Herbst (Gartenlaube 1896)

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Textdaten
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Autor: D.
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Titel: Herbst
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 685, 688
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[685]

Herbst.
Nach einem Bilde von Adam Siepen.
(Mit dem Fuße gemalt.)

[688] Herbst. (Zu dem Bilde S. 685.) Das lebensvolle Bild, in welchem die Herbststimmung so trefflich wiedergegeben ist, gewinnt für den Beschauer noch ein besonderes Interesse, wenn er erfährt, daß der Schöpfer desselben in der Ausübung seiner Kunst eine schier unglaublich klingende Schwierigkeit zu überwinden hat: Adam Siepen wurde ohne Hände geboren. Die von Lessing in „Emilia Galotti“ aufgeworfene Frage, ob Raphael nicht ein ebenso großer Maler gewesen wäre, wenn er unglücklicherweise ohne Hände wäre geboren worden, findet hier durch die Thatsache eine unvorhergesehene Beantwortung. Denn wenn auch Siepen nicht einem Raphael zu vergleichen ist, so beweist sein Schaffen doch unzweifelhaft, daß man auch ohne Hände ein tüchtiger Maler werden kann.

In Düren 1851 geboren, entwickelte der kleine Adam schon als Kind eine große Geschicklichkeit, sich der Füße als Hände zu bedienen. Gar bald regte sich auch der Künstler in ihm; er zeigte eine besondere Neigung zum Zeichnen und Malen und damit zugleich eine stetig wachsende ungewöhnliche Energie, die sich seinem künstlerischen Schaffenstrieb entgegenstellenden großen Schwierigkeiten zu überwinden. So hat er nach unverdrossenem Mühen es heute dahin gebracht, sich eine Virtuosität in der Technik anzueignen, die erstaunlich ist.

In der Düsseldorfer Schule erhielt er seine Ausbildung, hauptsächlich als Schüler von Professor J. Roeting, und nachdem er seine Studien in Dresden und München vor neun Jahren vollendet hatte, wählte er Düsseldorf wieder zu seinem bleibenden Wohnsitz. Der örtliche Einfluß giebt sich in seinen Bildern wohl zu erkennen, die nicht selten auch den feuchtfröhlichen rheinischen Humor wiederspiegeln. Dieser bekundet sich auch in einem Schreiben, worin er von seinem Schaffen folgendermaßen plaudert: „Was die Art und Weise, mit dem Fuße zu arbeiten, betrifft, so ist dies höchst einfach. Ich sitze vor der Staffelei, wie sie jeder Maler benutzt, auf niedrigem Tische und schwinge ohne Latte oder Malstock elegant das Malbein, während die Palette auf kleinem Gestelle bequem ‚zum Fuße‘ liegt. Mit sehr guter Gesundheit behaftet (unberufen), gedenke ich in erwähnter Weise noch einige Semester mitzuthun und aus der Thatsache, daß ich Scheffels ‚Gaudeamus‘ zu meinem Brevier erkieset, mögen Sie ersehen, daß ich das Leben nicht von der trockensten Seite aufzufassen gewohnt bin.“

Seine Malweise ist nichts weniger als eine rohe Klexerei, die von ihm wohl eher wie von so vielen der modernen faustbegabten Kraftgenies mit Nachsicht aufzunehmen wäre. Siepen befleißigt sich einer gediegenen Durchführung, die er nicht nur in der Landschaft, sondern auch im Porträt und im Genre aufs glücklichste bethätigt. Dabei weiß er ebenso treffend wie die elegante Frauengestalt in dem vorliegenden Bilde auch die dralle Bäuerin auf die Leinwand zu zaubern. Und wer seine Bilder auf der Ausstellung betrachtet, ohne mit dem besonderen Umstand der Herstellung bekannt zu sein, der wird sicher nicht daran denken, daß er vor einem Kunstwerk steht, dessen Autor ohne Hände geboren wurde. D.