Hardenstein (Kämpchen)
[42] Hardenstein.
(Ein Heimatsang.)
An der Ruhr im Talesgrund
Liegt ein Schloß zerfallen.
Fragt ihr nach dem Namen sein,
Nennt man es euch: Hardenstein,
Wollt ihr mehr noch von dem Bau
Hören gern aus Tagen grau,
Kann’s die Ruhr euch künden.
Sie, die Ruhr, ist wohlvertraut
Alles, alles sah sie dort,
Prunk und Prangen, Brand und Mord,
Bis zum letzten Reste.
Lauschte süßem Minnesang,
Mag sie drum erzählen:
Ehmals war Schloß Hardenstein
Stark und wohl gerüstet.
Doch sein Glanz ist längst dahin,
Herr zu sein gelüstet. –
Nur das Käuzchen wohnet noch
Hoch am Turm im Eulenloch,
Sonst ist alles öde. –
[43]
Hier in früher’n Tagen.
Aber auch des Schlimmen hat
Ueberreich an dieser Statt
Einst sich zugetragen.
Noch mit dem gespenst’gen Zwerg
Goldemar hier hauste. –
Dieser war vor Jahresfrist
Auf der Burg erschienen,
Mit geheimer Kunst fortan
Ohne Lohn zu dienen. –
Nur an dessen Tafel saß
Er zu Rechten mit und aß,
Auch stand noch ein Roß im Stall
Ihm allein zu eigen.
Rappenfarbig, wild und scheu,
Doch dem Zwerge vielgetreu,
Aber immer auch zuvor
Hat dem Rappen er in’s Ohr
Etwas zugeraunet. –
Dazu bog der starke Hengst
Und so hielten Zwiesprach’ sie,
Doch die Knechte hörten nie
Was sie raunten wieder.
Wohl ein Zauber lag im Wort,
Wie auf Sturmesflügeln. –
In der Burg verschloß der Zwerg
Stetig seine Kammer.
Diese lag im stärksten Turm,
Durch Gebälk und Klammer.
Tagelang saß er darin,
Doch was immer auch sein Sinn
Plante, blieb verborgen. –
[44]
Frech herumgespähet. –
Doch im gleichen Augenblick
War ihm auch schon das Genick
Gräßlich umgedrehet. –
Hohngelächter scholl darauf
Aus der Turmeskammer. –
Als der Graf die Tat erfuhr,
Sprach er zu den andern:
Warum mußte der Spion –
Auch zum Turme wandern? –
Wiederum befehl’ ich’s klar,
Stört mir nicht den Goldemar,
Gern gehorchten dem Gebot
Reisige und Knappen.
Wo der Grause auch erschien,
Alle, alle floh’n sie ihn,
Nur der wilde Herr vom Schloß
Liebte beide, Mann und Roß,
Doch aus andern Gründen. –
Band ihn doch geheim ein Pakt,
Goldemar war nicht sein Knecht,
Nein, er hatte Ritterrecht,
Frei zum Haß und Lieben.
Nannte doch sogar der Zwerg
Nibelung und Schwager. –
Ob den Ritter dies verdroß,
War nicht zu erkunden.
Einmal nur kam es zum Tort,
In den Abendstunden. –
Beim Bankette war’s, beim Wein,
Als der Graf dem Becher sein
Stark schon zugesprochen. –
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Von des Grafen Lippe:
Dieser Wein ist gut und echt,
Aber einer hier ist schlecht
Und von schlechter Sippe. –
Bist in meinem Schlosse hier
Und in meiner Halle. –
Goldemar schwieg lange still,
Wie um nachzusinnen.
Wahr’ dich, Gräflein, daß nicht Blut
Fließt durch dein Beginnen. –
Sprach’s mit wildem, heißem Blick
Auf die schöne Etalrik,
Dann, als wäre nichts gescheh’n,
Griff der Zwerg zur Laute,
Sang und spielte stundenlang,
Wie berauscht vom eig’nen Klang,
Etalrik schien wie betört,
Und erhob sich, blaß, verstört,
Als das Spiel zu Ende. –
Wieder zog ein Jahr vorbei
Waffenklirren, Saitenklang
Tönte dort und holder Sang
Traulich im Vereine. –
Immer noch schlug Goldemar
Und Schön-Etel lauschte. –
Lange dann noch saßen sie
Nach dem Spiel beisammen. –
Sie durch Zaubermacht gebannt,
Heiß wie Höllenflammen. –
Er, so häßlich an Gestalt,
Sie von Lockengold umwallt,
Etalrik, die Schöne. –
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Seinen Lauf genommen –
Wär’ nicht jetzt zum Grafenschloß,
Ritterlich und hoch zu Roß,
Neu ein Gast gekommen.
Herr der schönsten Burg am Rhein
Und der Minne König. –
Kaum, daß Etalrik ihn sah,
Als ihr Herz gefangen. –
Fühlt die gleiche Liebesglut
Bei der Jungfrau Prangen. –
Goldemar – kein Wort, kein Ton,
Aber aus der Augen Loh’n
Seine Laute hing jetzt stumm
In der Turmeskammer. –
Und auch er saß oft darin,
Pläne brütend, schwarz von Sinn,
Ward’s ihm dann zu eng im Turm,
Trug ihn, wie ein Wettersturm,
Durch’s Gefild der Rappe. –
Mit dem Grafen hatte er
Wispernd nur die Rede drang,
Doch das letzte Wort, es klang
Von ihm wie: Betrogen! –
Dann ein Lachen hinterdrein,
Und wie Teufel lachen. –
Wieder saß im Schlossesturm
Er in düst’rem Sinnen. –
Dann mit seltsam starrem Blick
Kannst mir nicht entrinnen. –
Girr’ nur mit dem Falkenstein,
Bald für immer bist du mein,
Wie ich es geschworen. –
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Schlimmen Todes sterben. –
Und die andern hier im Schloß
Alle, alle, auch der Troß,
Mögen mit verderben. –
Soll ein Trümmerhaufen sein,
Weh dir, Hardensteiner! –
Dann, als ob der grause Spruch
Unheil schon beschworen,
Und ein Winseln folgte nach,
Nicht für Menschenohren. –
Goldemar, in scharfem Ton:
Still, zurück, ich ruf’ euch schon,
Während dies im Turm geschah,
Herrschte schön’res Leben
Tiefer unten im Gemach
Mit dem Erker ohne Dach,
Hier, in traulichem Verein,
Saßen auf der Bank von Stein
Udo und Schön-Etel. –
Udo sprach von seinem Schloß
Wie es hoch in trutz’gem Mut
Raget ob des Rheines Flut,
Spiegelnd sich darinnen. –
Dorthin, nach dem stolzen Bau,
Bald des Burgherrn Schwester. –
Etalrik schlang ihren Arm
Um den Mann, den trauten.
Ach, sie ahnten beide nicht,
Was Dämone brauten. –
Daß der Bogen schon gespannt
Ward, von einer starken Hand,
Um sie zu vernichten. –
[48]
Kam die Nacht gezogen. –
Brütend lag es auf der Flur,
Brütend auf dem Tal der Ruhr
Und den Bergebogen. –
Langsam noch und schwer im Lauf,
Aber unheildräuend. –
Ruhe herrschte schon im Schloß
Nach dem regen Leben. –
Hält ein böser Dämon Wach’
Um sich zu erheben,
Wenn die Geisterstunde schlägt,
Weil ihn dann der Rappe trägt
Aber eh’ zum wilden Ritt
Er sich hebt im Bügel,
Hat der Brand das Schloß durchloh’t,
Soll hier hausen Mord und Tod
Goldemar – er zischt’s voll Hohn,
Bald erhältst du deinen Lohn,
Trotz dem Falkensteiner! –
Und nun fängt ein Raunen an
Aus den Winkeln kommt es her,
Wie Gewinsel matt und schwer,
Durch Gebälk und Klammer. –
Seltsam schaurig klingt der Laut,
Und gar wohl verständlich. –
Meine Doggen, seid ihr da! –
Ruft er rauh mit Lachen.
Und darauf in dumpfem Ton:
Laß sie nicht erwachen! –
Nur die beiden ganz allein,
Etel und der Wicht vom Rhein,
Sollen munter werden. –
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Hochzeitsfackel rötet. –
Sie für mich ins Brautgemach,
Er zum letzten Weh und Ach,
Wenn mein Schwert ihn tötet. –
Mitternacht – nun heule, Sturm!
Donnerwolke, krache! –
Und als ob selbst die Natur
Dienstbar seinem Grimme –
Brechen alle Stürme los,
Kracht des Donners Stimme. –
Blitze flammen durch den Turm,
Und die Ruhr, gepeitscht vom Sturm,
Goldemar, in wilder Lust,
Stürmt nun aus der Kammer. –
Wüster reckt sich die Gestalt,
Und die Faust das Schwert umkrallt,
Schemenhaft, im Wetterschein,
Gleiten Schatten hinterdrein,
Seine Nachtgesellen. –
Alles schläft noch fest im Schloß
Nur Schön-Etel, leichenblaß,
Dringt hervor aus dem Gelaß,
Ungehemmt vom Riegel. –
Und auch Udo, frei vom Bann,
Und an Etels Seite. –
Beide stehen blitzumloh’t,
Wie ein Bild der Minne. –
Sie, im leichten Nachtgewand,
Aber ohne Brünne. –
Goldemar – ein Tiger kaum
Ueberflöge so den Raum –
Schnellt zum Falkensteiner. –
[50]
Kreuzen sich die Klingen. –
Udos Schwert trifft rasch und gut,
Doch dem Zwerge fließt kein Blut
Bei dem wilden Ringen. –
Weiß er sich doch wohl gefeit
Gegen jede Wunde. –
Immer wilder tobt der Kampf
Fort bei Donnerkrachen. –
Ruft nach Hilfe, fleht und schreit,
Aber kein Erwachen. –
Wohl erbebt im Sturm das Schloß,
Doch der Graf mit seinem Troß
Goldemar hat vielfach schon
Udos Brust getroffen. –
Aber wie zum Spiele nur,
Grausam läßt er ihm die Spur
Da – vom Firmamente kracht
Wüst ein Schlag jetzt durch die Nacht,
Daß die Halle dröhnet. –
Für Sekunden ruht der Kampf
Dann fällt Udo wütend aus,
Doch er ist dem Höllengraus
Rettungslos verfallen. –
Weggeschlagen wird sein Schwert
Tief ihm in die Weichen. –
Udo! Gellend rang der Schrei
Sich aus Etels Munde. –
Und zu ihm, dess’ Leben schon
Sinkt sie auf dem Grunde. –
Goldemar, zurückgewandt:
Rappe, Rappe, mir zu Hand,
Aber flink, Geselle! –
[51]
Von dem Zwerg gesprochen,
Als auch unten vor dem Schloß
Wiehert schon das treue Roß,
Und die Hufe pochen. –
Stürmt entgegen diesem Laut,
Durch die Flucht der Gänge. –
Wieder beugt der starke Hengst
Zu dem Wicht sich nieder. –
Aus dem Höllenmächte brau’n
Stahl für seine Glieder. –
Dann mit einem Sprung und Satz
Schnellt der Rappenhengst vom Platz,
Wiehernd jagt das wilde Roß,
Wie vom Sturm getragen,
In die Wetternacht hinein,
Funken stieben aus dem Stein,
Hinter ihm – der wüste Brand
Rötet schon des Himmels Rand –
Steht die Burg in Flammen. –
Goldemar, voll wilder Lust,
Schneller noch, mein gutes Roß,
Bringe uns zum Hochzeitsschloß,
Leih’ vom Blitz die Flügel. –
Und der Hengst, wie ein Phantom,
Seinem Herrn zu Willen. –
Dieser späht im Wetterschein
Nach dem Klippenhange, –
Wo die Ruhr mit rauhem Fall
Eine Riesenschlange. –
Weh dem Armen, den sie packt!
Aus dem Höllenkatarakt
Gibt es kein Entrinnen. –
[52]
Mit dem Sturm die Wette. –
Etalrik, so ruft er laut,
Etalrik, erwache, Braut,
Für das Hochzeitsbette! –
Etalrik ist ihm entflohn
In das Reich der Toten. –
Wie der Zwerg die Zähne bleckt!
’s ist ein Raubtier-Schnappen. –
Und dann nach dem Fluß wie toll
Spornt er seinen Rappen. –
Höllenbrand, hinab zum Grund!
In den bodenlosen Schlund,
Und der Hengst mit Wutgebrüll,
Daß die Felsen hallen, –
Nimmt den letzten Klippengrat,
Wo zu Ende ist der Pfad
Wiehernd steigt er in die Luft,
Und dann in die Flutengruft
Stürzt er mit dem Reiter. –
Durch die Nacht hat noch ein Schrei
Nibelung, du brachst den Pakt!
Und dann von dem Katarakt
Ist das Roß verschlungen. –
Doch wohin? – Von Goldemar
Wie auch von Schön-Etel. –
Nur das Schloß im Talesgrund,
Oede und zerfallen,
Mit dem reichen Sagenschatz,
Wo Gespenster wallen. –
Aber nur im Grau’n der Nacht, –
Wenn die Morgensonne lacht
Muß der Spuk verschwinden. –
[53]
Nach dem Schlosse wandern. –
Herrlich, herrlich ist der Gang,
Unter Nachtigallensang,
Einzeln und mit andern. –
Sie kennt ja den Hergang nur,
Neu die Mären künden. –