinisticum ausschließlich ein.

Von diesen Kämpfen der Katholiken und Calviner um den Besitz der St. Afra-Kirche auf dem Theinselsberg in diesen Jahren gibt auch Kunde der herzliche Brief, den die Witwe-Mutter des Wolff v. Pappenheim d. d. 12. März 1663 auf Schloß Rotenstein schreibt, worin sie bemerkt: „Es werden gewiß die Unterthanen dem H. Sohn eine Supplication yberschicken; es ist nämlich neulicher Zeit des Herrn Sohnes Unterthanem ainem, so catholisch, das Weib gestorben; so hat man ihr

[81] den Dreissigsten auff dem Theinsselberg in der Kürchen gehalten, so seynd sie allweil zu mir (nach Rottenstein) geloffen und gebetten, Ich solle sie (Reformirte) wiederumb predigen lassen in der Kürchen, so hab ich aus besserem Friedens gesagt, Ich wölle auf Guetheissen des Herrn Sohnes predigen lassen; doch sollen sie (Reformierte) den Catholischen unterdessen

Muttergottesaltar in der kath. Pfarrkirche zu Grönenbach.

nichts an den Weg legen und sie in der Kürchen auch ihre Sach verrichten lassen, welches sie gar wohl zufrieden sind gewesen und jetzunder wie Ich hör, wollen sie an H. Sohn suppliciren, daß man Ihnen (Reformierten) die Kürch wiederumb allein lasse. Ohnmaßgebung gebe Ihnen der H. Sohn gar keine Antwort oder aber schreibe Ihnen auf ihre Supplication, wann der H. Sohn heraufkomme, woll er es alsdann schon machen, daß es recht seye; es seind nur zween oder drey und die zween Prädicanten, die es also anstifften.“ Diese Witwe Mutter war die am 24. Dez. anno 1665 nach 12wöchentlicher Krankheit fromm im Herrn verstorbene Dmna Dmna Anna à Westernach, Vidua, geb. Marschallin v. Pappenheim, Administratrix pro tempore in Rotenstein, die mit großem Pompe in der Stiftskirche vor dem alten St. Anna-Altar (jetzt Muttergottes-Altar) feierlich beigesetzt wurde. (Pfarrakten Grönenbach.)

[82] In einer Urkunde des bischöfl. Archivs zu Augsburg d. d. 15. Juni 1686 bittet der Stiftsdekan von Grönenbach um die facultas celebrandi (Messe lesen zu dürfen) im Schlosse Rotenstein, „da Herr Graf Carolus Gustavus, Eltister Erbmarschall von Pappenheim, nach dem Schloß Rotenstein am 15. Juni 1686 gekommen ist, um dort einige Zeit zu subsistiren; die Messe soll in einem Ehrlich bereiten Zimmer super portatili gehalten werden, da es ja auch schon dem Herrn Vater hochseligen Andenkens gleiche Gnade vergunnt gewesen.“ Die Herren von Pappenheim auf Rotenstein kehrten also wieder zur kath. Mutterkirche zurück, nicht so deren Untertanen, die dem schweizerischen Neuglauben weiter anhingen; cfr. Stammtafel der Pappenheimer nach dem bischöfl. Archive.


22. Fortgang der religiösen Streitigkeiten bis zur Ravensburger Signatur vom Jahre 1649–1650.

Wie schon oben erwähnt, strengten sich die Konservatoren des Grönenbacher Kollegiatstifts, Fürstbischof von Augsburg und Fürstabt zu Kempten, im Verein mit dem Grafen von Fugger zu Grönenbach merklich an, darzutun und immer wieder neue Beweise gegen die Unrechtmäßigkeit der sog. Lindauer Signatur zusammenzutragen und diese Signatur zu Fall zu bringen. Selbstverständlich war bei den Reformierten hier das Gegenspiel zu treffen und suchten dieselben, besonders in ihrem Kampf um Sein oder Nichtsein, um die Erlaubtheit ihres schweizerischen Exerzitiums darzutun, sich auf zwei Aktenstücke zu stützen: erstens auf den rotulus testium, d. d. 17./27. April 1649, indem, wie sie behaupteten, durch ihre 17 Gezeugen erwiesen, daß am 1. Jänner 1624 sie ihr exercitium calvinisticum publice ausgeübt hätten, und zweitens auf die von ihren zur Restitutionssuchung aufgestellten Bevollmächtigten eingereichte summarische Geschichtserzählung: Continuatio von anno 1621 bis 1637, d. d. 24. Martii 1649.

„Nachdeme am 3./13. Septembris anno 1621 der fürstl. Stift Kempten den H. Reichserbmarschallen Herren zu Pappenheimb und ihren zu der Herrschaft Rottenstein gehörigen Unterthanen im Illerthal und Pfarre Grönenbach das seither anno 1559 allda geruewiglich wohlhergebrachte reformirte Augsburgische ?? Religionis-Exercitium und die Pfarrkürchen wegen daselbsten vermög Vorträgen mit gewisser maßhabender Malefizischer Obrigkeit mit gewalt gesperrt, hat man ex parte Pappenheimb bei der im Dezember bemeld. Jahres zu Augsburg mit Kempten gepflogener kaiserl. Commissionshandlung dieses als ein attentatum geklaget, daselbsten auch ein Interimsmittel vorgeschlagen und von beeden Theilen [83] besag. Commissions Abschiedt ad referendum angenommen, aber Kemptischerseits nit ratificirt, sondern noch dazu am alten neuen Jahrestag anno 1622, als die Pappenheimbische Unterthanen ohne einichen Prediger oder Predig ihr christlich Gebet und Gesang in der Pfarrkirch verrichtet, mit etlich hundert bewährten Männern zu Roß und Fuß zu Grönenbach eingefallen und die Kirchen noch besser versperrt worden. Dieweilen dann die H. Reichserbmarschallen sich des zu Grönenbach von soviel Jahren hero, ohne einiche Unterbrechung in stiller possession und Gewähr hergebrachten reform. religions exercitii darzugehörigen halben Stifts, darüber habenden juris patronatus, Lehenschaft und Castenvogtey ohne vorhergehende rechtliche Erkanntnus und darzu in praejudicium litis in Camera Imperiali pendentis und aufgerichter hochbeteuerter Verträg als de facto nit entsagen lassen könnten, sondern vermög ihres abgeleibten Veters H. Philippsen Erbmarschallen hinterlassenen letzten Willens laut Extract 1. schuldig sind, solches Alles nach eußerstem Vermögen zu manuteniren, so haben demnach wohlgedachte H. Reichserbmarschallen bei deme in anno 1622 und 1623 zu Regensburg gehaltenen Chur- und Fürstentag die R. K. Majestät umb allergnädigste Inhibition wider den Abt zu Kempten allerunterthänigst gebeten und verlangt, daß Ihren F. Gnd. besagt. Kayserl. Inhibitionsschreiben von Dato 9. II. 1623 ernstlich bevolchen worden, die klagenden Reichs-Erbmarschallen bey ihrem anno 1577 aufgerichten Vertrag Nr. 3 und desselben üblich hergebrachter Observanz solang unturbirt und ungestraft verbleiben zu lassen, bis in ordentlichen Rechten ein Anderes erkennt und ausgeführt werde.

Solchem nach haben die Erbmarschallen ihren reformirten Prediger H. Adolph Langhans in der Spitalkirchen zu Grönenbach ufgestellt und allda predigen lassen, auch hiezu einen aigenen Meßner Hanß Heußen verordnet. Hierauf F. F. Gnd. Gndn. zu Augsburg und Kempten bei der Röm. Kayserl. Majestät und dero hochlöbl. Reichs-Hofrat ein Mandatum restitutorium cum Clausula des Stiffts Grönenbach halber sub dato 6. Juni 1623 sub et obreptitie erworben, darwider Erbmarschallischer Seiten solche erhebliche Exceptiones eingewendet worden, daß die H. Impetranten einichen obsiegenden Beschaidt nicht erlangen können, sondern die Sach also ersitzen lassen müssen, bevorab weilen allda mit des H. Prälaten zu Kempten eigenen an H. Bischoffen zu Augsburg abgegangenen Schreiben erwiesen, daß H. Prälat zu Kempten ultro bekennt, sie beede Fürsten können die H. Reichs-Erbmarschallen Ihrer habenden Stiffts-Administration zu depossessioniren weder in Krafft Kayserl. Conservatorii noch weltlich hoher Obrigkeit in Rechten ohne befahrende Restitution nicht behaupten noch verantwurten, dessenungeachtet haben Ihre F. F. Gndn. Gndn. den 8. August 1624 den Erbmarschallischen verpflichten weltlichen Schaffner bemeldten Stiffts Hans Jacoben Stollenmayern unter dem Fürwandt einer Visitation und angemaßter hoher Obrigkeit durch gewaltätige Betrohung, vermög bevelchs (4) die Stüfftsschlüssel, urbaria, Register, Rechnungen und andere briefl. Documente abnehmen und solches dem vermeinten Dechant Andreas Epplin übergeben und einantwurten lassen, welche fürgangene Tätlichkeit[WS 4] H. Maximilian Erbmarschall Ihren F. F. Gd. Gd. den 29. Sept. anno 1624 (5) widersprochen und angehalten, alles Abgenommene wiederumb restituiren, inzwischen aber einen absonderlichen Stiftseinnehmer H. Thomas Hörmann, [84] geweßten Spitalschreiberen zu Memmingen verordnet, denselben von den Pappenheimisch Rotensteinischen Underthanen alle dem Stifft schuldige Zins, Rent, gült und Zehenden einziehen und das Evangelische Ministerium davon unterhalten lassen.

Es hat aber der Fürstl. Stifft Kempten nit allein am 16. Febr. 1624 den evangelischen neue bestellten Meßner Jergen und Michael Heußen, Vater und Sohn, gefänglich nacher Liebenthann geführt, examinirt, allda etliche Tag gefangen gehalten und letztlich wieder entlassen (6), sondern auch den 23. Dez. anno 1625 durch einen schriftl. Bevelch (7) den reformirten Prediger zu Grönenbach gar ausgeschafft und den 26. Martii gefänglich nach Liebenthann schleppen, allda ihne eine Uhrfehde, Azung und Geldstraf abnötigen lassen (8). Was dann zur Erledigung besagts H. Predigers hierunter für Schreiben gewexelt worden seien, besagen Belege 9, 10, 11, 12, 13. Weilen nun kein reform. Evangelischer Prediger zu Grönenbach mehr geduldet werden wollen, so hat H. Maximilian Erbmarschall einen anderen der Augsburger Confession aufgestellt, so H. Johann Hörmann zum Prediger angenommen, und solches dem Fürstl. Stift Kempten notificirt. Es haben aber Ihre F. F. Gd. Gd. zu Augsburg und Kempten denselben ebensowenig als zuvor den Calvinischen allda leiden wollen, sondern gleichfalls innerhalb 8 Tagen wiederumb zu amoviren und der Religion halber in Grönenbach nichts zu innoviren begehrt, allermaßen aus den deswegen hinc et inde gewechselten Schreiben 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23 weitläufiger zu finden. Hierauf hat H. Maximilian Erbmarschall den Herzogen zu Württemberg als Kreis-Obristen umb Hilf und Rat angerufen, ihre F. Gndn. auch wieder geantwurtet und zugleich nach Augsburg und Kempten geschrieben 24, 25, 26. Diesem nach ist uf 3. Mai 1626 ein gütl. Tractation nacher Dillingen veranlaßt und daselbsten diese Sachen jedoch uf der nit erscheinenden Interessenten Ratification ein Vertrag aufgerichtet worden 27, 28. Jedoch ist solcher Vertrag ex parte Augsburg, Kempten und Fuggers wiederumb retrahirt und abgeschrieben worden. Es ist aber der aufgestellte lutherische Prediger H. Johann Hörmann in seinem in der Spitalskirchen anvertrauten Kirchendienst bis anno 1629 uf sein Ableiben verblieben, hernach an seine Statt H. M. Johann Jacob Trautmann von Tübingen erfordert und beede H. Prediger sampt dem Schulmeister und Meßner von den Stiftsgefällen besoldet und erhalten worden.

Den 13. Octobris 1627 auf H. Maximilian Erbmarschallen beschehen untertänigs Anrufen haben Ihre F. Gdn. zu Württemberg beeden Fürsten zu Augsburg und Kempten abermalen zugeschrieben, bei den Ihrigen die Tätlichkeiten wider Ihren H. Erbmarschallen abzustellen und sich dies orts an vorhin ergriffenen Auftrag rechtens begnügen zu lassen, 29 und 30. Den 11./21. Aprilis anno 1632 haben die Reichs Erbmarschallische Rottensteinische Beampten Ihre F. Gndn. zu Kempten untertänig ersucht, Ihres H. Antecessoris angelegte Verbot zu Grönenbach geruewiglich hergebrachten reformirten evangelischen Religions Exercitii und dem beigefangenen Prediger abgetrungene Uhrfed zu casssieren, das Evangel. Exercitium unverhindert in der Pfarrkirchen forttreiben und dem Prediger sein abgenommenes Geld restituiren zu lassen, weilen aber Ihre F. Gdn. damalen abwesend sich hierüber nit resolvirt, ist dem anwesenden Kapitularen H. Joachim Freiherren zu Gravenegg hierumben [85] zugeschrieben und von selbem antwurt erteilt worden. Nr. 31, 32, 33, 34. Nichtsdestoweniger haben die Reichs Erbmarschallen mit Wissen und Willen des Grönenbacher Stiftsdechants und Fugger’scher Beamten einen reformirten Prediger H. Jacob Preussern wiederumb in die Stiffts Kirchen und zugleich auch ins Stifft Grönenbach einen weltlichen Schaffner Johann Weidlin einsetzen lassen. – Nachdem aber ermeldter installirter Stifftsschaffner göttl. Willens nach Totsverfahren, hat der damalige Stifftsdechant sein Schaffners hinterlassene Witib ohne einichen habenden Befelchs eigens Gewalts die Stifftsschlüssel abgenommen und die weltliche Administration wieder an sich gezogen, nicht weniger nachmalen anno 1637 neben dem Fugger’schen Verwalter den Evangelischen die Pfarrkirchen de novo versperrt und darauf erpracticirt, daß bald hernach im August und September besagts Jahrs unterschiedliche Gewalttaten und feindliche Ein- und Überfälle zu Grönenbach beschehen, deswegen etliche Schreiben mit Augsburg und Kempten und Fuggern gewechselt, jedoch damit nichts ausgerichtet worden, – welche summarische Geschichtserzählung den Pappenheimischen zur Restitutionssuchung Bevollmächtigten zu bässerer Nachrichtung also zusammengetragen worden.“

Inzwischen war der Neubau des reformierten Predigthauses (im jetzigen Hofraum des Adlerschen Gasthauses) soweit fortgeschritten, daß laut Schreiben des Fuggerschen Verwalters an Herrn Grafen Bonaventura Fugger d. d. 9. Sept. 1649 von demselben vergangenen Sonntag Besitz ergriffen worden wider alles Kontradizieren und Protestieren, da, wie sich die fürstl. Kempt. Räte in ihrem Schreiben d. d. 12. August 1649 an den Stadt Augsburgischen Kanzler Dr. Johann Beichselring ausdrückten, „die Reformirten eben der Zeit ganz stolz und aufgeblasen seind, indem sie sich auf ihre militärische Defensiones religionis (Schweden- und Franzosenabteilungen lagen damals noch im Lande) verlassen, wie denn als das Inhibitions-Patent zu Grönenbach angeschlagen, es gleich durch etliche schwedische Soldaten mit großer Indignation abgerissen worden ist.“ Durch das fortwährende Drängen, Protestieren und Kontradizieren gegen den Lindauer Signaturabschied und seine Bestimmungen seitens des Bischofes zu Augsburg, des Fürstabtes zu Kempten und der Grafen Fugger sahen sich die Abgesandten der beiden kaiserl. Subdelegierten des Bischofes zu Konstanz und des Herzogs zu Württemberg veranlaßt, auf dem Kreiskonvente in Ulm an des Herrn Grafen Ott Heinrich Fugger hinterlassenen Erben nachfolgendes, im Auszug wiedergegebenes Schreiben zu richten, d. d. Ulm, 3./13. Juni 1650: „Da noch zwischen Grafen Pappenheimb und Fugger in etlichen Puncten ex capite amnestiae et gravaminum Differenzien enthalten, solches auch bei dem noch wehrenden Nürnberger Tractaten vorkommen, seien die 2 Kayserl. subdelegirten Commissarii ersucht worden, daß sie crafft obhabender Kayserl. Commission [86] hierunter die Gepühr richten, so haben uns Räthen die 2 Kayserl. Commissarii aufgetragen, daß wir bei noch wehrenden Craiß-Convent uns einer Mahlstadt und gewissen kurzen Termins vergleichen, die beederseits Partheien citiren und solche Restitutionssach dem Instrumento pacis gemeß exsequiren sollten. – Die H. Räthe der beiden Commissarii bestimmten 26./16. Juny und als Ort Ravensburg, ersuchen H. Grafen Fugger, jemand Bevollmächtigten mit genugsamber Instruction, Gewalt, Vollmacht und Mitsichbringung der benöthigten Documenten und auch etwas Geldmitteln zur Erstattung der Zöhrungs- und Reisekosten zu schicken.“ So erfolgte denn nun die Zusammenkunft in Ravensburg und die wichtige Signatur, die aber ebenfalls den religiösen Reibereien und Streitigkeiten rechtlich kein definitives Ende bereitete für Grönenbach.


23. Ravensburger Signatur d. d. 2. Juli/21. Juni 1650.

„Demnach über die in des heyl. Röm. Reichsstadt Lindau ferndigen Jahres vollzogene Executions Commission und darüber erteilten Signatur beeden des hochlöbl. schwäb. Kreisausschreibenden Fürsten, von denen ad punctum gravaminum et amnestiae und dessen zu Nürnberg deputirten gewester Churfürsten und Ständ Vollmächtigten Räten und Gesandten etliche zwischen dem hohen Stifft Augsburg und Grafen von Pappenhaimb vorlaufende Klagen, die Kirch zu Grönenbach, Zehenden und andre Jura betreff ad cognoscendum et exsequendum unter dem dato 11. Febr. negsthin zu kommen, hierauf auch zu deren deßwegen uf den 26. Juni in des H. Reichs Stadt Ravensburg angestellten kays. Subdelegations Commission H. Administrator gedachten hohen Stiffts Augsburg neben dem H. Abbten des fürstl. Stiffts Kempten auch die HH. Grafen Fugger an einem sodann die gesammbte H. Grafen von Pappenheimb andernteils nacher Ravensburg vertaget und selbige durch ihre allerseits abgeordnete Gewalthaber erschienen, als haben hochgedachter Ihre Fürstl. Fürstl. Gndn. Gndn. subdelegirte endesunterschriebene Commissarii die Parteien in ihrem Vor- und Anbringen zu Genüge angehört vernommen und wie hernach folgt entschieden:

Erstlichen obwohlen beede fürstl. Stifter Augsburg und Kempten unterschiedliche Behelf, warum der Reformirten Exercitium zu Grönenbach nit wieder zu gestatten, eingeführt, so haben doch gedachte Kayserl. Subdelegirte aus allem demjenigen, was bei dieser Commission einkommen, keine genugsambe Ursachen finden können, dasjenige was sub dato 9./19. May 1649 in obangeregter Sach bei damals zu Lindau vorgewesten Commission decretirt worden zu rescindiren, deßwegen dieselben es nach der Zeit bei damals erteilter Signatur bewenden lassen, weilen hingegen

2. zum anderen unstrittig, daß in crafft des Vertrags de anno 1577 in anno 1624 und unvordenklich hero das jus praesentandi die Geistlichen im Stift Grönenbach bey der katholischen Grönenbach’schen Herrschaft [87] gestanden, soll es auch inskünfftig damit also observirt und gehalten werden.

3. Soviel aber drithens den Stifftschaffner und dessen Präsentation betr. sollen die H. Fugger zwar diesmal damit den Anfang machen; inskünfftig aber soll es beim Vertrag und darin versehener Alternation bleiben, doch allzeit katholische subjecta bestellt und jedesmal von beeden Herrschafften beglübdet werden.

4. Mit Bestellung der Hailig Pfleg viertens und Aufrechnung deren Rechnungen soll es hinfüro wieder wie vor diesem gehalten, der Vertrag und das alte Herkommen observirt, die Hailig Rechnungen beeden Herrschaften zumahl erstattet, aber de praeterito dieser und anders gegen einander prätendirte Rechnungen compensirt und aufgehoben sein.

5. Anlangend fünftens die Filial Kirchen Ittelsburg, demnach die Reformirten damahlen nit erweisen können, daß sie in ihr das Exercitium geübt, hingegen die Katholiken in anno 1624 dieselbe allein gebraucht, sollen sie solche auch noch fürders also innhaben und gebrauchen, hingegen die Reformirte sich deren genzlichen enthalten.

6. So sollen auch zum 6. beede Herrschaften miteinander doch salvo processu Camerali einen gemeinen Meßmer zu Grönenbach kath. Religion dem Herkommen gemäß bestellen, welcher beeden Obrigkeiten schwören, auch beeden Teilen die Kirch mit Läuten und sonsten versehen, hergegen die Gefäll von allen Pfarrgenossen einnehmen soll.

7. Aber 7. wird der Spitalmeister zu Grönenbach von dem H. v. Pappenheimb gesetzt und muß beeden Herrschafften iedes Jahr ordentliche Rechnung tun.

8. Weilen auch 8tens der Pappenheimbische Verwalter der Herrschaft Rotenstein und die Seinige der geklagten Gewalttaten und Betrohungen wider die zur kath. Religion getretenen Untertanen und deren Kinder nit geständig, zumahlen sich dergleichen auch fürbaß zu enthalten erkläret und von den Subdelegirten dahin befelcht worden, so hat es dabey sein Verbleiben und werden beede Theil sich hierum dem Instrumento pacis gemäß fried- und schiedlich gegen einander zu verhalten hiemit nochmalen erinnert. Zu Urkund dessen seind dieser Recess wie gleichlautend ausgefertigt und mit der H. K. subdeleg. Commissarii fürgetruckten Pettschafften auch eigenen Hand-Unterschriften bekräftigt, denen zween beeden Parteien zugestellt, die zween andere aber bei der K. Subdelegations-Commission aufbehalten worden.

Actum Datum Ravensburg, den 2. July/21. Juny 1650.
Der Röm. Kayserl. Majestät subdelegirte Commissarii:
Georgius Köberlin. Dr. V. Nicola Miller.[8]

[88] Gegen diese Ravensburger Signatur, die ja im Grunde nur eine Wiederholung und Bekräftigung der Lindauer Signatur darstellt, erhoben sich die Konservatoren, Fürstbischof von Augsburg, Fürstabt von Kempten und Graf Bonaventura Fugger, und legten beim kais. Reichshofrat Beschwerde ein, da die beiden kais. Kommissäre sowohl in Lindau wie in Ravensburg bei der Frage nach dem Zustande in Religionssachen im Normaljahre in Grönenbach präzipitanter gehandelt hätten. Insbesonders energisch trat der Bischof von Augsburg, Sigmund Franz, von 1646–1665, aus dem Erzherzog Österreichischen Hause, und ebenso dessen Generalvikar und Suffraganeus auf, um in der Grönenbacher Gegend den reformierten eingedrungenen Neuglauben wieder gänzlich zu exstirpieren. Schon am 31. Aug. 1651 war den vorigen Kommissären aufgetragen worden, „daß sie das negotium der calv. Prädicanten in Grönenbach erlödigen, ihre Commission ungesaumbter fortsetzen und dasjenige, was der Friedensschluß vermag, zu verfügen.“ Aber seitens des k. Kreisdirektoriums, das seinen Sitz in Stuttgart hatte, wurde die Sache dilatorisch behandelt, so daß bis Jänner 1654 keine Antwort, kein Entscheid über Fortbestandsberechtigung des calvinischen Exerzitiums und Einhebung der Stiftsgefälle erfolgte, weshalb der Augsburger Domherr Rudolf Schad auf des Weihbischofs Gutachten, d. d. 30. Jänner 1654, an Grafen Bonaventura Fugger schrieb, weilen vom Kreisdirektorium in so langer Zeit nichts erfolgt, man solle nunmehr „köcklich“ fortfahren.

Wappen der Grafen von Fugger-Kirchberg.

Interessant ist auch der Versuch seitens des Grafen Bonaventura Fugger, von dem Lindauer und Ravensburger Bescheid und von der Regulierung dieser religiösen Wirren und Stiftsstreitigkeiten seitens der zwei kaiserl. Kommissäre ganz abzugehen und die Sache als reine Privatsache zwischen den beiden kath. Herrschaften Fugger und Pappenheim auszutragen. Genannter Graf Bonaventura Fugger schreibt nämlich von München aus, datiert 3. März 1655, an Fürstl. Gnaden Propst in Ellwangen, das damals mit Augsburg verbunden war, „daß auch Graf von Pappenheimb jetzt zur Einsicht gekommen seye, daß Er [89] durch seine Calvinische Beambte allhie untreu und falsch berichtet worden seye bezüglich des status am 1. Jänner 1624. Fugger und Pappenheimb wollen nun die Religionssachen allhie, so wie es in Wirklichkeit im Normaljahr gewesen, durchführen, und wollen die Sache als eine „reine Privatsache“ angesehen wissen, und nur zur größeren Bekräfftigung solle ein kayserl. Urtel noch erholt werden, event. könne zur leichteren Durchführung dieser Execution auch der Churfürst von Bayern, der ja durch Besitz der Herrschafft Mindelheimb Angrenzer seye, erbeten werden oder aber die 2 Conservatoren des Stiffts Grönenbach.“

Im Jahre 1658 setzte der Bischof von Augsburg energisch ein ratione conservatorii, um das neue helvetische Bekenntnis zu eleminieren; das geht hervor aus dem Konzept eines Schreibens an das fürstl. Stift Kempten d. d. 2. Jänner 1658, worin der Verfasser mitteilt, „daß er mit dem Weihbischoff in Augsburg conferirt und vernommen habe, daß man an seiten des fürstl. Hochstiffts Augsburg dahin inclinire und angelegen sein lassen wolle, wie man das Exercitium Calvinisticum zu Grönenbach gänzlich abthuen möge, massen man mit genugsamb authentischen Documenten dergestalten versehen, daß anno 1624 ermeltes Exercitium niemals dagewesen und kundbar geworden bei der Ravensburger Commission seye „false“ angebracht worden von seiten der Calvinisten. Es seyen auch an die beeden Kayserl. subdeleg. Commissarii unterschiedliche Mandate seitens der Kayserl. Majestät allerhöchst sel. Andenkens dies Falls ergangen, die Sach in den stand des Normaljahrs „wirklich“ zu setzen; bishero aber seye kein Effect zu verspiren.“ Als im November 1658 die calvinische Prädikantenstelle hier erledigt war, schrieb fürstl. Gndn. zu Ellwangen an H. Marschallen Grafen zu Pappenheim, d. d. 18. November 1658: „Er hör, daß der Calvinische Prädicant fort seye und halte dafür, dieser Zeitpunct sei günstig, den Calvinismus in Grönenbach nunmehr genzlich abzustellen; dazu möge H. Graf behilflich sein wohlmögent und vertrauter Orten bey dem Kayserl. Hof à parte pro recomendatione und mehr Bekräfftigung des Stiffts Augsburgs Anbringens einzukommen.“ Graf Wolf Philipp von Pappenheim nun entschuldigt sich in einer Gegenantwort an den Augsburger Generalvikar d. d. 30. November 1660, „daß Er nichts dafür könne, daß wieder ein neuer Calvinischer Prädicant in Grönenbach seye. Er habe weder Rath noch That darzu gethan, ohnangesehen, daß man Fuggerischer Seits vorgebe, Er hette es wohl verwöhren können, da doch weder Ihro hochfürstl. Gndn. von Ellwangen sel. Andenkens als damaliger Administrator noch der Fürstabt zu Kempten, viel weniger der Graf [90] Fugger sich der Sachen recht angenommen, da man doch wohl waist, daß 1624 kein calvinischer Prädicant, vil weniger eine Kirche dagewesen.“

Im Jahre 1665 erwirkte das Hochstift Augsburg vom Kaiser sogar „ein Excitatorium wegen Abstellung des Calvinisch vermeinten religions Exercitii“ in Grönenbach; denn laut Schreiben der bischöfl. Regierungsräte zu Dillingen (bischöfl. Residenzschloß daselbst) an Fürstl. Gnd. Sigmund Franz in Ellwangen d. d. 13. April 1665 machten dieselben Mitteilung, „daß sie das Orginal des Kayserl. Excitatorii wegen Abstellung des Calv. vermainten religions Exercitii in Grönenbach an das Kreisdirectorium nach Stuttgart eingesendet haben; der Erfolg aber lasse lange auf sich warten und so ersuchen sie um Antwort, ob nicht die beeden Herrschaften Fugger und Pappenheimb vigore (in krafft) instrumenti pacis als der Enden ungezweifelte Herrschaft die sachen möchten facilitiren lassen.“


24. Nordische Hilfe für die Reformierten in Grönenbach i. J. 1666.

Nach menschlicher Voraussicht wäre die reformierte Religion in Grönenbach und Umgebung in diesen Jahren ihrem Ende entgegen gegangen, wenn nicht derselben in den protestantischen norddeutschen Reichsständen, deren Hilfe von den Grönenbachern angerufen worden, Helfer entstanden wären. Schon am 20./30. Juli 1666 reichten die Abgesandten der Churbrandenburgischen, Churpfälzischen, Braunschweig-Zellischen, Hessen-Kassel’schen Fürsten auf dem Reichstage zu Regensburg an Wolf Philipp, Marschall von Pappenheim, als Herrn der rotensteinischen und pappenheimischen Güter, eine Beschwerdeschrift ein und formulierten auf eingelaufene Klagen und Beschwerden der rotensteinischen Untertanen in Grönenbach, Herbishofen und Teinselberg die Anklagepunkte an Herrn Grafen: „Hauptklage bildete die St. Afrakirche in Teinselberg; man habe den Calvinern diese ihnen rechtmäßig zugehörige Kirche 1660 gesperrt; 1662 habe man sie allerdings auch ihnen wieder geöffnet, jedoch so, daß bei Begräbnussen, Kirchweyung, Copulationes, Beichtverhörung durch die von andren orthen hier sich eintringenden Priester der kath. Gottesdienst widerrechtlich continuirt werde; ja es seye dem Prediger zu Herbishofen zum 2. male schriftlicher bevelch zukommen, dem römischcathol. Priester den Vorzug bei Verrichtung des Gottesdienstes zu lassen; zu dessen Behilf seye neuerdings ein Altar aufgericht worden; der reformirte Meßner ufm Theinselsberg ist gegen einen kath. Mesner vertauscht worden, wozu noch das Schöne komme, daß der H. Dechant zu Grönenbach einiges Gewalt über den reformirten Prediger anmaßt, [91] zu Grönenbach uf dem Kirchhof den ungetauften Kindern der Reformirten die Begräbnis nicht gegünnt, den Reformirten insgemein aber nur einen einigen Winkel hinter der Kirche zu Begräbnus verstattet, einige die zur reformirten religion treten wollten, mit gewalt davon abgehalten und die reform. Männer, so kath. Weiber haben, ihre Kinder bey den kath. Priestern tauffen zu lassen genötigt, auch den Reformirten keine kath. Ehehalten in Dienst zu haben, Über all das wird H. Grafen v. P. Vorhalt gemacht und H. Dechant aufgefordert, sich vor dem Grafen zu rechtfertigen.“

Am 22. Jänner 1669 schrieb der Churfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg aus Königsberg an Herrn Grafen Wolf Philipp von Pappenheim: „Ihme sei mitgeteilt, daß hauptsächlich auf Betreiben des Bischofs von Augsburg die schon per commissionem Caesaream anno 1649 und 1650 abgethane Restitutionssachen der Reformirten in Grönenbach im Algeio retractirt und von neuem in cognition gezogen werden sollen; Es seye das sehr bedenklich und führe zu bösen Consequenzen, deshalb habe Er, der Churfürst, H. Grafen ersuchen wollen, sich seiner Unterthanen wie bislang geschehen, eifrig annehmen und ihnen wider Recht keine Beschwernus und Bedrängnus zufügen zu lassen und sie bei dem nunmehr bereits 20 Jahr in Ruhe belassenen exercitium zu manuteniren; das vermehre die Devotion der Unterthanen.“ Tatsächlich hatte der Kaiser am 7. August 1668 die Zusage erneuert, daß auf Grund der Eingaben und Beweisstücke seitens des Hochstifts Augsburg nochmals eine neue Kommission eingesetzt werden solle wegen nochmaliger Regelung der Religionsverhältnisse in Grönenbach auf Grundlage des annus normalis. Dagegen erhob sich nun eine gewaltige Beschwerde, und die Grönenbachschen Reformierten setzten alles in Bewegung, um im Besitz zu bleiben und die Kommission zu hintertreiben. Churfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Churfürst Karl Ludwig zu Heidelberg, das gesamte Corpus evangelicum beim Reichstage in Regensburg, die Eidgenossen der Schweiz, die Grafen von Pappenheim wurden angefleht, ebenso die ehem. beiden kaiserl. Kommissäre.

Selbstverständlich war dieser Befehl des Kaisers, dieses excitatorium vom 7. August 1668, keineswegs nach dem Willen der beiden kaiserl. Commissarii; insbesondere wehrte sich gegen diese Insinuation der Herzog von Württemberg, Eberhard; in seinem Schreiben, Stuttgart d. d. 29. März 1669, an den Bischof Franz Johann von Konstanz teilt er demselben als Kompagnon mit, „wie sie beede trotz des eingelangten Kayserl. Excitatoriums in sachen der [92] Wiederaufnahme der Restitutionsklärung für Grönenbach nicht mehr darauf eingehen können; er habe bereits ein Entschuldigungsschreiben an kayserl. Majestät in Beyschluß abgefertigt zur Gegenzeichnung seitens des H. Bischofs, ebenso ein Entschuldigungsschreiben an den Churfürsten von Brandenburg, welcher in einem Briefe vom 22. Jänner 1669 aus Königsberg sich an die beeden Kayserl. Kommissäre um Intercession für die Grönenbacher Reformirten gebeten, da der Augsburger Bischof aniezo eine andere Kayserl. Commission beim Kayser aufgebracht hatte, daß die ex errore erfolgte Restitution in Grönenbach de novo cognoszirt werden solle. 3tens schreibt Eberhardt weiter lege er bey ein Entschuldigungs- und Beruhigungsschreiben an die noch im Regensburger Reichstag versammelten Evangelischen Reichsständ und ebenso 4tens ein Beruhigungsschreiben an die Grafen von Pappenheim, die bey nochmaliger Aufrüttelung dieser Sachen und eventuellen Glaubensänderung in Grönenbach den Verlust ihres Fidei-Commisses befürchteten.“ Herzog Eberhard ersucht den Bischof von Konstanz, er möge ruhig diesen vier Schreiben seine Unterschrift und Zustimmung geben.

In einer Bittschrift vom 15./25. Februar 1669 nämlich hatte sich auch Wolf Philipp von Pappenheim „an die beeden Kayserl. Commissarii gewendet zum wiederholtenmale, da er zu gleichem Zwecke am 31. Jänner 1669 sich, scheinbar ohne Antwort zu erhalten, an die beeden Kayserl. Commissarii gewendet hatte“; in diesen 2 Suppliken betont er, „er müsse fürchten, auf grund des Philippschen Testamentes hin bei einer Glaubensänderung seiner Unterthanen den Besitz seines Fiedei-Commißgutes Grönenbach-Rotenstein-Herbishofen-Theinselberg verlustig zu gehen, wenn eine solche durch die de novo vom Bischoff zu Augsburg beim Kayserl. Hofe erlangte „neue Kommission“ zur Regelung der Religionsverhältnisse durchgeführt werde. Deßhalb bitte er die beeden Kayserl. Kommissäre, sie mögen beim Kayserl. Hofe dahin wirken, daß diese neue Commission aufgehebt und alles beim alten gelassen werde, wie es Lindauer und Ravensburger Signatur festgelegt.“


25. Kampf gegen das Mandatum Caesareum novum de anno 1665 und 1668.

Dieses Mandatum Caesareum oder kaiserl. Excitatorium, das vom Augsburger Bischof ausgewirkt worden war zur Neuregelung der Religionsverhältnisse in Grönenbach und Umgebung, wozu eine neue Kommission gebildet und beauftragt worden wäre, da die ersten [93] 2 kaiserl. Commissarii praecipitanter gehandelt bei der Frage nach dem Zustande in Religionssachen im Normaljahre 1. Jänner 1624, erregte kolossale Unruhe bei den Reformierten hier und Umgebung, da die Fortexistenz ihres Bekenntnisses gleichsam nochmals in Frage gestellt werden sollte; daher ihr allseitiger Hilfeschrei nach dem Norden und zu den Schweizer Eidgenossen. Aber auch die zwei Kreisausschreibende Fürsten, Bischof von Konstanz und Herzog Eberhardt von Württemberg, wehrten sich mit aller Macht; daher richteten sie am 29. März 1669 ein Schreiben an Seine Majestät den Kaiser, worin der kaiserl. Majestät vorgestellt wird, „warum sie beede das am 7. August 1665 ergangene Kayserl. Excitatorium nicht befolgt – sie hätten ihre Pflicht hinreichend bei der Restitution gethan; es seien bereits 20 Jahre inliegend; es würde böse Consequenzen nach sich ziehen, falls diese Frage nochmals aufgerollt werden würde; Churbrandenburg, Churpfalz und die gesamte evangelische Ständ im Regensburger Reichstag und H. Wolff Philipp von Pappenheim und dann mit Zuziehung seines Vetters Franz Christoph von Pappenheim hätten sich alle für den status quô ausgesprochen; auch Kayserl. Majestät werde bei solcher Lage auf Exequirung des Excitatoriums nicht mehr dringen und den status quô belassen; darum bitten sie beede inständig.“

Ebenso schrieben die zwei kaiserlichen Commissarii am 30. März/9. April 1669 zurückgreifend auf das am 22. Jänner 1669 aus Königsberg eingelaufene Interzessionsschreiben des Churfürsten von Brandenburg einen Brief an den Genannten in diesem Betreff, sprechen ihm gebührenden Dank aus für seinen Eifer für Aufrechterhaltung der allgemeinen Reichsruhe, versichern ihm, daß auch sie beide den gleichen Eifer hätten, daß ihnen bei der vom Kaiser übertragenen Kommission anno 1665 nicht wenig Bedenken überkommen wären, und teilen mit, „daß sie beim Kayser Remonstration erhöben und im übrigen alles genüge zu thun und mit Beitrag zu helffen, was zur gemainen Reichsruhe und des so teuren und mühsamb erworbenen allgemeinen Friedens immer dienen und fürträglich zu sein erachtet werden mag.“ Desgleichen schrieben die zwei kaiserl. Commissarii am 30. März/9. April 1669, zurückgreifend auf das am 24. Februar 1669 seitens der „gesampten Evangel. Churfürsten, Fürsten und Ständ annoch zu Regensburg versambleten H. Abgesandten eingereichte Interzessionsschreiben, in obigem Betreff einen Brief, sprechen diesen Herren in gleicher Weise ihren Dank aus für den Eifer um Erhaltung [94] des status quô, damit nicht das ganze bisherige Restitutionswerk über den Haufen geworfen werde; auch sie schrecken zurück vor den schrecklichen Konsequenzen, falls das neue Mandatum ausgeführt werden würde, und geben bekannt, „daß auch sie bei Kayserl. Majestät mit einer Entschuldigung einkommen, daß sie beede fortfahren werden, daß die zwischen allerseits Religionsverwandten sich zur Zeit anhebende Mißhelligkeiten, ehe selbige überhand nehmen, gleich bald in güte gestillt, mithin die höchst schädliche Trennung verhütet und also auch in diesem Kraiß die von Gott uns gegönnte Ruhe erhalten werden möge.“

Der Bischof von Konstanz als einer der beiden kaiserl. Kommissäre, wendete sich in einem Schreiben von Konstanz am 22. April 1669 in dieser Angelegenheit an den Bischof zu Augsburg, „communicirte ihm den Bericht des Churfürsten von Brandenburg, ebenso das Schreiben der gesampten Evangelischen Ständ in Regensburg, deßgleichen das Bittgesuch der Grafen von Pappenheim und den Bericht des Herzogs von Württemberg mit der Bitte, wie und was gestalt die vom Augspurger Bischof auff uns die beeden ausschreibenden Fürsten derentwillen ausgewirkte Kayserl. Commission zu decliniren sein möchte, an ihn, den Constanzer Bischof, gelangen lassen zu wollen; Er werde dem württemberg. Herzog als Mit-Commissär nit ehender antworten als bis Er des Bischoffs von Augspurg vernünfftige Gemütsmeinung erfahren habe und vernommen habe, was Er ihme an die Handt geben möchte.“ Dieser Konstanzer Bischof scheint ein alter, unselbständiger, nachgiebiger, friedliebender Herr gewesen zu sein, während sein Mitkommissär, der Herzog von Württemberg, tatkräftig und sehr für seine Glaubensgenossen eingenommen, ihn immer wieder auf seine Seite zu ziehen wußte, daher in dem „unterthänigen Bericht (Kreisarchiv Neuburg Bd. 395), wie das Calvinische Religionswesen in Grönenbach entsprungen und weitergegangen“ gesagt ist: „Dahero denn und weilen hochermeltes Stüfft Augsburg inständig begehrt, es sollten die beeden ausschreibenden Kraißfürsten das Religionswesen zu offt ermeltem Grönenbach in diesen standt wiederumb setzen, gleichwie es anno 1624 gewesen, solches auch nit allein Ihre Röm. Kayserl. Majest. Ferdinandus der dritte Christlichen Angedenkens sondern auch jetzige Kayserl. Maj. Leopoldus ein allergnädigstes Rescript und Excitatorium sub dato 12. März vergangenen 1665ten Jahres an Hochermelte beede Kreisfürsten ergehen lassen, selbigem aber bis dato kein unterthenigste parition beschehen oder geleistet worden, absonderlich aber man spüren müsse, wann schon Ihro Hochfürstl. Gnaden zu Konstanz das Ihrige gerne hiezu prästiren wolte, daß Württemberg [95] das Seinige darbei nit cooperieren will, dahero dann man der unmaßgeblichen Meinung were, es solte hochermeltes Stüfft Augsburg bey der Römisch-Kayserl. Majestät ad arctiora dringen und super verzögerter justitiam contra Württemberg excipiren, aufbegehren, daß Ihro hochfürstl. Gnaden zu Konstanz ein andrer Commissarius und zwar ein Katholischer möchte adjungirt und also die Execution wirklich vollzogen werden; solches aber von Ihro Majestät desto ehender zu erlangen, hat man dieses motivum einzuwenden, daß weilen der jetzige Reichsmarschall Philipp Graf zu Pappenheimb vor etlichen Jahren in der Kirchen zu Theinselberg das Catholische Exercitium introduzieret.“

Doch alle Anstrengungen des Augsburger Bischofs blieben erfolglos. Das kaiserl. Reskript und Exzitatorium und die beabsichtigte Neuschaffung einer neuen Kommission unterblieb und hatte es sein Bewenden beim Lindauer und Ravensburger Signat. Noch ein letzter Versuch, mit Hilfe des Kaisers die Neuschaffung der Religionsverhältnisse in Grönenbach zu erreichen mit Reszindierung der beiden Signate von Lindau und Ravensburg, wurde laut Fuggerakten im hiesigen Pfarrarchive anno 1690 zur Zeit des Stifftsdechants Moll unternommen. Anno 1690 schreibt Herr Dechant Moll an Herrn Grafen Paul v. Fugger, „daß Er sich nochmal um Auswirkung eines Kayserl. Excitatoriums an die 2 Kayserl. Kommissäre (später Kraißausschreibende Fürsten) wenden solle, daß sie wegen der ihnen ratione exercitii reformati aufgetragenen Commission tätig sein sollten; die Reformirten geben zwar für, sie hetten mit ihren juratis testibus erwiesen, daß das reformirte Exercitium 1° Januario 1624 öffentlich gewesen, und dieses sei durch 2 Commissionen Lindau 1649 und Ravenspurg 1650 richtig befunden worden – ist aber dem nit also, weilen die Katholischen gleich dorten und noch bishero darwider reclamirt und es billig negirt, weilen man absonderlich probirt und erwiesen, daß es nit gewesen; dannenhero etliche Kayserl. rescripta allergnedigst erkennen ad reasumendum negotium in hoc puncto.“ Jedoch auch dieser letzte Versuch 1690 zur nochmaligen Wiederaufnahme der Verhandlungen wegen der Religionslage in Grönenbach im annus normalis 1. Januarius 1624 war erfolglos.


26. Ausklänge der religiösen Dissidien von 1670–1775 in Grönenbach.

Drehte sich in den Jahren 1649–1669 der Streit in Grönenbach zwischen Katholiken und Reformierten um die grundsätzlichen [96] Fragen der Ausübung des Calvinischen Exerzitiums im allgemeinen und um die Rechtsfrage der Erlaubtheit, ein neues reformiertes Predigthaus zu erbauen, so verflachte sich in der Folgezeit der religiöse Streit vom Jahre 1670 ab in einzelne Detailfragen: Sepulturstreit und Katechismenstreitigkeiten. Interessanten Aufschluß darüber gibt uns eine von der reformierten Gemeinde Grönenbach am 26. Mai 1688 an die protestantischen Churfürsten und Stände gerichtete Bittschrift, in welcher die gravamina religionis aufgeführt sind. Schon im Jahre 1687 hatten die Reformierten hier mitsamt den Reichserbmarschallen von Pappenheim beim Regensburger Reichstag Klage gestellt gegen die Eingriffe und verübten Attentate seitens des Kollegiatstiftsdekanes Johann Ulrich Moll; das Korpus der evangelischen Stände beim Reichstage hatte sich infolgedessen an den Augsburger Bischof beschwerdeführend gewendet – Abhilfe aber sei nicht erfolgt, darum Erneuerung der Klagelibell vom Jahre 1688:

„Erwenter Dechant zu Grönenbach verabsaum kein stund, sein unbefuegt landt- und Religionsfried bedrohende Attenta und Turbationes gegen die Reformirten animosé zu continuiren, indem er nit allein den Schuelmeister zu Grönenbach an dem wohlhergebrachten Leichenabdankung auff dem Kirchhof zue Zell beständig auch mit starker betrohung, daß er in Eisen und Banden geschlagen und nach dem Stüfft Kempten gefänglich geführt werden sollte, wann Er, Schuelmeister, sich understehen sollte, den Kirchhoff zu gedachtem Zell bei Grönenbach zu betreten, wie nit weniger uns Reformirte an der Begräbnuß unserer ungetauften Kinder unter die getaufften Gestorbenen etiam vi publica, massen vor einiger Zeit auf seine Veranlassung geschehen, verhindert, sondern auch, welches das größte und beleidentlichste gravamen ist, in der von Ihme nur Erst bei Eintreibung 2 Jahre hero in dem Fugger’schen Schlößlein zu Hezlinshofen, ohne die dazu habendte geringste Befuegnis aus aigenem Capricio und unzeitigem Eiffer eingeführte Schuel- und Catechisation ie länger ie mehr ganz trotzig fortföhrt und nunmehr sowohl die Kinder als alte Leuth bei arbitrarischer Kirchenstraff hineinzugehen und zu frequentiren zwinge ungeachtet dieses eine offenbare Contravention wider den Religionsfrieden und Instrumentum pacis ist, indem allhie landtkündig auch selbst mit allen Katholiken erwiesen werden kann, daß in den Gemeinden Teinselberg und Herbishofen, in welcher Pfarr gedachtes Schlößlein Hezlinshofen liegt, von weit mehr dann 100 Jaren und seit der Reformation die Katholiken nicht ein Tag weder Schuel oder Catechisation noch anderes religionis exercitium, wie das man haben mag publice vel privatim gehabt oder nur prätendirt; Ja Er, Dechant, dieses seine Conduite und Verfahren damit justificiren will, wie Er ohne Scheue und deutlich sich schon öffters hat vernemmen lassen, daß Er zu allen dergleichen Eingriffen und Neuerungen von hoher Handt (wohl seitens der Grafen Fugger) authorisirt sei und Ihme auch Schutz leisten und allerorthen schon vertretten werde – alß ist „die arme bedrängte, verfolgte“ Evangelische Gemaindt in dieser Notlage, sich wieder [97] an das Corpus Evangel. zu wenden; die evangel. Ständt möchten nur noch einmal an den Augsburger Bischof schreiben wegen Remedur. Die arme, bedrängte, verfolgte Evangelische Gemaindt Grönenbach vermeint, daß dieser Dechant so unbillicher und so unnachbarlicher Weisheit zwei Jahren de novo diese Turbolenz und dieses Werk getrieben und eine so große Animosität walten lassen könne, könne seinen grund nur darin haben, daß Er etwa maint, es werden die löblichen Evangel. Ständt sich eines so gering verachteten Häufleins im Allgäu, das noch allein unter Gottes Gnaden mitten unter den Catholischen übrig ist, nicht will annehmen noch sich deren Beträngnuß tief zu herzen gehen lassen, ja es scheint, als habe Er die ganze Sach allbereits dahin genommen, daß ihme inzwischen keine Inhibition von des H. Bischofs zu Augspurg geschehen, sondern ihm sein Will in allem gelassen würde.

Gez. die reform. Evangel. Gemaindten Grönenbach, Herbishofen, Zell und Teinselberg, hochgräfl. Reichs-Erbmarschallisch Pappenheimische Underthanen der Herrschaft Rotenstein.“

Kirche zu Zell mit Friedhof.

In einem Schreiben des reformierten Pfarrers Joh. Würth in Herbishofen, d. d. 19. Dezember 1686, an den Pflegeverwalter in Grönenbach, zeigt derselbe an, „daß H. Dechant von Grönenbach nicht nur mit der Schule zu Hezlinshofen fortfährt, sondern gestern abermalen sein exercitium catecheticum daselbsten abgehalten habe, eine Neuerung, ein Attentatum, ganz ungerecht und unverantwortlich, auch unserer gnädigen Herrschaft zu Höchstem Mißfallen; daher des Pfarrers Würth Bitte, dem H. Stiftsdecan das in Zukunft zu untersagen, damit allem Unrath zeitlich vorgebogen, auch gndgst. Herrschaft billiche Befehl respectiert, dero Ansehen veneriert und habende jura unviolirt erhalten werden“.

So finden sich auch in den hiesigen Pfarrakten Aufzeichnungen de anno 1670 über den Sepulturstreit auf dem Zeller Friedhof: „Underthäniger Bericht, waß sich den 15. January 1670 zu Zell, dem Collegiatstift Grönenbach incorporirt, mit einer Calvinischen Leich zugetragen. Den 10. January ist zu Zell ein Calvinischer Mann namens Hanß Henkel, Schreiner, gestorben; den begerten die Calvinisten und die Catholischen zu begraben, welches aber sowohl von dem Hochgräfl. Fugger’schen H. Verwalter als [98] von mir rotunde abgeschlagen; darauf wollen die Calvinisten ihn nacher Herbishofen (ein Calvinisch Orth doch auch rottenstein. Herrschafft) führen, so wir zugeben, wenn die Calvinischen zu Zell die gebührenden funeralia und was sonsten gebräuchig abstatten wollen; haben also schon das Grab alldorten völlig machen lassen. Nach Einholung vom hiesigen Grönebacher Prädicanten und H. Verwalter Jenisch in Memmingen als dermahlen Rottenstein. Amtsverweser allerhand Consilien, haben sie den 14ten dito morgens umb 7 Uhr eigenthättig mitten unter die Catholischen Grabschaften ein grab anfangen zu machen, darwider fürstl. Stift Augsburg und Kempten, auch beede Gnädg. Herrschaften sowohl Rotenst. als Fugger’sche und Ich durch H. Franziskus Epp Canonicum in optimâ formâ haben lassen protestiren; da aber dieß auch kein Verfang bei den Calvinisten wolt haben, haben wir dießmahl kein ander Mittel zu registriren gewußt als dem fürstl. Stüfft Kempten solche Gewaltthätigkeiten unterthänigst zu hinterbringen; ist auch gleich gebührend geschehen, worauf Ihro fürstl. Durchlaucht und fürstl. Gnaden als Mitconservator unsres Stiffts und landsfürstl. Obrigkeit sich jetzt resolvieret durch Zween mit ansehnlicher schriftl. Instruction verordnete Commissarios als deren Stallmeister H. Baron Brahi und H. Rent- und Kammermeister sambt einer bewehrten Mannschaft mit Zuziehung der Hochgräfl. Fugger’schen Unterthanen den Leichnamb, welchen sie entzwischen in Zell begraben wiederumb auß- und an den von beeden gnädigst. Herrschaften cum consensu secundum ordinem an Ihrem obsignirten Orth eingraben lassen, so auch den 15ten currentis noch beim hellen tag beschehen, und hat sich bei und während der Action, da sie gesehen, daß das Fürstl. Stifft Kempten, den Calvinisten ganz unverhofft, dergestalten verhandle, kein einiger Calvinistischer Mensch blicken lassen; beede Prädicanten (Grönenbach und Herbishofen) haben sich nach Memmingen retirirt und erst da die von Kempten wieder hinweg, sich nach hause begeben.“ Der Dechant bemerkt weiter: „Dieser Tage ist der Prädicant von Herbishofen sambt einem hiesigen Calvinisten verreist, vermutlich naher Augsburg, Ihro hochgräfl. Gnaden dem H. Grafen v. Pappenheimb dieses zu referiren.“

Schon am 19. Februar 1670 erfolgte seitens des damaligen Rottensteinischen Inspektors und Amtsverwalters Jakob Jenisch von Memmingen aus ein Schreiben an den Fürstabt in Kempten, worin ernstlich remonstriert wird gegen diesen Zeller Fall, „da sich Graf Wolf Philipp nicht erinnern könne, daß ein locus separatus für die Zeller Reformierten angewiesen worden und er seine Unterthanen [99] in ihren Rechten beschützen müsse. Zudem habe H. Dechant und gräfl. Fugger’scher Verwalter anläßlich des Todesfalles eines Calvinischen Kindes und dessen Begräbnus an dem gewöhnlichen Ort mit starker Betrohung ausgesprochen, es solle mit weit schärferer procedur als neulich in Zell vorgegangen werden, falls diese Beerdigung des Kindes in geweihter Erde geschehen würde. Deßhalb stellt er an den Fürstabt namens des Grafen von Pappenheimb das Ansinnen, daß derselbe dem Stiftsdechant und gräffl. von Fugger’schen Verwalter hemmend entgegentrete und die jura der Reformirten auch hinsichtl. der bisherigen sepultur gewahrt werden möchten, da derjenige Orth, dahin der Reformierten Begräbnuß vor wenig Zeit her will eingeschränkt werden, vor diesem allein der Armen im Spital zu Grönenbach locus sepulturae gewesen und seiner Enge wegen vor eine gantze Gemeinde nicht tauglich ist.“ – Sehr wahrscheinlich hatten die Spitaliten und Armen im hiesigen Spital im Garten ostwärts gelegen einen eignen kleinen Friedhof, welcher seinerzeit den hiesigen Reformierten zugewiesen werden sollte.

Vom Jahre 1686 führte Philipp Gustav von Pappenheim mit Fürstabt Rupert von Bodmann in Kempten Unterhandlungen, die anno 1692 hauptsächlich durch die unablässigen Bemühungen des Abtes dahin gediehen, daß Rotenstein vom hochfürstlichen Stift Kempten für 60000 fl. eingelöst wurde. Bei diesem Anlaß erwies sich wiederum Friedrich, Churfürst von Brandenburg, als Schützer und Protektor der hiesigen Reformierten, wie aus dessen Schreiben, d. d. Cölln an der Spree 8. Februar 1692, klar hervorgeht. „Es haben ihm die sämmtlichen evangelischen Örter der Eidgenossenschaft in der Schweiz zu vernehmen gegeben, was massen die H. v. Pappenheim gesonnen seien, ihre Herrschaft Rotenstein an das fürstl. Stift Kempten kauffsweise zu überlassen; obwohl nun uns zu wissen, daß diejenigen Lande, so an andre Herrschaft veräußert werden, dennoch die Unterthanen bey ihren hergebrachten Rechten und Gerechtigkeiten gelassen werden müssen, so wollen wir der Zuversicht leben, die Pappenheimer werden auch wegen der in der besagten Herrschafft Rotenstein vorhandenen evangelischen Gemeinden fürnemblich diese Clausel, daß dieselben bey ihrer bisherigen crafft des Instrumenti pacis habendten Freiheit des Exercitii religionis ungeturbirt gelassen werden mögen, gebührendt beobachten, und zwar solches umb so viel mehr, weil wir uns erinnern, daß vor zwanzig Jahren die Catholischen zu Kempten wider die Evangelischen zu Grönenbach und Rotenstein allerhand Verfolgung, Grausamkeit mit Ausgrabung der verstorbenen [100] Evangelischen verübet; daher ermahnt der Churfürst nochmals die Pappenheimer, daß sie sich dieser unserer Glaubensgenossen bei Erhaltung des bisherigen religionis exercitii besondern Fleißes angelegen und empfohlen sein lassen sollen.“

Als die Reformierten in Herbishofen und Teinselberg ihrem Prädikanten Johann Jacob Heideler den Kleinzehent, Lichthaber und Mesner-Salarium seit einigen Jahren verweigerten, hatte sich derselbe an die Churbrandenburgische Gesandtschaft in Regensburg gewendet, und diese Churbrandenburger brachten diese Sache an den Fürstabt Rupert um Abhilfe; im Rückantwortschreiben, d. d. Kempten August 1695, versichert der Fürstabt, „daß es seine Intention sei, daß ein jeder uns und unserem Stifft anheimgefallene Unterthanen und beederseits Religionen zugethanen bei dem seinigen verbleiben könne, daß er die Klagepuncte schon in Untersuchung an sein Hofgericht hinübergegeben, allermaßen wir unseren jederzeit getreu findenden Unterthanen gleiches Recht, Liebe, Schutz und Schirm ohne Ansehung der Religion wiederfahren und in diesen und dergleichen delicaten Religionssachen uns zu keiner widrigen Verhängung leiten lassen, sondern vielmehr mit erforderlicher Präcautionirung und aller regardirungwürdiger Consideration ein solches dergestalt conduiren werdten, daß wir nichts als was das hierin Ziel und Maaß gebendt Instrumentum pacis, Constitutiones, und Fundamentalgesetz des Reichs und die von des H. Churfürsten von Brandenburg hoher Erleuchtung jedeweilen zu nehmen habendte höchstrühmliche Exempla an die handt geben.“ Trotzdem betrachten die Reformierten hier und in der Umgebung den Fürstabt Rupert von Bodmann als ihren Bedrücker. In Stark, „Gesch. der evangel. luth. Landgemeinden“, finden sich nachfolgende Notizen über diesen Fürstabt: „Als die Querelen wegen der Kirche in Theinselberg, wo der Fürstabt wieder einen kath. Pfarrer hingesetzt hatte, nicht enden wollten, wandten sich die hiesigen Reformierten an den König Wilhelm I. von Preußen; dieser ließ das Benediktinerkloster Hammersleben in Brandenburg schließen, schickte die Konventualen fort, konfiszierte ihre Güter und Einkünfte und schickte zwei dieser Benediktiner-Konventualen an den Fürstabt Rupertus in Kempten mit der Weisung, sobald er das Religionswesen der Reformierten in Grönenbach und Theinselberg friedlich gewähren lasse, werde er das geschlossene Kloster den Benediktinern einräumen.“ Das half; Fürstabt Rupertus rächte sich nur zu bald und zwang durch seine Bedrückungen viele Reformierte zur Auswanderung; das Wanderziel war zunächst das Städtchen „Burg“ bei Magdeburg und preußisch [101] Litthauen, wo die Pest gewütet hatte und Boden zum Anbau um billigen Preis zu haben war (also eine Art Salzburgiaden und Dragonaden). Den meisten jedoch ging es kümmerlich; dagegen ging es andern besser, die in die Niederlande (Seeland) auswanderten und sich dort sehr gut fortbrachten. Laut der Wolterschen Chronik von „Burg“[9] wanderten 1697 von Schwaben nach Burg: Jakob Weiß, Jakob Manz, Johann Steinle, Johann Schlauder, Josef Einsiedler, Balthes Karrer, Balthes Homann, Konrad und Mathias Wekerle und Georg Hildebrandt; anno 1704 laut der gleichen Chronik Hans Hörger aus Ittelsburg und Familie Hankel von Herbishofen; entnommen der Zuschrift des Marine-Generaloberarztes a. D., Dr. Richard Weiß in Dessau, d. d. 23. Mai 1908, an das Pfarramt Ittelsburg, der sich in familiengeschichtlichen Angelegenheiten Aufschluß erbat. Cfr. Pfarrakten hier.

Worin freilich diese Querelen und Bedrückungen bestanden haben sollen, ist aus den eingesehenen Akten nicht zu erkennen. Aus einem Schreiben an den Fürstabt, d. d. 18. August 1697, ist zu ersehen, daß derselbe für sein neu erworbenes Gebiet (Rotensteiner Herrschaft) einen Erlaß hinausgab, „daß auch die Calvinistischen Underthanen an den Muttergottesfesten sowie auch an andren Festtagen sich der öffentlichen Feldarbeiten zu enthalten haben.“ Stille häusliche Arbeiten waren ihnen gestattet. Eine Beschwerdeschrift der Bürgermeister, Schultheißen und Räte der eidgenössischen evangelischen Städte Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen und St. Gallen an den Fürstabt in Kempten vom 9. August 1696 berichtet, „daß von den Catholiken gegen die der Evangel. Religion zu Grönenbach, Herbishofen, Teinselberg angeschlossenen ein und ander Neuerung und Hinderung in Kirchensachen gesucht und bisweilen von Jenen (zweifelsfrei ohne Ew. fürstl. Gnaden Befelch und approbation) mit Thätlichkeiten beschwerlich vorgefahren werde, so daß, wann darmit continuirt und deme nit vielmehr kräftig gesteuert werden sollte, solches unfehlbar zue empfindlichem nachteil und abgang besagtem Evangel. Kirchenwesens gereichen würde; und weilen uns nit allein die Religionsgemeinsame, in deren Wir mit diesen stehen, sondern auch selbsten des orths nit allzu entfernte Gelegenheit, indeme daselbst einige unsere Angehörige, die zue Zeiten in benachbarten Reichsstädten und Landen sich aufhalten, ihr Religions-Exercitium bishin bequemlich genießen können (P. Corbinian Khamm O. S. B. in Hierarchia August. schreibt: „Convolant Grönenbachium pro exercendis religionis Calvinisticae actibus non solum in vicinia [102] commorantes Calvinistae sed etiam tempore paschali Augustani, Kauffburani, Leutkirchenses, Ulmenses, Isnenses, Memingenses, Campidonenses hujus viae viri et mulieres“) für ermeldter Kirchen Conservation sorgfältig und wachtbar machet, Alß verhoffen, es werde Ew. fürstl. Gnaden uns nit zu ungleichem Vermerken, wann bey so bewandten Dingen wir für Sye, wie gegenwärtig beschieht, unser Ehrerpietiges Fürworth einlegen und Ew. f. Gndn. dienstfleißigst[WS 5] ersuchen, Sye wollen gnädig belieben befehlichen, daß uf ermelte Evangel. Kirchen Grönenbach, Herbishofen Teinselberg und die Zuegehörige bey der zue Ihrem Schutz und Trost in dem westfälischen Friedens Instrument vorsehener Disposition, verschiedenen Reichsconstitutionen und andere die Zeithero Ihrentvegen sonderheitlich von Ew. Fürst. Gndn. rühmlicher Aequanimitet erst anno 1692 emanirter Kaufs Receß und wohl hergebrachten Kirchen und Religionsgewohnheiten ohne einige weithere Neuerung und Hinderung unbeschränkt verbleiben möchten.“ Also auch hier nur allgemeine Klagen, die von wirklichen Bedrängnissen der Reformierten durch den Fürstabt in Kempten als Landesherrn nichts vermelden.

Endlich könnte noch ein Schreiben von Dietrich von Plettenberg, der der Vertreter des Fürstabtes beim Regensburger ständigen Reichstage war, d. d. 2. April 1697, angeführt werden, in dem es heißt: „Ew. Hochfürstl. Gnaden gndgsts. Rescript vom 19. Marty habe ich mit unterthänigster Reverenz erhalten und daraus gehorsambst ersehen, daß Ew. Hochfürstl. Gndn. dero Grönenbacher und Teinselberger Underthanen puoco à puoco e di bel modo ad ritus catholicos reduzieren. Wie nun diese seeleneifrige fürstl. Moderation billich höchst[WS 6] zu rühmen, also wünsche ich auch devotist und zweifle nit daran, daß unter dero löblichen Regierung die Unterthanen ad sacra Romana post liminia völlig wieder geführt und Ew. Hochfürstl. Gndn. in mortis articulo (quem serum voveo) mit dem hl. Gregorio werden fragen: quos in civitate Caesariensi (Teinselbergia etc) adhuc reliqui sint infideles? cumque respondebitur tantum esse septendecim mit demselben Deo gratias agens sagen können, totidem erant fideles cum coepi Episcopatum; fiat! Amen.“ So dürfte das mehr schwulstige Schmeichelei und devotest übersprudelnde Höferei sein als der Ausdruck der wirklichen fürstabtl. Tätigkeit nach dieser Richtung. – Dagegen arbeiteten und dafür wachten, wie wir bereits gesehen, die Reformierten hier und in der Umgebung, ebenso das Corpus Evangel. beim Regensburger Reichstag und sogar die Schweizer Eidgenossen.

[103] Zwei Verfügungen vom Fürstabt Rupert von Bodmann, die Reformierten hier und in der Umgebung betreffend, sollen 1696 und 1697 erlassen worden sein: 1. daß bei reformierten Familien immer nur der erstgeborene Sohn die Heimat erwerben durfte, die nachgeborenen Kinder (Söhne) aber auswandern mußten; 2. daß kein Katholik sein Anwesen an einen Neugläubigen verkaufen durfte; umgekehrt aber, wenn ein Reformierter sein Anwesen verkaufen wollte, mußte er an Katholiken verkaufen.

Wenn dem so wäre, so wären die Klagen der Reformierten über Bedrückung durch ihre Obrigkeit gerechtfertigt. – Diese zwei Verfügungen oder Klagen und gravamina über derartige Verfügungen habe ich in keinem Akt bei keinem Archive vorgefunden.


27. Der Grönenbacher Katechismusstreit 1775.

Obwohl zeitlich und geschichtlich vorgreifend, sei der sogenannte Katechismusstreit in Grönenbach ebenfalls noch angefügt. Die Reformierten benutzten anfänglich schweizerische, in Zürich gedruckte Katechismen; später führten sie den Heidelberger Katechismus ein; dieser war anno 1763 neu aufgelegt worden in Schaffhausen. Dieser Heidelberger nun enthielt in Betreff des Meßopfers und der konsekrierten hl. Hostien nebst anderen religionsverletzenden Ausdrücken in specie Frage 80: Was ist das Meßopfer? A. Ein gräulich vermaledeiter Götzendienst, eine vermaledeite Abgötterei; sie stamme vom Teufel; die konsekrierten Hostien stellen nichts anderes vor als den im Buch Daniel, Kap. 11 V. 38 und 39 beschriebenen Götzen Moazim oder Maußim; dieser Götze, dieser Abgott werde in der Messe in der konsekrierten Hostie vorgestellt; darum sei die Messe und solcher Götz und gräuliche Abgötterei der Meß ohngezweifelt durch den Mund Gottes verflucht und alles Volk soll sagen Amen! Der damalige Fürstabt Honorius setzte nun eine Kommission ein, bestehend aus dem Probst Ulrich von Hornstein in Schloß Grönenbach, Herrn Hofrat und Landrichter Treuchtlinger, Herrn Hofrat Feigele, Herrn Hofkammerrat und Pflegsverwalter Scholl.

1740 wurde in Zürich ein calvinisch-schweizerischer Katechismus gedruckt; dagegen wurde 1759 der Heidelberger calvinische Katechismus in Memmingen auf Kosten der beiden Gemeinden Grönenbach und Teinselberg-Herbishofen ohne Vorwissen der Kemptner Herrschaft neu aufgelegt. Die genannte Kommission verhörte zuerst den Grönenbacher reformierten Schulmeister Friedrich Grob in dieser Sache, wobei derselbe sich äußerte, daß ihm die Haare gegen Berg gestanden seien, wie [104] er die im Schaffhausenschen Katechismus enthaltenen Schändungen gegen die kath. Religion habe verlesen hören. Ebenso wurden von dieser Kommission die beiden reformierten Pfarrer hier und von Herbishofen, von Lähr und Schinz, vernommen; dieselben berufen sich auf Apok. 19, 10, Deuteron. 4, 15. 19 und Matth. 10 und bitten, man soll ihnen nicht zumuten, diese Stellen auszulassen und sich so von der übrigen reformierten Kirche Deutschlands zu trennen; sie würden sich beim Antistes in Zürich Rats erholen und dann die Antwort mitteilen.

Von der obigen Kommission wurden dann außer den beiden reformierten Herren Pastoren, dem Schulmeister Friedrich Grob, dem reformierten Kirchenpfleger Zacharias Weidle noch der reformierte Schulmeister zu Herbishofen Jakob Einsiedler, überdies Jakob Burck von Albishofen, der hiesige Ammann Jakob Einsiedler und der Ammann von Lachen, Gottlieb Prestel, vorgeladen und ihnen insgesamt das fürstabtliche Mandatum vorgelesen: „Wie daß man nemlich Christkatholischerseits in dem Meß Opfer unter den consecrierten Hostien keinen Abgott und in diesem den Götzen Maußim, sondern den wahren Christengott anbete und ebendahero, daß eine solche Lästerung, welche in diesem Katechismus der diesseitigen Religion angeschwärzt werde, auf keine Weis und Art und unter keinem Vorwandt erduldet werden könne, zumalen die Reichsgesetze hierinnen klares Ziel und Maß geben, dergestalten, daß man seiten des Reichs auf denen Reichstägen und westpfälischen Friedensschluß ohnmöglich hette zugeben können, eine solche Reformation dem Friedensschlusse einzuverleiben, die der christkatholischen Religion eine Abgötterei zulegen würde. So hatten auf dieses hin die beede reform. H. Geistliche sich dahin geäußert, daß sie solches denen Reformirten Gemeinden niemals geliefert hätten und daß sie diesen der katholischen Religion in denen Katechismus gemachten Vorwurf niemals approbieren könnten. Nichtsdestoweniger wollten sie gehorsambst gebeten haben, ihnen zu erlauben, Sr. fürstl. Gndn. hierüber eine Demonstration schriftlich übergeben zu dürffen, zumahlen der Heidelberger Katechismus allhie schon in anno normali d. i. 1624, die Schaffhausische Auflage hingegen expost jederzeit in diesen Gemeinden üblich gewesen wären.“ Die Remonstration seitens der zwei Herren Pastoren Heinrich v. Lähr und Wilhelm Schinz wurde auch nach 8 Tagen wirklich eingereicht 1775.

Es erschien nun ein Verbot dieser Katechismen und mußten diese Katechismen nach Kempten abgeliefert werden gegen Geldentschädigung. So wurden denn am 31. Juli 1775 laut Kreisarchiv, Bd. 433, abgeliefert:

[105]

Ittelspurg 48 Bücher durch Hs. Georg Einsiedler, Bauer,
Ziegelberg 35      „  Josef Einsiedler,
Hörbisried 13      „  Hs. Jörg Weiß,
Ober- und Unterthal 27      „  Michl Wegmann,
Grönenbach 65      „  Küfer Zacharias Weydtle,
Grönenbach 14      „  Hs. Jörg Göltzer,
Grönenbach 17      „  Hs. Jörg Einsiedler b. alten Ammann,
Zell 26      „  Jacob Einsiedler zu Zell,
Hörbishofen-Lachen und Weyler      50      „  Jacob Einsiedler, ref. Schuelmaister,
item daher 46      „  Hs. Jörg Braun, Mußbach,
item des hies. Predigers Magdt 01 Buch
in Summa 342 Bücher teils mit, teils ohne Gsang.

„Den 4. August 1775 Hochfürstl. Kempt. Hofrats Protokoll … in eâdem causâ referiert H. Hofrat und Landrichter Treuchtlinger, was gestalten die zwei reformirten Geistlichen von Grönenbach und Hörbishofen ihme dieser Tage den verworfenen Catechismus ad censuram übergeben und dabei selbsten angemerkt, was für passus sie in demselben auszulassen erbietig seien; H. Hofrat habe solchen durchgegangen und bei demselben nachstehende Ausstellung, welche bei dem zukünftigen Drucke nicht mehr einzuschalten und auf solche Art von Sr. Hochfürstl. Gndn. genehmigt worden gemacht: Folgen anjetzt in extenso wird ausgelassen – „statt dessen soll gesetzt werden“. Es sind irrig aufgefaßte und fälschlich wiedergegebene Ansichten über die hl. Messe, über das Fegfeuer, über die Verehrung der Heiligen etc., Bilderverehrung etc.“

Man mag über diese Einmischung des Fürstabtes von Kempten in dieses innere Leben der Reformierten eine Ansicht haben welche man will, man mag sie schließlich als einen ungehörigen Druck und Gewissenszwang halten, man muß aber bei Beurteilung solcher geschichtlichen Vorkommnisse, will man gerecht und objektiv sein, immer den Maßstab damaliger Zeit- und Rechtsanschauungen zugrunde legen; der Fürstabt, der seit 1692 resp. 1695 zugleich weltlicher Landesherr über diese Gegend war, war nach damaliger Rechtsanschauung auch hiezu berechtigt, in Katechismus-, also Unterrichtsfragen einzugreifen, wie es ja bei den Protestanten und Reformierten auch heute noch seitens der weltlichen Obrigkeit geschieht, und jedenfalls haben diese Vergleichsverhandlungen auch dazu gedient, daß die beiden Religionsteile sich gerechter und mit weniger ungerechten Vorurteilen und Voreingenommenheiten gegenübertraten.

Einen letzten Zankapfel zwischen Katholiken und Reformierten in Grönenbach bildete das kirchliche Geläute der Glocken auf dem Turme [106] der Stifts- und Pfarrkirche. Vier Glocken hängen auf diesem Turme; die große Glocke mit dem Tone „E“, gegossen 1523; die zweite mit Ton „A“, die dritte mit Ton „cis“ stammen nach Schrift ebenfalls aus diesem Jahre; die vierte mit Ton „dis“, jedenfalls umgegossen, stammt aus dem Jahre 1836 vom Glockengießer Hermann in Memmingen. Als die traurige Glaubensspaltung, wie oben geschildert, auch Grönenbach traf, behielten die Reformierten vom Jahre 1559 – dem Jahre der Glaubensneuerung hier – bis 1621 das Simultaneum der Kirche und auch des Geläutes bei. Während des 30jähr. Krieges hatten die Reformierten wohl nur pausenweise das Geläute. Geregelt wurde die Geläutfrage durch die Ravensburger Signatur 1659 Abs. 6, wonach beide Herrschaften, katholisch und calvinisch, miteinander doch salvo processu Camerali einen gemeinsamen Mesner zu Grönenbach katholischer Religion dem Herkommen gemäß bestellen, welcher „beeden Obrigkeiten schwören, auch beeden Teilen die Kirche mit Läuten und sonstem versehen, herentgegen die Gefäll von allen Pfarrgenossen einnehmen soll.“ Die Reformierten hatten eben nur ein neues Predigthaus – im Hofraum der Adlerwirtschaft hier nach dem 30jährigen Kriege gebaut –, aber keinen Turm und keine Glocken, und als die Reformierten 1808 die hiesige katholische Spitalkirche zum hl. Geiste erkauften, hatten sie wiederum zwar eine Kirche, aber nur einen Dachreiter mit zwei kleinen Glöcklein. Erst 1880 wurde ein neuer Turm mit drei Glocken für die Reformierten erstellt mit eigenem Pfarrgeläute. Vom Jahre 1822–1833 dauerte nun der sog. Glockenprozeß hier zwischen Katholiken und Reformierten, indem die Reformierten zwar wohl das Geläute auf dem Turme der Stifts- und Pfarrkirche mitbenutzen wollten, aber keine Läut- und Kirchenreichnisse mehr an die katholische Kirche und an den katholischen Mesner hier entrichten wollten. Die Reformierten unterlagen in diesem Prozesse und mußten einen Teil ihrer schuldigen Gebühren nachzahlen und wurde damit zum Ausdrucke gebracht: 1. daß die Glocken auf dem Turm der Stifts- und Pfarrkirche Eigentum der katholischen Pfarrgemeinde sind, 2. daß die Reformierten ein Mitbenutzungsrecht beanspruchen können, da sie noch kein eigenes Pfarrgeläute hatten, und 3. daß die Reformierten für dieses Mitbenutzungsrecht ihre bisherigen Gebühren entrichten müssen an den katholischen Mesner.

Als dann durch die Säkularisation 1803 Grönenbach mitsamt dem ehemaligen gefürsteten Abteibesitz Kempten an die Krone Bayerns kam und allgemein Religions- und Gewissensfreiheit proklamiert wurde, begann die neue Zeit, die auch eine Zeit des Friedens [107] geworden zwischen Katholiken und Reformierten und hoffentlich auch immer eine Zeit des Friedens bleiben wird, indem die Konfessionen schiedlich-friedlich nebeneinander ihrem religiösen Exerzitium nachleben – die einen unbehelligt von den anderen.


28. Wiederaufnahme der Geschichte Grönenbachs nach Einführung
der Reformation; Aussterben der Pappenheimer in der Herrschaft
Grönenbach, Auftreten der Fugger 1613.

Mit Alexander II., „Marschall von Pappenheim uff Grönenbach und Hezlinshofen“, † 1612, der ein treuer Anhänger der katholischen Religion und Beschützer des Stifts Grönenbach und ein „alt löblich Regent“ war, wie ihn ein Chronist Grönenbachs, Pfarrer Hertrich, nannte, war der Mannstamm der Pappenheimer – Grönenbacher Linie – erloschen, da sein Sohn Joachim schon vor seinem Vater ohne Deszendenz starb. Dieser Grönenbacher Teil des rotensteinischen Lehens, das ein feudum masculinum[10] und nach Kempten zuständig war, fiel also von Rechts wegen nach Alexander II. Tod ans Hochstift Kempten zurück. Aber Alexander II. hatte eine Tochter, Anna Marschallin von Pappenheim, hinterlassen und dieselbe zu seiner Universalerbin „testamentarisch“ eingesetzt und zum Testamentsexekutor den Fürstabt von Kempten erbeten, der seine eigenen Ansprüche auf dieses heimgefallene Teillehen übersah und das Testament Alexanders II. ratifizierte und das Erbrecht Annas von Pappenheim anerkannte. Diese „Anna“, Erbtochter, hatte sich noch bei Lebzeiten ihres Vaters, 1611, mit dem Grafen Philipp von Rechberg vermählt, und als dieser bald nach der Verheiratung ohne Nachkommenschaft starb, vermählte sie sich 1612 zum zweiten Male mit Genehmigung des Fürstabtes von Kempten mit Ott Heinrich Fugger, Grafen von Kirchberg-Weißenhorn, und vermachte bei ihrem Tode, da auch aus dieser Ehe keine Nachkommenschaft hervorging, all ihre Rechte und Besitzungen testamentarisch voll und ganz ihrem Witwergemahle, Ott Heinrich Fugger, und so wurde Anna von Pappenheim-Rechberg-Fugger seitens der Fugger Kirchberg-Weißenhorn als ihre Ahn- und Stamm-Mutter gehalten und geehrt für ihre Allgäuischen Besitzungen. Ott Heinrich Fugger war zum zweiten Male vermählt mit Elisabeth, geborene Truchsessin, Gräfin von Waldburg-Zeil, und erzeugte 21 Kinder laut Fuggergeschichte von Stauber. Für Grönenbach kommen nur drei Söhne aus [108] dieser Ehe in Betracht: Bonaventura Fugger, Sebastian Fugger und Paulus Fugger.

Ott Heinrich Fugger mit seiner Gemahlin Anna von Pappenheim ist also gleichsam der Stammvater der Allgäuer Fuggerlinie und starb nach einem Aktenstück des Neuburger Kreisarchivs anno 1644. – Von diesem Ott Heinrich Fugger und seinen Söhnen in ihrer Wirksamkeit hier weiter unten.

Grönenbacher hohes Schloß.

Im Jahre 1650 ließ nun die hinterlassene Witwe des Grafen Ott Heinrich Fugger, Maria Elisabeth Erbtruchsessin und Gräfin von Zeil-Waldburg, durch ihren Sohn Bonaventura Fugger die Huldigung der Grönenbachschen Untertanen vornehmen. Was alles die Fugger in Grönenbach inne hatten, zeigt eine Spezifikation aus dem bischöfl. Archive, welche besagt: „Specification derjenigen Dörfer, Schlösser, Weyler, Güether und Underthanen, so alt Rotensteinisch und zugleich Kempt. Lehengüether waren, auch annoch sind und von denen H. Grafen Fugger iezund detiniert werdten (circa 1650 annum).

[109]
A. Diesseits der Iller bei Kalden:

1. Altusried, das Dorf, Gericht, Zwing, Bänn, Eheschafften, Tafernen, Vogtrecht, Kirchensaz sambt 30 circiter Underthanen und Fischenzen an der Iller, auch Weyher; 2. der Zehend ibidem; 3. das Weiler Diessenbach mit kleinen darzugehörigen güethern, höfen, leuthen; 4. Wald zu Hohentann; 5. die Ganß Mihlin; 6. Bussen und alle anderen ausser des Dorfes Altusried aber in der pfarrei alda liegende einschichtige Höf und Güether.

B. Jenseits der Iller bey Rothenstein:

1. Grönenbach, Schloß, Dorf, Kirchensaz sine jus patronatus, Vogtrecht, Vogteiligkeit; 2. Herbisried; 3. Ziegelberg; 4. Seevelden; 5. Mühlin zue Wolfartsschwendi; 6. Raupolz; 7. im Thal; 8. zuem Kreuth; 9. Gschwendi; 10. Käfers und übrige in der pfarr Grönenbach, Dietmannsried und Reicholzried liegende einschichtige Höf und Güether; 11. Zell; 12. Theinselberg die halbe Herrschaft an leüthen und Güether; 13. Hezlinshoven Schloß.“

Die vorhin benannte Huldigung wurde eingeleitet, wie folgt: „Es werden sich die anwesenden Underthanen sambt und sonders wissen zu erinnern, was gestalten sie und theils Ihre Vorfahren weilandt dem Hoch- und Wohlgebohrenen H. H. Ott Heinrich Fugger, Graven zu Kirchberg und Weißenhorn, H. zu Grönenbach etc. als derselbe sich zu Meilandt (Milano) der auch hochwohlgeborenen Frauen Anna geb. Erbmarschallin Freyin zue Pappenheimb uff Grönenbach und Hezlinshoven ehelich verheiratet, die gewöhnliche Huldtpflicht und Aydt gelaistet, Ihre Gräfl. Excellenz und dero Gemahlin für Ihr ordentlich Obrigkeit und ainzige Gerichts- und Leibherrschaft zu erkennen, halten und ehren, Ihren Gebotten und Verbotten gehorsamb und gewertig zu sein und insgemein sich also zu verhalten, wie getreue Underthanen gegen ihre Herrschaft zu tuen oblieget und gebühren thuet; In massen man bis dato anders nit verspüren können, als daß sie dem also nachgelebet; demnach und aber wohlselig ernannte Ihre Excellenz H. H. Graf Ott Heinrich Fugger nach dem ohnwandelbaren Willen des Allmächtigen den 12. Octobris anno 1644 dies zeitliche Leben beschlossen, zuvor aber durch einen Willen austrücklich geordnet, daß dero hinterlassene Gemahl und Frau Maria Elisabeth Fuggerin Gräfin zue Kirchberg und Weißenhorn geb. Erbtruchsessin Gräfin zu Waldburg-Zeil, die völlige Administration der Verlassenschaft als Vormünderin mit Zuziehung Ihrer baiden ölteren Sohnes, des auch Hoch- und Wohlgeborenen H. Bonaventura Fuggers, Grafens zue Kirchberg und [110] Weißenhorn als Beistands führen und verwalten solle, also hette Sye (Gräfin Witwe) für eine Notturft erachtet, uff heunt den 5. Marty 1650 von Ihnen, den gesambten Underthanen, die Erbhuldigung aufzunemmen, welches zwar ehender ins Werk gesetzt worden wär, da nicht die fürpassirte Kriegsungelegenheit neben anderen Impedimenten solches bis dato verhindert hetten, alleweilen auch mehr wohlernannte Frau Wittib ehrhaffter Ursachen halber diesem Actu Persönlich beizuwohnen nit abkommen können, also hette Sye Ihme, H. Grafen Bonaventura Fugger, Gewalt und Vollmacht uffgetragen, angeregte Erbhuldigung in Ihrer baider Namen aufzunemmen und derselben beizuwohnen.“ Nun folgte die Eidformel, die Bonaventura Fugger entgegennahm und den ganzen Fürgang eigenhändig unterzeichnete. Der Eid wurde abgelegt von den Mannspersonen, indem sie zwei Schwörfinger aufhoben; von den Frauenspersonen, indem sie die rechte Hand auf die linke Brust legen mußten und alle dabei sprachen: „Was mir vorgehalten worden und ich recht und wohl verstanden, darauf auch angelobt habe, dem will ich also fleißig nachkommen, so wahr mir Gott helffe und sein heylig Evangelium.“ (Neub. Kreisarchiv.)

Also vermöge eines Rechtsirrtums seitens des Alexander Erbmarschalken von Pappenheim und seiner Erbtochter Anna von Pappenheim, erster Gemahlin des Grafen Ott Heinrich Fugger, und vermöge des gleichen Irrtums auch von seite Ott Heinrich Fugger und seiner Deszendenten Bonavontura, Sebastian und Paulus Fugger einerseits und vermöge anfänglicher Ignoranz, Indulzenz, Nachlässigkeit und Nichtgeltendmachung seiner Ansprüche seitens des Fürstabtes zu Kempten auf dieses „feudum apertum“ als heimgefallenes Lehenstück, andrerseits kamen die Fugger in den Posseß der Herrschaft Grönenbach mit seinen Appertinenzien und verblieben darin wohl bona, ja optima fide, im guten, ja besten Glauben auf ihr vermeintliches Eigentum.

Als mit Maximilian von Pappenheim, Graf von Stühlingen, 1639 der Mannesstamm der Pappenheimer Linie im Allgäu erlosch und somit auch der andere Teil des Rotensteinischen Lehens apert wurde, wurde in Kempten von der Hofkammer allmählich dieser Frage näher getreten (Heimholung und Annektierung dieser feuda aperta) und wurde nun 1685 ein Prozeß angefangen, der laut einer juridischen, langatmigen Entscheidung auf Grund des Rechtsspruches „der Insprugger Rechtsgelehrten, Datum Insprugg 2. May 1690 ex Stubâ Academicâ“, zugunsten des Fürstabtes zu Kempten entschieden wurde, jedoch so, daß der Fürstabt für die zu den feuda hinzugekauften und neu erworbenen Appertinenzien eine Entschädigung [111] an die Pappenheim-Stühlingen-Fürstenberg (65 000 fl.) und ebenso an die Grafen von Fugger-Kirchberg-Weißenhorn 60 000 fl. hinausbezahlen mußte.

Laut Neuburger Kreisarchiv-Notiz: „Diese Herrschafft Rotenstein-Grönenbach vereint, würdt unpartheiischer weis geschätzt per 120 000 fl., hat über 300 Underthanen, zwey Schlösser, ein Dorff und viel Weyler, hohe und niedere Jurisdiction, Gerichtsbarkeit, dabey ein Collegiatstifft auf 12 Canoniker fundiert; das im Jahre 1733 im April angelegte Verzeichnis aller Underthanen in den Herrschaften Grönenbach und Rotenstein klassificirt die Underthanen in 4 Klassen: 1. Klasse, so ganze oder 3/4tels Höf besitzen; 2. Klasse, so zwei Roß bauen oder Halbe Höf inhaben; 3. Klasse, so nur mit einem Roß bauen, in der Frohn dienen; 4. Klasse, was zu Söldner und Huber gerechnet werden.“ Zu diesen beiden Herrschaften gehörten laut Kreisarchiv-Akten vom Jahre 1733 nachfolgende Orte: „Grönenbach, Herbisriedt, Greith, Orneberg, Au, Rechberg, Haysterig, Hohmaner, Schachen, Dietzlins, Zell, Raubboltz, Herbishofen, Lachen, Liebers, Albishofen, Goßmannshofen, Thal, Ittelspurg, Schwenden, Seefeld, Ziegelberg, Eselstahl, Käsers, Altusriedt, Högers, Capell, Diesenbach, Singers, Reisers, Holden, Mantzen, Buchen, Straaß, Landtholz, Dilpers, Gohnhofen (Kornhofen?), Haitzen, Winters, Gseng, Aichholz, im Wald, Oberriedt, Creyenberg, Horboltz, Wißlings, Strobels, Fischers, Straifen, Bötzers, Wormbs, Odach, Wetzloberg, im Buch, Weissen, Staig, Bruggmers, Lauminethen, Hofholtz, Luiblings, Waltzlings, Eggerts et Helo, Kimratshofen, Magmannshofen, Walkenberg, Mooß, Streichers, Dilpers, Hitzenschwenden, Westerriedt, Rottenstein, Fautzen, Pfosen, Brühls, Pettrichs, Wehne, Eggetsperg, Schreyers, Frauenkau.“

Es sei gestattet, aus Stauber, „Das Haus Fugger“, über den Ahn- und Stammherrn der Grafen Fugger Kirchberg-Weißenhorn auf den Grönenbachschen Besitzungen nachfolgendes anzuführen: Ott Heinrich Fugger, Exzellenz, war geboren 1592 zu Weißenhorn, widmet sich schon frühe dem Kriegsdienste und hat sich in diesem Berufe als tüchtiger Soldat und Truppenführer ausgezeichnet und zu hohen Ämtern emporgeschwungen. Nachdem er schon 1617 einen Feldzug in Spanien, später gegen Venedig mitgemacht, begegnen wir ihm wiederholt auf den Schlachtfeldern des 30jährigen Krieges, nachdem er 1619 dem Kaiser Ferdinand II. ein auf eigene Kosten angeworbenes Regiment nach Böhmen zugeführt hatte. Am weißen Berge bei Prag kämpfte er unter Boucquoi als „Oberst“ mit, später unter Caraffa; 1623 befehligte er ein Regiment Colaltos im Feldzug gegen die [112] Ungarn; im folgenden Jahre zieht er unter Colaltos Oberbefehl dem Marchese Spinola zu Hilfe nach den Niederlanden, wo er vom Sommer 1624 an der Belagerung der befestigten Stadt Breda bis zu deren Fall am 2. Juni 1625 teilnahm. Mit Colalto dem Heere des Friedländers „Wallenstein“ einverleibt, machte er den Feldzug nach Niedersachsen mit, kämpfte von 1629–1631 in dem Mantuaner Erbfolgestreit in Oberitalien, nach dessen Beendigung er aus dem kaiserl. Heere scheidet und in bayrische Kriegsdienste übertritt. An der Spitze der ligistischen Regimenter zieht Ott Heinrich Fugger als churfürstlich-bayrischer Generalwachtmeister nach Hessen, um den Landgrafen von der Union zu trennen; er nimmt auch den Hessen das Stift Fulda weg und ist schon im Begriffe gegen Hersfeld vorzugehen, als der unglückliche Ausgang der Schlacht bei Breitenfeld im September 1631 ihn nötigte, zur Verstärkung Tillys abzurücken, mit welchem er sich bei Fritzlar vereinigte. Mit Tilly zieht er 1632 nach Franken, nimmt Windsheim bei Rottenburg a. T. ein, um hierauf nach Schwaben zurückzugehen.

Nachdem Ott Heinrich Fugger nach Tillys Tod eine Zeitlang unter dem Kommando Altringers gestanden hatte, wird er bald Generalkommandant von Bayern und selbständiger Befehlshaber einer westlichen Heeresabteilung. Als er mit dieser Landsberg den Schweden wieder genommen, wird er mit 16 000 Mann Hilfstruppen zum vereinigten kaiserlich-bayrischen Gesamtheere abberufen. Im Sommer 1632 finden wir ihn und seine Truppen im Heere Wallensteins, das vor Nürnberg Gustav Adolf gegenübersteht, worauf er unter Altringer abermals nach Schwaben geht, um dann 1633 mit ebendemselben im Elsaß gegen Bernhard von Weimar zu kämpfen. Nach dem Tode des kaiserl. Generals Altringer, der bei der Verteidigung des Ueberganges über die Isar bei Landshut am 12. Juli 1632 geschlagen und erschossen worden war, belagerte er Regensburg und nimmt nach dessen Eroberung an der Verfolgung der Schweden nach dem nördlichen Deutschland teil; hier muß er zwar den Oberbefehl an den Herzog Karl von Lothringen abtreten, zeichnet sich gleichwohl in der Schlacht bei Lützen durch rühmenswerte Tapferkeit aus. Im Jahre 1633 finden wir Ott Heinrich Fugger als kaiserl. Gouverneur von Augsburg, wo er sich gar nicht zu wohlgesinnt gegenüber seinen ehemaligen Mitbürgern bezeugt hat und infolge seiner Unduldsamkeit gegenüber der neuen Lehre sich nicht behaupten kann. Da er den protestantischen Rat gewaltsam beseitigte und eine rein katholische Stadtverwaltung einsetzte, überdies den protestantischen Teil der [113] Bevölkerung durch bedeutende Zahlungen, Auflagen und Bedrückungen heimsuchte, erhoben die Protestanten gegen ihn Klage beim Kaiser und er wird vom Kaiser seines Amtes enthoben. Aber damit waren die Händel noch nicht beigelegt; auch die Belagerung der durch Hunger und Pest aufs bitterste heimgesuchten Stadt durch die Kaiserlichen dauerte noch fort, und Graf Fugger blieb Befehlshaber der Belagerungstruppen. Als dann die Kaiserlichen am 28. Februar 1633 in die Stadt des Todes einzogen, beeilte sich Ott Heinrich kraft seines Amtes bald alles wieder in den alten Stand zu setzen; es wurden den Evangelischen 300 000 fl. Strafgelder an den Kaiser, 800 000 fl. Schadenersatz an den Kurfürsten von Bayern auferlegt. Alle Fürbitten beim Kaiser blieben erfolglos. 1644 starb Ott Heinrich Fugger, dem aus zwei Ehen 21 Kinder geboren worden waren; er hatte sich den Ruhm eines tapfern Kriegers und eines fähigen Truppenführers erworben, der katholischen Sache und seinem Kaiser treu gedient; zum Lohne war er vom Kaiser Ferdinand II. in den Grafenstand erhoben und von Spanien mit mancherlei Geldzufluß bedacht worden.

Die Angehörigen der weitverzweigten Fugger-Familie waren alle bis auf die Gegenwart herab immer treue Anhänger der katholischen Kirche gewesen mit Ausnahme eines einzigen, ein gewisser Ulrich Fugger, † 1584, welcher in Heidelberg Calviner geworden, geblieben und gestorben. Der Fugger Wahlspruch war und ist noch „Gott und Maria“; deshalb kann es kaum wundernehmen, wenn sie dem damaligen Rechtsgrundsatz Folge gebend auch ihren Einfluß geltend machten in allen jenen Gebietsteilen, die sie zurecht besaßen, den katholischen Glauben zu erhalten oder wieder einzuführen. So haben auch die Grafen Fugger-Kirchberg und Weißenhorn-Grönenbach während der Zeit von 1612 bis 1695 all ihren Einfluß aufgeboten, den katholischen Glauben in ihrem Gebiete zu erhalten und besonders das Grönenbacher Kollegiatstift in seiner ursprünglichen, von Ludwig von Rotenstein gegebenen Verfassung und Rechten, Renten und Einkünften, gegenüber den Anstürmen und Schädigungen der Neugläubigen und der rotensteinisch-pappenheimischen Herrschaft zu erhalten.

Schon anno 1613 hatte Ott Heinrich Fugger Differenzen mit dem Grönenbacher Reformator Philipp von Pappenheim ratione obsignationis et Inventarii anläßlich des Ablebens des Grönenbacher Stiftsdechantes Andreas Weiß. In seinem Briefe ad Episcopum Heinrich in Augsburg bezieht sich Ott Heinrich Fugger auf einen von den katholischen und reformierten Pappenheimern getroffenen Vertrag vom Jahre 1568. Den gleichen Vertrag allegiert Philipp [114] von Pappenheim in seiner Protestationsschrift; diesen Vertrag, „der wegen Collegiatstifft anno 1568 abgeschlossen, thuet bischof Heinrich“ in seinem Schreiben an den Generalvikar v. 28. Nov. 1613 „darumb nit agnosciren, weilen solcher ohne Zustimmung des Ordinariates auffgericht worden“. Nach dem Tode des H. Dechants A. Weiß hatten H. Ott Heinrich Fugger und Philipp von Pappenheim sich der Obsignation unternommen und jeder wider den anderen recht daran sein wollen. „Es hat aber das Ordinariat beeden nit gestattet, sondern ist H. Generalvicar zum „Dreißigsten“ des H. Dechant sel. nach Grönenbach geschickt worden, welcher den Philippus vermögt, daß er seine fürgeschlagene Markschloß wieder selbsten hat abheben lassen, worauf die Publication des Testamentes des † Dechants durch den H. Generalvicar beschehen und die Vollstreckung desselben nach dessen Tenor dem H. Ott Heinrich Fugger eingeraumbt worden.“

Am 20. April 1620, nach dem anno 1619 erfolgten Ableben des Herrn Philipp von Pappenheim, richtete Ott Heinrich Fugger ein Schreiben an den Bischof von Augsburg und an den Fürstabt von Kempten, daß pro bono religionis und zur Erhaltung des Stifts Grönenbach entweder ein kaiserl. Mandatum de restituendo anzustreben sei oder auf andere ersprießliche Mittel gedacht werden möge. Anno 1621 wurde durch ein Dekret des Fürstabtes von Kempten vom 2. September 1621 mit Beihilfe und Rat Sr. Exzellenz des Herrn Grafen Ott Heinrich Fugger, der damalige calvinische Prädikant Philippus Gessertus aus- und abgeschafft; ebenso wurde das calvinische Exerzitium aus der kath. Pfarr- und Stiftskirche ausgeschafft und die Ausübung des calvinischen Exerzitiums völlig untersagt. Anno 1622 meldet in absentia seines Herrn Bruders Joh. Ernst Fugger, d. d. 21. Jänner, an den Augsburger Bischof, „daß eine Kayserl. Commissionshandlung zwischen Stifft Kempten und H. Wolf Christoph von Pappenheim-Rotenstein fürgangen, bei welcher die Commission den Vorschlag gemacht, daß fürders anstatt des ausgeschafften calvinischen Prädikanten ein anderer der Augsburger Confession substituirt werden möchte. Dagegen bittet Fugger den Bischof, diesen Vorschlag keineswegs zu genehmigen, sondern die relation an die Kayserl. Commission dergestalten zu verfassen, damit das Stifft Grönenbach bey seiner ersten Fundation besser conservirt, der viel Jahre geschwächte Gottesdienst und Religion redintegrirt und alles sect’sche Exercitium abgestellt werde.“ In seinem Schreiben vom 5. April 1622 ersucht Ott Heinrich den Augsburger Bischof, den Stiftsschaffner zu inhibieren, die Stiftsgefälle zum Unterhalt des Prädikanten und zu anderweitigen Besoldungen zu [115] veralienieren. In seinem Schreiben an den Bischof Heinrich von Augsburg, d. d. 2. Mai 1631, gedenkt Ott Heinrich Fugger gewisser Kaiserl. Exerzitiums-Commissorien, „die noch nit benennet, mit Begehren: dieselben zu informieren, daß doch die annoch zue Memmingen arrestierente Stifft Grönenbach’sche Geldtruhe ausgefolgt, und beede Prädicanten zu Teinselberg und Herbishofen, weilen selbe erst anno 1559 alldahin kommen, abgeschafft werden.“ Den Schriftwechsel des Herrn Grafen Ott Heinrich mit dem bischöfl. Ordinariat und Stiftsdechant Georg Fischer im Jahre 1635 anläßlich der an der Pest in Memmingen gestorbenen und hierher überführten Leiche der Witib des Philipp von Pappenheim siehe unter Reformationsgeschichte.

Ott Heinrich Fugger hatte 1636 dem Stiftsdechant, dem der rotensteinische Verwalter allen Zehent und Renten verweigert und auch den Untertanen untersagt hatte, diese Gefälle ans Stift zu geben, zur Einheimsung des Zehents Soldaten zugeschickt, die dazu behilflich waren, wiewohl der Fürstabt von Kempten diesen modus des H. Fugger gegenüber dem Stiftsdechant geahndet, d. d. 11. Sept. 1636. Am 3. März 1637 wurde seitens der beiden Konservatoren des Stifts ein neues Patent erlassen, gemäß welchem in der Stifts- und Pfarrkirche zu Grönenbach kein anderes als nur das katholische Exerzitium zugelassen sei. Dieses Patent ist mitunterzeichnet von Graf Ott Heinrich Fugger. Vielseitig und vielgestaltig also war die Tätigkeit dieses außerordentlichen Mannes. Sein voller Titel war: „Ott Heinrich Fugger, Graff zue Kirchberg und Weißenhorn, Herr zue Grönenbach, Ritter vom Orden des goldenen Vließes, Römisch Kayserl. und in Hispania Kgl. Majestät auch Churfürstlich. Durchlaucht in Bayern respective geheimber Rath, Kämmerer und Generalzeugmeister.“

Sein Sohn und Nachfolger in Grönenbach war Herr Graf Bonaventura Fugger; dessen voller Titel: „Bonaventura Fugger, Graf von Kirchberg und Weißenhorn, Mattsies, Mickhausen, Herr zue Grönenbach und Hezlinshoven, Churfürstl. Durchlaucht in Bayern Kämmerer, des Herzog Max Philipp Oberstkämmerer und Vogt in Landsperg.“ Nach dem Tode seines erlauchten Vaters 1644 führte bis 1650 seine Mutter Maria Elisabeth, geborne Truchsessin Gräfin von Waldburg-Zeil, das Regiment. An diese Gräfin-Witwe ist ein interessanter, über die Restitution im Normaljahr 1624 Licht gebender Brief seitens des gräfl. Fuggerischen Verwalters, d. d. Grönenbach, 23. April 1649, vorhanden; auszugsweise ist derselbe schon in der Reformationsgeschichte Grönenbachs mitgeteilt und ist somit darauf verwiesen. Im Jahre 1650 nahm Bonaventura Fugger, wie schon [116] oben erwähnt, im Namen seiner Mutter und in seinem eigenen den „Underthanenaydt“ entgegen. Auch Bonaventura war ein tiefgläubiger, frommer katholischer Christ. Die meisten seiner Schreiben schließt er mit den Worten: „Gott ob uns“.

Interessant und viele dunkle Punkte aufhellend ist sein Schreiben von München aus, d. d. 3. März 1655, an Ihro fürstl. Gnaden zu Ellwangen (das damals als Propstei mit dem Augsburger Hochstift verbunden war):

„Ew. Fürstl. Gndn. erinnern sich und gibt solches meines H. Vetters Grafen Wolf Philipps ältisten Reichs-Erbmarschallen H. zue Pappenheimb underm 29. März des verwichenen 1653 Jahres abgegangenen Schreiben ausführlicher zu erkennen, welchermassen nit ohne großes Bedauern Er H. Graf nunmehr selbst erkennt, wie unthreu und fälschlich bisher seine Grönenbach’schen, der Calvinistischen religion zugethane Beambte mit Spendirung seines als neben mir sollichen Orths obrigkeitlichen bevelchs und nammens (indeme sie auf Etlicher ganz partheiischer Underthanen Aussage unterm Praetext, als sollte in anno 1624 den 1. Jäner das Calvinische Exercitium allda gewesen sein, einen Prediger sollicher religion einsetzen und von des Stiffts gefällen seithero unterhalten lassen) mit Ihme bishero umbgegangen und unterm Hütlein gespilt, mit gebührendem Ersuchen, weilen wie gemelt, soliche procedur ainig und allein zu seinem favor aus Falschheit und ungereimbden Angaben fürgangen und geschehen, Er aber nunmehr selbsten aus Ihme fürgelegten unwidertreiblichen Demonstrationen den Error (Irrtum) handtgreifflich erkenndt, auch darumben mit austrucklicher Renuntiation und Begabung dessen, so hierinnen zu seinem angegebenen Respekt und vermainten Gefallen durch die Seinige mit Verschweigung der Wahrheit expracticirt worden, selbst gehen sehen wollte, daß weilen in dem 1624. Jahre den 1. Jäner zu Grönenbach das ungegründet angegebenes Calvinische Exercitium nit gewesst, daß Ew. Fürstl. Gndn. Ihrem hochberühmten Eifer nach in crafft deren orthstragenden Ordinariats als zugleich des Stiffts allda, deme dieses Prädicanten besoldung ohnedies unerschwinglich und zum höchsten Schaden geraicht, hochansehnlicher Mit-Conservator mit Abschaffung solichen aufgestellten ministri daran sein wollte, damit alles in solchen stand, wie es im ermelten 1624. Jahr den 1. Jäner gewesen, wieder gericht und das Einkommen, inhalt löbl. unserer Voreltern Fundation, wieder angelegt und verwendet werde. Nun ist mir zwar vorhin wissent und geben es die von Ew. fürstl. Gnadn vielfeltig abgegangene bewegliche Schreiben zu erkennen, mit was hoher Sorgfalt sich dieselbe dieses Werks bishero hohen Orths angenommen: wär auch zu wünschen, daß solliches bey dem hochlöbl. Kraiß Directorio, deme diese Sach vermuetlich aus ermangelter genuegsamber Information bereits vor etlichen Jahren committirt worden, gleichmeßig geschehen were; demnach aber in so langer Zeit auf so vielfeltige Annahmen von dannen nichts erfolgt, die Sach auch an Ihr selbst als ein Privatwesen dergestalt beschaffen ist, daß mit Erlassung dieses untauglichen calvinischen Predigers, Er, mein H. Vetter von Pappenheimb, und Ich als deren orths wie gemelt, einige unzweifenliche Obrigkeit für uns selber ohne fernerer [117] Anfragen und anderwertiges behelligen, hierin Rath zu schaffen hatten, aber pro majore autorithate soliches durch ein Kays. Commission zu geschehen gern sehen möchten und nit zu zweifeln, daß im fall wohlermeltens hochl. Craiß Directorium, welches doch anderwerths in hochwichtigen Geschäften occupiret, durch die Ihrige hierunter sich brauchen ließen, solches dermalen einen unerschwinglichen Unkosten sowohl weiteren Wegs als größeren Comitats halber erfordern würde, andrer mehrer Angelegenheiten zu geschweigen Alß ist an Ew. fürstl. Gndn. neben hochermelts Graffen von Pappenheimb auch Mein hochvleißiges und gebührendtes Ersuchen, hiemit sye geruhen, uff sein des von Pappenheimb vormals Abgang wie auch mein hiemit gethanes schrifftl. Ersuchen, bey der Röm. Kayserl. Majest. in dieser sonnenclaren und zwischen uns als Grönenbach’sche Herrschafft „vereinbarte Privatsach“, welche auch darumb wie gemelt zum Craiß Directorium in keinerley weiß gehörig ist, an Ihrem hohen Orth daran zu sein, damit aus thails angezogenen und anderen mehr hierunter mitlaufenden beweglichen Ursachen, sonderlich auch, daß erwähnte solichen Orth wohnete Pappenheimb’sche Calvinische ministri unter diesem Deckmantel seithero in die Stifftsgeföll ie länger ie mehr eingriffen und als Eigentumbsgüeter wegen verweilter (verzögerter) Rechnungsaufnamb Ihnen selbsten einsäcklen thun, durch ein thunlichers Mitel diesem Werk einmal abgeholfen und weilen ohne das die Churfürstl. Gnaden in Bayern wegen der Herrschafft Mündlhaimb selbigen Orth nechst gelegen sind und darumb vermitelst alda habendte, qualificirte Beambte ohne Aufwendung sonderbarer Unkosten mit unseren als die Orths Obrigkeit einhellig zu thuen, solches in der Enge aufs füglichste verrichtet werden könnte, Ihro ohnmaßgeblichem Belieben zu lassen, diese Commission auf höchstermelten Churfürstl. Dchl. in Bayern oder auf beede des Grönenbacher Stiffts hochansehenliche Conservatores auszubringen, dero zu beharrlichen fürstl. Gndn. mich gehorsamblich bevelchendt, gehorsambster Bonaventura Fugger.“

Wäre diesem Ansinnen des Bonaventura Fugger stattgegeben worden, hätte die Religionsgeschichte in Grönenbach einen anderen Verlauf genommen.

Bonaventura Fugger stiftete den sog. Fuggerkelch im Jahre 1656 mit dem Allianzwappen derer von Fugger und derer von Pappenheim, wohl zur Erinnerung an die Stamm-Mutter Anna von Fugger, Tochter Alexanders von Pappenheim. Dieser Kelch, im Renaissancestil gehalten, ist heute noch im Besitze der kath. Pfarrkirchenstiftung. Auch um die deutsche Volksschule machten sich Ott Heinrich Fugger und Bonaventura Fugger in Grönenbach verdienstlich, wie die späteren Angaben über das Schulwesen in Grönenbach aufzeigen werden.

Das Schloß Herzlinshofen war noch zu Zeiten der Pappenheimer von der Familie Stebenhaber in Memmingen erkauft worden[11]; im [118] Jahre 1677 nun wurde an diesem Schlößlein ein großer Umbau vorgenommen durch Bonaventura Fugger, wie in einem bei den hiesigen Pfarrakten noch vorhandenen Schedula Missarum persolutarum durch den Stiftskanoniker Elias Egg, eingereicht bei seinem Herrn Stiftsdekan, besagt: „18. Octobris 1677 zu glücklichen Aufrichtung des Gebäus zu Hezlinshoven eine heilige Meß gelesen.“ In dieser Kapelle ließen die Fugger durch Grönenbachsche Stiftsherren öfters die heilige Messe lesen, auch wurde das allerheiligste Sakrament aufbewahrt; ebenso ließ Herr Bonaventura Fugger in diesem Schlößchen durch Herrn Stiftsdechant christ-katholische Kinderlehr und Schule halten, wogegen sich der calvinische Prediger in Herbishofen erhob und protestierte. In seinem Schreiben von München, d. d. 10. Dez. 1686, an seinen Verwalter in Grönenbach sagt nun Bonaventura Fugger:

Edle von Stebenhaber, Memmingergeschlecht, einst Besitzer des Schlosses Hezlinshofen.


[119] „Wir haben Euer underth. berichtschreiben vom 11. ds. sammt beyschlissen zue recht empfangen und den Inhalt zue geniegen vernomben, belangend nun, daß an seithen der Calvinisten disputirt will werden, ob möchte Unß nit zugelaßen sein, im unserem Schloß Hezlinshofen, so ein Kempt. Lehen, das exercitium der Christlich Kathol. Kinderlehr, Item die Schuel der Jugendt zum besten zu halten underem Vorwand, ob wär Hezlinshofen in die Pfarr Herbishofen gehörig, wovor mich Gott behüte, daß ich selbigen Pastor oder Prädicanten ratione erditen Hezlinshofen für ein Pfarrer agnosciren (anerkennen) solle, allermassen dan dergleichen nur à longe gesuechte unzeitige Einstreuung keineswegs zu attendiren und wir uns weder von denen Churfürstlich Brandenburg. auf dem Reichs-Convent anwesenden Gesandten noch anderen, wer er auch sein mag, in Verstandtenen löbl. exercitiis den geringsten Einhalt nit erzeigen zu lassen, wohl aber gedenken, mit der Zeit eine Capell dahin zu setzen und in derselben das heil. Sacrament des Altars administriren zu lassen etc.“

Im Jahre 1680 beklagten sich die Zeller, welche von 1559 an bis zur Säkularisation anno 1803 mit dem Stift Grönenbach seelsorglich vereint waren (inkorporiert), beim Herrn Grafen Bonaventura Fugger über unregelmäßigen Gottesdienst an den Sonntagen und daß unter der Wochen so wenig oder gar keine Messen stattfinden; Bonaventura Fugger[WS 7] ließ den Sachverhalt durch Herrn Stiftsdechant Gg. Megglin feststellen und Abhilfe schaffen (hiesiges Pfarrarchiv).

Im Jahre 1660 den 3. November schrieb Bonaventura Fugger an seinen Verwalter Valentin Zeis:

Privatsiegel des gräfl. v. Fuggerschen Verwalters Valentin Zeis.

„Euern unterm 26. und 29. passato an mich abgelassenen underthänigen Bericht habe ich neben einer Protestation nacher Rottenstein zurecht erhalten, dabey auch vernommen, daß Graf von Pappenheimb als den 25. wieder verreißt und einige Remedur weder in einem noch in anderem beschehen, über das noch seine Frau Schwieger, als Er Verwalter das Weyerloder die Dollen ganz verschlagen lassen hatte, selbiges darauf ganz abgegraben; nun habe ich mir nichts anders einbilden können, denn daß dies darauf erfolgen werde, daher ich vermaint habe, mit Verschlagung der Dollen noch innegehalten werden solte und genugsamb gewesen, daß zu Kalden das Wasser genommen worden, hette man dann sehen können, ob man sich (nicht) anders bequemben wolle; da man das Wasser durch meinen grund und poden führen kann, widrigenfalls thue Ich, H. Dr. Frey (Advokat) unterdessen consultiren; weilen die Sach soweit kommen und man Pappenheimischerseits im geringsten kein Respect auf mich hat, die possession mit Gewalt affectirt, waiß nit, warumb Kempten dagegen was sagen sollte, weilen sie Pappenheimb nichts abschaffen und wehren thun. Daß mir so einen ottopeurischen Underthan wider alles Recht abgenommen, kann man dergleichen zwar wider ihm, Grafen v. Pappenheimb, auch thuen.

[120] Diese Attentate und Gegen-Attentate aber generiren keine Ruhe, sondern immerdar noch mehr Verbitterung gegen einander, daß einem lieber wär, daß ainer hette Grönenbach nie gesehen und das Übel ist, daß ich meines Dienstes halber meine Sachen selbsten am wenigsten nachsehen kann und zudem noch weiteres anfechten thuet, wie Ich die übernommene Schuld (Kriegsschuld) künfftig bezalen werden können, weilen an diesem, so vor ainem Jar dazue obligirt war, noch ein gueter particul zu zalen; den Ehehalten alda wegen des Wassers muß man mehreres zusprechen, daß sie Geduld haben, dann ich selbsten mir nichts mehrers angelegen sein lassen, zu arbeiten, wie dieser Ungelegenheit abgeholfen werden möge; mit Weibern (Schwieger Pappenheimb uf Schloß Rotenstein) mag ich mich sonsten nit viel einlassen, denn bey ihnen weder resolution zesolution, sondern wenn Dr. Frey für guet ansehet und die neue Wassersicherung nit effectuirt kann werden, sehen will, wie Ich es durch schreiben und etwan mit einem aigenen Potten nach Pappenheimb richten mag. H. von Freyberg hab ich weg anderen Sachen zu schreiben und zu überschicken gehabt, dahero ich auch diese Erinnerung habe mitgehen lassen, daß man bei negst kommenden Ritter Convent der vertrösten Subligation gedenk sein solle; wann Ihr also dahin kommen werdt, keck darauf referiren könnt, auch wie schön und nachparlich Herr Graf v. Pappenheimb mit mir umgeht, gedachtem H. v. Freiberg als meinem absonderlichen Patron entdöcken und was Er etwan darauf sagen kann und wirdt, wie den sachen zu thuen mehte sein, mir dann zu berichten habt. – Das Wappen, so H. Graf v. Pappenheimb in der Ritterstuben (im Stiftsgebäude links vom Haupteingang, jetzt Waschküche) hat affigiren lassen, ist ihm solches nit zu wöhren gewesen. Weilen Er nun aber meine, dem anderen vorgehen solle, Ist selbiges eine andere Frage. Man kann aber underdessen mein Wappen auch machen lassen und wiederumb eine andere Frag, ob meine Gemahlin auch dabey sein solle; underdessen bis daß ich hinaufkomme (von München) und dann bevelchen will, wo manns hienach hinmachen solle, mich vorhero mehreres informiren; gleiche mainung es dann auch haben wirdt mit dem Wappen „außerhalb des Stifftshauses“, eines dann mit dem anderen geschehen kann.“

Aus diesem Briefe geht klar hervor, daß zwischen den beiden Herrschaften nicht bloß wegen religiöser Differenzen, sondern auch „wegen sonstiger weltlichen Besitz und Güeter und Underthanen anlangender Dinge“ fortwährende Häckeleien und Streitereien bestunden, so daß sie dem Bonaventura Fugger die Worte auspreßten, „daß es ihm lieber wäre, er hätte Grönenbach nie gesehen“ (Neub. Kreisarchiv Bd. 387), ja daß sogar ebenbemelter Bonaventura Fugger die Grönenbacher Herrschaft vertauschen will mit Angelberg und sich noch sogar zur Zahlung einer Abfindungssumme bereit erklärte (cfr. Neub. Kreisarchiv, Bd. 407). Jedoch kam es so weit nicht anno 1683.

In seinem Schreiben vom 3. Juli 1680 an seinen Verwalter kommt Bonaventura Fugger gleich im ersten Teile auf seinen „Altusriedter [121] Weyher“ zu sprechen, indem er bemerkt: „Die Besetzung und Verbesserung des Altusriedter Weyhers; das allerbest wird sein, wann solcher Weyher auf einmal recht besetzt wird, so daß er dann auch seinerzeit wieder abgefischt werden kann; sonst hat man recht getan, daß am Weyher das Wuhr reparirt und erhöht, auch in selbigen bereits sieben Laich Karpfen gethan hat.“

Wappen der Grafen von Fugger-Kirchberg-Weißenhorn.

Neuburger Kreisarchiv, Akt de anno 1662 den 26. April: „Underthenig und gründtlicher Bericht, wie es mit dem löbl. Collegiat Stifft Grönenbach und anderen mehreren Fundatoribus bewandt,“ kommen auch die alten sogenannten Herrschafts-Jahrtäge zur Sprache, für wen sie gestiftet und wie’s dabei gehalten werden soll. Schon Frau Erbmarschalkin Margaretha von Pappenheim, eine Geborene von Syrgenstein, hatte Jahrtäge gestiftet, zu denen dann noch mehrere durch die Nachfolger hinzukamen. Jedoch während des 30jährigen Krieges war auch bezüglich der Fundation, des Kapitales und der Darbringung dieser Jahrtäge eine Unordnung eingerissen; auch da setzte Bonaventura Fugger mit ordnender Hand ein, wie die darüber erwachsende Korrespondenz zwischen ihm und seinem Verwalter besaget:

Seel Zedel (Kreisarchiv von Neuburg, Bd. 387):

So gewondlich uff den Jarstag nach Pauli Bekehrung soll verlesen werden de anno 1604:

Erstlich gedenket bey den noch überlebenden, der wohlgebornen Frau Frau Margaretha Erbmarschalkin, Freyin zu Bappenheimb, ainer geborenen von Sürgenstein, als Urheberin und Stiffterin dieses gegenwärttigen Gottesdienstes und Jartags.

Deßgleichen gedenket des wohlgeborenen H. H. Alexanders, des Heyl. Röm. reichs Elltisten Erbmarschalk, Graven zue Bappenheimb uff der Herrschafft Graeventhal, Grönenbach und Hezlinshofen, Röm. Kays. Rath und bestellten Obersten erst ermelten Frauen Stiffterin geliebten Herrn Gemahls.

So gedenket auch umb Gottes willen des wohlgeborenen H. Hannßen Philipp, Freyherren von Rechberg von Hohenrechberg, H. zue Schempffenberg und Umstorff, und der wohlgeborenen Frauen Anna von Rechberg, seine Gemahlin, vorgemelts H. Alexanders, Erbmarschallen und Frau [122] Margaretha, der Frau Stiffterin H. Tochtermann und inniglieben Frau Tochter.

Item der wohlgeborenen Frau Magdalena Erbmarschallin, geborene von Freyberg, des auch wohlgeborenen H. Joachims, Erbmarschallen, H. zu Bappenheimb hinterlassene wittib.

Gedenket umb Gottes willen der Edlen Ehr und Tugendreichen Frauen Frauen Barbara von Schellenberg, wittiben und geborene Marschallin, vorbesagts H. Alexanders Erbmarschallen Schwester.

Für diese alle bennenent (dicti) und sonderlich sprechet: pater noster et Ave Maria.

Aniezo aber und für welche hievor wohlbesagte Frau Margaretha Erbmarschallin als Stifterin dieses Jars Begangnuß fürnemblich zu Ehren Gottes und trostlichen Vorbitt der Abgestorbenen insonderheit angesehen und bestellet hat.

Bedenkt umb Gottes willen des wohlgeborenen H. H. Joachim des Heyl. Röm. Reichs Erbmarschallen, Graven zu Bappenheimb, Grönenbach und Hezlinshofen, welcher des auch wohlgebornen H. H. Alexanders Elltisten Erbmarschall, Graven zue Bappenheimb und Frau Margaretha Erbmarschallin, Freyin zu Bappenheimb ainiger eheleiblicher Sohn gewesen ist.

Bedenket um Gottes willen des Edlen Hanßen v. Syrgenstein zue Ampt Zell und der Ehrenreichen Frauen Brigitten v. Ratzenriedt, seiner Hausfrauen als der wohlgeborenen Frauen Stiffterin lieber Vater und Mutter selig.

Bedenket umb Gottes willen des Edlen Joachim v. Syrgenstein zue Ampt Zell, fürstl. bayr. Raths, der Frau Stifterin lieber Bruder selig.

Gedenket umb Gottes willen der Edlen Ehren- und Tugendreichen Frauen Frauen: Christina von Haimenhofen, Anastasia Hundtpißin von Walthrambs, Euphrosine Gremblichin von Jungingen, welche alle drey gewesen seynd geborene von Syrgenstein und unserer gnädigen Frauen (Stiftertin Margaretha) liebe Schwestern.

Gedenket auch des wohlgeborenen H. H. Heinrichen, Ältisten Erbmarschallen zue Bappenheimb, unsrer gnädigen Herrschaft alhie H. Bruder und Frauen Margaretha, Marschallin, Freyin zu Bappenheimb, seine Gemahlin.

Deßgleichen gedenket des wohlgeborenen Heinrich Rudolphen, Erbmarschall, H. zue Bappenheimb, welcher erstgemellts H. Heinrichen, Erbmarschallen des Ältisten und Frauen Margaretha Marschallin eheleiblicher Sohn gewesen ist.

Gedenket des wohlgeborenen H. Heinrich Burkhart, des Heil. Röm. Reichs Erbmarschallen, H. zue Bappenheim, und der edlen Frauen Anna geborene von Hirnheim, seine Gemahlin.

Als Nachtrag im beyliegenden Zedel: Bedenket umb Gottes willen des wohlgeborenen H. H. Ott Heinrich Fugger, Freyherrn von Kirchberg und Weißenhorn, H. zue Mündelheim uff Grönenbach und Hezlinshoven, unseres gndg. Herrn.

Desgleichen der wohlgeborenen Frauen Frauen Anna Fuggerin, Freyfrauen von Kirchberg und Weißenhorn, geborene Erbmarschallin Freyin zue Bappenheim unsere gdg. Frauen.

[123] Bedenket umb Gottes willen des wohlgeborenen H. Alexanders, des Heil. Röm. Reichs Eltisten Erbmarschallen, H. zue Bappenheimb uff Gräventhal, Grönenbach, Hezlinshoven, Röm. Kayserl. Raths und bestellten Obersten, vormelts H. Joachims gewesten H. Vaters sel.

Ferner gedenkt umb Gottes willen der wohlgeborenen Frauen Margaretha Erbmarschallin, Freyin zu Pappenheimb, geborene v. Sürgenstein, vorvermelts H. Joachims geweste Frau Muoter.

Nun ist auch angegeben, wie dieser Jahrtag immer gehalten worden: „Am Abend zuvor nach vollendten Vesper und Complet wird eine lange Vigila gesungen, alsdann ob dem Grab „Vesperae defunctorum“. Morgens werden zway hailige Ämpter gesungen, das Erst de Bma Virgine Maria, das andere pro defunctis mit ainer gesprochenen hl. Messe. Nach Vollendung des Ampts werden abermals „ob dem Grab“ Vesperae defunctorum gesprochen, letzlich den Armen ain Almusen gegeben. Nach verrichtem Gottesdienst soll von den 6 fl. 15 kr., so dazue gestifft, Präsent geben werden: dem H. Decano 41 kr., bayden Collegiat-Priestern iedem 40 kr., dem Organisten 40 kr., den zwayen Schuelern (Stifftssingknaben) iedem 10 kr., dem Mesner für läuthen 30 kr., für zwo maß Wein Aufsatz 16 kr., für broth 8 kr., dem Hailig Pfleger für Wachs 20 kr., für Spendtbrot 2 fl.“

Im ganzen waren bis zum Jahre 1641 laut Verzeichnis im Neuburger Kreisarchiv gestiftete Herrschafts-Jahrtage folgende sechs: 1. für Frau Margaretha von Pappenheim, geb. Syrgenstein; 2. für Frau Anna Fuggerin, geb. Pappenheim; 3. für Herrn Hans Philipp von Rechberg; 4. für Herrn Joachim von Pappenheim; 5. für Frau Barbara von Schellenberg; 6. für Herrn Alexander von Pappenheim.

Herr Bonaventura von Fugger ließ nun durch seinen Verwalter 1662 genauest auf Grund aller Aufzeichnungen die Jahrtage, ihre Stiftungskapitalien, Stifter und Beträge an den Jahrtagen aufzeichnen und ist dieses niedergelegt laut Neuburger Kreisarchiv in folgendem:

„Yber solches hin hat die Herrschaft Grönenbach vileicht in conscientia gefunden, daß Sye durch den mit dem Reformator Philipp von Pappenheim anno 1577 und durch den 1593 eingegangenen Receß dem Collegiatstifft merklich viel vergeben, wie auch den Zeller Zehenten und Früemeß-Einkommen zu Altusriedt nit bono jure an sich gezogen und viel Jarlang gaudirt, hat sie angefangen, unterschiedliche pia legata zu erschaffen als:

1°. Sechs Herrschaffts Jahrtäg; 2°. den gesambt Priestern ins Stüfft weg des Zellers Zehent iärlich 100 fl.; 3°. einem Früemesser oder pfarrer zue Altusriedt auch iärlich 100 fl.; 4°. für 2 wochentliche Seelenmessen den Stüfftspriestern insgesambt 52 fl.; 5°. Item für eine wochentliche Lytania de B. M. V. an Sambstag zu musiciren 22 fl. 30 kr.; 6°. dem [124] Spital Grönenbach iärlich 50 fl.; 7°. die übrigen pia legata alle nur lauttere Allmuesen in specie aus der Herrschaft Haus-Arme, Leibaigene Underthanen, welches unter ihnen sollte ausgetheilt werden.

Was nun Erstlichen die 6 Jahrtäg belangt, werden selbige bisher quatemberlich gehalten und den Priestern ein weit Mehreres als die Fundation mit sich bringt, gegeben; denn bey 4 gestifften Jartägen sollen sein allzeit 6 Priester, so daß ie 3 im Stifft und 3 Frembde, bey den andren Zweyen Jartägen nur die 3 Stüfftspriester und kein Fremdter und wenn man will ad verbum nachgehen der Fundatoren, gehört dem H. Decano im Stüfft von allen 6 Jartägen mehr praesenz nit dann 4 fl., den andren zwey Priestern Jedem 4 fl., den 3 frembdten Priestern von den 4 Jartägen iedem 3 fl. 20 kr.; das belaufft sich zusammen von allen 6 Jartägen uff die ganze Priesterschafft 25 fl. und 21 kr.

Ferner ist man dem Hailligen schuldig von diesen 6 Jartägen mehrer nit nach Betrag der Stüfftung als 49 kr., das hat man noch bis dato nit geben; dem Mesner seine völlige Präsenz von diesen Jartägen ist schon viel Jahr hero als 3 fl. 15 kr. bezalt worden, dem Schuelmaister und Musicanten ist bishero auch nichts geben worden, den armen Leuthen für Spendtbrodt deßgleichen. Da man aber die völlige gestüffte 6 Jartäg in natura würde halten lassen, erfordert es nach lauth der Stüfftung in allem 43 fl. 21 kr. Hierüber ist unpartheiisch zu judiciren, ob es sich nit thuen lasse, die 6 Jartäg in die 4 Quatemper in perpetuum zu ziehen, gewiße Zahl 4 oder 5 Priester dazue zu beruffen, Ihnen Ihre geschöpfte Präsenz der 25 fl. 21 kr. in 4 theilen iedem gleich zu geben, dem Heilligen seine 49 kr. hette man „wirklich“ wie auch dem Mesmer seine 3 fl. 15 kr. zu bezalen; das belaufft 29 fl. 25 kr., das Übrige, 13 fl. 56 kr., könnte man darvon den Musicanten etwas assigniren, den Rest den Armen, etwan alzeit an Allerseelentag. Erst wann die 600 fl. wegen Ihrer hochsel. Excellenz (Ott Heinrich Fugger) völlig außgeben weren worden, uff ewige Zeit vor der Kirchen ausgeteilt werden, würden also solchergestalten die völlige 43 fl. 21 kr. ausgeteilt.

2°. Die gestüffte 200 fl. den Priestern im Stüfft und nachher Altusried versehen sich dahin, daß man zwar iärlich solches gelt bezahlen solle, herentgegen ist des Herrn fundatoris expressé Meinung gewesen, den Zeller Zehendt und Früemeß Einkommen (in Altusried) für sich und seinen Erben zu reserviren und wann man solchen Zeller Zehendt und Früemeß Einkommen, so die Güetter alle wider recht in esse kommen, unparteyisch will taxiren lassen, was bey Friedenszeiten ertragen, so belaufft es sich uffs wenigst in die 300 fl., dahero dann und weilen Ihre Hochsel. Excellenz H. Graf Ott Heinrich Fugger wohlsel. diese beede Stücken, den Zeller Zehent und Früemeß den Geistl. anno 1627 restituirt und also ein weit mehreres geben als das legatum an ihm selbst gewesen wäre, dahero

3°. et 4°. Unpartheyische judiciren können, ob nit billich per se solche 200 fl. gestohlen und hinfüran denjenigen, so solche beede Stuck in perpetuum gaudiren werden, auch die wochentliche 2 heyl. Seelmessen zu lesen und

5°. Jeder am Sambstag ain heyl. ljtaniam zu betten, von rechtswegen möge uffgeladen werden.

[125] 6°. Die 1000 fl. Capital und järliche Zins mit 80 fl. seind ableßig und werden ihre Richtigkeit seiner Zeit schon erlangen.

7°. Die andere pia legata so anders nichts als Allmuesen den Unterthanen sein, belauft iärlich nach besag der Stüfftung zu 100 fl. Dieses legatum, wann manns judicialiter wolte erkennen lassen und in fundamento recht consideriren, so ist das Capital dieser Stifftung nit nur 10, sondern mehr als 20 mal ganz abgelöst mit viel viel Tausend Gulden aus den Ursachen: Die Underthanen wären schuldig nach Lauth des Allgäischen Gebrauchs ihre Rent, Zins, Gülten und alle Schuldigkeit gnädiger Herrschafft völlig zu geben, es seye Krieg, schlage Hagelschauer oder ander Mißwachs. Nun ist männiglichen bewußt, daß Ihro hochsel. Excellenz H. Graf Ott Heinrich Fugger wohlsel. seinen Underthanen in der Herrschafft Grönenbach alle Herrschafftsgeföll von anno 1632–1637 totaliter nit allein geschenkt, sondern Ihnen noch darzue an Getraid, Gelt, Roß und Vieh umb etliche hundert fl. vorgestreckt. Deßgleichen hat hernach die hinterlassene hochgräffl. Frau Wittib wohlsel. viell Jahr lang nit den vierten Thail Nuzen von der Herrschafft gehabt bis noch uff den heutigen Tag Ihro Hochgräfl. Gndn. H. H. Graf Bonaventura Fugger deroselben Unterthanen iärlichen Renth, Zins und Gilten nachsehen müessen. Dahero dieses Alles nichts andres als Allmuesen zu rechnen und dieser Punkt ohnmaßgeblich de jure gar wohl kann cassirt und gndg. Herrschafft in conscientiâ sicher gestellt werden, iedoch mit diesem Reservat, daß, wo die höchste Noth erfordert, Ihro Hochgräfl. Gnaden Ihren armen Unterthanen soviel möglich mit gnädiger Hilff begegnen sollte. Dieses Alles dem Hochverständigen Geist- und Weltlichen Rechts-Gelehrten allein zur Nachricht und Ihnen in Ihren Consiliis im wenigsten nichts vorgeschrieben.

Und wenn eine Dispensation in diesen fundationibus sonderlich in den Jartäg sollt zu erhalten sein uff Ewig, wäre hochwerth Erstlich was und wie viel einem ieden Stüffts Priestern von allen 6 Jartäg und wie viel den Frembden sollte geschöpft werden, zu benamsen.

Wann ein andrer frembder Priester, dazue man die negst gelegenen erfordern sollte, absens wäre oder us erheblicher Ursach nit erscheinen könnte, solle selbige Präsenz uff einen andern Tag gleich hernach eintweder durch diesen oder durch einen andern Frembden in solcher Formb und Gestalt verrichtet werden wie andere gethan haben.

Weylen dem Schuelmeister, Organisten und Musicanten zu solchen Jartägen ihre Präsenz geschöpft werden möchten als solle man die nechst gelegenen Priester, so Musicanten sein, wo anders möglich hierzue erfordern, damit diese Präsenz recht verdient werden.

Daß man quatembrlich 2 Heyl. Ämbter, ains de B. M. V. und dann ein Requiem musicaliter singe und halte, den übrigen Gottesdienst, das officium defunctorum verrichte, wie es sonst bishero gehalten worden und bräuchig gewesen.

NB. Bey dieser Sach hätt ein Unpartheyischer auch fordrist zu beobachten, daß die Priester in diesem Collegiat Stüfft dermahlen weit andres als â primâ fundatione hero besoldet werden, indem der iezige H. Decanus weit über seine 400 fl. ohne die Cost, der H. Canonicus [126] aber uff seine 200 fl. neben der Cost komme; solches allein zum Bericht de dato 26. April 1662.“

Im Jahre 1664 nun wandte sich Bonaventura Fugger mit diesen Erhebungen über die alten Stiftungen und Jahrtäge an das bischöfl. Ordinariat in Augsburg (Neuburger Kreisarchiv, Bd. 387), worauf definitive Reduktion und Regelung erfolgte:

„Nos Caspar Dei gratia et Apost. Sedis gratia Episcopus Adramytenus dioecesis Augustanae in pontificalibus et spiritualibus Vicarius generalis universis harum literarum seriem visuris et lecturis salutem in Dmno cum notitia subscriptorum: pro parte ecclesiae Collegiatae ss. Philippi et Jacobi in Grönenbach, Dioecesis Augustanae, expositum nobis fuit, qualiter in ea quam plurimae missae et anniversaria aut aliae certis per annum diebus legenda laudabiliter quidem fundatae fuerint at tum calamitoso bellorum nuperorum tempore tum alias ob injurias redditus ejusdem ad tantam tenuitatem redacti sint, ut neque fundatus sacerdotum sive Canonicorum numerus ibidem ali neque fundationibus ex aequo satisfieri possit, sed eaedem praeter assignationes sacerdotibus congruas portiones necessario ad minorem numerum reduci debuerint ac debeant juxta tenorem literarum subsequentium, quae de verbo ad verbum ita sonant:

Zu wissen kundt und offenbahr sey allermänniglich lauth dieses offenen Briefs, daß heut zu endtgesetztem dato in dem fürstl. bischöfl. Vicariat zue Augsburg im Beysein des Hoch- und Wohlgeborenen H. Bonaventura Fugger, Graffen zu Kirchberg und Weißenhorn, H. zue Grönenbach, Mazensies und Mückhausen, der Churfürstl. Dchlt. in Bayern Rath, Cammerer und pfleger zue Landtsperg auch Ihr Dchlt. Maximilian Philippen, Herzog in Bayern, obrister Hofmeister und dann H. Georg Megglen, Stüfftsdechant und pfarrherrn zue Grönenbach, in puncto haltendter Gottesdiensten, Jartäg, gebührendter underhalt eines H. Dechandts und der übrigen Chorherrn zu gedachtem Grönenbach nachvolgend Gestalt verhandelt und beschlossen wordten:

Erstlichen in puncto der Ordinari Stüfftsgottesdiensten hat es an Sonn- und Feiertägen mit dem ambt, predig, kinderlehr und Vesper wie bishero bräuchlich gewesen, sein verbleiben. Durch die Wochen aber, solang nur 2 Priester uffm Stüfft sein werden, sollen drei hl. Messen als am Montag ein seelmeß zu Hilf und Trost H. Ludwig von Rottenstein und Vorfahren sel. vermög dessen Stüfftung; an den Mittwochen auch ein seelmeß vor die verstorbene Herrschafft, am Sambstag ein mess von unsrer lb. Frau (in honor. B. M. V.) gelesen wie an gedachten Sambstägen von derselben die lauretanische lytaney zu betten, an den Feyerabendt aber hochgedacht unsrer lb. Frauen musicaliter gesungen werden; falls aber an den montäg und mittwochen solche festa solennia einfallen oder dieser tag in solchen octavis begriffen, worinnen kein seelmessen zu lesen yblich, sollen mehrberührte seelmessen uff einen andern tag selbiger wochen verschoben, anticipirt oder auch die mess von solchem Fest oder Octaven vor die Verstorbenen applicirt werden.

[127] Fürs andere: Die 8 Jartäg deren H. H. Stüffter sel. sollen hinfüro gehalten werden durch 4 Priester, deren 2 vom Stüfft und 2 frembdte, unter welchen H. pfarrer von Altusriedt oder sein Früemesser, wann einer inskünfftig an diesem orth zu diesen undt übrigen allen hernach volgenden Jartägen, wo man frembde priester von nöten hat, vor anderen allzeit zukommen zu lassen (sein sollen), bis gleich wohlen mehrere priester uffm Stüfft erhalten werden können, mit einer Vigill von einer Nocturn und denen laudibus sambt gleich darauf volgendem seelambt, drey gesprochenen seelmessen und zu Endt dem placebo uff der Stüffter grab. Für iedweden wird Präsenz geraicht: H. Dechant 1 fl. 18 kr. und iedem aus den 3 priestern 54 kr., iedoch mit diesem Anhang, daß der oder der so unter währendem ambt mit messelesen nit occupirt, ohne weiterem oder mehrerem Präsenz bey der Music sich gebrauchen lassen sollen, dem Organisten 15 kr., item den 3 Musicanten iedem 10 kr.

Zum dritten: Herrschaffts Jahrtäg sinds beim Styfft deren 4, soll man iährlich nach volgendter gestalt halten: den 1ten des H. Alexanders v. Pappenheim sel. umb den 7. Marty; den 2ten Frauen Erbmarschallin Margaretha de Pappenheim sel. umb 29. July; den 3ten H. Hans Philipp Freiherrn v. Rechberg umb den 13. 7bris; den 4ten Anna Fuggerin v. Pappenheim umb den 26. 7bris; alle an zwei hiezu bequömlichen Tagen. Den 1ten Tag eines ieden aus diesen nechst besagten Jahrtägen zu morgens vorm seelambt mit einer Vigil einer Nocturn sambt deren laudibus, seelambt und zwei gesprochenen seelmessen und dem placebo; den anderen oder 3ten tag hernach (wie es am füeglichsten der Täg sein kann), sollen noch 3 hl. Messen durch die 2 oder 3 Stüfftpriester zur intention eines ieden besagten Jartags gelesen werden; auf ieden dieser mehr berührten Jahrtägen werden verwendet in summa 9 fl. und solche diesermassen ausgethailt: als für den 1ten tag gibt man Präsenz H. Dechant 3 fl., dem Chorherrn 1 fl. 30 kr., dem 3ten Priester, er sey auch ein Chorherr oder frembder, 1 fl. 30 kr., dem Organisten 30 kr., denen 3 Musicanten iedem 20 kr.; den 2ten oder 3ten Tag für die drei Nachmessen iedem Priester 30 kr.

Den 5ten Jahrtag als weyl. H. Joachim Reichs Erbmarschallen de Pappenheimb seel. umb den 20ten Jänner mit 3 hl. Seelmessen und wirdt iedem Priester zur Präsenz gereicht 40 kr. Den 6ten Jahrtag weyl. Frauen Barbara v. Schellenberg, geb. Erbmarschallin und Freyin v. Pappenheim seel. umb den 6. Febr. auch mit 3 seelenmessen zu halten; die darfür verordnete Präsenz bestehet für ieden Priester in 20 kr. Vor allen 6 obgesagten Jahrtägen insgesambt werden dem Mesner geben 3 fl. 15 kr. als von jedem deren vier Ersten 36 kr., vom 5ten 28 kr., vom 6ten 23 kr. Den armen leithen in summa 11 fl. 34 kr., nemblich bey den ersten Jahrtägsgottesdiensten iedesmal 2 fl., beim 6ten aber 1 fl. 34 kr. Der Kirche für Beläutung in summa 49 kr., zwey armen schuelern insgesambt 1 fl. 20 kr., den Spitalarmen 5 fl., Herrschaffts hausarmen Töchtern in allem 9 fl. 2 kr. Zu diesen nägst obengesetzten 5ten und 6ten Herrschafts Jahrtägen solle gleichfalls der 3te Priester von altusriedt (solang nur 2 Chorherrn im Stüfft) gezogen werden und gleich wie selbiger in den vorigen (Jahrtägen) mehrer Präsenz genieset also in diesen auch mit geringerer Vorlieb nehmen.

[128] Zum Vierten: Weyl der Hochwohlgeborene H. Graf Ott Heinrich Fugger Excellenz und dero Erste Frau Gemahlin wie auch der andere Jahrtag vor die andere Frau Gemahlin Frau Maria Elisabetha Fugger geb. Reichs-Erbtruchsessin, alle wohlseel. sollen allerdings gehalten werden wie in dero Confirmation d. d. 29. 8bris anno 1660 ausgeführt worden und begriffen, außer daß anstatt des anderen seelambts ein ambt von unsrer lb. Frau gehalten werden solle. N. B. Die Musicanten haben von diesem Jahrtag 3 fl.

Zum fünften: Einem ieden Dechant ist zu seinem Underhalt vom Stüfft verordnet und pro congrua portione geschätzt: Roggen 20 Malther, Haaber 40 Malther, Feesen 20 Malther, item der kleine Zehent im Dorff und ganzer pfarr Grönenbach.

Zum Sechsten: Einem ieden Chorherrn gibt man zu seiner Underhalt in allem 200 fl.

Zum Siebten und letzten: Hat die gräfl. Fugger’sche Herrschafft zue Grönenbach hiebevor uff die praedicatur iärlich hergeben 100 fl., hiegegen aber vom Stüfft gefällen soviel wieder genossen, sodann auch den Zeller Zehendt eingethan und darfür iärlich 100 fl. dem Stüfft geliefert; beede diese Posten sind pari passu gegen einander uffgehebt worden, alsdann dem Stüfft nur die Zeller und Zehendten und ganz vollige Geföll diesfalls verbleiben, die Hochwolgeb. Herrschafft aber die obangerechnete 200 fl. ferners zu raichen nit mehr verbunden. Besehen in dem fürstl. bischöfl. Augspurg. Vicariat den 26. 9bris anno 1664.

Folgt noch die bischöfl. Ratification:
(L.S.)
Casparus. 


Ein beim hiesigen Pfarrarchiv noch vorhandenes Aktenstück, d. d. 16. August 1688, verfaßt vom damaligen Stiftsdekan Johann Ulrich Moll, an den Herrn Grafen Bonaventura Fugger zeigt, wie damals Jahrtagsstiftungen gemacht und wie sie dotiert und fundiert wurden: „Euer hochgräfl. Excellenz wirdt gnädig erinnerlich beyfallen, waß gestalten, vor mehr iahren ein deß hiesigen Stüffts gewesener Dechant Andreas Weiß sein Zugehöriges aigenthumbliches gueth zu gornhoffen mit dieser Condition seinen Erben per testamentum hinderlassen, daß sie iärlich auß gedachtem gueth zu vnderhalt eines ewigen Jahrtags 5 fl. entrichten sollen, wie dann auch fleissig beschehen biß auff den iezmahligen Innhaber Caspar greuther, welcher vor etlichen iahren (wais nit mit wessen Vorwissen oder Verwilligung) solches onus vermainte von sich zu schieben, dem sogenannten Poppenhauser zu Diessenbach 100 fl. übergeben, den iährlichen Zinß aber, nemmlich 5 fl. dem hiesigen Heiligen zu haltung gemelten iartags übermachen wollen. Wie nun selbsten Hochvernünfftig zu erachten, das solche Stüfftungen also leicht und Rechtlich nit mögen transferiert werden, zumahlen auch bisher Kein halber Zinß dem Heiligen zugethan worden, alß habe Euer hochgräfl. Excellenz underthänig bitten sollen, [129] Sie geruhen gnädig, dero Underthanen Caspar Greuther den ernstlichen bevelch gnädig zu erthailen, daß Er die unabläßlich auf seinem Hoff fundirte Stifftung behalte, die gewöhnliche und bishero verfallene Zinß entrichte, seine zu Diessenbach auffgelögte 100 fl. und derentwegen verflossene Zinß gleichwol auf dem zu Diessenbach iez verganten Gueth sueche; hiedurch geschieht die Gerechtigkeit und Euer Hochgräfl. Excellenz werden sich ein ewiges Lob verursachen. Anbey zu beharrlichem Hochgräfl. Gnaden Mich underthänig empfehlendte verbleibe Grönenbach, d. 16. Augusti anno 1688 underthenig Capellan Joh. Ulrich Moll Dechandt.“

Herr Bonaventura Fugger starb 1693 und hinterließ als Deszendenz einen Sohn „Johann Max Joseph“. Der Bruder des Herrn Grafen Bonav. Fugger war Sebastian Fugger; sein voller, in den Pfarrbüchern zu Grönenbach eingetragener Titel lautete: Illms Dmns Dmns Sebastianus Fugger Graf de Kirchberg und Weißenhorn, eques Hierosolymitanus. Daraus geht hervor, daß Sebastian Fugger Jerusalem besucht und am hl. Grabe des Erlösers geweilt und dort sich den Titel eines „Ritters von Jerusalem“ erholt. In den Pfarrbüchern zu Grönenbach fungierte derselbe im Jahre 1646 am 26. Juli als Taufpate bei dem Kinde Anna Maria seines Gärtners Nikolaus Klem und seiner Gattin Anna Hammlin. Sonst ist von seiner Tätigkeit in Grönenbach in Akten des Pfarrarchivs und im Neub. Kreisarchiv nichts vorhanden. Er starb 1677 mit Hinterlassung eines Sohnes Marquard Eustach und eines zweiten Sohnes Eustach Maria.

Der andere Bruder des Herrn Grafen Bonaventura Fugger hieß Paulus Fugger; sein voller Titel in den Grönenbacher Pfarrbüchern lautete: Illms Dmns Dmns Paulus Fugger, Hochgräfl. Exzellenz, des Kurfürsten von Bayern oberster Kämmerer. Vom Jahre 1690 an griff er neben seinem Bruder Bonaventura in die Geschichte Grönenbachs ein. So war er auch beteiligt bei dem Umbau und Anbau an das hiesige hohe Schloß, der im Jahre 1682 vorgenommen wurde (Neub. Kreisarchiv, Bd. 425). Im hiesigen Pfarrarchiv findet sich ein Brief des damaligen Stiftsdechants Johannes Ulrich Moll an Paul Fugger, d. d. 3. Jänner 1690 in Sachen eines Kirchhofstreites in Zell. Zell war nämlich früher lange vor der sog. Reformation eine selbständige Pfarrei; anläßlich der Einführung des Calvinismus in Grönenbach rotensteinischer Herrschaft waren auch einige Einwohner Zells der neuen helvetischen Religion zugetan worden, und der Pfarrer in Zell, weil er nicht mehr genügend Einkommen besaß – Schmälerung und Verringerung des Zehents –, flüchtete [130] sich ins Stift Grönenbach, und seit 1560 blieb nun Zell mit dem Stift Grönenbach verbunden – eine Art Inkorporation – bis zur sog. Säkularisation im Jahre des Heils 1803. Selbstverständlich hatten die Zeller Reformierten keinen Anteil an der Pfarrkirche in Zell und auch nicht am streng konfessionellen Gottesacker; die Zeller Reformierten wollten aber gleichwohl im Friedhofe dortselbst in den Reihengräbern zwischen den Katholiken begraben werden unter Beiziehung des calvinischen Grönenbach’schen Prädikanten und Abhaltung ihrer Zeremonien, sog. Leichenabdankung, Gebetsformel und Psalmengesang. Das gab nun Anlaß zu vielen Zwistigkeiten und Reibereien zwischen dem Grönenbacher Stiftsdechant einerseits und den Zeller Reformierten andrerseits, so daß schließlich anno 1671 eine Vereinbarung getroffen wurde laut Pfarrakten hier zwischen den beiden Herrschaften Fugger-Pappenheim und Stiftsdechant und den Deputierten der Reformierten, gemäß deren den Zeller Reformierten ein separierter Platz hinter der Zeller Pfarrkirche angewiesen wurde und die Beerdigung der Reformierten in der Stille gestattet wurde „ohne Zuziehung eines Pastors oder des calvinischen Schuelmaisters zue Grönenbach einfach eine Civilleichabdankung durch einen Zeller Gemeindtsmann“.

Gleichwohl blieben trotz dieser Vereinbarung diese Leichenbegängnisse Anlaß zu fortwährenden Reibereien. So beklagte sich auch in dem oben zitierten Schreiben Herr Dekan an den Fugger Paulus Herrn Grafen ratione sepulturae und stellt die Bitte, „da die verschiedenen Kayserlichen Excitatorien an die beeden Kreisausschreibenden Fürsten zur Wiederaufnahme der Verhandlungen wegen des annus normalis 1. Jänner 1624 keinen Fürgang gewinnen, ein mehrmaliges Kayserl. Excitatorium auszuwirken in Verbindung mit dem Augsburger Hochstifft und dem fürstl. Stifft Kempten wegen des beederseits obhabenden Kayserl. conservatorii.“ Am gleichen Tage, 3. Jänner 1690, wandte sich der H. Dechant wegen der gleichen Angelegenheit „an die Hochfürstl. Augspurg. H. H. praesidenten, Canzler und Räth in causa sepulturae in Zell, da der grönenbach’sche calvinische Schuelmaister sich angemaßt hatte, anstatt des calv. grönenbach’schen Prädicanten die Leichenfeier in Zell vorzunehmen und aus einem Buche etwas vorzulesen und Psalmengesang veranlaßt bei der Feier durch die Dorfgassen. Er habe zwar dagegen reclamirt, contradicirt, remonstrirt, aber ohne Erfolg. Er könne dergleichen Frevelthaten fürderhin in die Länge nicht hintertreiben ohne stärkere Handt, deßhalb stellt er das Ansuchen, dies. H. H. möchten allergnädigst geruhen, nit allein nachtruckliche Remedirung gegen der Reformirten Vorhaben zu verschaffen, [131] sondern auch in gegenwärtigen Conjuncturen vom Königl. Kayserl. Majestät auszuwirken, daß der principal punctum ratione des allhiesigen Exercitii reformati, von welchem dermahlige Widerwärtigkeiten hauptsächlich herrühren, wiederum ad revisionem genommen, das per false narrata eingeführte reformirte Exercitium abgestellt und hierdurch aller andrer Ungelegenheit vorgebogen werdte. Diese H. H. möchten selbsten gnädg. und hochvernünftig erachten, wie nötig solches negotium wiederumb zu urgieren, damit nit aus längerer unperturbirter possession endlich von seiten der Reformirten eine praescriptio wolle allegirt werden.“

Derselbe Dechant Moll suchte noch einmal in einem Schreiben an Herrn Grafen Paul Fugger vom 1. März 1690 (Pfarrarchiv Grönenbach) die Frage der Existenzberechtigung des Exercitium calvinisticum in Grönenbach anzuregen und auch den genannten Herrn Grafen Fugger Paulus zu animieren, Hand anzulegen, daß eine nochmalige Revision des Restitutionsedikts (Lindauer und Ravensburger Signat) vom Jahre 1649 und 1650 für Grönenbach seitens des Kaisers erreicht werde. „Daß Euer Hochgräfl. Excellenz das hiesige Religionswesen und in specie die Auswürkung eines mehrmaligen kayserl. Excitatorii an die Craissausschreibendte H. H. Fürsten (titulus plenus) der denenselben ratione des exercitii reformati alhier vorlängst uffgetragenen Commission halben sich sehr eiffrig lassen angelegen sein, habe underthänig vernommen, sage auch darum schuldigsten Dank und bitte gehorsamlich, Euer Hochgräfliche Excellenz geruhen gnädig, in solchem der Cathol. religion und hiessigem Collegiatstifft sehr angelegenen Werk noch ferner, wie in dero hohem Vermögen zu sein erachtet wird, nachdrucklich zu arbeiten. Der Principalpuncten, gnädg. graf und H. (wenn mir underthänigen bericht zu erstatten gnäd. vergonnet) beruhet hierauf, ob Adolf Langhans sonst zu Viechtach in der oberen Churpfalz gewesener Calvinischer Praedicant in anno 1624 den 1. Jänner wie gegentheil bey der kayserl. subdelegation Commission zu Lindau in anno 1649 mit 17 falschen Zeugen vermeintlich erwiesen, in alhiesiger Spital Kirchen gepredigt? Wie ungegründet aber und der Wahrheit ganz zuwider gedachter Zeugen Narration und mit was für steiffen unverwörfflichen Fundamenten und Proben unsrerseits probiert wordten, erhellet handtgräuffig, augenscheinlich, hell und clar aus denen von der Churfürstl. Regierung zu Amberg, gemeinen Markt zu Viechtach erteilten und copialiter hie beygelegten Attestationen „Extract aus der sog. Anna-Meß zu Viechtach Rechnungen“ und andrenteils von ihme Langhansen teils wegen seiner [132] anno 1625 erlassenen Supplications-Bericht des Pflegers von Murach und Churfürstl. Bevelch. Die noch bey dem Stifft annoch vorhandenen Original Rechnungen, deren Extract ebenfalls hier beyschließe, geben, daß absonderlich in der 1623ten umb Galli angefangenen Rechnung durch 3 Quartale, Invocavit, Pfingsten, und Mathaei 1624, auch in der 1625ten Jahres-Rechnung und bis zuschluß selber und absonderlich der 23ten dem Prädicanten keine besoldung, welche man sonst, wie die Rechnungen zeigen, denen priestern beym Stifft und denen Prädicanten ordentlich quartaliter entrichtet, geraichet worden.

Findet sich auch bey der hochfürstl. Regierung zu Dillingen unter denen das Stifft Grönenbach betreffenden Acten oder Documenten ein Calender von anno 1625 so einem hochgräfl. Fuggerschen Beambten zue Grönenbach angehörig gewesen, in welchem Er, H. Beambte, ein ordentliches diarium seiner geschäfften führet und auf den 10. Decembris gedachten 1625. Jahres diese formalia verzeich setzet: Der Calvinische Prädiger das erstemal in der Spitalkirchen geprädigt: mit welchem übereinstimmet des damaligen Dechants zu Grönenbach Andreae Epplin Berichtschreiben an die Hochfürstl. Regierung zu Dillingen, in welchem er unter andern wider Pappenheimb überschriebenen gravaminibus berichtet: den 10ten und 14ten diess hat ein calvinischer verjagter prädicant neuerlich in der Spitalkirchen geprädiget. sonst werden auch in der 25. Jahres-Rechnung des Stiffts, welche oberwähnter Dechant Epple geführet, den 22. February 1626 zwey Posten in Ausgab, Zöhrung 1 fl. 12 kr. in Ausgab Wein aus des Stiffts Keller – 8 Maaß Wein wegen H. Dr. Schwarzen von Kempten, als Er wider den Marschall protestieret, da er einen neuen Prädicanten aufstellen wollen, wie diese formalia lauthen, eingebracht. Euer Hochgräfl. Excellenz erachten von selbsten hochvernünfftig auch gdg., wie stark man von seithen der Katholiken fundieret und wie ungüttlich das arme Stifft alhier beschweret, indem es à tempore factae et per falsa narrata obtentae restitutionis exercitii reformati dem Prädicanten und seinem Kirchendiener allerdings bey 10 000 fl. zu raichen angehalten worden, auch von solchem großen Beschwerdte kümmerlich möge befreyet werdten, wan nit dem Übl ex fundamento abgeholffen wirdt.“

Wohl aus der Umgebung des Herrn Dechant, in seinem Geiste ist ein in hiesiger Pfarrregistratur vorhandener Akt abgefaßt und Herrn Grafen Paul Fugger zur Information unterbreitet worden, der über dieselbe Materie anno 1690 besagt: „Einfältige Notata über oder [133] vielmehr wider die fundamenta und Gründe, auff welchen das Exercitium religionis reform. gegründet seyn soll:

1. den Principalgrundt setzen sie auff das Rottensteinische Testament art. 6, das sie bey ihrem exercitio zue ewigen Zeiten sollen geschitzt werden – das ist ein pur Privatpactum, welches dem Universalfriedensschluß nichts kann praejudicirlich sein und also durch dies Testament nit kann bestetigt werden.

Daß Terming Anni 1624 ihnen nit könnte vindiciren ratione amnestiae, ist amnestia mehr dahin zu verstehen, der gehabten Hostilitäten nec aliunde seu ex testamento restituendisch, weil das testamentum dem Instrumento pacis nichts vorzuschreiben gehabt hat, ia hat damals nichts können umb dies instrumentum pacis wissen; seind auch niemalen völlig sine contradictione restituirt worden, sondern die H. Commissarii habens dermalen 1650 beim vorigen verbleiben lassen.

Ebenmäßig haben die iezigen H. Graven von Pappenheimb nit können verobligieren, zu einer sache, die wider das instrumentum pacis, viel weniger ihr Hab und Guet bey der Herrschaft Rotenstein zu verpfänden, weilen in fidei Commiss und solche güeter anselbsten auch dem Collegiatstifft zinsbar ia dem Stifft solche laut Fundation anselbsten verpfändt, haben es also nullo jure thuen können und wird ihnen das jus territoriale weder von grafen Fugger noch von Kempten gestattet consequenter nec jus reformandi und wenn die rotensteinischen Gueter, wie die Calvinisten melden, nur fidei Commißgüeter seind und die von Pappenheimb solche nur certis conditionibus possediren, wie haben sie es dann verpfänden können gegen den reformirten? So haben sich Ihro Hochfürstl. Gndn. zu Augspurg billig umb die sachen anzunehmen nit allein als ordinarius, sondern auch als Conservator, wann sie schon nit Dominus territorialis seind, denn zu wem solte sonsten das Collegiatstifft in tali casu lauffen und die Catholischen als nacher Augspurg, lauffen doch die Reformierten auch zu allen uncatholischen Churfürsten und ständen umb hilff, rath und Intercessionalien.

2. Daß die Reformirten fürgeben, sie haben mit juratis testibus erwiesen, daß das reformirte exercitium am 1°. Januarii 1624 öffentlich gewesen und durch zwey Commissionen richtig befunden worden ist, ist dahero denn nit also, weilen die Catholischen gleich dorten und noch bishero darwider reclamirt und es billich negirt, weilen man absonderlich probirt, daß es nit gewesen, dannenhero etliche Kayserl. rescripta allgndgst. erkendt ad reassumendum negotium [134] in hoc puncto; was es mit der amnestia für eine beschaffenheit, ist oben notirt. Daß das fürstl. Stifft Kempten anno 1621 oder 22 eine Abschaffung des Prädicanten nit befuegt gewesen, wirdt selbiges dies auch selber abzumanuteniren und red und antwort darumb geben müssen.

3. Die zwey Kayserl. Commissiones und Signaturen, worauf sich die Reformirten beziehen, anlangt begehren die Catholische nit zu (annihiliren) anhibiren, sondern lassen selbe sein und verbleiben, weilen selbe ex falso praesupposito erteilt und also bis auff diese Zeit in ihren Kräften verbleiben ex dicto supposito, weilen aber ein substantialis error erkennt worden, kann es gar nit für ein praesumptio justitiae gehalten werden und ihnen selbsten kein jus machen. Daß sie anno 1649 und 50 gehalten worden, leugnet niemand, daß sie aber detecto errore unkräfftig geworden, ist anselbsten klar genug.

Die Catholischen handeln gar nit in fraudem, wann sie den Adversariis ihren fraudem an den Tag geben, wie beschehen und erwiesen worden, viel weniger handeln sie vermessentlich, wie falsch und vermessentlich Gegentheil sie anclagt, indem sie die H. Commissarios anclagt, als haben sie praecipitanter gehandelt, sondern sagen, sie haben secundum allegata nit anderst wegen judciren und diputiren die Catholische signaturas gantz nit allein errore detecto, ob mans reassunirete.

Nun wiederumb auff die ungebührende Inzichten der Calvinisten zu kommen, als theten die Catholische in fraudem handeln, da sie erst nach 20 Jaren angezogen kommen, da die Zeugen abgestorben, ist dies wiederumb ein Ungrundt, weilen man wie oben vermelt, gleich dorten und noch bis dato darwider exzipirt, protestirt, auch weilen noch die meisten falschen Gezeugen gelebt, dahero die rescripta erkennt worden.

Daß die Catholische vorgeben H. Langhans, den sie Calvinisten allegirt, er sey 1. Januario 1624 in Grönenbach gewesen, habe den 30. Decembris 1623 zue Viechtach ein Kind getauft, ist aus den Attestationen erwiesen; daß er zu seiner Heimbkunfft solle als ordinarius propria manu das Kind eingeschrieben haben, stehet den Calvinisten zu erweisen und ist nichts völlig erörtert viel weniger kann noch soll das Rotensteinische Testament alles decidiren, weilen es nur ein Privatpunct, von Privatpersonen gemacht und verfertigt worden absonderlich, da selbiges mahl die Religion im römischen Reich noch nit ist permittirt gewesen. Demnach sind die vermeint Calvinische [135] gründt nicht wertig, ungiltig und ganz krafftlos: „fiat quoque Justitia et pereat mundus“[12].

Unter Graf Paul Fugger vollzog sich der Verkauf des Grönenbach’schen Gutsbesitzes um 60 000 fl. Rückkauf des Lehens an die gefürstete Abtei Kempten 1695 durch den Fürstabt Rupert von Bodmann. Graf Paulus Fugger starb 1701. Mit ihm scheiden die Grafen Fugger vom Allgäu, nachdem sie vom Jahre 1612 bis 1695 in sturmbewegter Zeit hier in Grönenbach gelebt und gewirkt und viel Gutes der Bevölkerung erwiesen und wirklich als eine gnädige Obrigkeit sich gezeigt, wie wir oben gesehen. In den Jahren 1891 bis 1897 suchte der ehemalige Graf Franz v. Fugger Kirchberg-Weißenhorn, der in morganatischer Ehe mit Elisabeth Roth, eine Nürnbergerin, vermählt war und dessen Sohn infolge der Fugger’schen Hausgesetze nicht sukzessionsfähig war, in Grönenbach ein Schloß, ein neues, auf dem Hügelrücken ober dem Engelland zu erbauen; jedoch zerschlugen sich die Verhandlungen und Graf Franz erwarb kurz vor seinem Tode für seinen Sohn Raymund von Fugger, Edlen von Ungarn, die Herrschafft Oberdischingen nächst Ulm.

Als Fuggerische Beamte finden sich in den Pfarrbüchern verzeichnet: 1646 Johannes Heinlein, praefectus arcis Grönenbacensis, Schloßhauptmann; 1622 Anna Veronika Dillherrin, Fugger’sche Hofjungfrau; 1646 Nikolaus Klem hortulanus (Gärtner); 1651 Hans Mering, gräfl. Fuggerischer Venator (Jäger); 1660 Caspar Plabst, Oekonomus arcis (Schloßverwalter); 1621 Michael Rotthuott, Augustanus, auriger in arce (ein Augsburger, Kutscher im Schloß); 1650 Michael Schieß, gräfl. Fuggerischer Büttel; 1663 Johannes Albrecht, Baumeister im Fugger-Schloß; 1640 Valentin Zeis, gräfl. Fugger’scher Verwalter und Sekretär; Katharina Schnellin, Baumeisterin im Fugger’schen Schlosse; 1666 Ludovikus Meindel, p. t. ditionis Fuggerianae Grönenbacensis scriba (gräfl. Herrschaftsschreiber); Johann Jakob Stollenmayer; Gg. Treuchtlinger, Stiftsschaffner.


26. Grönenbach im 30jährigen Kriege 1618–1648.

Der längste und grausigste Krieg, den unsere Heimat erlebt, ist der sog. 30jährige Krieg, der sich eigentlich in 4 Hauptabteilungen abspielte: a) der böhmisch-pfälzische Krieg von 1618 bis 1623; b) der niedersächsisch-dänische Krieg von 1625 bis 1629; c) der schwedische [136] Krieg von 1630 bis 1635; d) der schwedisch-französische Krieg von 1635 bis 1648. Selbstverständlich hatten die einzelnen Gegenden Deutschlands nicht gleichviel zu leiden und auch nicht während voller 30 Jahre den Feind im Lande. Als Quellen für diese Zeit und für unseren Ort wurden benutzt: Kham, Hierarchia Augustana; Baumann, Gesch. d. Allg. III.; zerstreute Notizen in Pfarrbüchern, Pfarrarchiv und Kreisarchiv. Den Verlauf dieses schrecklichen Krieges, die Schlachten und Feldherren und das Ende mit dem Frieden zu Münster und Osnabrück setze ich als bekannt voraus. Die eigentlichen Kriegsjahre für unsere Gegend waren 1632, 1633 und 1634 und dann wiederum 1646 und 1647. Am 24. Juni 1630 landete Gustav Adolf, der Schwedenkönig, angeblich um seinen Glaubensgenossen in Deutschland zu Hilfe zu kommen, mit 15 000 wohlgeschulten schwedischen Truppen auf der Insel Usedom, schlug am 17. September 1631 die siegreiche Schlacht bei Breitenfeld und schloß am 13. Februar 1632 zu Frankfurt a. M. den sog. Ulmer Vertrag; am 15. März 1632 begann er die Belagerung von Donauwörth. Nach dessen Einnahme überfluteten die beutelüsternen Schweden das ganze Schwabenland; am 25. Mai rückten sie in Memmingen ein mit ihrem König Gustav Adolf, der im Fuggerbau daselbst Absteigequartier nahm, aber nur einen Tag dortselbst blieb. Er kam dann am 26. Nov. 1632 in der Schlacht bei Lützen um. Seine Feldherren setzten das blutige Spiel fort, besonders General Horn, dem der kaiserliche General Altringer in Schwaben entgegentrat und die Schlacht mit ihm schlug am 19. Jänner 1633 bei Heimertingen. Mitte März 1633 kam es neuerdings zwischen diesen beiden Rivalen zum Gefecht bei Illertissen. Schwaben war ihnen preisgegeben.

Schon im Jahre 1618 zeigte sich an einem Novembermorgen ein großer Komet von 30 bis 40 Fuß Länge, der dann mehrere Wochen hindurch erschien und nach dem Glauben des Volkes Krieg, Elend und Unglück vorbedeutete. 1620 begann ein Unfug, der dem allgemeinen Wohlstand sehr nachteilig war, daß nämlich die meisten Reichsstände die Geldsorten alter guter Qualität einschmolzen und ganz schlechte und geringwertige Münzen ausgaben, wodurch der Preis der Lebensmittel ums Fünf- bis Sechsfache sich steigerte und dem Wucher Tür und Tor geöffnet wurde. 1622 bis 1625 hatte unsere Gegend viel Truppendurchzüge, weshalb die Unsicherheit auf den Landstraßen bedenklich zunahm und vielfach die Leute besseren Standes in die ummauerten Städte flohen. 1626 entstand infolge Mißwachses durch heftige und lange Regengüsse eine schreckliche Teuerung und Hungersnot; [137] in Memmingen und Umgebung war die Lebensmittelnot fürchterlich; in manchen Dörfern machten die Leute aus Gsod ein Mehl, aßen grünes Kraut, Pfifferlinge, Wurzeln – Selbstmorde wurden auffallend häufig. 1628 griff infolge der Unterernährung und schlechten Ernährung der Bevölkerung die Pest und das „allgemeine Sterbend“ um sich.

Im Pfarrarchiv hier findet sich ein Catalogus derjenigen Personen, „so anno 1628 vom 19. Septembris biß auf Weihnächten an der laidigen Krankheit pestis in der Pfahrr Grönenbach mit Todt abgegangen seind. Erstlich zue Seeveld obyt peste Catharina Greiterin und Zwey Kinder. Gornhofen: Anna Heumerin, Elisabetha Notzin und 6 Kind, Maria Schmeltzin, Hainrich Weiß, Hans Weiß, Ursula Höltzlerin, 4 Kinder; Straiffen: Michael Weiß und 3 Kinder; Grönenbach: Jacob Greytter, Anna Bamännin, Anna Pfannenstilin, Bartle Landerer, Georg Prestlin, Anna Weidlerin, Dionysius Weidlin, Hans Weckherlin, Anna Henkhlerin, Hanß Frey, Ancilla, 2 Kinder, Jacob Gurzell, Barbara Glästin, 1 Kind, Barbara Fehlerin; Thall: Hans Notz, Hans Notz Jung, Ursula Hölzin, Barbara Metzin, 2 Kinder, 2 Arme; Schwenden: Katharina Reuchin, Michael Petterich, Georg Petterich, Anna und Barbara Petterichin, 7 Kinder; Rappoltz: Barbara Wiedemännin, Ursula Mairin, Anna Reutlerin, 6 Arme und Kinder; Herbisried: Balthus Benner, Michael Diepolder, 1 Kind; Hueb: Kaspar Diepolder, Elisabeth Öxlerin, 3 Kinder; Mainschwenden: Anna Wangnerin, Maria Rüedlin, 1 Armer; Ziegelberg: Michael Petterich, Maria Fischerin, Agath Mairin, 1 Kind; Ittelspurg: Hans Greiter, 1 Kind. Also seind innerhalb obbemelter Zeit und Jar Catholische personen Jung und Alt in hiesiger Pfarr an der laidige Krankhait pestis durch den Todt hingenommen worden in summa 86 Personen.“

Anno 1630 war der Kaiserliche Generalissimus, der Friedländer Wallenstein, in Memmingen und zwar 16 Wochen lang; allda ereilte ihn auch sein erstes Entlassungs- und Absetzungsdekret. Anno 1632 kamen, wie bereits oben gemeldet, die Schweden in unsere Gegend; auffallend milde waren dieselben in Memmingen und den umliegenden lutherisch gewordenen, zu Memmingen gehörigen Ortschaften; barbarisch dagegen hausten dieselben im angrenzenden Ottobeurer und Kempter Land und in dem ostwärts liegenden Altbayern. Im Intelligenzblatt 1814, pag. 860, findet sich folgender Eintrag: „Im Jahre des H. 1632 zur Osterzeit eroberte der Schweden König Schwaben und verwüstete es während 3 er Jahre und entblößte und beraubte es von allen beweglichen und unbeweglichen Gütern und Werten; kaum der dritte Teil der Bevölkerung blieb am Leben, überall wütete die Pest; [138] sehr viele starben des Hungertodes, andere wieder an der Pest. Die Hungersnot wuchs derart, daß man für ein Mäßlein Dünkel und Weizenmehl 5 fl. bezalte; in Immestedten, nahe bei Kirchheim, tötete eine Frau nacheinander ihre 6 Kinder und verzehrte sie; ein Weib und ihre Kinder verzehrten den gestorbenen Gatten und Vater.“

Die schwedischen Soldaten verübten die größten Grausamkeiten, wo sie erschienen. Besonderen Haß hegten sie gegen die Klöster und gegen die katholischen Geistlichen; die bittersten Klagen sind aufgezeichnet, wie vandalisch sie gegen das gefürstete Stiftskloster in Kempten, gegen das Benediktinerkloster Ottobeuren, Wiblingen, Ursberg, Elchingen vorgingen; das Kloster Irsee wurde fünfmal von ihnen radikal ausgeraubt und ausgeplündert. Die katholischen Pfarrer auf dem Flachlande wurden von ihnen unmenschlich behandelt, bis ihre Pfarrkinder dieselben durch schweres Geld frei kauften; ja mehrere Landgeistliche haben die Schweden erschlagen, so 1632 den Pfarrer zu Reicholzried und den Pfarrherrn zu Krugzell, 1633 den Pfarrherrn zu Hopferbach; der Pfarrherr zu Stötten am Auerberg mußte sich einen vollen Tag im Wasser bis zum Kopfe steckend im Schilfe des damaligen dortigen Sees verborgen halten; der Pfarrherr zu Oberstdorf hatte sich im Kirchturme vor der verfolgenden schwedischen Soldateska gesichert und versteckt und mußte Todesqual und Todesangst ausstehen, als die Unholde auch den Kirchturm in Brand steckten. Andere Pfarrherren, wie jene zu Dietmannsried, Probstried, Woringen (katholische Pfarrei neben der lutherischen bis 1803), Egg, Untrasried, Obergünzburg, Ebersbach, Grönenbach, retteten ihr Leben nur dadurch, daß sie sich in die Wälder und Höhlen flüchteten oder das Land verließen; so der Grönenbacher Pfarrherr und Dekan Georgius Fischer, Ottoburanus (gebürtiger Ottobeurer), von dem es heißt in den Pfarrbüchern hier: „Hic per aliquot annos abfuit Frisingae exul commoratus.“[13] Umgekehrt mußten auch wieder die evangelisch-lutherischen Prädikanten und Pfarrer, besonders in der Umgegend von Memmingen, manche Unbilden seitens der kaiserlichen Truppen ausstehen, die aber nicht im entferntesten heranreichen, was die wilden Schweden für Gräuel und Frevel verübten. Nicht bloß gegen Klöster und Geistlichkeit verfuhren die rohen Schwedenscharen voll Willkür und Frevel, sondern auch gegenüber dem gewöhnlichen Landvolke.

Laut handschriftlicher Aufzeichnung des Pfarrers von Egg an der Günz übertraf nichts die unmenschliche Weise, womit die Schweden [139] unter ihrem General von Horn 1633 in unserer Gegend von den gemeinen Leuten die verheimlichten Gelder erpreßten, ganz abgesehen von den ordinären Kontributionen, die wöchentlich von einzelnen Herrschaftsgebieten an die schwedische Kriegskasse bald in Ulm bald in Memmingen in ansehnlicher Höhe abgeführt werden mußten. Diese Kontributionen wurden verschieden, bald auf den Kopf (Mann und Weib), bald auf das Vieh (Rosse und Rinder), bald auf Häuser und Grundbesitz nach der Jauchertzahl, ausgeschlagen. Neben dieser offiziellen Geldausbeutung suchten auch die einzelnen schwedischen Abteilungen in Geldgier zu nehmen, was sie erreichen konnten; in der Wahl der Mittel waren sie wahrlich nicht verlegen, wie diese chronistischen Aufzeichnungen besagen: Einigen Leuten stießen sie in der Absicht, das Geständnis ihrer verborgenen Geldschätze zu entlocken, Ahlen und Pfriemen durch die Waden, andere schossen sie entweder zwischen den Füßen durch oder jagten die Kugel durch den hohlen Leib; wieder andere füllten sie unter Bedrohung, mit Füßen auf ihre aufgedunsenen Leiber zu springen, mit einer Menge Wasser und Jauche (sog. Schwedentrunk) so voll an, daß die Armen bloß zwischen dem Zerplatzen oder dem Entdecken ihres verheimlichten Notpfennigs zu wählen hatten; noch andere sperrten sie in Backöfen und heizten dieselben so lange, bis es die Hitze ebensoweit brachte als vorher der Wasserzwang. Dörfer wurden zum Drittel, zur Hälfte, ja manche ganz eingeäschert, Knechte und Bauernjungen unter das Militär gepreßt; Hunger und große Sterblichkeit entvölkerte die schöne Schwabenprovinz, der Anbau der Felder lag darnieder; viele verließen Haus und Hof und zogen mit Weib und Kind in die Schweiz und in andere Lande.

Kreisarchiv Neuburg, Bd. 391. Auszug aus einem Brief des Stifts Kempten, d. d. 14. August 1649 an Dr. Beuchselring, „beider Rechte Doctor, Kayserl. Maj. Rath, auch Fürstl. Kempt. Rath, der Reichsstadt Augspurg Canzler“: „Unsere Schwedische fangen nunmehr die gelter für den Monath Augustum auch mit der Execution an bey den armen underthanen zu erpressen; sieht also keinem Endt gleich, müssen besorgen, es geht dergestalten fort, alß lang noch ein paur ein stück roß oder vieh hat – Gott wöll sich unser erbarmen.“

Schreiben des gräfl. Fugger’schen Verwalters vom 7. Juni 1649 von Grönenbach an Gräfin Elisabetha Fugger Witib: „Vergangene Woche bin ich in Ulm geweßt und mit dem Ritterschaftssecretair eine völlige Abrechnung gepflogen und in allem vom Juni 1648 bis angehendts vergangenen May 1177 fl. 30 kr. darunter auch der Underthanen 15 abgenommene pferdt, jedes per 15 fl., verrechnet [140] und abgerechnet; übrigens ist alles mit barem gelt bezalt worden; die Herrschafft Grönenbach bleibt weiter nichts mehr schuldig als 100 fl., die hoffe ich nechstens auch folgendts richtig zu machen mit tröstlicher Hoffnung, diese Trangsalen sollen etwan bald gar ein Ende nehmen.“ Die gleiche Klage im Schreiben des fürstl. Kempt. Rats an den Kanzler des Hochstifts vom 29. Juli 1649. „Betreffend unseres Hochgeehrten H. Bemühung und in etwas habendte Vertröstung wegen Aufbringung eines Anlehens haben wir uns zum höchsten zu bedanken bedaurt, daß wir bishero unserem hochgeehrten H. zu begegnen ainig Mitl haben könnten, weil ja alles gelt, was aufzubringen war, auf die obhabente 3te schwedische Compagnie und zur Abwendung der höchst verderblichen Execution dargelegt werden müessen und doch bey all solcher Sachen Langwierigkeit nichts erklöcken will, daher wöllen sich versichern, daß es an uns gewißlich nit ermanglet; allein könnten wir’s niemalen nit erzwingen, dann vergangenen ganzes Quartal bey allen Ämbtern nit 50 fl. einkommen, dergestalt ist der arme Landmann ausgesogen und sicher dann der halbe thail der Underthanen (so doch ainweg stark in Anlag) schon viele Wochen ohne brot leben müssen etc.“

Im Jahre 1632 kamen die Schweden von Memmingen her auch nach Grönenbach und Rotenstein; sie beurlaubten (entließen, verjagten), obwohl selbst Lutheraner, den von der lutherisch-pappenheimischen Herrschaft den Calvinern in Grönenbach aufgedrängten lutherischen Prädikanten und stellten einen reformierten Prädikanten an und räumten ihm die Stiftskirche ein; sie stürmten und plünderten sowohl das Schloß Rotenstein (eine Wasserfestung) wie auch Schloß Grönenbach und schafften 4 Stück Geschütz aus demselben nach Memmingen. Anno 1633 zündeten die Schweden hier Spital und Spitalkirche an, welche total niederbrannten; desgleichen steckten sie 35 Häuser in Brand, die in Asche sanken. Neben der Grausamkeit und der Geldgier zeigten sich aber auch bei der rohen schwedischen Soldateska, besonders in unserem Allgäu, die abscheulichste Sinnlichkeit und Ausschweifung. Wehe dem Frauengeschlechte der Orte, in denen diese Unholde einzogen! Ich verweise hier nur auf den Jungfernsprung in Landsberg. Mit Recht sagen von ihnen Zeitgenossen, ihre Ankunft errege das Gefühl, als ob die bösen Geister das Land selbst überschwemmt hätten.

Nach dem Siege der kaiserlich-ligistischen Truppen bei Nördlingen am 6. September 1634 über die Schweden atmete Bayern und Schwaben wieder auf, und es schien durch den Prager Friedensschluß [141] das Ende dieses schrecklichen Krieges zu nahen. Da setzte Frankreich, das schon längst durch Intriguen und Geldsubsidien dem Kriege immer wieder neue Nahrung gegeben, mit aktiver Streitmacht ein, und so begann der letzte schauerliche Akt der französisch-schwedische Krieg. Wohl blieb der Schwerpunkt bei diesem letzten Ringen im Norden Deutschlands: Sieg der Schweden bei Wittstock 1636 unter den schwedischen Generalen Baner, Torstensohn und Wrangel und französischerseits vorherrschend am Rhein, in Württemberg und Baden; doch kam das verbündete schwedisch-französische Heer, nachdem es Bayern verheert, auch wieder nach Schwaben und belagerte Memmingen, das von einer kaiserlich-bayrischen Besatzung gehalten wurde. Durch den Vertrag von Ulm vom 4. März 1647, den der bayrische Kurfürst Maximilian mit Frankreich abschloß, zogen vertragsmäßig die kaiserlich-bayrischen Truppen aus Memmingen ab, das sofort die Schweden unter ihrem Führer Pyemsky besetzten; sie wurden aber, nachdem der bayrische Kurfürst den Vertrag alsbald wieder gelöst, während 9 Wochen in Memmingen von der kaiserlich-bayrischen Armee belagert und mußten es schließlich räumen. Während des Winters waren anno 1646 die Schweden und Franzosen in Schwaben in den Winterquartieren. Schwaben und Allgäu litten aufs neue entsetzlich durch Geld- und Materialleistungen, Kontributionen, Exekutionen; erst im Oktober 1648 zogen sich die Schweden nach Franken und die Franzosen nach Württemberg zurück in die Winterquartiere. Am 28. November 1646 hatte der schwedische General Wrangel im Schlosse Rothenstein und der französische General Turenne im Kloster Ottobeuren ihre Standquartiere. In Memmingen lagen während 22 Jahren im 30jährigen Kriege Besatzungstruppen, bald kaiserliche, bald schwedische; Memmingen machte dreimal Belagerung durch im Jahre 1632 vom 18. bis 22. Dezember; in der Stadt lagen Schweden unter Patrik Rittwein, Belagerer war die kaiserlich-bayrische Armee unter General Altringer und Oberst Fugger und Oberkommissar Ossa. Zum zweiten Male wurde es belagert 1634; in der Stadt lagen die Kaiserlichen unter Oberst Asch, Belagerer waren diesmal die Schweden unter General Horn; in diesem Jahre 1634 wurde das Grönenbacher Schloß zum zweiten Male ausgeplündert. Zum dritten und letzten Male wurde es belagert 1647 während 9 Wochen, die Belagerung endete mit dem Abzug der Schweden. Infolge dieser Belagerungen hatte auch die Umgegend von Memmingen fortwährend durch die heranziehenden und durchziehenden, bald freundlichen, bald feindlichen Truppenkolonnen sehr zu leiden, und besonders war Mangel an Lebensmitteln, [142] und so aß das Landvolk Wurzeln, Mäuse, Ratten, Pferdeaas, Frösche, Eicheln, Nesseln, Schnecken; Hunde und Katzen waren ein Leckerbissen; manche Orte starben ganz aus, die Felder blieben größtenteils unbebaut, und auf den Straßen wuchs Gras.

Die Pfarreinträge im Tauf-, Trau- und Sterbebuch wurden während des ganzen 30jährigen Krieges (nur die Einträge vom Jahre 1636 an bis 1643 fehlen) gemacht; tempore belli Suecici nullus Canonicus praeter Decanum adtuit (zur Zeit des Schwedenkrieges war in Grönenbach außer dem Dechantpfarrer kein Kanoniker vorhanden). Aber auch der Dekan flüchtete zur Zeit der größten Not, fuit per aliquot annos Frisingae exul, war einige Jahre hindurch Exilist in Freising und einige Monate auch in Altusried, während die Schweden hier lagen. Sede vacante hat ein gewisser Remigius Loba, Ord. Eremitarum S. Augustini Memmingae, hier ausgeholfen und zwei Kindertaufen eingetragen. Ebenso ist aus einem Briefe Ott Heinrichs Fugger an Stiftsdechant Gg. Fischer, d. d. Augsburg[WS 8] 1635 (N. Kreisarchiv, Bd. 397) zu ersehen, daß Herr Pfarrer von Wolfertschwenden Interimsfürsehung der Pfarre und des Gottesdienstes zu Grönenbach übernommen hatte.

Der beste Beweis, wann die Schweden in Grönenbach waren und welche schreckliche Entvölkerung dadurch erfolgte, dürften die den hiesigen Pfarrbüchern entnommenen Taufeinträge während des dreißigjährigen Krieges aufzeigen:

anno 1618 20 Taufen anno 1627 31 Taufen
1619 29 1628 24
1620 30 1629 20
1621 25 1630 27
1622 27 1631 26
1623 28 1632 29
1624 28 1633 17
1625 27 1634 8
1626 26 1635 6

Dann folgt eine Lücke bis 1643, da der damalige Dechant Georg Fischer während dieser Zeit in Freising im Exil abwesend war; Augustiner-Eremiten halfen in dieser trostlosen Zeit aus, machten aber außer zwei Kindstaufen-Vermerk keine Einträge.

Anno 1643 14 Kinder anno 1646 28 Kinder
1644 30 1647 12
1645 30 1648 26

[143] Daß die Bevölkerung auch in Grönenbach im 30jährigen Krieg stark zurückgegangen und Neuergänzung durch auswärtigen Zuzug und Fremdenzuwanderung bedurfte, aber auch erhielt, beweisen die Trauungsregister in hiesiger Pfarr-Registratur, und sei es gestattet, einzelne anzuführen. Eingeheiratet haben sich nachfolgende:

  1. Hans Schieß, Campidonensis (aus Kempten) am 26. Jänner 1644,
  2. Michel Schweigger von Isny und Magdalena Haueis aus dem Ländel ob der Enns am 16. Oktober 1644,
  3. Hans Rieger von Haidhausen (Bavarus, aus Bayern) und Elisabeth Schüßel aus Lähling (Bayern) am 7. Februar 1645,
  4. Michel Schieß, Campidonensis (aus Kempten) am 22. Mai 1645,
  5. Nikolaus Klem ex Westen Augustanus (aus Augsburg) und Anna Humlin, Rattenbergana (Rattenberg in Tirol) am 12. Oktober 1645,
  6. Hans Jacob Zehner ex Halstadt Alsatia (aus Elsaß) am 28. Jänner 1646,
  7. Michl Kindsvatter und Magdalena Weberin ex Wang (Württemberg) am 3. März 1646,
  8. Caspar Graff ex Reuten Tyrolensis (aus Reutte in Tirol) und Anna Nielis aus dem Künzingerthal am 30. September 1647,
  9. Andreas Klarer ex Kopfstein Tyrolensis (Tirol) und Maria Langnerin aus dem Sundgau am 17. März 1648,
  10. Hans Erzer aus der Hohenberger Herrschaft am 6. April 1649,
  11. Melchior Mayr ex Obern-Neufnach (württembergisch) am 29. Jänner 1651,
  12. Georgius Tschock ex Mattren, Tyrolensis (Mattrei in Tirol) und Ursula Brandina ex Weitnau, Brigantini dominii (Bregenzer Herrschaft) am 14. März 1651,
  13. Thomas Klucker ex Neutasch, Tyrolensis (Neutasch in Tirol) und Maria Graßin ex Brandt, Brigantina (aus Bregenz) am 2. Juni 1651,
  14. Kaspar Plabst, Frisingensis (aus Freising) und Anna Wölflin ex Erbfingen am 8. Oktober 1651,
  15. Sebastian Glumber et Katharina Haggerin, ambo Bavari (beide aus Bayern) am 30. Juni 1652,
  16. Thomas Bücklin, Salisburgensis (aus Salzburg) et Sibylla Corsini ex Wallstadt Helvetica (Wallstetten in der Schweiz) am 26. Oktober 1652,
  17. Georgius Mayr, Campidonensis (aus Kempten) am 9. November 1652,

[144]

  1. Johannes Schwarzenberger ex Tyrol (Tirol) et relicta vidua Martini Notz nomine Anna (und die zurückgebliebene Witwe des Martin Notz, Namens Anna) am 1. Februar 1654,
  2. Georg Aimann, Württembergensis (Württemberg) am 2. Mai 1655,
  3. Georg Rauh, Tyrolensis (aus Tirol) und Anna Juckerin, Helvetica conversa (und Anna Juckerin aus der Schweiz, eine Neubekehrte) am 16. Oktober 1656,
  4. Jakob Wintergerst ex Schöllenberg et Maria Seilerin ex Feldkirchen am 23. April 1657,
  5. Tobias Bertelmann, figulus (Töpfer) ex Görlenhofen, Franciae (Franken?), und Adelheid Anna Adelspergerin von Reichelsberg (Kempten) am 1. Juni 1658,
  6. Walter Hözmair ex Tyrol (Tirol) und Elisabeth Müllerin ex Burgundia (Burgund) am 25. Sept. 1663 etc. etc.

Zum Schlusse seien noch einige Sterbeeinträge während des 30jährigen Krieges hier angefügt. Anno 1646 den 9. February obiit quidam vir „Exul“ habitans in Ittelsburg: Am 9. Febr. starb ein Mann, der in Ittelsburg sich aufhielt, ein Exilierter; der Name scheint unbekannt gewesen zu sein. – 10. Marty 1646 obiit quaedam mulier „Exul“ prius refecta sacra synaxi post perpessos mortis dolores in Ittelsburg: Am 10. März 1646 starb eine Frau, eine Exilierte, nach Empfang der hl. Wegzehrung nach überstandenem Todeskampfe in Ittelsburg.

Nota: In persecutione 1646 suetica et Gallica obiit in Christo honestus vir Jacob Fleschuoz aus der Hueb Memmingae in exilio prius pie refectus obiit Memmingae in exilio, sed hic est sepultus: 27. October 1646: Während der schwedisch-französischen Verfolgung starb in Christus der ehrsame Mann Jacob Fleschuoz aus der Hueb in Memmingen im Exil, vorher gut versehen, starb im Exil in Memmingen, ist aber hier begraben worden. Jedenfalls war dieser Arme von den schwedisch französischen Plünderern als „Geisel“ mit nach Memmingen verschleppt worden, konnte nicht ausgelöst werden und starb fern von den Seinen.

4. Sept. 1648 Hans Moser ex Lachen quondam Ammanus, sed depositus Memmingae ob varia hinc inde commissa furta sententiâ judicis capite plexus fuit: Am 4. Sept. 1648 wurde Hans Moser aus Lachen, ehedem Ammann (Bürgermeister), aber abgesetzt zu Memmingen wegen da und dort verübten Diebstählen nach richterlichem Urteil enthauptet.

[145] Am 19. Oktober 1648 ist Hans Glanz, Meßner zu Zell, auffm Weg von Memmingen allhero gefunden worden; requiescat in pace, si Deo placet; ebrius fuit vino adusto; er möge, so es Gott gefällt, in Frieden ruhen. Er war von Branntwein berauscht.“

Um zu ermessen, welche Angst, welche Furcht und Grauen die Gesamtbevölkerung vor der schwedischen Soldateska hatten, sei zuletzt noch erinnert an das Verfahren, womit Eltern und Erzieher unbotmäßige Kinder einschüchterten und zum Bessern brachten, daß sie ihnen nämlich mit den „Schweden“ drohten, und ebenso sei an das Schwedengebet erinnert: „Bet’, Kindlein, bet’, morgen kommt der Schwed’“ etc.


27. Neue Kriegswirren im 18. Jahrhundert.

Die Wunden, die der schreckliche 30jährige Krieg unserem Vaterlande geschlagen, waren kaum vernarbt, da brach der spanische Erbfolgekrieg aus. Unser Allgäu wurde 1702 wiederum Kriegsschauplatz. Der bayrische Kurfürst Max Emanuel stellte sich auf die Seite der Franzosen und anno 1702 bemächtigte er sich Memmingen. 1703 sah das schwäbische Allgäu wiederum Franzosen; Max Emanuel mit seinen Bayern und der französische Marschall Villars lagerten um Memmingen, die Bayern um Sontheim und Westerheim, die Franzosen zwischen Memmingen und Amendingen; das Hauptquartier war in Memmingen. Gegen diese bayrisch-französische Armee rückte der Markgraf Ludwig von Baden heran, und es schien bei Memmingen zu einer großen Schlacht zu kommen; doch die kaiserlichen Truppen zogen sich über Kempten, Krugzell, Leutkirchen und Gebrazhofen in den Schwarzwald zurück. Im Allgäu ließen die Kaiserlichen nur schwache Truppenteile zurück, gegen welche die Bayern und Franzosen von Memmingen aus, woselbst sie eine französische Besatzung zurückließen, die Offensive ergriffen. Am 10. Oktober 1703 nahmen sie Grönenbach durch Akkord und lagerten am 11. Oktober bei Ober-Günzburg und Ebersbach. Am 11. November begannen sie die Belagerung und Beschießung von Kempten, in welchem 600 Kaiserliche zurückgeblieben waren. Bresche war geschossen, und es sollte gestürmt werden; die Kaiserlichen übergaben im letzten Augenblick die Stadt gegen Gewährung freien Abzuges. Am folgenden Morgen zogen Max Emanuel und Villars gegen Augsburg, während die zurückgebliebenen Soldaten das verlassene Kempter Stift plünderten; auch Füssen bekamen die Franzosen damals in ihre Gewalt, jedoch die Schlacht bei Höchstädt-Blenheim befreite Kempten, Memmingen und das Allgäu von diesen französischen Plaggeistern. Obwohl im Allgäu während dieses Krieges keine [146] Schlacht geschlagen wurde, war doch beim Abzug der Franzosen durch unaufhörliche Einquartierungen, Requisitionen von Freund und Feind die Landschaft gänzlich erschöpft. 1705 wurde seitens der Kaiserlichen die Burghalde in Kempten entfestigt und blieb seitdem Ruine.

Ebenso erschienen die Franzosen im österreichischen Erbfolgekrieg anno 1741 im Allgäu. Der bayrische Kurfürst Karl Albert, späterer Deutscher Kaiser als Karl VII. gegen Maria Theresia, besetzte, ohne vorher dem schwäbischen Kreis Krieg erklärt zu haben, plötzlich Füssen; der schwäbische Kreis und Bund hatte gelobt, in diesem Kriege neutral bleiben zu wollen; dieser Vorsatz hat freilich die schwäbischen Lande nicht vor den Plagen des Krieges geschützt. Ohne Rücksicht auf diese Neutralität wurde gerade unsere Landschaft 1743 von Durchzügen und Einlagerungen der Oesterreicher heimgesucht. Im Spätherbst 1744 erschienen im Allgäu auch wiederum die Franzosen, die Verbündete des bayrischen Kurfürsten Karl Albert gegen Maria Theresia waren. Unter ihrem General Prinz Clermont suchten sie bei Grünenbach, Simmerberg und Kellhöfe über Sulzberg den Weg nach Vorarlberg; jedoch die Sulzberger Schanzen wurden tapfer verteidigt, und die Franzosen zogen unverrichteter Dinge nach Hörbranz zurück in ihr Standlager. 1745 zeigten sich die Franzosen unter Clermont bei Leutkirch, Memmingen und Ottobeuren. Memmingen machte sich bereits auf eine Belagerung gefaßt, jedoch die Franzosen wollten auch diesmal nach Vorarlberg vordringen, wurden jedoch vom Landsturm und Vorarlberger Scharfschützen bei Amtzell und Gebrazhofen blutig zurückgeschlagen. Der nachrückende österreichische General Bärenklau drängte die Franzosen aus dem Allgäu zurück und inzwischen wurde 1745 in Füssen Frieden geschlossen.

Zum dritten Male im 18. Jahrhundert erschienen die Franzosen im Allgäu im Kriege des Deutschen Reiches gegen das revolutionär-republikanische Frankreich 1792 bis 1796. Die drei ersten Kriegsjahre blieb der Kriegsschauplatz ferne dem Allgäu; im 4. Jahre aber drangen die zwei französischen Hauptarmeen über den Rhein; die erste unter Jourdan drang in Hessen und Franken ein, die zweite unter Moreau in Schwaben, während die dritte französische Armee unter Napoleon in Italien operierte. Die zwei französischen Rheinarmeen zog Erzherzog Karl und General Wurmser entgegen und wurde mit abwechselndem Glücke gekämpft; zuletzt mußten die Kaiserlichen sich zurückziehen, und die wilden Horden „Sansculotten“ ergossen sich Vandalen gleich über die schönen schwäbischen und fränkischen Gaue und verübten Greuel, die denen im 30jährigen Kriege nicht nachstehen. So besudelten sie die Altäre, warfen die heiligen Hostien den [147] Hunden vor und drehten die Kruzifixe wie Bratspieße im Feuer herum; in einem Nonnenkloster zu Memmingen setzten sie sich entkleidet zur Tafel und zwangen die Klosterfrauen, sie zu bedienen. In Weingarten rissen sie die Figur eines Teufels von einer Gruppe herab und stellten sie in den Tabernakel; im Frankenlande war das Rauben, Sengen und wüste Schwelgen der Franzosen noch schlimmer als in Schwaben; Graf Soden, der die Greuel mit ansehen und erleben mußte, erzählt die größten Abscheulichkeiten in den Bistümern Bamberg und Würzburg. Zu Hunderten flohen die jungen Mädchen in die Gebirge des Spessart und der Röhn, um sich vor den Brutalitäten zu schützen.

Als Moreau 1796 über den Rhein gekommen, wurden die österreichischen und Reichstruppen und die Condéer – königstreue französische Emigranten, die sich den Kaiserlichen gegen ihre Landsleute anschlossen, im übrigen aber bereits ebenso liederlich sich benahmen wie die Sansculotten – immer weiter zurückgedrängt. Kaum waren die Franzosen in Süddeutschland eingedrungen, schlossen die schwäbischen Fürsten von Württemberg und Baden – die Sache des Reiches nach dem elenden Beispiele Preußens verlassend – Sonderfrieden von Basel am 25. April 1795 – mit den Franzosen einen Waffenstillstand. Am 20. Juli 1796 folgte diesem unrühmlichen Beispiele auch der schwäbische Kreis; er erkaufte von den Franzosen einen Waffenstillstand um Millionen und ungeheure Naturallieferungen. Trotzdem hatte dieser Waffenstillstand dem Schwabenland keine Ruhe gebracht, denn die Franzosen behandelten Schwaben wie ein erobertes Land; sie erpreßten allenthalben durch ihre Kriegskommissäre und Generale außer den vereinbarten Waffenstillstandsgeldern noch weitere Summen und peinigten Stadt und Land durch bereits unerschwingliche Requisitionen; dazu traten Plünderungen und Übeltaten der verwilderten Soldateska, die selbst vor den schlimmsten Angriffen auf Frauenehre und vor dem Morde wehrloser Landleute nicht zurückschreckte. Dieser abgeschlossene Waffenstillstand kostete überdies dem schwäbischen Kreise sein Heer, das der kaiserliche General Fröhlich auf Befehl des Erzherzogs Karl entwaffnen ließ und nach Hause schickte. Die Condéer wurden bei Kammlach in Schwaben geschlagen, und die Kaiserlichen mußten ganz Schwaben mit Ausnahme der Grenzstrecke von Nesselwang bis Füssen den Franzosen überlassen. Erst als Erzherzog Karl die französische Armee unter Jourdan am 24. August und 4. September 1796 bei Amberg und Würzburg schlug, mußte Moreau, der schon bis an die Isar vorgedrungen war, zurück an den Rhein; dadurch kamen die Flügeltruppen Moreaus im Allgäu unter dem [148] Untergeneral Thareau in Gefahr, da die Kaiserlichen ihnen den Rückweg an den Rhein verlegen wollten; daher sandte Moreau seinen Untergeneral Ferino von Augsburg her ins Allgäu zu Hilfe, und da kam es dann noch bei Benningen und Lachen-Theinselsberg, wo Ottobeurische Studenten mitkämpften und allein auf dem Theinselsberg eine Kanone bedienten, zum glücklichen, dagegen bei Woringen zu einem minderglücklichen Treffen. 1796 kam überdies ins Allgäu auch noch die Rinderpest, welche durch ungarische Schlachtochsen eingeschleppt worden war und den Viehstand stark dezimierte und erst 1797 erlosch. 1796 wurde dann Friede zu Campo formio geschlossen. Aus einem Schreiben des Augsburger bisch. Sekretärs Schießer an den Stiftsdekan Frey vom 1. Okt. 1796 (Pfarrakten) folgender Auszug: „Daß Ew. Hochwürden von seiten der französischen Bösewichtern wenig Schaden erlitten haben, freut mich von Herzen, ebenso angenehm würde es mir gewesen sein, den mir anempfohlenen Studenten zu einigen Unterstützungen zu verhelfen; allein die Teuerung in Augspurg hier ist zu groß.“

Zum vierten Male kamen die Franzosen ins Allgäu im Kriege des deutschen Reiches gegen die französische Republik anno 1799–1801.

Im Jahre 1800 war wieder arge Kriegsnot im Allgäu; österreich. Feldzeugmeister Kray lagerte mit seinem Hauptheere bei Kronburg und Egelsee und widersetzte sich dem Übergang der Franzosen über die Iller – die Illerbrücke bei Ferthofen war abgebrochen worden. Jedoch die Franzosen unter ihrem Untergeneral Moutrichard erzwangen den Illerübergang, und da Kray in Memmingen und Umgegend sich nicht halten zu können vermeinte, zog er nach Ulm ab. Memmingen wurde vom französ. Untergeneral Lecourbe besetzt, während Vendomme bis Grönenbach vorrückte und bei Ittelsburg das kaiserl. Magazin, das man von Memmingen nach Kempten retten wollte, abfing. Die Franzosen hausten anno 1800 fast noch schlimmer in Schwaben und im Allgäu als anno 1796. Ungeheure Brandschatzungen erfolgten, dazu Requisitionen von Heu, Stroh, Hafer, Leinwand, blauem Tuch, Kamaschen Hosenschnallen etc.; es gebrach den Franzosen eben an allem; erdrückend war überdies die Quartierlast mit Verpflegung – das Kloster Ottobeuren hatte wochenlang täglich 600 Mann speisen und mit Getränken versehen müssen. Die Franzosen besetzten anno 1800 das Allgäu vollständig, da die Österreicher das ganze Illertal räumten und sich bis nach Tirol zurückzogen, und blieben bis Ende April 1801 im Allgäu stehen bis zum Frieden von Luneville. In den Sterbematrikeln hiesiger Pfarrei ist hier 12. Mai 1800 folgender Eintrag: Longissimo morbo saepius sacramentis refectus pie in Dmo obiit Carolus Abele ex Gseng et in nostro coemeterio sepultus est. [149] Eodem die subito de mane mortua inventa est, postquam ante tres hebdomades s. s. sacramentis refecta est A. Maria Kiechlin ex loco et quidem tempore belli gallici omnibus incolis lamentantibus circiter mille Gallis invadentibus et in nostro coemeterio sepulta est; ambo sine pulsu campanarum et sine vexillo sepulti sunt ex prohibitione generalis gallici.[14] Tausend Franzosen lagen hier unter allgemeinen Wehklagen der Einwohner.

Es folgten dann die Napoleonischen Kriegszüge, an denen auch die Schwaben und Allgäuer seit Abschluß des Rheinbundes mittun mußten. Im russischen Feldzuge 1812 brach Napoleons Glück und Stern zusammen. Auf den Schneegefilden und Eisfeldern Rußlands traf buchstäblich ein, was der Imperator in seinem frevlen Übermute, getroffen von dem Bannstrahle des heiligen Vaters Pius VII., den er in schnödester Weise mißhandelt hatte, ausgesprochen: „Wegen dieses Bannes werden meinen Soldaten die Gewehre nicht aus den Händen fallen.“ Die Gewehre fielen seinen Soldaten tatsächlich vor Kälte aus den Händen, und von 36 000 Bayern kehrten aus diesem furchtbaren Winter-Feldzuge nach Rußland nur 2000 zurück. Wie die Gedächtnistafel in der Gruftkapelle hiesiger Pfarrkirche meldet, blieben auch elf Grönenbacher tot in Rußland: Fähnle Caspar, Einsiedler Josef, Diepolder Joh. Gg., Steinhauser Ulrich, Unglert Balthasar, Greuther Joh. Michael, Greuther Xaver, Pfeifer Engelbert, Müller Ulrich, Heckelsmiller Joh. Gg., Schönberger Joh. Nepomuk.

Im Kriege mit Frankreich anno 1870/71 blieben von den mitausgezogenen Grönenbachern laut Gedächtnistafel in der Pfarrkirche auf dem Felde der Ehre:

Anton Heider, vermißt seit der Schlacht bei Orleans 1870,
Johannes Schönmetzler fiel bei Les Aides um Orleans 1870,
Michael Reisacher fiel im Gefecht bei Patay 1870,
Ludwig Wintergerst starb im Feldspital zu Creteil 1870,
Joh. Epp starb infolge Schußwunde im Spital in Gießen 1871,
Ulrich Brack starb im Militärspital in Ulm 1871,
Sebastian Hörburger starb im Feldspital zu Carleville 1872,
Fr. Jos. Klotz starb im Militärspital zu Kempten 1872.       R. I. P.



  1. B. Archiv. Bericht aus dem Jahre 1695.
  2. „Campidona sola judicat ense et stola,“ „Kempten allein hat weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit.“
  3. Marschall Philipp von Pappenheim war zweimal vermählt, beidesmal kinderlos; erste Ehefrau Ursula von Ellerbach, zweite Ehefrau Anna von Winneberg und Beilstein.
  4. Dasselbe lautet: Frid vnd gnad In Christo Jesu. Vnser bruderliche trey ann Hauffen vund versamlung zu grinenbach es ist euch wol wissend wie mir euch vor schriben vnd erbotten hand von wegen vnser not vnd vnser grosen notturfft wir sechend aber wol das ir nit komen auß was vrsach das beschicht ist vns vnwyssen dem selben nach ist vns zugesagt worden ir wollendt vor dem schloß da ligen des dan vns ser befrendt dan die viend sind nach bey vns vnd sind vil stercker dreymal dan mir vnnd will jederman langsam mit zuziechen syn ist zu besorgen wellend wir vnsern krieg nit anderst fieren sy werden euch ouch haimsuchen es wer weger mir suchten den viend In aim anderen landt dan In dem vnsern darumb lieben [27] brueder thund das best In gutten zu guttem vnd Ilends Ilends dan es thut not dar mit sind gott bevolchen vnd thund best als myt Ir kunden. Herr Florian Hauptman des Hauffen vff wurtzer Haid mit sampt allen raedten. An die Hauptleut vnd raedt zu grinenbach.
  5. Bischöfl. Archiv Augsburg (Brief von Bonaventura Fugger an den Weihbischof am 12. Jänner 1661) sagt: „Alles, was in der Ravenspurger Signatur wie auch zuvor bey der Friedens Execution zu Grönenbach wider die cath. Religion in favorem der calvienischen ist gehandelt und verabschiedet worden ist durch die Herrschaft Rotenstein ainig und allein erpraktiziert und zuwege gebracht worden und ist es die Rotensteinische Herrschaft, welche alle mitel und weg gesuecht, das Calvinische exercitium an diesen Orthen einzufihren und deßwegen ihre Unterthanen beim Zeugenverhör als Zeug vorgeschuezt und iurato abhören lassen, daß sei anno 1624 ain calvinischer praedicant alda gewesen, auch durch solche meineidige Attestation die Kayserl. Executores hinterschlichen und verführt, daß sie alles widrige Remonstrieren hintangesetzt, das Calvinische Exercitium zu Grönenbach eingesetzt und bei der Ravenspurger Commission confirmirt und manutenirt haben.“
  6. Die Chorherren seien „dem Spiele ergebene, müßige, unter sich streitsüchtige, keiner geistigen Auferbauung bestrebte Priester“.
  7. Graf Bonaventura Fugger spricht in seinem Schreiben an den Augsburger Weihbischof d. d. 12. Jänner 1661 in bezug auf diese Zeugenvernehmung von einer „meinaydigen Attestation“: eine Behauptung, die, objektiv nicht erwiesen, subjektiv beleidigend, über das Erlaubte geht.
  8. Im Schreiben des Präsidenten, Kanzlers und der Räte, datum Dillingen. 15. Juli anno 1667, an Bischof Johann Christoph von Augsburg ist über die anno 1650 gegebene Ravensburger Signatur folgendes bemerkt: „Es hete zu Ravenspurg die Sach vileicht mehreres überlegt werden können, aber es hat dazumalen geheißen, der Duglaß sei noch im Landt und was thuen wolle; dieser recess gebe in das künfftige kein praejudicium, verstehe sich allein auf ain Interim und bis zu mehreren der sachen examination, wie dann solcher recess es auch clar mit sich bringt, aber anjezo will es anderst bediten und alle widrig attestationes auch sogar der Churfürstl. Regierung zu Amberg (wegen Predigt Langhans) contradicirt und zurückgetrieben werden.“ Auszug aus dem b. Archiv Augsburg.
  9. Burg, preußisches Städtchen, nächst Magdeburg.
  10. Feudum masculinum ist ein Lehen, nur im Mannstamm erblich, im Gegensatz zu feudum femininum; letzteres auch erblich in weiblicher Deszendenz.
  11. Kreisarchiv Neuburg: „Anno Domini 1595 den 31. Januarii kauffte der wolgeborene H. Alexander v. Pappenheimb, H. zu Grönenbach, dem Edlen und Ehrenvesten Davit Stebenhabern, Bürgermeister zue Memmingen, sein Schloß Hezlinshofen sammt deren zugehörigen Güettern; am selben Tage wurde Alexander von gedachtem Stebenhaber in den Besitz eingewiesen, eingeantwurtet und die neuen Underthanen und Hintersassen in pflicht und aydt genommen.“
  12. Doch es geschehe Gerechtigkeit, Gesetzmäßigkeit, mag auch darob die Welt zugrunde gehen.
  13. Dieser war während einiger Jahre abwesend, als Flüchtling in Freising weilend.
  14. Karl Abele vom Gseng starb nach langer Krankheit, versehen mit den hl. Sterbesakramenten und wurde am 12. Mai 1800 begraben; am gleichen Tage wurde auf unserem Friedhofe die tot aufgefundene M. Anna Kiechle beerdigt, welche drei Wochen vor ihrem Tode noch die hl. Sakramente empfangen hatte. Es war damals französischer Krieg, und beide wurden ganz still und ohne Fahne begraben, da der franz. General dies nicht erlaubte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. In der Vorlage handschriftlich geändert auf 1553
  2. Fehler im Quelltext, 1625 ist korrekt und nicht 1525
  3. Vorlage: Verlurst
  4. Tätlichkeir
  5. Vorlage: dienstffeißigst
  6. Vorlage: böchst
  7. Vorlage: Fuggar
  8. Vorlage: Augsbug
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