Hände (Březina)/Hände

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[25]
Hände.

In blendender Weiße des Lichtes ruhte die Erde, gleich einem Buche von Liedern,
Geöffnet vor unseren Augen. Und also erklang unser Singen:
Siehe, in dieser Stunde begegnen einander Millionen von Händen, eine magische Kette,
Die alles Festland umschließt, Urwälder, Gebirge,

5
Und über schweigsame Reiche der Meere sich hebt zu den Brüdern:

In Städten, die in tiefen Horizonten erdunkeln, tragische Opferstätten,
Und wo die Sonne, die mystische Lampe, herabgelassen zur Tiefe aus azurnen Höhen,
Blutig qualmt im Rauche, der Heere, Parlamenten, Gefängnissen, Amphitheatern,
Und dort, wo die Glut Millionen von Herzen in die dämmernden Himmel der Geister

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Aufgestachelt emportreibt in sengender Windsbraut der Lust und des Todes

Körner glühender Kohle, geschürt vom gigantischen Eisen;
Im verdrossenen Schweigen des Tieflands, in schmerzlicher Ahnung des Sommers,
Wenn in Blüten aufquollen Ströme der Kräfte des Frühlings, wie steingewordene Lava,
Die Tage, wie Arbeiter mystischer Hütten, schleichend folgen einander,

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Ermattet im Schweiße glühet der Mensch und das Tier, brüderlich gespannt vor das Joch

Unter derselben unsichtbaren Peitsche, die vom Osten zum Westen sich schwingt; –
Auf den Wellen der Meere und Geister, wo ängstlich die Rufe der Schiffer, vom Wirbel erfaßt,
Um Mastbäume kreisen, übertost vom Jauchzen der Blitze, wenn Himmel und Erde
Verfließen in ein Element des Schreckens und Todes; –

20
Bei allen Ambossen, Webstühlen, Pressen, Steinbrüchen, unterirdischen Schächten

Auf Bauplätzen von Pharaonen, wo im Joche schmachten die Völker
Und bauen Gräber gigantisch für Ungezählter Beherrscher; –
Im dämonischen Kreisen der Räder, der Hebel, der Schlegel, der über den Köpfen sausenden Hämmer; –
Auf Schlachtfeldern, in Sternwarten, Lehrsälen, Lazarethen, Laboratorien; –

25
In Werkstätten der Meister, in Gedanken versunken über dem Marmor, wo schlummert

Eine Welt mächtigeren Grausens und Pracht und aus der Materie uralter Schaftrunkenheit
Halbumschimmert ersteht in Blitzen der Meißel und im schöpferischen Erglühen der Augen; –

[26]

Und dort, wo die Leidenschaft auf vulkanischen Hängen des Todes blühen läßt
Orangengärten der Sehnsucht und reifen läßt Weine und feurigste Gifte

30
Unter fieberhaft glühender Sonne, die niemals erlischt; und wo die Luft,

Der Alchymist, vergiftet von den Dünsten seines vergeblichen Sudes,
Tobt in Halluzinationen, – in den Dämmerungen des Geheimnisses und der Musik,
Wo der Gedanke sich nähert verbotenen Orten und im Donner der Orchester,
Im Traum verlorener Harmonien erseufzen Metalle und von den Saiten

35
Wogt das strömende Lied, wie der erste Sturm der Erde über der Geister Ermattung;


Unter den Gesten der Jungfrau’n, den elektrisierenden, wo in Funken schlummern betäubende Lenze,
Die Nacht des Schicksals läutet im Fluge der Küsse, die Sterne wie Lippen erglühen,
Und das Weib, plötzlich erbleichend beim Aufruf seines verborgenen Namens, in Agonien,
Wie auf Stufen, schlüpfrig vom Blute, zu den verwunschenen Quellen des Lebens herabsteigt,

40
In das Heulen der im Kreise getriebenen Jahrtausende, ins eifersüchtige Ringen unsichtbarer Wesen,

Und mit dem Aufschrei des Schreckens zurückwankt, bleich, und mit schmerzhaften Flammen der Hände
Drückt an die Brust ihre Beute: ein Leben klagend bei dieser Sonne Begegnung; – –
Im Anprall von tausend Willen, erfaßt von den Strömen deines mystischen Willens,
Ein einziger in Millionen, müht sich der Mensch, zittern unzählige Hände,

45
Aus Äonen in Äonen sich in Krämpfen ausstreckend, niemals ermüdend,

Auf beiden Hemisphären der Erde … in des Träumens tragischem Triumph
Wie Hände des Kindes spielen mit Sternen sie wie mit Kleinodien,
Aber beim Aufwachen laufen sie an, werden starr, blutig vom Morde,
Blau vom Frost der Äonen und im Flug’ der Erde über Abgründen zitternd,

50
Klammern sie sich verzweifelt am Grase der Erde … Wahnsinnige Hände des grimmigen Jägers

In der Hetzjagd der Elemente, vom Fluche getroffene Hände des halbnackten Sklaven
Bei den scharlach’nen Essen der Arbeit! Im Händefalten der Andacht, vom Schlage des Blitzes,
Wie Sand zusammengeschweißte Händes des Überwundenen! Und tränengewaschene,
Leuchtende, vom Glutenschimmer überfließende, von stets blutenden Stigmen der Liebe

55
Gezeichnete! Magische, heilende, durch Berührung der Stirnen Gedanken der Brüder lesende,

Königliche, schenkende! In himmlisches Einwiegen einlullende!
Ätherisch gewordene wie das Licht, und zum Obste mystischer Bäume hin,
Sich verlängernde, durch des Kosmos Bereich bis ins Unendliche! – –

Und unsere Hände, eingefügt in die magische Kette Ungezählter,

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Beben im Strome verbrüderter Kraft, die sie durchflutet aus Fernen,
[27]

Stets mächtiger, vom Druck der Äonen. Ununterbrochene Wellen
Des Schmerzes, des Mutes, des Wahnsinns, der Lust, Entzückens der Liebe
Durchschauern unsern Leib. Und im Anwehen der Winde, in erlöschenden Sinnen,
Fühlen wir, wie unsere Kette, erfaßt von Händen höherer Wesen,

65
In eine neue Kette sich fügt in alle sternbesäeten Räume

Und umklammert die Welt. – Und damals auf die schmerzliche Frage,
Durch Jahrhunderte verborgen gehalten in Furcht, wie das Geheimnis eines Geschlechtes,
Das Erstgeborene anvertrau’n Erstgeborenen, sterbend,
Hörten wir den Rundgesang der Wässer, Sterne und Herzen und in seinen Strophen

70
In Intervallen, melancholische Kadenzen, den Dithyrambus der Welten,

Die folgen einander.

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