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Gotthold Ephraim Lessing an Ewald von Kleist

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Gotthold Ephraim Lessing
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Titel: Brief an Ewald von Kleist
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Entstehungsdatum: 14. März 1758
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Quelle: Otto von Leixner: Geschichte der deutschen Literatur Bd. I, Leipzig 1903
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Liebster Freund,

Morgen geht das Bataillon Garde von hier weg; nach Breßlau, wie man sagt das ist die einzige Neuigkeit, die ich Ihnen von hier melden kann. Oder wollen Sie noch etwas neues von Gottscheden[1] wißen? Er wird mit den Gesalbten unsres Gleims[2] immer bekannter; immer vertrauter. Er hat wieder französische Verse gesetzt, nebst einer goldnen Tabatiere[3] und einem Ringe. Er macht gar kein Geheimniß draus; er ist vielmehr so stolz drauf, daß er die ganze Unterredung, die er hier mit dem Könige gehabt hat, in sein Neu[e]stes eindrucken laßen. Gott wolle nicht, daß unser Gleim seinen Patriotismum auch so weit treibt, daß ihm Gottsched durch diese Bekanntschaft respectabler wird! Jetzt ist es vielmehr die rechte Zeit, neue und blutigere Satyr[e]n wider ihn zu machen, als man noch je gemacht hat. Und wenn wir damit zaudern, so wird er uns selbst zuvorkommen. Denn es ist ganz gewiß, daß er wieder eine neue Aesthetik in einer Nuß drucken läßt. Ihre neuen Gedichte werden ihm gleich noch zur rechten Zeit gekommen seyn. Wenn ich doch nur auch unterdeßen etwas geschrieben hätte, damit ich nicht etwa vergeßen würde!

Leben Sie wohl theuerster, liebster Freund und kommen Sie ja bald wieder. Ich bin Zeit Lebens

ganz der ihrige Leßing

Leipzig den 14 März 1758

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Christoph Gottsched (1700–1766), deutscher Schriftsteller
  2. Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803), deutscher Dichter
  3. Tabatiere, franz., Schnupftabakdose