Hebel’s Säcularfest in dessen Heimath
[368] Hebel's Säcularfest in dessen Heimath. Allenthalben wurde im badischen Oberlande der 10. Mai, der Geburtstag Hebel’s, des allemannischen Sängers, gefeiert. Diesen Tag begingen insbesondere sein Heimathsort und die Stadt Schopfheim im Wiesenthale. Die Enthüllung einen Denkmals vor Hebel’s Haus zu Hausen, die Feier und die rege Theilnahme der Bewohner des Wiesenthales an derselben sei Gegenstand dieser Mittheilung.
Hebel ist als allemannischer Sänger bekannt. Kein anderer Idyllist kommt ihm an Naturwahrheit, Naivetät, Frische und Treuherzigkeit gleich. Er hat, wie Goethe treffend sagt, das ganze Universum auf die anmuthigste Weise verbauert. Seine Erzählungen, sein rheinischer Hausfreund waren in allen Händen, und es gibt fast kein Lehrbuch in den Schulen des evangelischen Deutschlands, das nicht irgend ein „Stücklein“ mit der Unterschrift „Hebel“ enthielte.
Begeben wir uns nun in Hebel’s Heimath, in’s liebliche Wiesenthal. Die Nacht vom 9. auf den 10. loderten Freudenfeuer auf den Höhen, welche das Wiesenthal umgeben, ja ein Feuermeer war auf manchen Bergen, welches freundlich in die düstere Nacht hinausleuchtete. Nebel umhingen die Berge, und ich befürchtete, daß Hebel’s Ehrentag nicht gefeiert werden könnte. Ich äußerte diese Befürchtung einem guten Oberländer. Er meinte, morgen sei doch gut Wetter; Hebel hätte nur zu Petrus gesagt, er soll d’Lüt do unte nur e weng vergelstern.[1] In der That, der Morgen erheiterte sich. Choräle und Lieder der Bergleute begrüßten denselben. Alle Orte des Wiesenthales hatten das Festgewand angelegt. Kränze, Blumengewinde und darauf geheftete sinnige Sprüche zierten Häuser und Straßen; ja, der ärmste Mann hatte seinem Sänger und dem Sänger seiner „Wiese“ wenigstens ein Blümchen gebracht. So brach der Tag in festlich heiterer Stimmung heran.
Am Morgen übergaben die Jungfrauen Schopfheims ihrem Gesangvereine eine von ihnen gestickte Fahne, und die niedliche Sprecherin bemerkte recht sinnig, daß wohl kein Tag geeigneter sei, dieser Fahne die echte Weihe zu geben, als der heutige, der hundertjährige Geburtstag Hebel’s. „Ne G’sang in Ehre“ möge immerdar ihr Wahlspruch bleiben.
Die Gesangvereine des gesammten Wiesenthales in geschmückten Festwagen trafen gegen elf Uhr beim Eisenwerk Hausen ein, in dessen Nähe der Festplatz gewählt war.
Die Wagen waren mit Bildern und Sprüchen versehen. Die letzteren alle gemüthlich heiter, ja kindlich. So z. B. aus dem Wagen Fahraus:
„Wenn’s gilt im Hebel Chränzli z'winde,
Do blibt au Fahrnau nit dehinte.“
Der Zug mit den vielen Fahnen, dem bunten Farbenspiel, hatte etwas Imposantes. Auch des Vaterlandes war man eingedenk. Die Sänger und Sängerinnen waren mit den deutschen Farben geschmückt, und die deutsche Fahne war die, welche vorangetragen wurde. Wenigstens ein Anfang; – wo Deutschland seine Geister ehrt, darf die deutsche Tricolore wehen. Gegen den Festplatz entfaltete sich der Zug. Er war durch einen Triumphbogen gezogen, auf welchem zwei junge Bergknappen als Statuen aufgestellt waren und auch wirklich für ihren Hebel mit Heldenmuth stille standen. Mädchen, wie sie sich in der guten alten Zeit, da noch der kleine Peter Hebel in die Schule ging und ehrfurchtsvoll vor „jedem Here ’s Chäppli abe that“, trugen, schmückten die hier aufgestellte Büste Hebel’s mit Blumenkränzen. Aus einem mit Laub gezierten Fasse mit dem „Ehrentrunk“ kredenzten zwei der schönsten Mädchen den fremden Gästen den Wein. Wohl wird sich Mancher mit Freuden dieses köstlichen Trunkes, so liebreich dargebracht, erinnern.
Die Gesangvereine und die Musik besteigen die Sängerbühne, und man ordnet sich. Ein Bürger von Hausen, Herr Grether, bewillkommnete Alle herzlich in der Mundart der Heimath, in allemannischer Sprache: „De Hebel wemmer ehre – in der G’sinnung, die er uns g’lehrt het. Mer wenn is freun, e Trunk, e Chuß und e freudig Stündli soll is in Ehre z’Theil werde.“[2] Das Wetter hatte sich aufgeheitert, freundlich strahlte die Sonne auf die frühlingsgrünen Höhen und der Wind bestreute uns mit Blüthen. „Ne G’sang in Ehre“ ertönte es von allen Vereinen.
Der Zug bewegte sich vom Festplatze nach Hausen, wo Hebel’s Denkmal – eine Büste – enthüllt werden sollte. Pfarrer Rheinbold von Hausen sprach in seinen einleitenden Worten: „Noch vor wenigen Monaten erst sei der Entschluß reif geworden, dem allemannischen Sänger in seiner lieben Heimath ein Denkmal zu setzen; durch die Freigebigkeit Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs und die rege Theilnahme der Gemeinde Hausen und der vielen Verehrer Hebel’s sei dieser Entschluß in kurzer Zeit zur That geworden.“
Vor der Kirche Hausens steht Hebel’s Denkmal. So oft die Bewohner dieses stillen Dorfes, voll anmuthiger Erinnerungen, in die Kirche gehen, mahnt es sie an ihren lieben Hebel. Auf der Vorderseite des Piedestals ist zu lesen: „Johann Peter Hebel, Badens erster Prälat, lieblicher allemannischer Sänger und gemüthlich heiterer Volkserzähler“; auf der Rückseite: „Gewidmet zu seiner einhundertjährigen Geburtsfeier am 10. Mai 1860, von den Einwohnern seiner Heimathsgemeinde und auswärtigen Verehrern“. Auf der einen Seite:
„O lueg, wie’s flimmert wit und breit,
In Lieb’ und Freud’ und Einigkeit
s’ macht Kein em Andre ’s Lebe schwer,
Wenn’s doch donieden au so wär.“
Auf der andern:
„Ne Freudestund isch nit verwehrt,
Me g’nießt mit Dank, was Gott bischert,
Me trinkt e frische frohe Mueth,
Und druf schmekt wieder ’s Schaffe guet.“
In der Nähe des Denkmals steht Hebel’s Vaterhaus. Man kehrte, nachdem ein Festlied gesungen worden war, wieder auf den Festplatz zurück. Die Festrede sprach Pfarrer Dorn von Weil, mit Hebel seiner Zeit persönlich befreundet. Ausführlich und mit besonderer Liebe ging er auf das Leben Hebel’s ein, auf dessen Jugendjahre, seine Studienzeit, seine Wirksamkeit in Karlsruhe, als Lehrer und Geistlicher. Namentlich hob er seine Verdienste als Lehrer des Volkes durch seinen Hausfreund und als Dichter hervor, welcher den allemannischen Dialekt wieder zu Ehren gebracht. Auf sie folgte ein besonders nennenswerther musikalischer Vortrag: „der Samstig und der Suntig“, ein ländliches Tongemälde, in welchem der Componist, Herr Carl Fendrich von Freiburg, eine poetisch durchdachte Aneinanderreihung von Volksweisen mit Liedern Hebel’s und eigenen Motiven in einen reizenden ländlichen Strauß zusammenbindet. Ausgeführt wurde dasselbe von der Kapelle den II. Füsilierbataillons zu Freiburg. Für Militairmusik war es arrangirt von Herrn Kapellmeister H. Schwab.
Eine Reihe von Rednern trat nun auf, deren Vorträge wir nur der Richtung nach, in welcher sie sich bewegen, angeben wollen. Herr Oberamtmann von Porbeck hob, an die Verehrung Hebel’s für das markgräfliche Haus (Baden) anknüpfend:
„Es leb’ der Marggrof und si Huus!
Ziehnt d’ Chappen ab und trinket us.“
– die unveränderliche und stete Treue und Anhänglichkeit der Markgräfler an das fürstliche Haus Baden hervor, ein Grundzug, welchen sie auch heute noch bewahren im schönen Verein mit eifrigem Streben nach geistigem und materiellem Fortschritt.
Herr Ministerialrath Spohn aus Karlsruhe knüpfte an die Stelle aus Hebel’s Schmelzofen:
„Wär Hammer-Schmid und Zainer nit,
Do läg e Sach’, was thät me mit?“
in gelungenster Weise eine Beleuchtung der verschiedenen Thätigkeiten des Comite’s, welches seine Aufgabe in so befriedigender Weise gelöst habe.
Ein anderer Redner bekämpft die Vorurtheile, welche von gewisser Seite gegen die Verehrung unseres großen Dichtern und Denkers noch immer gehegt werden. Unrecht sei es, diese Verehrung Vergötterung des Menschengeistes zu nennen.
Ein Sprecher aus Basel brachte den Festgruß einer großen Anzahl Männer aus Basel, entschuldigt ihr Ausbleiben, weil das schweizerische Musikfest sie so sehr in Anspruch genommen habe, und stellt eine reiche Spende für die Hebelstiftung in Aussicht.
Herr Hofrath Eisenlohr von Karlsruhe erörterte in geistreicher, von Herzen gehender Weise und in glänzendem Redeflusse die Wahrheit, mit welcher Hebel unsere Oberländer gezeichnet, die heute noch die alten. Mit einem Hoch auf sie schließt er.
Herr Prof. Werber aus Freiburg brachte einen Toast auf den Blüthenkranz der Oberländerinnen, und Herr Venedey aus Oberweiler erinnerte an eine Stelle aus einem Briefe Hebel’s, welchen derselbe zur Zeit des napoleonischen Druckes geschrieben: – (Napoleon) regiere mit blutiger Hand und mer könn’ „sich nimmer muchse“.[3] In lebhafter Weise brachte er seine patriotischen Wünsche vor, seinen Ruf nach Einigkeit gegenüber der Gefahr, die „dorther“ drohe – seine Hand nach Westen richtend.
So, mit dem Gedanken an’s theure Vaterland, schloß dieses Fest, das gegolten den Manen eines Dichters, dessen Lieder in der Sehnsucht nach der Heimath ihren Boden haben.