Guido Breitfeld, Hammerwerk Wittigsthal bei Johanngeorgenstadt
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Das Hammerwerk Wittigsthal ist eines der ältesten industriellen Etablissements Sachsens und hat im Laufe seines Jahrhunderte langen Bestehens mannigfache Umwandlungen durchgemacht.
Einige Jahre früher als Johanngeorgenstadt entstand das Hammerwerk Wittigsthal. Dasselbe verdankt seinen Ursprung, wie jene, der Vertreibung der Protestanten aus Oesterreich und ihrer Ansiedelung in jener Gegend. Im Jahre 1563 wurde das Eisenwerk ursprünglich von den Bürgern der kaiserlichen Bergstadt Platten am Breitenbach begründet und nach letzterem benannt. Nachdem dasselbe verschiedene Male seine Besitzer gewechselt, wurde es im Jahre 1643 von Caspar Wittig durch Kauf erworben.
Als gegen Ende des dreißigjährigen Krieges den Protestanten die Wahl gestellt wurde, zur katholischen Kirche zurückzukehren oder aus Böhmen auszuwandern, wandte sich Wittig an den Kurfürsten Johann Georg I., um dessen Erlaubnis zur Anlegung eines neuen Hammerwerkes auf sächsischer Seite zu erbitten. Die Genehmigung hierzu wurde am 28. Mai 1651 erteilt, und das neu errichtete Werk erhielt den Namen Wittigsthal. Vom Kurfürsten Georg II. wurde es mit weitgehenden Privilegien, unter anderem auch mit eigener Gerichtsbarkeit ausgestattet, letzteres „um die unbändigen Hammerbursche besser im Zaume zu halten.“ Bis zur Einweihung der Johanngeorgenstädter Kirche wurde auch der Gottesdienst auf dem Hammergut gehalten; und noch heute ist in einem jetzigen Wirtschaftsgebäude die Malerei des damaligen Betsaales zu sehen.
Nach dem Tode Caspar Wittig’s ging das Etablissement in andere Hände über, da der Sohn Wittig’s das Eisenwerk Morgenröthe gekauft hatte. Die verschiedenen Besitzer, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, haben dann vielfach gewechselt, der Betrieb im Allgemeinen ist jedoch stets derselbe geblieben.
Im Jahre 1824 kaufte Herr Carl Gotthilf Nestler, der Großvater des jetzigen Besitzers, das Werk. Von demselben wurde das erste Blechwalzwerk in Sachsen gebaut, wofür ihn von der hohen Staatsregierung mehrfache ehrende Anerkennungen zu teil geworden sind. In den Jahren 1834–1836 kaufte Herr C. G. Nestler in Gemeinschaft mit seinem Schwiegersohn, Herrn Breitfeld, die Eisenwerke Erla , Rittersgrün und Großpöhla. 1856 gingen die vorstehend genannten Werke in den Besitz Breitfeld’s über, während Nestler das Hammerwerk Wittigsthal wieder allein übernahm.
Nachdem Herr C. G. Nestler im Jahre 1864 ohne Hinterlassung männlicher Erben verschieden war, wurde das Hammerwerk mehrere Jahre im Erbe weitergeführt, geriet jedoch sehr in Verfall und kam schließlich gänzlich zum Erliegen. Auf Wunsch der Nestler’schen Erben wurde nunmehr das Hammerwerk Wittigsthal verkauft und gelangte im Jahre 1875 in den Besitz des jetzigen Eigentümers, Herrn Kommerzienrat C. Ed. Guido Breitfeld, Mitinhaber der Firma Nestler & Breitfeld, Eisenhammer Erla (siehe das.). Von diesem wurden verschiedene neue industrielle Anlagen geschaffen und deren Leitung dem einzigen Sohne, Herrn E. R. Breitfeld jr., übertragen.
Wiewohl nunmehr alle Vorbedingungen zu einem erfreulichen Aufschwung des Werkes in Bezug auf Leistungsfähigkeit gegeben waren, machte sich doch der Mangel eines direkten Anschlusses an die Verkehrsadern recht fühlbar und wirkte nicht wenig hemmend auf die geschäftliche Entwickelung. Erst durch die Erbauung der Schwarzenberg-Johanngeorgenstädter Eisenbahn wurde es möglich, die industriellen Anlagen in Wittigsthal, wie [Ξ] überhaupt alle an dieser Bahnlinie gelegenen Fabriken zur vollen Leistungs- und Lebensfähigkeit zu entfalten. In richtiger Würdigung der wirtschaftlichen Vorteile, welche die Anlegung dieser Bahnstrecke einer industriereichen Gegend gebracht hat, ist es wohl hier am Platze, mit ehrerbietigem Dank der landesväterlichen Fürsorge Sr. Majestät unseres allverehrten und geliebten Königs Albert und Seiner hohen Staatsregierung zu gedenken. –
Wittigsthal liegt im romantischen Schwarzwasserthal am Fuße des Fastenberges dicht bei Johanngeorgenstadt und besteht zur Zeit aus:
- a. dem Herrenhaus, das mit den nötigen Wirtschaftsgebäuden einen geschlossenen Hof bildet,
- b. zwei größeren Brettsägewerken, wovon das eine 1885 erbaut worden ist,
- c. der Eisengießerei mit mechanischer Werkstatt und anderen dazu gehörigen Betrieben – letztere wurde an Stelle der alten Gießerei 1887 neu erbaut und 1888 bedeutend vergrößert –,
- d. zwei Pachtgütern und
- e. verschiedenen Arbeiterwohnhäusern.
Hinsichtlich der letzteren wurden namentlich im Jahre 1889 größere Neubauten errichtet, die es ermöglichen sollen, nach und nach einen guten Stamm tüchtiger Arbeiter heranzuziehen.
Als Spezialität der Gießerei wird die Fabrikation von schmiedebarem Guß betrieben, und können wir hier konstatieren, daß die Erzeugnisse des Hammerwerkes Wittigsthal sich allseitig einen guten Ruf erworben haben.
Von den hauptsächlichsten Fabrikaten des Hammerwerkes sind zu nennen: Guß für Maschinen-, Werkzeug-, Webstuhl-, Stick-, Strick-, Nähmaschinen-, Velociped-, landwirtschaftliche Geräte-, Wasch- und Wringmaschinen-Fabriken, Guß für Wagen-, Waagen- und Eisenbahnwaggonbau und als Spezialität vorschriftsmäßige, behördlich begutachtete Militärhufeisen.
Schließlich sei noch erwähnt, daß das Gut zur Hälfte in Sachsen und zur Hälfte in Oesterreich liegt und für den österreichischen Teil desselben noch reichlich freie Wasserkräfte vorhanden sind, so daß eine Vergrößerung nach beiden Seiten hin leicht möglich ist. –
Die Vorbedingungen zu einer ausgiebigen Entfaltung aller Hilfsmittel sind also gegeben, und ist daher die Hoffnung eine wohlberechtigte, daß die Zukunft des auf Jahrhunderte langer Thätigkeit zurückblickenden Hammerwerkes Wittigsthal mit Gottes Hilfe eine gesegnete sein wird!