Hans Warsch, der Hirt von Oggersheim
[335] Hans Warsch, der Hirt von Oggersheim
Im dreißigjährigen Kriegsgewühl
Nahm sich die Pfalz am Rhein
Ein span’scher Feldherr einst zum Ziel,
Und zog mit Schaaren ein.
Das Städtchen Oggersheim umringen.
Den Bürgern wurde kalt und heiß,
Bis noch der Trost sich fand,
Daß unentdeckt in ihrem Kreis
Da griffen sie geschwind zum Stabe,
Und flohen mit Weib und Kind und Habe.
Hans Warsch, der Schafhirt, blieb im Ort
Der Männer ganzer Rest;
Den wackern Burschen fest.
Sein Weib, ein ihm sehr liebes Wesen,
War eines Kindleins erst genesen.
„Sieh zu, was stehet dir bevor?“
„Das Volk umlagert Wall und Thor,
Und tobet fürchterlich.
Doch nur getrost! wie sich’s auch stelle,
Es stammt denn noch nicht aus der Hölle.
Und sprich ein tapfres Wort!
Das wär’ des Bürgermeisters Pflicht,
Doch lief die Memme fort.
So bist du leicht der Stadt mehr nütze,
Und zwischen Donnerbüchsen stand
Er plötzlich auf dem Thor,
Schwang muthig mit der rechten Hand
Ein weißes Tuch empor
Ich soll mit euch Verhandlung pflegen.
Gelobt ihr Schutz und Sicherheit
Uns allen redlich an,
So wird euch ohne Widerstreit
Doch wollet ihr die Stadt verheeren,
So werden wir uns grimmig wehren.“
Dem Feldherrn ward, was jener sprach,
Vom Dolmetsch treu erklärt,
Er rief: „Es sei gewährt!“
Und Hans, vertrauend diesem Worte,
Eröffnete sogleich die Pforte.
Wie staunten jetzt die Spanier
Als sie das Städtchen um sich her
Wie ausgestorben sahn!
„Wo“, fragten sie, „wo sind die Andern,
Die sonst durch diese Gassen wandern?“
Hing eine Kett’ am Fuß,
Weil ich heut oder morgen hier
Kindtaufe geben muß.
Doch dürft ihr drum nicht feindlich schalten,
„Ei“, rief der Feldherr, „ei, wie hat
Der Schalk uns angeführt!
Doch fruchten soll’s der ganzen Stadt,
Was seinem Muth gebührt.“ –
Und stand Gevatter bei dem Kinde.
Anmerkungen (Wikisource)
Zum historischen Hintergrund (Belagerung 1621) siehe in der Wikipedia Hans Warsch.
Das Gedicht in Langbeins Sämmtlichen Gedichten, neue Auflage, Bd. 4, Stuttgart 1841, S. 42 Google