Großer Prolog
zum Stiftungsfest der ehrenwerten Gastwirte
von Hümpeldorf*).
Nacht war’s, und in meines Weibchens Kammer
Schlich ich mich auf ungewissen Schuh’n.
„Ach, du brauchst so leise nicht zu tun.
Stund’ um Stunde lieg’ ich bangend wach,
Träume mir Gefahr und Ungemach,
Träume Mord und Tod und kann nicht ruhn.“
Denn schon hielt ich schmeichelnd ihre Hand;
Auf die Fensterschwelle nah dem Bettchen
Schwang ich mich so mutig wie gewandt.
Breit durchs Fenster lächelte der Mond,
Staunend still in ihrem Auge stand.
„Aber rätst du denn, wen ich getroffen?“
Rief ich sicheren Triumphes voll.
„Ahnst du wohl, mit wem ich mich – berauschte
Du – denselben, der uns einst vereint,
Als du laut gelacht und still geweint
Unterm Flieder, der von Trauben schwoll.
Sitzt der Strolch mit hocherhob’nem Glase,
Schielt mich an durch einen blanken Wein.
In der Ecke, weißt du, saß der Freund,
Wo das Steinöl Wand und Decke bräunt
„Hahahaaa!“
„Halt – dieses Lachen küss’ ich!“
„Also im verqualmten Winkel find’t
Mein Gemahl den Frühling! Ach wie niedlich!
„O gewiß, in Schachteln auch und Truh’n
Und in Heringstonnen. Siehst du, nun
Sprichst du, was du verstehst, mein Kind.
Sieh, mein Lieb: Entweder ist es Frühling
Gut denn. Ist es aber einmal Frühling,
Nun, so ist er wahrlich überall!
In der Rose und im Rübensaft,
In den Sternen und im Stiefelschaft –
Alles drängt und zwängt er auseinander;
Alles kracht und springt von seiner Kraft;
Schlösser, Ketten, Riegel oder Bänder
Halten kein Verlangen mehr in Haft.
Eine Rose, sich entfaltend, glüht
In erstickter süßer Leidenschaft...!
Gut denn, ich erzähle. Ach, was ist er
Für ein lieber Schlingel immer noch!
Seit so lieblich uns der Flieder roch.
Auf dem Bänkchen rückt’ er gastlich zu,
Zog an seine Seite mich im Nu –
Mußt’ ich höflich mich bequemen doch.
Aber konnt’ ich anders? Rede du!
Frühling ist ja nur ein selig Müssen!
Und in solchem Falle noch dazu!
Fest umschlungen hielten wir uns bald;
Schritten wir fürbaß auf leichtem Schuh.
Herr mein Gott, was kann der Kerl vertragen!
Na! – ich steh’ doch auch sonst meinen Mann.
Und Geschichten weiß er vorzutragen –
Und ein Lied! – Ach hör’! Das sing ich dir –
Arm in Arm am Fenster standen wir
Und zum Himmel gröhlten wir’s hinan:
„Un dorbi wohnt hee noch jümmers in de Lammer-Lammerstroot,
Kann mok’n, wat hee will.
Swig man jümmers jümmers still,
Swig man jümmers jümmers still,
Un doo meuk hee sick en Geigeken,
Geigeken perdootz.
„Violin, Violin“ seggt dat Geigeken,
„Violin, Violin“ seggt dat Geigeken,
Un sin Deern, de heet Katrin!
Un sin Deern, de heet Katrin,
Un sin Deern, de heet Katrin
Un sin Deern, de – heet – Ka – trin.“
Mit gespreizten Beinen stand er da,
Gröhlt’ mit feuchten, nektarsüßen Lippen
Himmelan die tollsten Carmina.
Himmelan, ja. Durch den Fensterraum
Der auf Türm’ und Dächer niedersah.
Nur ein Stück erblickten wir: Vom Drachen –
Unterm Drachen ward mir’s heimisch ganz –
Bis zum gold’nen Haar der Berenike –
Einsam schritt ich an der Himmelsflut,
Suchte mir der reinsten Sterne Glut
Und umflocht sie meiner Stirn als Kranz.
Ja, zur Fahrt in unerschloss’ne Hellen
Heb’ ich mich noch einst aus dieser Nacht.
Hör’ ich nicht, wie Sporn und Flügel klirrt?
Lieg’ ich tief im Schoß der Erde, wird
„Un dorbi wohnt hee noch jümmers in de Lammer-Lammerstroot...“
Zweite Stimme sang ich, mußt du wissen;
Mich ergiff der Zauber meines Sangs.
Bei der „Violine“ immer wieder
Im Gelärm des Lebens bist du mein,
Du auch bist ein zartes Geigelein,
Unerschöpflich reichen, weichen Klangs –
„Violin, Violin“, seggt dat Geigeken...“
Tranken wir – ich glaub’: zum drittenmal –
Während Frühling wie ein Schweinchen rülpste,
„Du und du“ mit läutendem Pokal.
Einmal, ach, entfiel mir aller Mut –
Wieder sprang mir auf der Sternensaal.
„Un dorbi wohnt hee noch jümmers...“
Blieb im Ohre mir ein Donnerwort,
Aus der Lämmerstraße zieh’ ich fort!
Mit der Faust zerschmissen und zerkracht
Hab’ ich heut, was mich zum Knecht gemacht.
Noch ist keine Sehne mir verdorrt.
Unterwarf ich mich in halbem Scherz;
Manchem Pinsel trug ich fromm die Schleppe;
Denn mir ward ein täppisch-dummes Herz.
Auch das Nörglerpack, perfid und faul,
Schlank und gut mit einem Werk von Erz.
„Kann mokn, wat ick will.“
Auf dem Heimweg durch das Dunkel, Liebchen,
Eine Garbe gold’nen Feuers stieg
Und das Klopfen meines Herzens schwieg.
Weit aus Fernen her die Stimme flog,
Jene Stimme, die mich nie betrog:
Kampf und wildes Leid – und Sieg und Sieg!
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„Liebchen, brach der Sommer schon herein?
Solch ein Opfer innersten Entflammens,
Göttern kann es nicht bereitet sein.“ –
Als im Osten gelb der Morgen stand,
Und versöhnt mit Bacchos schlief sie ein. –
*) Aus der Humoreske „Die Kunstreise nach Hümpeldorf“ („Kartäusergeschichten“).