Zum Inhalt springen

Gesetzlich, aber grausam!

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Gesetzlich, aber grausam!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 764
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[764] Gesetzlich, aber grausam! In einer Provinz Preußens lebt ein „Rendant“, der, in einem siebenundvierzigjährigen Dienste ergraut, im siebenundsechszigsten Lebensjahre steht und zur Zahl derjenigen Staatsbeamten gehört, welche seit dem ersten Januar wegen unzureichenden Gehaltes Zulage erhielten. Die dieses „Rendanten“ beträgt zweihundert Thaler. Es ist aber mit ihrer Gewährung die Bedingung verknüpft, die Amtscaution, die bisher dreizehnhundert Thaler betrug, auf dreitausend Thaler zu erhöhen, entsprechend einer Cabinetsordre vom 11. Februar 1832, obwohl die bisherige Caution zur Sicherung der in ihrem Umfange oder in ihrer Bedeutung durch jene Gehaltszulage nicht im Mindesten veränderten Casse seit ihrem Bestehen für ausreichend befunden ward. Da der „Rendant“ kein eigenes Vermögen besitzt und bei seiner selbst von der Regierung als „unzulänglich“ anerkannten Besoldung sich auch keines erringen, ja sogar nur sich kümmerlich durchbringen konnte – so ist verfügt worden, daß die Zulage vollständig zur Cautionserhöhung verwendet werde. Der „Rendant“ kann also erst nach acht und einem halben Jahre zum Genuß derselben kommen; der Mann würde darüber also sechsundsiebenzig Jahre alt werden. Bis dahin ist er aber sicherlich entweder pensionirt oder gestorben, ohne von der Zulage etwas gespürt zu haben.

Wäre es nun nur dies, so könnte man es schon schlimm genug nennen; aber immerhin würde es der Gedanke erträglicher machen, daß es einst den Hinterlassenen des Rendanten zu Gute kommen werde. Dagegen wird diese Staatswohlthat geradezu zur Grausamkeit dadurch, daß die Einschätzungscommission für classificirte Einkommensteuer diese und der Magistrat die Communalabgabe im Verhältniß der Zulage erhöhen! Das geschieht trotz der obrigkeitlich anerkannten bisherigen Gehaltsunzulänglichkeit!

So kann eine Zulage zum bittersten Schaden, eine beabsichtigte Wohlthat zur schweren Strafe werden.

Wäre es, wenn einmal die Caution erhöht werden muß, nicht ebenso gesetzlich und dabei doch auch menschlich, wenigstens die halbe Zulage dem alten Manne zu gönnen und die andere Hälfte zum Cautionsanwachs zu verwenden?