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Hamburgische Kirchengeschichte

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Textdaten
Autor: Adam von Bremen
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Titel: Hamburgische Kirchengeschichte
Untertitel:
aus: Die Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit (2. Gesamtausgabe), Band XLIV
Herausgeber:
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum: um 1075 (lateinische Vorlage)
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Dyk’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: Johann Christian Moritz Laurent / Wilhelm Wattenbach
Originaltitel: Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung: Die zwischen ca. 1070 und ca. 1076 von dem Bremer Domherrn Adam von Bremen verfassten „Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum“ stellen eines der bedeutendsten mittelalterlichen Geschichts- und Geographiewerke des nördlichen Europa dar. Mit einem Vorwort von Johann Martin Lappenberg
Die Erstausgabe erschien in Berlin 1850

Text auch als E-Book (EPUB, MobiPocket) erhältlich

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[I]
Geschichtschr. d. deutschen Vorzeit. 2. Gesammtausg. Bd. XLIV.



Adams von Bremen
Hamburgische Kirchengeschichte.


Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae
übersetzt von
Dr. J. C. M. Laurent.


Mit einem Vorworte von J. M. Lappenberg.




Zweite Auflage.
Neu bearbeitet von W. Wattenbach.



Preis: 3 Mark 60 Pfennig.



Leipzig,
Verlag der Dykschen Buchhandlung.
1893.

[IV] 

Die Geschichtsschreiber
der
deutschen Vorzeit.


Zweite Gesammtausgabe



Eilftes Jahrhundert. Band VI.
Adam von Bremen.




Leipzig.
Verlag der Dyk'schen Buchhaudluug.
[V]
Adams von Bremen
Hamburgische Kirchengeschichte


Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae
übersetzt von
Dr. J. C. M. Laurent.


Mit einem Vorworte von J. M. Lappenberg.




Zweite Auflage
Neu bearbeitet von W. Wattenbach.






Leipzig,
Verlag der Dyk’schen Buchhandlung.

[VII]

Einleitung


Es giebt wenige Städte, welche bei ihrer Gründung zu einer so hohen Aufgabe berufen wurden, wie Karl der Große sie für Hamburg gestellt hat, als er seine Priester und Ritter an diesen, durch die Ausmündung zweier Flüsse in die Elbe dem Verkehre günstigen, durch die Entfernung von der See und den dort durch damals unbedeichte sumpfige Inseln vielfach durchbrochenen Strom gegen Seeräuber geschützten Ort zu senden beschloß. Der Kaiser bestimmte diese Stadt, zur großen Missionsanstalt für den ganzen noch unerforschten Norden, von dessen Völkern, den Dänen, Nordmannen, Schweden, manchen Slavenstämmen, den Franken die meisten nur durch feindliche Berührungen bekannt, andere gänzlich unbekannt waren. Der Haß und die Raubsucht der Heiden haben diese Friedensburg häufig zerstört. Doch fand schon Ludwig der Fromme in dem Niederländer Ansgar einen eben so begeisterten und kühnen Glaubensboten, als in den Grenzen seines Sprengels thätigen Bischof. Auf diesen, welcher wie wenige den Beinamen des Heiligen verdiente, folgten würdige Männer, welche in seinen Fußstapfen fortschreiten versuchten. Ein Jahrhundert nach ihm befestigte der Erzbischof Adaldag, vom Kaiser Otto dem Großen unterstützt, die Ergebnisse der bisherigen evangelischen Bestrebungen durch die Gründung der dänischen Bisthümer, und schloß sein Erzbisthum noch näher an Deutschland durch die Gründung der Bisthümer in den Ländern der nördlichen Slaven. Von diesem Zeitpunkte an verknüpfte sich auch die Geschichte seiner ganzen umfangreichen

[VIII] Diöcese näher mit derjenigen des deutschen Reiches, und nach einem zweiten Jahrhunderte konnte der Erzbischof von Hamburg, Adalbert, seine bedeutende Persönlichkeit zur Anerkennung bringend, die Schicksale des Reiches leiten und ein Patriarchat über den ganzen Norden erstreben. Doch mit seinen maaßlosen Entwürfen begann schon in seinen letzten Lebensjahren die Herrlichkeit des Erzbisthumes zu schwinden, und das dritte Jahrhundert kannte nur noch die ursprüngliche sächsische und einen ehemals slavischen germanisirten Theil der Hamburgischen Diöcese.

Der Ursprung, das Emporkommen und der Verfall dieses Erzbisthumes, die Schicksale der verschiedenen Nationen entsprossenen Erzbischöfe, die Thaten und Leiden vieler Glaubensboten und Märtyrer, die Verwicklungen der Kirche den sächsischen Herzögen so wie den nordischen Königen gegenüber; die erste ausführliche Schilderung der Länder und Völker, welche dem Hamburgischen Sprengel angehörten, — dieser anziehenden, umfangreichen Aufgabe, so weit sie sich beim dritten Viertel des eilften Jahrhundertes, zur Epoche der größten Macht und des ersten Verfalles des Erzbisthumes, gestaltet hatte, fehlte ein Geschichtschreiber. Dieser hat sich, zum größten Heile der Geschichte des Nordens, so vorzüglich als die damalige Bildungsstufe des nördlichen Deutschlands es gestatten wollte, in dem Bremer Domherren und Scholasticus M. Adam gefunden, einem für seine Zeit und sein Vaterland so gebildeten Manne, als sinnig-talentvollen und treuen Berichterstatter, demjenigen Geschichtschreiber des Mittelalters, welchem nur eines fehlte, um als der Herodot des Nordens gepriesen zu werden. Denn leider bediente auch er sich nicht, wie es unter den germanischen Stämmen doch von den Angelsachsen und Nordmannen häufig geschah, seiner [IX] Landessprache, sondern gleich den romanischen Völkern, deren verdorbene Zwittersprache und Dialecte solche Aushülfe für literarische Mittheilungen erforderlich machte, der lateinischen Kirchensprache, und sogar einer oft ziemlich unbeholfenen.

Um uns die Bildungsstufe des M. Adam zu verdeutlichen, erinnern wir uns, wie sehr die Klosterschulen der germanischen Länder, mit Ausnahme Englands, welches mehr ein römisches Land als ein romanisches geblieben zu sein scheint und wo hernach die angelsächsischen christlichen Schulen sich an die der römisch gebildeten Briten anlehnen konnten, hinter denen der romanischen Länder, wie zu Corbie, St. Gallen, Bobbio, Monte Cassino standen. Den Trägern der Wissenschaft unter den christlichen Missionaren, den irischen Scoten, begegnen wir im nördlichen Deutschland, wie in anderen nordischen Ländern, nicht diesseits Cöln, vermuthlich weil sie die Gegenden suchen mußten, wo die vermittelnde Kunde des Lateinischen ihnen entgegenkam. Von einer angelsächsischen Schulbildung, welche Willehad aus dem eigensten Vaterlande Beda’s gebracht haben mag, ist jede unmittelbare Spur verloren: jene kann nur mittelbar aus Fulda, Winfrids (des h. Bonifaz) Stiftung, hierher gelangt sein. Im nördlichen Deutschland kennen wir nur zwei Klosterschulen, welche tüchtige Lehrer besaßen, eine zu Magdeburg und die andere zu Bremen, beide vermuthlich von Fulda ausgegangen, jene vorzüglich durch Octrik berühmt, welcher zur Zeit der sächsischen Kaiser blühete, diese durch Octriks Schüler, Thiadhelm, gehoben.[1]

Unser Adam, um’s Jahr 1040 oder etwas früher in der Markgrafschaft Meißen[2] geboren, dürfte in der erstgenannten [X] Schule gebildet sein, da er den Dialect seiner Heimath nie abgelegt hat; ob er den Magistertitel einer anderen Anstalt verdankt, wo er die priesterliche Weihe erhielt, ist uns unbekannt. Im Jahre 1068[3] kam er an den Hof des Hamburgischen Erzbischofs Adalbert, welcher dem Geschlechte der Markgrafen von Wettin[4] und also seinem Geburtslande angehörte, ein mächtiger Kirchenfürst, der Männer von Talent und Kenntnissen, obgleich nicht immer mit glücklicher Auswahl, herbeizuziehen suchte. Unter den glücklichen Erwerbungen kennen wir den Gualdo oder Waldo, einen Geistlichen aus Alt-Corbie, welcher durch eine Bearbeitung des Lebens des h. Ansgar in Hexametern sich jenem empfahl und als erzbischöflicher Erzkanzler und Domcustos zu Bremen ein hohes Alter erreichte.[5] Zum wahren Segen für die Geschichtsforschung ward aber die Herbeiziehung des M. Adam. Diesem ward das Amt des Domscholasters übertragen, ein Amt, zu welchem ihn die milde aber ernste Gesinnung, so wie die Kenntnisse, welche sein Geschichtswerk kund geben, sehr geeignet machten. Von seinen ferneren Lebensverhältnissen ist nichts auf uns gelangt, da er auch selbst nichts darüber andeutet. Wir ersehen aus seinem Buche, daß er Hamburg und Nordelbland genau kannte, und bei den Zusammenkünften des Erzbischofes Adalbert mit dem Dänenkönige Sven Estrithson zugegen war, von welchem letzteren er sich viele Nachrichten über Dännemark zu verschaffen wußte. Daß er den König nach seiner Residenz Roeskild begleitet oder sonst die nordischen Länder selbst bereist habe, ist uns nicht berichtet. Doch zog er die genauesten Erkundiguugen von den [XI] heimkehrenden Geistlichen ein, welche in der nordischen Diöcese verweilt hatten, so wie von wohlunterrichteten Laien, unter denen er einen edlen Nordelbingen auszeichnet. Das größte Ereigniß seines Lebens war die Nähe, in welche die Vorsehung ihn zu dem Erzbischofe Adalbert führte, einem so bedeutenden als von seinen Leidenschaften irregeleiteten Manne, welchem jener, mit klarem, aber mildem Blicke seine Fehler erkennend, mit treuester Verehrung bis zu seiner letzten Stunde dankbar anhing. Nach Adalberts im Jahre 1072 erfolgtem Tode wandte er sich mit liebevollem Gemüthe dessen Nachfolger Liemar zu, in dessen drittem Jahre er sein diesem gewidmetes Werk geschrieben hat.

Von seinem ferneren äußeren Leben ist nichts auf uns gelangt, als der uns ohne das Jahr gleichgültige Todestag (12. October) und die Sage, daß er dem unweit Harburg belegenen Kloster Ramesloh einen Wald schenkte und daselbst beerdigt sei. Daß er sich dort länger aufgehalten habe, mag immer eine Stütze in der Bemerkung finden, daß nach der letzten Zerstörung Hamburgs jenes benachbarte, doch durch die größere Entfernung von der Elbe besser geschützte Kloster, vorübergehend eine höhere Bedeutung erlangt haben und der Wohnsitz vertriebener Hamburgischer und Bremischer Domherren gewesen sein kann.

Deutlicher als die äußere liegt die geistige Thätigkeit unseres Bremer Scholasticus vor uns. Er hatte die lateinischen Classiker, welche zu seiner Zeit gelesen wurden, durchaus inne; besonders vertrauet finden wir ihn mit Sallust, welchem er ganze Sätze entlehnte und nachbildete; sodann mit Virgil und Lucan; Solinus und Marcianus Capella hatte er fleißig studirt, um Nachrichten über den Norden aus ihnen zu schöpfen, welche er freilich gleich anderen aus den römischen Classikern mit großer [XII] Sorgfalt geschöpften Notizen nicht immer richtig anzuwenden wußte. Daß er die Bibel und manche Kirchenväter genau kannte, verräth sich vielfältig in seinem mit Stellen derselben reich durchwebten Style. An Geschichtsquellen, welche seiner Aufgabe dienen konnten, scheint ihm wenig gefehlt zu haben; wir sehen, daß er die Fuldaer Jahrbücher, andere von Neu-Corvei, die Werke Einhards,[6] die Biographien der ersten Erzbischöfe seiner Kirche und anderer großen Glaubensboten des Nordens sorgfältig gelesen und benutzt hatte. Die Werke des Widukind und des Merseburger Bischofs Thietmar, welcher, durch seine Mutter den Grafen von Stade entstammt, die Geschichte des Hamburger Erzbisthums berührte, kannte er jedoch nicht.

Das Archiv seiner Kirche wurde von ihm fleißig zu Rathe gezogen. Schriftliche Quellen der Geschichte des Nordens sind, soviel wir wissen, neueren Ursprungs und konnten daher von ihm nicht benutzt werden. Doch scheinen selbst angelsächsische Quellen ihm nicht ganz fremd gewesen zu sein. So wurde es ihm beschieden, aus älteren bisweilen für uns verlorenen geschriebenen Geschichtsquellen und durch sorgsame Benutzung der Aussagen der glaubwürdigsten Zeugen ein Werk zusammen zu tragen, ohne welches unsere zuverlässige Kenntniß und lebendige Anschauung des nördlichen Deutschlands und des ganzen Nordens kaum vor dem dreizehnten Jahrhunderte beginnen würde, während jetzt durch dasselbe für die reiche Sagenwelt jener Länder uns die wichtigsten historischen Standpunkte gegeben sind und zugleich die vereinzelt dastehenden Urkunden eine lebendige Verbindung erhalten. [XIII] Die Herstellung des lateinischen Textes des vorliegenden Werkes hat eigenthümliche Schwierigkeiten gehabt, welche noch auf die Uebersetzung nachwirkten. Den vorhandenen Handschriften der Begebenheiten der Erzbischöfe der Hammaburger Kirche liegen nämlich verschiedene Ueberarbeitungen unter, deren keine sich als das Original unbezweifelt zu erkennen giebt, während mehrere derselben Zusätze und Scholien enthalten, welche ersichtlich noch von dem ersten Verfasser herrühren müssen. Manche der Scholien sind indessen viel neuer, die daher in meiner Ausgabe durch Verweisung auf die Handschriften haben unterschieden werden können, welche Bezeichnung jedoch gleich anderem kritischen und eregetischen Rüstzeuge aus jener nicht füglich in die Uebersetzung aufgenommen werden konnte. Die Verschiedenheit der Zeit und des Ursprunges des Scholien hat auch bei dem Wunsche und der Verpflichtung des Uebersetzers, dem Originale möglichst treu zu bleiben, zu einiger Ungleichheit der Namensformen geführt, wodurch auch die Schwierigkeit der Uebertragung derselben in die richtige deutsche Form vergrößert ist. In den Anmerkungen Maaß zu halten war sehr schwer; doch verlangte der überaus reiche, so viele verschiedene Länder und Verhältnisse berührende Stoff, um nicht in ausführlichen Erläuterungen begraben zu werden, durchaus die äußerste Beschränkung und dürfen wir vertrauen, daß der Leser die ihn näher angehenden einschlagenden Geschichtswerke ohne weitere Nachweisung wird zu finden wissen.

Hamburg, den 6. December 1849.

J. M. Lappenberg.

[XIV] Lappenberg hat sich durch die Bearbeitung der Niedersachsen betreffenden Geschichtsquellen und des Hamburger Urkundenbuches die größten Verdienste erworben, und die unter seiner Leitung entstandenen Uebersetzungen des Dr. Laurent waren um so willkommener, weil sie den Ausgaben der Texte in der Sammlung der Mon. Germ. vorangingen. Doch war die Nothwendigkeit recht zahlreicher Verbesserungen in diesen Uebersetzungen schon lange anerkannt; außer diesen bedurften auch die von Lappenberg herrührenden Anmerkungen einer Durchsicht, bei welcher es nur in einzelnen Fällen möglich erschien zu bemerken, was von ihm oder von mir herrührt. Erforderlich war vorzüglich ein Hinweis auf die Unechtheit der meisten uns überlieferten päpstlichen Bullen, welche sich auf die nordische Mission beziehen. Dieser Gegenstand ist behandelt von K. Koppmann in der Zeitschrift für Hamburger Geschichte V, 483—573, und von G. Dehio in seiner Geschichte des Erzbisthums Hamburg-Bremen, Berlin 1877. Beide setzten die Verfälschung der älteren Bullen, und im Zusammenhang damit auch der Lebensbeschreibungen Ansgars und Rimberts, in etwas spätere Zeit; Adams Werk ist davon noch unberührt. Dagegen hat er ältere Fälschungen, welche sich auf den Besitz von Turholt und Ramesloh beziehen, schon vorgefunden und benutzt. Ihm selbst läßt sich keine Betheiligung daran nachweisen.

Berlin, im Juni 1886.

W. Wattenbach.
[XV]
Inhalt.


Seite
Einleitung VII
Erstes Buch 6
Zweites Buch 56
Drittes Buch 120
     Anhang 192
Viertes Buch 198
     M. Adams Epilog an den Bischof Liemar 241
     Beilage: Die britannischen Inseln 244
Register[7] 247
[1]
Meister Adam's Geschichte der Erzbischöfe
von Hamburg

[3] Dem glückseligsten Vater und vom Himmel erwählten hammaburgischen Erzbischofe Liemar widmet Adam, der geringste Canonicus der heiligen Kirche von Bremen, diese kleine Gabe unbeschränkter Ergebenheit.


Als ich vordem[8] von Euerem Vorgänger, evangelischer Hirte, der Zahl der Euerer Heerde Angehörenden zugesellt wurde, war ich der Neuling und Fremdling emsig bemühet, nicht als ein die Wohlthat eines so großen Geschenkes mit Undankbarkeit lohnender zu erscheinen. Sobald ich daher mit Augen sah und mit Ohren vernahm, wie Eurer Kirche das Vorrecht alter Ehre nur allzu sehr geschmälert war und wie sie deshalb der Hände vieler Mitbauenden bedurfte, sann ich lange darüber nach, durch welch ein Denkmal eigener Arbeit ich der Mutterkirche bei der Erschöpfung ihrer Kräfte Hülfe bringen könnte. Und siehe! da kam ich, während ich hin und wieder Manches las und hörte, aus sehr viele Thaten Deiner Vorgänger, welche sowohl wegen ihrer eigenen Größe, als wegen des Bedürfnisses dieser Kirche des Erzählens werth zu sein schienen. Weil nämlich das Gedächtniß dieser Thaten erloschen und die Geschichte der hiesigen Erzbischöfe noch nicht geschrieben ist, so möchte vielleicht einer sagen, sie hätten entweder ihrer Zeit nichts Denkwürdiges gethan, [4] oder, wenn sie dergleichen verrichtet, keine sorgsamen Schriftsteller gefunden, dasselbe den Nachkommen zu überliefern. Von diesem Bedürfnisse also überzeugt, schickte ich mich an, die bremischen oder hammaburgischen Erzbischöfe der Reihenfolge nach zu beschreiben, indem ich zugleich dafürhielt, daß es weder meiner Ergebenheit und Dienstpflicht, noch dem Amte Eueres Legatenberufes widerstreite, wenn ich, als ein Sohn dieser Kirche, die Lebensereignisse der heiligsten Väter, durch welche die Kirche erhöhet und das Christenthum unter den Heiden verbreitet wurde, wieder an’s Licht brächte. Freilich flehe ich nun für dieses mühevolle und meine Kräfte weit übersteigende Werk um so mehr um Nachsicht, als ich, fast ohne irgend eines Vorgängers Spuren folgen zu können, mich nicht gescheuet habe, einen unbekannten Pfad gleichsam im Dunkeln tappend zu betreten, indem ich es vorzog, lieber im Weinberge des Herrn des Tages Last und Hitze zu tragen, als außerhalb des Weinberges müßig zu stehn.[9] Deiner Prüfung nun, heiligster Erzbischof, unterwerfe ich dreist dieses Werk, Dich erbitte ich mir zugleich zum Richter und Sachwalter, indem ich gar wohl weiß, daß etwas Deiner Weisheit Würdiges Dir nicht dargebracht werden kann; Dir, der Du jetzt, nachdem Du die Laufbahn weltlicher Wissenschaft zurückgelegt hattest, mit noch größerem Ruhme zu dem Streben nach geistlicher Gelehrsamkeit Dich emporgeschwungen hast, das Irdische verschmähend und allein auf das Himmlische sinnend. Und obwohl Du durch Lehre und Wahrheit, d. h. durch Dein, des Seelenhirten, Wort und Beispiel vor Vielen Dich auszeichnest, so ist doch unter Deinen Tugenden die vorzüglichste die Demuth, und diese, die Dich Allen nahe bringt, hat auch mir diejenige Zuversicht eingeflößt, in welcher ich Stammelnder es wage, mit einem so hochgelahrten Weisen zu reden und wie Saul unter den Propheten zu erscheinen.[10] Ich weiß jedoch, daß es mir, wie es bei neuesten Erscheinungen zeither zu geschehen pflegte, [5] an Widersachern nicht fehlen wird, welche sagen werden, dies alles, was ich hier vorbringe, sei erdichtet und unwahr, wie Scipio’s vom Tullius ersonnene Träume;[11] nun gut, so mögen sie meinetwegen auch, wenn sie wollen, sagen, diese meine Träume seien aus Maro’s elfenbeinerner Pforte hervorgegangen.[12]Ich habe mir vorgesetzt, nicht Allen zu gefallen, sondern Dir, mein Vater, und Deiner Kirche; denn es ist sehr schwer, Neidern zu genügen. Und weil meiner Nebenbuhler Unredlichkeit es also verlangt, so erkläre ich Dir offen, auf welchen Gefilden ich diesen Kranz mir gepflückt habe, damit es nicht von mir heiße, ich habe unter dem Scheine der Wahrheit nach Lügen gehascht. Von dem also, was ich schreibe, habe ich Einiges aus zerstreuten Blättern gesammelt. Vieles aber habe ich aus Geschichtswerken und den päpstlichen Privilegien entlehnt, bei weitem das Meiste jedoch erlernte ich aus der Ueberlieferung älterer fachkundiger Leute, und die Wahrheit selbst ist mir Zeugin, daß ich nichts aus meinem eignen Kopfe ersinne, nichts ohne Gründe hinstelle, sondern ich werde alles, was ich angeben werde, mit sicheren Belegen erhärten, so daß man, wenn man mir nicht glaubt, wenigstens dem Ansehn meiner Bürgen Vertrauen schenken möge. Alle aber mögen wissen, daß ich wegen dieses meines Werkes und solches Unternehmens weder als Geschichtschreiber gepriesen zu werden strebe, noch als Fälscher getadelt zu werden befürchte; sondern was ich selbst gut darzustellen nicht vermochte, das besser zu schildern, habe ich Anderen Stoff gelassen. Indem ich nun mit dem Auftreten des heiligen Willehad beginne, wo ganz Sachsen sowohl den Waffen der Franken unterworfen, als dem Dienste Gottes gewonnen wurde, setze ich meinem Büchlein ein Ziel mit [6] Deinem heilbringenden Amtsantritte, indem ich zugleich Gottes des Allmächtigen Barmherzigkeit anflehe, daß er, der Dich seinem lange ohne Obhut umherirrenden und bedrängten Volke zum Hirten bestellt hat, es gewähren möge, daß mit Deiner Hülfe und in Deinen Tagen das, was unter uns verkehrt ist, verbessert und das Verbesserte fortwährend erhalten werde. Daß das, was in der Bekehrung der Heiden von Deinen Vorgängern längst rüstig begonnen ist, von Dir, der Du den angeerbten Beruf hast, das Evangelium dem Norden in seiner ganzen Ausdehnung zu verkünden,[13] bald möglichst vollendet werde, das gebe Jesus Christus, unser Herr, dessen Reich kein Ende hat in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Anmerkungen der Übersetzung von J. C. M. Laurent

  1. Hier hätte doch der Verf. Hildesheim und andere Bildungsstätten auch berücksichtigen müssen. W.
  2. Diese Herkunft beruht nur auf Vermuthung. W.
  3. Im 24. Amtsjahr Adalberts, nach Adams eigener Angabe III, 4, dessen Einsetzung zwischen 1043 und 1045 streitig ist. Im Jahre 1069 wird Adam urkundlich als Scholasticus erwähnt. W.
  4. Vielmehr der Pfalzgrafen von Sachsen. W.
  5. Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Band II, Seite 31 folgend.
  6. Diesem schrieb er durch Verwechselung die von Rudolf von Fulda begonnene, von Reginhard vollendete Erzählung von der Uebertragung des heil. Alexander zu. Hervorzuheben ist noch das durch ihn gerettete Fragment des Abtes Bovo von Corvei. W.
  7. ergänzt durch WS
  8. Nämlich im Jahre 1068.
  9. Vergl. Matth. 20, 3. 12.
  10. 1 Sam. 10, 12. 19, 24.
  11. Anspielung aus Cicero’s „Traum des Scipio“, enthalten in dem Buche vom Staate VI, 9 ff.
  12. Also nichtig und grundlos, denn in Virgil’s Aeneide Buch V1, Vers 894-6 heißt es:
    Zwiefach sind die Pforten des Schlafs, die hornene nennt man

    Eine, wodurch leichtschwebend die wahren Erscheinungen ausgehn;
    Weiß die andre und hell aus Elfenbeine geglättet,

    Doch ihr entsenden zur Luft falschgaukelnde Träume die Manen. V o ß.
  13. Im Jahre 1073 am 2. Februar übertrug Papst Alexander II. sammt dem erzbischöflichen Pallium dem Liemar das Missionsamt für den Norden. Die Bulle, wie sie uns vorliegt, ist freilich gefälscht.