Hühnerologie
Wenn auch obiges Wort vor dem Richterstuhl derer, welche beflissen sind, die an sich so reiche deutsche Sprache von allen fremdartigen Beimischungen zu reinigen, keine Gnade finden dürfte, so hat sich dasselbe doch durch den langjährigen Gebrauch so zu sagen eingebürgert und hat wenigstens den Vorzug, allgemein verständlich zu sein, was man nicht allen in neuerer Zeit in den Sprachverkehr aufgenommenen, rein griechischen Bezeichnungen nachrühmen kann. Der Begriff „Hühnerologie“ könnte füglich nicht anders verdeutscht werden, als durch eine Umschreibung, wie etwa: „auf durch Veredelung zu bewirkende Hebung der Hühnerzucht gerichtete Bestrebungen“, und sowohl der Kürze wegen, als weil der beabsichtigte Zweck in der Praxis häufig durch Kreuzung verschiedener Racen angestellt wird, möchte wohl vor milderen Richtern diese kleine Sprachbenutzung vom Deutschen und Griechischen einer nachsichtigeren Beurtheilung sich zu erfreuen haben.
Die der heutigen Nummer beigefügte vortreffliche Zeichnung gibt eine erwünschte Veranlassung, die im Zeitraum von mehreren Jahren gesammelten Beobachtungen und Erfahrungen auf dem Gebiete der Hühnerologie, mindestens was die hauptsächlichsten Racen betrifft, etwas näher in’s Auge zu fassen. Vor allem sei es gestattet, auf dem so höchst gelungenen Bilde eines der ersten Künstler in diesem Fach betrachtend zu verweilen. Man erkennt sofort, daß dasselbe mit vollständiger Sachkenntniß das Charakteristische der verschiedenen Gattungen auffassend und ganz in das eigenthümliche Leben derselben eingehend entworfen ist.
Im Vordergrund erblickt man eine kleine Zwerghenne mit [171] ihren Küchlein; die Mutterliebe verleiht ihr den Muth, einen kühnen Angriff auf einen größeren Hund zu wagen, von dem sie Gefahr für ihre junge Schaar fürchtet, während sie sonst vielleicht die Flucht vor ihm ergreifen würde; die Küchlein, von denen das eine noch schlaftrunken überpurzelt, stehen betroffen und von der unbekannten, ihnen noch fremden Erscheinung überrascht, der Feind aber ergreift schleunigst das Hasenpanier. – Rechts befindet sich ein Brahma-Hahn mit einigen Hennen; der Hahn läßt zornig seine Stimme erschallen, gleichsam als Drohung gegen den Ruhestörer, während die Hennen, auf den Schutz ihres Herrn vertrauend, vollkommene Gelassenheit bewahren, dergestalt, daß eine von ihnen, eine schwarze Cochin-China, es nicht einmal der Mühe werth erachtet, sich von ihrer Siesta zu erheben. Die links befindliche Gruppe, aus einigen Schleierhühnern, vermischt mit gewöhnlichen Landhennen, bestehend, scheint von der erwähnten Scene gar keine Notiz zu nehmen, nur die seitwärts stehende Brabanter Henne wirft kaltblütig einen beobachtenden Blick dahin. Auf dem Mauerwerk haben zwei andere Hennen Platz genommen, wovon die eine den eben aufgestandenen Hahn gleichsam fragend anblickt. Im entferntern Hintergrund nähert sich langsam eine einzelne Henne; zwischen dem wohlbesetzten Taubenschlage und dem Hause endlich tritt würdevoll ein Truthahn heran. Das ganze ländlich gehaltene Bild gewährt einen höchst freundlichen, vollkommen naturgetreuen Anblick; Form, Charakter und Stellung sind so entsprechend wiedergegeben, daß alle Freunde der Hühnerologie dasselbe mit Freuden begrüßen werden.
Um nun näher auf den Gegenstand einzugehen, so steht unbedingt fest, daß vor nicht gar zu langer Zeit noch die Hühnerzucht nicht blos in Deutschland, sondern auch fast in allen europäischen Ländern, mit alleiniger Ausnahme Frankreichs und Belgiens, ziemlich vernachlässigt war, höchstens ungefähr den nöthigen Bedarf an Eiern deckte, nebenbei einige alte Hennen zum Kochen, und im Sommer eine Anzahl junger Hähne zum Braten lieferte.
Die eingebornen Landhühner, kleine Eier producirend, unterschieden sich wenig von einander, die hin und wieder auftauchende Liebhaberei beschränkte sich meistens auf Stämme von gleicher Farbe oder mit Hauben versehene Exemplare.
In den zuletzt genannten Ländern hingegen wurde die Hühnerzucht schon früher mit größerer Aufmerksamkeit betrieben, was nicht nur die bedeutende Eier-Consumtion in Frankreich selbst, sondern auch die beträchtliche, jährlich zunehmende Ausfuhr von Eiern nach England beweisen. Nicht minder waren von jeher die fettgemästeten französischen Kapaune und Poularden berühmt, die sich besonders in obligater Begleitung von Trüffeln noch heute der vollsten Anerkennung aller Feinschmecker erfreuen. Ohne Zweifel waren zur Erreichung so günstiger Resultate geeignete Hühner-Racen als Grundlage erforderlich, und diese auch in den echt französischen Gattungen vorhanden, worauf wir später zurückkommen werden. Der Haupt-Impuls auf dem Continent in Betreff der veredelten Hühnerzucht ging von England aus, wohin die jetzt allgemein bekannten Cochin-China, nach ihrem eigentlichen Vaterlande richtiger Schanghai genannt, in den Jahren 1843–1845 zuerst als ein Geschenk für die Königin Victoria gelangten, und einige Jahre nachher in England mehr verbreitet, auch in Frankreich zuerst durch den Admiral Mackau in den Jardin des plantes ungefähr zu gleicher Zeit eingeführt wurden. Die von allen bisher bekannten Hühner-Gattungen so entschieden abweichende Figur, verbunden mit unglaublichen, ihnen nachgerühmten, sich theilweise nicht im vollen Umfange bestätigenden Tugenden, nächstdem die anfänglich geforderten äußerst hohen Preise erweckten das lebhafteste Interesse und das Verlangen, in den Besitz einiger solcher Vögel zu gelangen, welche sich in einem Zeitraume von etwa zehn Jahren nunmehr so verbreitet haben, daß man sie bereits für einen sehr mäßigen Preis kaufen kann. Nachdem die Aufmerksamkeit einmal rege geworden, blieb man bei der einen Gattung nicht stehen, sondern forschte überall nach neuen und hauptsächlich größeren Arten.
Eingedenk des Grundsatzes, daß vereinte Kräfte Großes zu wirken vermögen, bildeten sich Vereine für Beförderung der Hühnerzucht, und zwar betrat der in Görlitz im Jahre 1852 begründete „Hühnerologische Verein“ zuerst diese Bahn, dem bald andere Vereine gleicher Tendenz an verschiedenen Plätzen, zunächst in Dresden, dann in Breslau, Berlin und vielen anderen Orten folgten. Alle diese Vereine, von denen der Görlitzer eine die Angelegenheiten des Vereins, wie die Hühnerologie im Allgemeinen besprechende Zeitschrift unter dem Titel: „Hühnerologisches Monatsblatt“ herausgibt, wirken dahin, die vorzüglichsten Hühnersorten anzuschaffen, möglichst zu vervielfältigen, zu diesem Behuf ihren Mitgliedern Eier gegen angemessene Entschädigung zu liefern, von den Ueberschüssen der sehr mäßigen Beiträge aber alljährlich bei Gelegenheit einer Ausstellung Hühner anzukaufen, und sie unter ihren Mitgliedern ohne weitere Einlage zu verloosen. Zweifelsohne ist dieses Verfahren gemeinnütziger, als das von den englischen Vereinen beobachtete, das in Prämien für die seltensten und schönsten Exemplare besteht, mithin selbstredend nur sehr wohlhabenden Personen Aussicht darbietet, da die reichen Engländer ihrerseits beim Ankauf vor keinem noch so hohen Preise zurückschrecken.
Wenden wir uns nun zu den hauptsächlichsten ausländischen Racen, deren nähere Bekanntschaft erst von der Einführung der Schanghai an gerechnet datirt, so sind diese Hühner bekannt genug, um eine nähere Beschreibung derselben überflüssig erscheinen zu lassen; Größe und Breite der Figur, gelbe, stark befiederte Füße, kleiner spitz zulaufender Schwanz, und vor Allem die zur Vollendung der Toilette unentbehrliche, möglichst umfangreiche Crinoline sind unerläßliche Eigenschaften, welche sich freilich bei ausgearteten Exemplaren weniger vollständig vereinigt finden. Ihre ursprüngliche Normalfarbe ist gelb in mehreren Schattirungen, doch werden ganz weiße, wie schwarze, und in neuerer Zeit die grau gesperberten, mit dem Beinamen „Prinz Albert“, besonders gesucht und höher im Werth geschätzt. Ihnen schließen sich die Brahmaputra, ebenfalls schon ziemlich verbreitet, zunächst an; zwar wurde früher behauptet, sie bildeten eine andere Race, indessen stimmen ihre Figur und sonstigen Eigenschaften so vollkommen mit dem Schanghai oder Cochin-China überein, daß man sie füglich als eine Seitenlinie oder eigentlich als zweifarbige Schanghai, vermöge ihres weißen Gefieders mit schwarzer Zeichnung, betrachten kann. Beide Gattungen, Schanghai und Brahmaputra, legen röthlich-gelbe, im Verhältniß zu ihrer Figur nicht allzugroße Eier, und sind vorzüglich in ihrem ersten und zweiten Lebensjahre sehr fruchtbar, welche Eigenschaft jedoch mit den Jahren wesentlich abnimmt, indem ihr phlegmatisches Temperament sie bei irgend gutem Futter sehr bald Fleisch und Fett ansetzen läßt; nebenbei sind sie von einer ungemeinen Leidenschaft für das Geschäft des Brütens beseelt, dergestalt, daß sie in reiferem Alter häufig, nachdem sie einige wenige Eier gelegt, sich wieder zum Brüten anschicken.
Fernere von England zu uns gelangte Gattungen sind die Malayen, schöne große Hühner von gelblicher oder bräunlicher Farbe, mit hohen Füßen, große Eier legend und ziemlich gut brütend, so, dann die weißen japanischen Seidenhühner mit haarartigem Gefieder und schwarzem Schnabel, mehr der Schönheit als des Nutzens wegen zu empfehlen, dann die ostindischen Zwerghühner oder Bantams, kleine muntere Hühner, in weiß, schwarz, sowie weiß und schwarz ober gelb und schwarz gefleckt, welche letztere dann Silber- und Gold-Bantams genannt werden. Die kleinen Bantam-Hähne gebehrden sich mit unendlicher Wichtigkeit, sind außerordentlich streitsüchtig und fürchten sich nicht, mit dem größten Hahn anzubinden.
Unter der etwas allgemein gehaltenen Benennung „Franzosen“ wird nächstdem eine Sorte verstanden, muthmaßlich das Resultat einer früheren Kreuzung mit Malayen, in Frankreich unter dem Namen: Poule Russe oder auch Poule du Gange ziemlich verbreitet, von hoher, schlanker, den Malayen, ähnlicher Figur, mit glatten gelben Füßen, gelblichem Gefieder, große Eier legend und in der Regel gut brütend. Dieselbe Gattung in ganz weiß, einen reizenden Anblick auf grünem Rasen gewährend, ist unter der Benennung „Pariser“ vielseitig bekannt. Graue, kukukartig gesperberte, gewöhnlich „holländische Sperber“ genannt, schließen sich den vorerwähnten an. Letztere Benennung dürfte noch am meisten zu rechtfertigen sein, weniger der auf russische Abstammung deutende Name, indem die meisten holländischen Racen hinsichtlich der höhern Stellung der Füße etc. ziemlich damit übereinstimmen.
Als eine schöne und nutzbare Sorte sind ferner die „Spanier“ zu erwähnen, große, ganz schwarze Hühner mit ungewöhnlich stark entwickeltem Kamm, bei der Henne auf die Seite hängend, beim Hahn gerade empor gerichtet, mit einem die Augen umgebenden weißen Kreise; sie legen fleißig, sehr große Eier und brüten höchst selten oder gar nicht; im Winter erfrieren sie leicht die Kämme und müssen daher etwas wärmer gehalten werden. Diese schöne Gattung, mit wirklicher Grandezza einherschreitend, stammt ursprünglich [172] aus Spanien, scheint jedoch daselbst vernachlässigt zu sein, wogegen sie in Holland, England und auch in Deutschland sorgfältig gezüchtet und sehr geschätzt wird. Merkwürdig genug hat man ihnen an einigen Orten den Namen „Tscherkessen“ beigelegt, während es glaubhaft erwiesen ist, daß man bei jenen Bergbewohnern, die sich, zumal in letzter Zeit, mit ganz anderen Dingen als Hühnerzucht beschäftigten, keine Spur davon antrifft.
Ueberhaupt, seitdem Hühner ein großer Handelsartikel geworden sind, hat die Speculation nicht verfehlt, hinsichtlich der Benennungen oft das Gebiet des Romantischen zu betreten, weshalb es höchst gewagt bleibt, durch einen zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Namen verlockt, eine Sorte Hühner aus weiter Ferne für hohen Preis zu bestellen. So werden beispielsweise die kleinen englischen Zwerghühner mehrfach „Indianische Steppenhühner“, schwarze Hühner mit weißen Hauben „Aleppo“, eine Kreuzung gelber und gesperberter Cochin-China aber „Hermandad“ genannt etc.
England verwendet große Aufmerksamkeit auf eine Züchtung der überseeisch importirten Racen, um sie echt zu erhalten und durch schlechte Nachzucht nicht verfallen zu lasten, ebenso auch auf Hebung europäischer, durch Schönheit oder Ertrag ausgezeichneter Gattungen. Besondern Werth legt man aus einem gewissen Nationalstolz in England auf die Zucht der Dorkings, einer echt englischen Race, stark gebaut, in gewöhnlichen meistens bräunlichen Farben, im Legen und Brüten weniger ausgezeichnet, aber sehr zum Fleischansatz geneigt; eine Eigenthümlichkeit derselben ist, daß sie stets fünf Zehen an jedem Fuß besitzen, was bei andern Hühnern nur ausnahmsweise vorkommt und, ohne einen Nutzen darzubieten, gleichsam als Luxus erscheint. Mit Hauben versehene Hühner werden in England mit dem Namen „Polands“ bezeichnet, in Frankreich poules huppées, in Deutschland gewöhnlich „Schleierhühner“ genannt. Die behaubten Hühner sind sehr verschiedenen Ursprungs und fast in allen Farben vertreten, besonders gesucht sind diejenigen mit großen weißen Hauben. Eine Varietät, weiß mit schwarzen Hauben, soll früher existirt haben, scheint aber gänzlich eingegangen zu sein, da sie vielseitig zu hohen Preisen, allein vergeblich gesucht wird. Als eine Seitenlinie der Haubenhühner sind die Brabanter zu bezeichnen, regelmäßig tigerartig gefleckt, welche Zeichnung dadurch gebildet wird, daß jede Feder in weißer, blaßgelber oder goldgelber Grundfarbe an ihrem Ende mit einem starken schwarzen Punkt versehen ist; die Haube ist mehr helmartig, nach vorn geneigt, und ein schwarzer Bart ziert außerdem das Huhn. – Diese schöne Race, deren Heimath Holland und Belgien, strenger genommen Brabant ist, wie auch der Name andeutet, stand vor Einführung der überseeischen Racen bei allen Liebhabern in besonderem Ansehen, trat als eine bekannte Größe für einige Zeit in den Hintergrund, wird aber neuerdings wieder sehr gewürdigt, zumal wenn sie mit befiederten Füßen erscheint, was ehedem nur ausnahmsweise der Fall war.
Frankreich, wie bereits oben angedeutet, hat sich stets im Besitz eigener Hühner-Racen befunden und davon den größten Nutzen gezogen, weshalb das Bedürfniß einer durchgreifenden Veredelung durch ausländische Gattungen dort weniger dringend als in andern Ländern vorliegt. Gleichwohl werden in Frankreich, theils aus Liebhaberei, theils zu Versuchen und Kreuzungen, die überseeischen Racen ebenfalls angetroffen. Die eingebornen französischen Hühner zerfallen in mehrere Abtheilungen, welche wiederum in einzelnen Gegenden vorzugsweise gezüchtet werden; die ausgezeichnetste Gattung jedoch sind die Crève-Coeur, starke schwarze Hühner mit einer meistens hinterwärts geneigten Haube versehen, und mit schwachem Kamm. Ihren Namen sollen sie der Formbildung des Kammes beim Hahn verdanken, die, in zwei auseinandergehenden Zacken bestehend, mit einem gespaltenen Herzen verglichen wird, wobei allerdings eine etwas lebhafte Einbildungskraft in Anspruch genommen werden dürfte. Die Vorzüge gedachter Race bestehen in der Größe ihrer Eier, dem fleißigen Legen, der Leichtigkeit, mit welcher sich die Jungen aufziehen, und in dem schnellen Fleischansatz. Unter den Nebengattungen sind hauptsächlich zu bemerken: die Houdan, ähnlich in Figur, schwarz und weiß gefleckt, in der Normandie sehr verbreitet, die La Flèche, schwarz von Gefieder, höher gestellt, mit schwächerer Haube, und außerdem noch mehrere andere dahin einschlagende Sorten. Auf das Gebiet der unendlichen Spielarten und mit obigen verwandten Sorten weiter einzugehen, würde zu weit führen, noch weniger Interesse aber könnte es gewähren, sich in das Labyrinth der vielfachen, theils absichtlichen, theils zufälligen Kreuzungen zu vertiefen. Es bilden sich häufig neue Abarten, die jedoch erst nach einigen Generationen als constant zu betrachten sind, da die Nachzucht im ersten und zweiten Jahr mehr nach dem einen oder dem andern Theil der Stamm-Eltern zurückschlägt.
Wenn die Hühnerzucht überhaupt mehr Gegenstand der Liebhaberei ist, dann wird das Hauptaugenmerk fast immer dahin gerichtet sein, die fremden Racen rein und unverfälscht zu erhalten, diejenigen Fälle abgerechnet, wo Kreuzungsversuche unternommen werden, um ein gewünschtes Resultat möglicherweise zu erreichen. Allein wenn es sich um den Nutzen handelt, dann sind verschiedene Gesichtspunkte in’s Auge zu fassen, wobei auch klimatische Verhältnisse berücksichtigt werden müssen. Die wesentlichsten Eigenschaften einer allen Anforderungen entsprechenden Race sind: fleißiges Legen, sicheres Brüten, schnelles Wachsthum und Mastfähigkeit. Selten wird man alle diese Tugenden vereinigt finden, deshalb pflegt man entweder mehrere Racen zu halten, um einander gegenseitig zu ergänzen, oder durch Kreuzung neue Sorten zu erzielen, auf welche die guten Eigenschaften der beiderseitigen Eltern in möglichst hohem Grade übergehen. So hat z. B. die Kreuzung der deutschen Landhennen mit den großen Hähnen der vorstehend erwähnten sogenannten Franzosen einen bedeutend stärkern, größere Eier legenden Schlag ergeben, wobei nicht zu übersehen, daß der Einfluß des Hahns jederzeit vorzüglich maßgebend ist. Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn die aus der Verbindung eines edeln Hahns mit einer gewöhnlichen Henne hervorgegangenen jungen Hennen wiederum mit einem edeln Hahn gepaart werden, die zweite Generation dem Hahn fast ganz gleiche Exemplare liefert.
Unter allen Geflügelarten ist unstreitig die Eierproduction des Huhns die stärkste; naturgemäß legt dasselbe eine Serie Eier ab, und schickt sich dann zum Brüten an; wird dieser natürliche Verlauf der Dinge nicht gestört, so wiederholt sich solcher zwei bis drei Mal jährlich; wird das Brüten jedoch nicht gestattet, so beginnt die Henne nach einiger Zeit wieder zu legen, und zwar früher, als es sonst, nachdem die Jungen mehrere Wochen geführt worden, geschehen würde. Auch hierin sind Individuen und Racen verschieden; einige Gattungen, wie z. B. Spanier, Crève-Coeur u. s. w., welche fast nie brüten, machen zwischen den Eier-Serien nur längere oder kürzere Pausen, ohne Neigung zum Brüten zu bekunden, während Schanghai, Brahma etc., zumal im Alter von mehreren Jahren oft nur wenige Eier legen und dann abermals brüten wollen. Bei jüngeren Exemplaren dieser Racen kommt es indessen auch vor, daß sie ihre Jungen oft kaum acht bis vierzehn Tage führen, und dann wieder zu legen beginnen, was zwar hinsichtlich der Eier recht angenehm, in Betreff der früh verwaisten Jungen aber desto störender ist. Die Ertragsfähigkeit einen Huhns ist nicht mit Sicherheit zu veranschlagen und hängt von der Race, dem Alter, der Fütterung -c. ab; man kann in günstigen Fällen bis auf 180, selbst 200 Eier jährlich hoffen, durchschnittlich aber füglich nicht mehr als etwa die Hälfte dieser Zahlen annehmen. In das Reich der Fabel gehören die Erzählungen von Hühnern, welche zwei, sogar drei Mal täglich legen. Wenn in Folge einer innern oder äußern besondern Entwickelung eine Henne an demselben Tag zwei Mal legt, so kann das zweite Ei nicht vollkommen ausgebildet, sondern blos mit einer weichen Schaale versehen sein, und den darauf folgenden Tag wird sie entschieden nicht legen, da die Verhärtung der Schale zur vollständigen Reife ziemlich einen Tag bedarf. Es kommt vor, daß Hühner einige Wochen lang legen, ohne einen einzigen Tag zu pausiren, allein dies sind Ausnahmen, und in der Regel legen sie zwei, drei bis vier Tage unausgesetzt hinter einander; diejenigen, welche zwischen jedem Ei einen Tag überspringen, sind als gute Legehühner nicht zu empfehlen.
Der Raum erlaubt nicht, hier auf das natürliche und künstliche Brüten, auf Einrichtung der Ställe, die Fütterungsmethoden, Mästung, Krankheiten und viele andere der Hühnerologie angehörende Punkte überzugehen, nur möge schließlich noch die Bemerkung Platz finden, daß eine jede neue Erscheinung neben ihren Vortheilen auch Schattenseiten darbietet, im vorliegenden Fall darin bestehend, daß seit Einführung ausländischer Racen sich eine neue, früher ganz unbekannte Krankheit im Gefolge gezeigt hat, nämlich die fast allen Hühnerologen nur allzu schmerzlich bewußte Augenkrankheit. Heilmittel in Menge sind dagegen vorgeschlagen und mit günstigem oder ungünstigerem Erfolg angewendet worden; weil
[173]Brabanter Henne. | Schleierhahn mit Schleierhenne. | Englische Zwerghenne. | Brahm-Hahn mit Henne. | Cochin-China-Henne. |
[174] aber eine Krankheit oft leichter zu verhüten als zu heilen ist, und da mehrfache Beobachtungen ergeben haben, daß hauptsächlich die Veränderung des Wassers nachtheilig einwirkt, möge als Präservativ empfohlen werden, neu angekommenen Hühnern eisenhaltiges Trinkwasser, erzeugt durch rostiges Eisen oder Hammerschlag, eine Zeitlang zu verabreichen.
Die Hühnerzucht bietet des Angenehmen und Nützlichen in Menge dar, in fast allen Classen der Gesellschaft entwickelt sich ein immer regeres Interesse, und die allgemeine Verbreitung edler und veredelter Rassen trägt dem Schönheitssinn wie dem praktischen Nutzen Rechnung.