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Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete

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Gesetzestext
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Titel: Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 75).
Abkürzung:
Art:
Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1888, Nr. 11, Seite 71 - 75
Fassung vom: 15. März 1888
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 23. März 1888
Inkrafttreten:
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(Nr. 1776.) Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 75). Vom 15. März 1888.

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Artikel I.

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Der §. 3 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 75) mit dem in dem Gesetze vom 7. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 307) enthaltenen Zusatz wird durch folgende Bestimmung ersetzt:

§. 3.

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Durch Kaiserliche Verordnung kann:
1. bestimmt werden, daß in den Schutzgebieten auch andere als die im §. 1 Absatz 2 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Personen der Gerichtsbarkeit unterliegen;
2. eine von den nach §. 2 dieses Gesetzes maßgebenden Vorschriften abweichende Regelung der Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen einschließlich des Bergwerkseigenthums erfolgen;
3. in Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich sind, Gefängniß bis zu einem Jahre, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände angedroht werden; [72]
4. vorgeschrieben werden, daß in Strafsachen
a) die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft eintritt,
b) eine Voruntersuchung stattfindet, deren Regelung der Verordnung vorbehalten bleibt,
c) der §. 9 Absatz 1 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit keine Anwendung findet;
5. die Bestimmung des §. 232 der Strafprozeßordnung mit der Maßgabe erweitert werden, daß dem Gericht die Ermächtigung, den Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nur für solche Fälle ertheilt werden darf, in welchen nach dem Ermessen des Gerichts voraussichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht;
6. angeordnet werden, daß in Strafsachen, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§. 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört, in der Hauptverhandlung eine Zuziehung von Beisitzern nicht erforderlich ist;
7. die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen den Gerichten der Schutzgebiete in der Weise übertragen werden, daß für diese Sachen, soweit nicht auf Grund der Nr. 3 etwas Anderes bestimmt wird, die Vorschriften Anwendung finden, welche für die im §. 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten;
8. an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Schärfung nicht enthaltende Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden;
9. als Berufungs- und Beschwerdegericht ein Konsulargericht oder ein Gerichtshof im Schutzgebiet bestimmt und über die Zusammensetzung des letzteren Gerichtshofes, sowie über das Verfahren in Berufungs- und Beschwerdesachen, welche vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maßgabe Anordnung getroffen werden, daß das Gericht mindestens aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern bestehen muß;
10. für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen die Anwendung einfacherer Bestimmungen vorgeschrieben werden;
11. insoweit die Kosten der Rechtspflege von einer mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe versehenen Kolonialgesellschaft zu bestreiten sind, bestimmt werden, daß die Vorschrift im §. 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit außer Anwendung bleibt;
12. die Verlängerung aller zur Geltendmachung von Rechten und zur Erfüllung von Pflichten gesetzlich festgestellten Fristen angeordnet werden. [73]

Artikel II.

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Hinter §. 4 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, vom 17. April 1886 treten die folgenden Bestimmungen:

§. 5.

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Die Befugnisse, welche den deutschen Konsuln im Auslande nach anderen als den beiden im §. 2 und §. 4 bezeichneten Gesetzen zustehen, können durch den Reichskanzler Beamten in den Schutzgebieten übertragen werden.

§. 6.

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Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, sowie Eingeborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskanzler verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese Befugniß einem anderen Kaiserlichen Beamten zu übertragen.
Auf die Naturalisation und das durch dieselbe begründete Verhältniß der Reichsangehörigkeit finden die Bestimmungen des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 355), sowie Artikel 3 der Reichsverfassung und §. 4 des Wahlgesetzes für den deutschen Reichstag, vom 31. Mai 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 145) entsprechende Anwendung.
Im Sinne des §. 21 des bezeichneten Gesetzes sowie bei Anwendung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. S. 119) gelten die Schutzgebiete als Inland.

§. 7.

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Durch Kaiserliche Verordnung können Eingeborene der Schutzgebiete in Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (Gesetz, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867, Bundes-Gesetzbl. S. 35) den Reichsangehörigen gleichgestellt werden.
Die Führung der Reichsflagge in Folge der Verleihung dieses Rechts hat nicht die Wirkung, daß das betreffende Schiff als deutsches Seefahrzeug im Sinne des §. 1 Absatz 1 Nr. 1 und §. 2 Absatz 1 des Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligter Personen, vom 13. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 329) gilt.

§. 8.

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Deutschen Kolonialgesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb und die Verwerthung von Grundbesitz, den Betrieb von Land- oder Plantagenwirthschaft, den Betrieb von Bergbau, gewerblichen Unternehmungen und Handelsgeschäften in denselben zum ausschließlichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet oder in [74] den deutschen Schutzgebieten haben, oder denen durch Kaiserliche Schutzbriefe die Ausübung von Hoheitsrechten in den deutschen Schutzgebieten übertragen ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrages (Statuts) durch Beschluß des Bundesraths die Fähigkeit beigelegt werden, unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben.
Der Beschluß des Bundesraths und im Auszuge der Gesellschaftsvertrag sind durch den Reichsanzeiger zu veröffentlichen.

§. 9.

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Der Gesellschaftsvertrag hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten:
1. über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft;
2. über die Vertretung der Gesellschaft Dritten gegenüber;
3. über die Befugnisse der die Gesellschaft leitenden und der die Leitung beaufsichtigenden Organe derselben;
4. über die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder;
5. über die Jahresrechnung und Vertheilung des Gewinns;
6. über die Auflösung der Gesellschaft und die nach derselben eintretende Vermögensvertheilung.

§. 10.

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Deutsche Kolonialgesellschaften, welche die im §. 8 erwähnte Fähigkeit durch Beschluß des Bundesraths erhalten haben, unterstehen der Aufsicht des Reichskanzlers. Die einzelnen Befugnisse desselben sind in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen.

§. 11.

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Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu erlassen.
Der Reichskanzler ist befugt, für die Schutzgebiete oder für einzelne Theile derselben polizeiliche und sonstige die Verwaltung betreffende Vorschriften zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniß bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen.
Die Ausübung der Befugniß zum Erlasse von Ausführungsbestimmungen (Absatz 1) und von Verordnungen der im Absatz 2 bezeichneten Art kann vom Reichskanzler der mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe für das betreffende Schutzgebiet versehenen Kolonialgesellschaft, sowie den Beamten des Schutzgebietes übertragen werden. [75]

Artikel III.

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Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kraft.
Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Text des Gesetzes vom 17. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 75), wie er sich aus den in den Artikeln I und II des vorliegenden Gesetzes festgestellten Aenderungen ergiebt, durch das Reichs-Gesetzblatt bekannt zu machen und dabei die im §. 4 enthaltenen Worte „an Stelle des Bundeskonsuls“ durch die Worte „an Stelle des Konsuls“ zu ersetzen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Charlottenburg, den 15. März 1888.
(L. S.)  Friedrich.

  Fürst von Bismarck.