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Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Napoleon I. Bonaparte

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Jean Baptiste Bessières Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen (1918) von Adolf Hantzsch
Napoleon I. Bonaparte
Nicolas Jean de Dieu Soult
Wikipedia: Napoleon Bonaparte
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Nr. 155. Napoleon I. Bonaparte, 1769–1821, hat sich in Dresden wiederholt aufgehalten und hier beim Hofe, anfangs auch bei der Bevölkerung, freundlichste Aufnahme gefunden. Diesem weitausschauenden Monarchen war es bei seinen Riesenplänen bald klar geworden, welchen Wert Sachsen als Stützpunkt seiner Unternehmungen für ihn haben werde. Deshalb suchte er dessen Landesherrn, den Kurfürsten Friedrich August III., der bis zur Schlacht bei Jena auf preußischer Seite stand, teils durch Freundlichkeiten, teils durch Drohungen für sich zu gewinnen, was ihm auch gelang. Freilich mußte der Kurfürst durch den am 11. Dezember 1806 mit Frankreich abgeschlossenen Frieden sich verpflichten, dem von N. damals gegründeten Rheinbunde beizutreten, was der Kaiser mit der Verleihung des Königstitels belohnte.

Um seinen neuen Verbündeten persönlich kennen zu lernen, stattete ihm N. 1807 auf der Rückreise nach Paris in Dresden einen Besuch ab. Der König war dem Kaiser am 16. Juli bis Bautzen entgegengereist; am nächsten Tage in der sechsten Abendstunde hielten die beiden Monarchen unter Kanonendonner, Glockengeläut und dem unaufhörlichen Vivatrufen einer vieltausendköpfigen, selbst von weither zusammengeströmten Volksmenge ihren feierlichen Einzug in unsere Stadt. Den ihm vom König bis ans Schwarze Tor (am nördlichen Ausgange der Hauptstraße) entgegengeschickten achtspännigen Staatswagen benutzte der Kaiser freilich nicht; vielmehr fuhr er in seinem Reisewagen, in dem auch sein hoher Gastgeber Platz genommen hatte. Der Zug, in dem sich als Gefolge N's. auch eine Anzahl französischer Marschälle befanden, bewegte sich vom Schwarzen Tore aus durch die Hauptstraße über die Augustusbrücke nach dem Schlosse, wo der Kaiser in den Paradezimmern des zweiten Obergeschosses Wohnung nahm. In diese zog er sich zurück, nachdem er die königliche Familie begrüßt hatte.

Während der fünf Tage, die N. in Dresden verlebte, gab es zu Ehren des kaiserlichen Gastes vielerlei festliche Veranstaltungen: großartige Beleuchtung der Stadt, Hofkonzert, Aufführung der italienischen Oper Zaira, Besichtigung der Festungswerke beim Weißen und Schwarzen Tore in der Neustadt, beim Pirnaischen Tore in der Altstadt, Besuch der Gemäldegalerie, des Antikenkabinetts sowie der Bibliothek im Japanischen Palais und des Kadettenhauses, eine Spazierfahrt nach Pillnitz und zuletzt einen Jagdausflug nach Moritzburg. So oft sich der Kaiser auf der Straße zu Pferde sehen ließ, wurde er von dichten Mengen der Einwohnerschaft stets mit lautem Jubel begrüßt. Kehrte er von Festlichkeiten oder Besichtigungen ins Schloß zurück, pflegte er meist noch dringende Arbeiten zu erledigen, auch wenn es, wie nach dem Besuch der Oper, erst in der Nacht geschehen konnte. – Am 20. Juli wurde dem Kaiser eine ganz besondere Ehrung dadurch zuteil, daß König Friedrich August I., der an diesem Tage den Hausorden der Rautenkrone gestiftet hatte, seinen hohen Gast zum ersten Ritter desselben ernannte. Am Abend des 22. Juli verließ der Kaiser, und zwar wiederum unter Glockengeläut und Geschützdonner unsere Stadt, vom König bis nach Meißen begleitet. (Lindau Bd. II., S. 525—528.)

[151] Zum zweiten Male kam N. 1812 nach Dresden, als er von St. Cloud nach Polen reiste, um die dort an der Weichsel versammelte große Armee vor ihrem Aufbruche nach Rußland zu besichtigen. In der 12. Nachtstunde des 16. Mai zog er, diesmal von seiner Gemahlin Marie Louise und einem glänzenden Gefolge von 46 Personen begleitet, wie bei seinem ersten Besuche unter Kanonendonner und Glockengeläut in Dresden ein. Das sächsische Königspaar war den kaiserlichen Gästen bis Freiberg entgegengefahren. Auch diesmal wohnte N. im Schlosse und zwar in den im zweiten Obergeschoß gelegenen Zimmern des ehemaligen Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen Friedrich August II., während die Kaiserin die im gleichen Stockwerk befindlichen Zimmer des Prinzen Albert, des Onkels vom damaligen sächsischen König, bezog.

Zur Begrüßung N's. trafen in den nächsten Tagen in unserer Stadt noch andere fürstliche Personen ein, unter ihnen der Kaiser von Österreich Franz I. nebst Gemahlin, die Königin von Westfalen, zuletzt auch der König von Preußen Friedrich Wilhelm III. mit dem Kronprinzen. Natürlich gab es auch diesmal zahlreiche Festlichkeiten, Besichtigungen, gegenseitige tägliche Besuche der Fürstlichkeiten, besonders sogenannte Morgenaufwartungen bei N. Auch eine Fahrt nach Moritzburg zur Jagd auf Wildschweine fehlte nicht. Erwähnt zu werden verdient es, daß Frankreichs Kaiser während seines diesmaligen hiesigen Aufenthaltes bei den Einwohnern nicht jene begeisterte Aufnahme fand, wie bei seinem Besuche im Jahre 1807. Zwar strömten noch immer die Leute herbei, um den damals gewaltigsten Mann Europas zu sehen, aber man begegnete ihm infolge der Furcht, die er diesmal einflößte, bei seinen Ausfahrten stets mit Kälte. Das war ihm umso ärgerlicher, als man die beiden gleichzeitig mit anwesenden Monarchen, den Kaiser Franz I. von Österreich und den überaus leutseligen König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, so oft sie sich öffentlich zeigten, mit lautem Jubel und großer Herzlichkeit begrüßte.

Nachdem sich N. am Nachmittag des 28. Mai vom sächsischen Hofe und allen bei ihm weilenden fürstlichen Besuchern verabschiedet hatte, verließ er am nächsten Morgen früh ½4 Uhr „ohne Feierlichkeiten“ unsere Stadt, um sich über Bautzen nach Polen zur großen Armee zu begeben. Seine Gemahlin blieb noch in Dresden und besuchte von hier aus Tharandt, Pillnitz, auch die Festung Königstein, ehe sie am 4. Juni nach Prag zurückreiste.

Bei diesem zweiten Besuche in der sächsischen Residenz stand N. auf dem Gipfel seiner Macht und seines Ruhmes; als er nach reichlich sechs Monaten ohne seine fast ganz vernichtete Armee aus Rußland zurückkehrte und auf seiner Heimreise nach Paris in Dresden einen nur wenige Stunden dauernden Aufenthalt nahm, zeigte sich sein Glücksstern bereits stark im Erbleichen. Am 5. Dezember 1812 hatte der Kaiser mit wenigen Getreuen sein Heer in Rußland verlassen; in der dritten Morgenstunde des 14. traf er, von Bautzen kommend, zu Schlitten am Weißen Tore in der Neustadt ein und wollte sich auf dem nächsten Wege [152] zu seinem hiesigen Gesandten, den Baron de Serra begeben. Die Wohnung desselben befand sich im Hause des Kammerherrn Grafen v. Loß (zuletzt bis zu seinem Abbruche Kreuzstraße 10, s. Nr. 80), war aber dem Kutscher unbekannt und sie konnte erst nach dem mißglückten Versuche bei einem herausgeklingelten Arzte in der Moritzstraße mit Hilfe eines Nachtwächters festgestellt und erreicht werden. Nachdem der Kaiser sich hier gründlich ausgewärmt und seinen Gesandten angewiesen hatte, seine Anwesenheit streng geheimzuhalten, wollte er noch in der Nacht dem König Friedrich August einen Besuch abstatten. Dieser aber war von des Kaisers Anwesenheit bereits in Kenntnis gesetzt worden und erschien sehr bald in de Serras Wohnung. Natürlich berichtete ihm N. das Wesentlichste über den unglücklichen Ausgang seines Feldzuges nach Rußland, gab aber auch bekannt, er werde möglichst bald mit einer sehr starken Armee aus Frankreich zurückkommen und den Krieg fortsetzen. Länger als eine Stunde war der König beim Kaiser geblieben, dann verabschiedete er sich. Nachdem N. zwei Briefe diktiert hatte, von denen der eine seinem Schwiegervater, der andere dem König von Preußen geschickt werden mußte, bestieg der Kaiser früh ½8 Uhr den ihm zur Verfügung gestellten, auf Schlittenkufen gesetzten königlichen Wagen und verließ ganz in der Stille Dresden, dessen Bewohner freilich sehr bald nach seiner Abreise erfuhren, welcher berühmte Gast sich einige Stunden hier aufgehalten hatte. (Genaueres im Dresdner Anzeiger 1909, den 29. März, S. 29.)

Im hiesigen Stadtmuseum war seit 1890 bis in die letzten Jahre ein kurzer, leichter, offener, im Innern einsitziger Schlitten aufgestellt, den man augenscheinlich erst später nach hinten zu verlängert und mit einer Pritsche für den Kutscher versehen hat. Dieser Jahrzehnte lang auf dem Boden des Loß'schen[WS 1] Hauses aufbewahrte Schlitten sollte nach Meinung der Hausbewohner derjenige gewesen sein, den N. auf seiner Rückreise aus Rußland benutzt, aber wegen seines gebrechlichen Zustandes in Dresden zurückgelassen habe. In dem in Nr. 2 der Dresdner Geschichtsblätter des Jahres 1899 veröffentlichten Aufsatze „Der angebliche Napoleon-Schlitten“ weist Ratsarchivar Dr. Richter nun nach, daß der im Stadtmuseum vorhandene Schlitten unmöglich vom Kaiser auf seiner Reise nach Dresden benutzt worden sein könne. Er stützt sich dabei auf ein 1862 in Paris erschienenes und später auch für die Dresdner Stadtbibliothek angekauftes Buch, „das ein Bruchstück aus den unveröffentlichten Memoiren des ehemaligen französischen Gesandten Baron Paul de Bourgoing enthält“. Was er darin mitteilt, ist einem schriftlichen, ihm zugänglich gewesenen Berichte entnommen, den der polnische Ordonnanzoffizier Graf Wonsowicz, ein Begleiter N's. auf seiner Rückreise aus Rußland, abgefaßt hat. Nach demselben konnte der vom Kaiser zur Fahrt anfangs benutzte Wagen bei dem hohen Schnee nur bis zur Poststation Gragow (Grajewo?) Verwendung finden. Deshalb wurde nun hier auf Befehl N's. eine „sehr bequeme Berline, d. h. ein viersitziger geschlossener Reisewagen“, der aber auf Schlittenkufen stand, nach vieler Mühe erworben und vom Kaiser mit zwei Begleitern und seinem Mamelucken zur Weiterreise bis nach Dresden benutzt. Weil [153] dieser Wagenschlitten auf der langen, schnellen Fahrt mehrfach beschädigt worden war, blieb er hier zurück, doch kennt niemand sein weiteres Geschick. Fest steht nur, daß der bis in die neuere Zeit in Dresden aufbewahrte Schlitten von N. niemals benutzt worden ist, also gar keinen geschichtlichen Wert besitzt und deshalb neuerdings aus dem Stadtmuseum entfernt wurde.

Unter wesentlich anderen Verhältnissen als im Dezember 1812 traf der Franzosenkaiser im nächsten Jahre, 1813, am Abend des 8. Mai nochmals in unserer Stadt ein. Er kam als Sieger von Lützen her, wo er vor sechs Tagen die verbündeten Preußen und Russen geschlagen hatte, die deshalb das von ihnen innegehabte Sachsen bis auf das Ostgebiet räumen mußten. Auch der auf dem rechten Elbufer gelegene Teil Dresdens, die Neustadt, befand sich noch in ihren Händen.

Ehe N. unter Glockengeläut in die sächsische Residenz einzog, war er an der Löbtauer Weißeritzbrücke von einer Vertretung des Dresdner Rates und am Schlosse vom Adel begrüßt worden. König Friedrich August, der während der Besetzung seines Landes durch Preußen und Russen anfangs in Bayern, später in Böhmen weilte, kehrte erst am 12. Mai nach Dresden zurück, wo ihm der Kaiser einen prunkvollen Empfang bereitete.

Bei seinem diesmaligen Aufenthalte in unserer Stadt bewohnte N. dieselben im zweiten Obergeschoß des Schlosses gelegenen Zimmer, die er bereits vor Jahresfrist innegehabt hatte. Die sächsische Immediatkommission, die während der Abwesenheit des Landesherrn die nötigsten Regierungsgeschäfte zu erledigen hatte, mußte wenige Stunden nach Ankunft des Kaisers bei ihm zu einer Unterredung erscheinen, die sich bis Mitternacht hinzog. Vom 9. Mai an bis zum Schlusse seines diesmaligen langen Aufenthaltes hielt N. gewöhnlich vormittags von 9–10 Uhr fast täglich Morgenempfang ab, bei dem Mitglieder des königlichen Hofes, Minister, Generäle, Gesandte und andere Großwürdenträger dem Kaiser ihre Aufwartung machten. Einen sehr großen Teil seiner Zeit nahmen militärische und diplomatische Angelegenheiten in Anspruch.

Gleich am 9. Mai hatte N. bei Briesnitz einem Artilleriekampfe beiwohnen können, bei dem die auf dem anderen Elbufer stehenden Russen zum Rückzuge gezwungen wurden. Der Wiederherstellung der bereits durch Marschall Davout den 19. März 1813 teilweise zerstörten Elbbrücke wandte der Kaiser seine ganz besondere Aufmerksamkeit zu. Wohl hatten die Russen den durch die Sprengung beseitigten Pfeiler mit den beiden benachbarten Bogen durch einen Holzbau ersetzt, diesen aber durch Feuer wieder zerstört, als sich die Franzosen Dresden näherten. Der anfangs auf eine Woche berechnete und vom Kaiser dauernd persönlich überwachte und geleitete Holzersatzbau wurde am 10. und 11. Mai ausgeführt. Vom Mittag des zweiten Tages an konnte ein aus Infanterie, Kavallerie und Artillerie bestehendes Heer von über 70 000 Mann bei Anwesenheit des Kaisers die Brücke gefahrlos überschreiten.

[154] Wiederholt hielt N. Truppenbesichtigungen ab, so am 15. Mai vor der Neustadt von erst kurz zuvor hier eingetroffenen französischen Soldaten; zwei Tage später an dem gleichen Orte in Gemeinschaft mit König Friedrich August von zwei sächsischen Kürassierregimentern. – Mit dem soeben aus Wien in Dresden angekommenen österreichischen General Graf Bubna hatte N. sowohl am 16. als auch am 17. Mai eine geheime, sich auf wichtige Staatsangelegenheiten beziehende Unterredung. Die erste dauerte von abends 8 Uhr bis nachts 2 Uhr, die zweite auch drei Stunden. Beide Besprechungen betrafen wahrscheinlich die Stellung Österreichs zu den Verbündeten. – Nachdem der König Friedrich August in der Mittagsstunde des 18. Mai dem Kaiser einen Abschiedsbesuch abgestattet hatte, verließ letzterer bald darauf ohne jede Feierlichkeit unsere Stadt, in der bei seinem diesmaligen Aufenthalte wegen der kriegerischen Zeitverhältnisse Festlichkeiten völlig unterblieben waren.

Vom König bis ein Stück über das Lincke'sche Bad begleitet, begab sich N. nach der Lausitz, um die Verbündeten aus den von ihnen noch besetzten Teilen Sachsens zu vertreiben. Dies gelang ihm auch durch den am 20. und 21. Mai nicht fern von Bautzen über sie erfochtenen entscheidenden Sieg, nach welchem er ihnen aber den erbetenen zweimonatigen Waffenstillstand bewilligte. Bald nach dessen Abschluß verlegte N. sein Hauptquartier wieder nach Dresden, wo er, ohne daß selbst der König davon verständigt worden war, am 10. Juni früh 5 Uhr unerkannt zu Wagen anlangte. Diese Tatsache ist durch eine in der Pariser Nationalbibliothek aufbewahrte, von einem zwar unbekannten, jedoch genau unterrichteten Verfasser herrührende, freilich nicht unterzeichnete Handschrift festgestellt.[1] Daher muß die sowohl von Lindau Bd. II., S. 598 als auch von Taggesell S. 120 gebrachte Mitteilung, N. sei auch diesmal unter Glockengeläut und Kanonendonner in Dresden eingezogen, als unrichtig bezeichnet werden. Allerdings bekam die Bewohnerschaft noch beides, aber erst am 13. Juni zu hören, um ihr zu künden, daß der Kaiser wieder in der Stadt weile.

Da er diesmal sich hier länger aufzuhalten gedachte und dem Hofe nicht lästig fallen wollte, bezog er das in der Friedrichstadt gelegene Marcolini'sche Palais, jetzt Friedrichstraße 41, das ihm von seinem damaligen Minister des Auswärtigen, Maret, Herzog von Bassano, ausgesucht und eingerichtet worden war. N. bewohnte im Mittelpalais das[WS 2] Erdgeschoß. Im Mittelsaal, der jetzt als Geschäftsstelle dient, pflegten sich die Generäle und Minister zu versammeln; der danebenliegende Raum, den jetzt Kassierer und Buchhalter innehaben, war das Arbeitszimmer des Kaisers. Das derzeitige Beratungszimmer [155] der Ärzte wurde als Empfangssaal benutzt. Daneben befand sich das Ankleidezimmer, während die jetzigen Apothekerräume als Schlafgemach des Kaisers dienten. (Vergl. A. Fiedler, Zur Geschichte des Marcolini'schen Palais S. 22, 23.)

Während dieses Aufenthaltes war er wieder äußerst tätig. Über die alte und junge Garde, die in der Stadt und deren Umgebung Unterkunft gefunden hatte, wie über die fast täglich hier eintreffenden, aber bald weiter ziehenden französischen Truppen hielt N. auf den nahegelegenen großen Wiesen des Ostrageheges sehr häufig Musterungen ab. Anfangs ritt er stets durch das Ostravorwerk, dessen Verwalter sich ernstlich darüber beklagte; deshalb benutzte der Kaiser später den Weg durch das seiner Wohnung gegenüberliegende Wallwitz'sche Grundstück, jetzt Friedrichstraße 52, das ebenfalls einen Ausgang nach dem Gehege besaß. – Um Dresden vor feindlichen Angriffen noch besser zu sichern, hatte N. die Anlegung von starken Schanzen und anderen Befestigungsarbeiten angeordnet, die er ebenfalls fast täglich besichtigte und deren Ausführung er streng überwachte. Namentlich in der nur wenig geschützten Neustadt wurde eine größere Anzahl Schanzen errichtet.

Öfters verließ der Kaiser, wenn auch meist nur auf kurze Zeit, unsere Stadt, um Sachsen und besonders seine Verteidigungspunkte kennen zu lernen und namentlich Geländestudien zu machen. So besuchte er im Juni die Festung Königstein und das Schloß Sonnenstein, ferner Lohmen und Wehlen wo er besonders die Elbufer in Augenschein nahm, Königsbrück und seine Umgebung, das Schloß Stolpen, den Lilienstein, nochmals den Königstein und Struppen, im Juli Moritzburg, Radeburg, Radeberg, Sedlitz, Luckau, Lübben und Guben in der Niederlausitz, um die dort liegenden französischen Truppen zu mustern. Am 10. Juli trat er eine größere Reise an, auf der er u. a. in Torgau, Wittenberg, Dessau und Magdeburg weilte und die dortigen Truppen und die Festungswerke besichtigte. Nach fünftägiger Abwesenheit traf der Kaiser wieder in Dresden ein.

In seinem hiesigen Palais führte er im ganzen eine einfache Lebensweise. Allerdings sah er außer bei den fast täglichen Vormittagsempfängen auch sonst Besuch bei sich. Öfters sprachen der König oder Glieder seiner Familie, zuweilen aber auch auswärtige Fürstlichkeiten, wie der Herzog von Weimar, der Prinz von Hessen-Darmstadt sowie der König von Westfalen, des Kaisers jüngster Bruder Jérôme im Marcolini'schen Palais vor.

Als eine der wichtigsten Personen, die hier von N. empfangen wurden, ist der damalige Graf, der spätere Fürst Metternich, seit 1809 Minister der auswärtigen Angelegenheiten beim Kaiser von Österreich, zu nennen. Er war am 25. Juni 1813 nach Dresden gekommen, um die bereits von Preußen und Rußland angenommene Vermittelung Österreichs auch N. anzubieten, falls dieser mit den beiden verbündeten Gegnern Frieden schließen wolle. Die darauf bezügliche denkwürdige und folgenschwere Unterredung Metternichs soll nach dem zweiten Teile des bereits erwähnten französischen Berichtes am 26. Juni stattgefunden [156] haben. Das ist aber unrichtig, wie Metternich im ersten Teile seiner nachgelassenen Papiere, die sein Sohn Fürst Richard Metternich Winneburg 1880 herausgab, selbst erzählt, erhielt er von N. überhaupt erst am 27. Juni die Einladung zum Empfang, der dann am nächsten Tage, also den 28. Juni, stattfand.

Im Verlaufe des Zwiegespräches hatte Metternich über die jetzt zu weiteren Kämpfen bereite französische Armee eine geringschätzige Bemerkung gemacht, die mit den Worten schloß: „Ich habe Ihre Soldaten gesehen, sie sind Kinder . . .“ Darüber war N. so in Zorn geraten, daß er seinen bisher in der Hand gehaltenen Hut in die Ecke des Zimmers schleuderte, wo ihn der Graf ruhig liegen ließ, so daß ihn der Kaiser später selbst aufheben mußte. Letzterer zeigte sich am Ende der achtstündigen Unterredung wenigstens äußerlich ruhiger, auch ließ er aus eigenem Antriebe am 30. Juni Metternich noch einmal kommen und besprach sich vier Stunden lang mit ihm über die kriegerische Lage, ohne daß in den beiderseitigen verschiedenen Anschauungen die geringste Annäherung erzielt worden wäre. – Die beiden Unterredungen haben in dem schon erwähnten, von den Ärzten des Stadtkrankenhauses in Friedrichstadt als Beratungssaal benutzten Raume stattgefunden. Letzterer ist im wesentlichen noch heute in demselben Zustande erhalten, in dem er sich im Sommer 1813 befand, doch fehlen natürlich bis auf zwei Pfeilertischchen die damals vorhandenen Möbel. Die Wände tragen noch immer die alte chinesische Papiertapete, und das Zimmer zeigt noch heute den früheren getäfelten Fußboden, sowie den vor einem Jahrhundert benutzten Marmorkamin.

Dauernd unermüdlich arbeitend überlegte N., wie er in der immer ernster werdenden Zeit sich seiner alten und neuen Gegner am geeignetsten erwehren und sie vernichten könnte, er hatte daher für Festlichkeiten kaum noch Sinn; nur den Genuß des Theaters gönnte er sich. Zu diesem Zwecke war auf seinen Befehl in dem im Ostflügel des Palais nach der Gartenseite zu gelegenen Orangeriegebäude ein kleines etwa reichlich hundert Personen fassendes Theater aufgebaut worden. Darin führten eine Anzahl nach Dresden berufener erster Kräfte der Pariser Bühne von Mitte Juni bis in den August vor dem Kaiser und seinem Gefolge, der königlichen Familie sowie geladenen Gästen aus den Kreisen des hohen Adels gewöhnlich mehrmals in der Woche meist Lustspiele auf. Im alten Opernhaus ist N. während seiner diesmaligen Anwesenheit in Dresden ebenfalls wiederholt gewesen.

Nachdem der Kaiser am Abend des 24. Juli der gesamten königlichen Familie im Schloß einen einstündigen Besuch abgestattet hatte, verließ er mit drei Begleitern am nächsten Morgen ½5 Uhr ganz in der Stille unsere Stadt und begab sich nach Mainz. Hier fand eine verabredete Zusammenkunft mit seiner hohen Gemahlin statt. Am 4. August kehrte er ohne feierliche Begrüßung durch den Hof nach Dresden ins Marcolini'sche Palais zurück. Bereits wußte er, daß der Kampf gegen die Verbündeten, deren Macht durch Österreichs Beitritt wesentlich verstärkt worden war, nach Ablauf des am 5. Juni abgeschlossenen Waffenstillstandes [157] sofort wieder beginnen mußte. Deshalb arbeitete der Kaiser in diesen Tagen mit größtem Eifer an dem Entwurfe des neuen Feldzugsplanes, bestimmte auch, daß die Feier seines auf den 15. August fallenden Geburtstages bereits am 10. August stattfinden sollte. Sie verlief besonders glänzend und brachte am Vormittag eine vom prächtigsten Wetter begünstigte großartige Musterung von 40 000 Mann auserlesener Truppen auf den Ostrawiesen. Natürlich nahmen der Kaiser, der sächsische König, die Prinzen und ein glänzendes Gefolge, sowie eine überaus große Volksmenge an diesem prachtvollen militärischen Schauspiele lebhaften Anteil. Nach dem am Mittage in der katholischen Kirche abgehaltenen Festgottesdienste mit Te Deum unter Geschützdonner erfolgte teils auf der Hauptstraße in der Neustadt, teils in verschiedenen Lagern vor der Stadt eine Speisung aller Truppen. Abends fand im Schlosse eine sehr glänzende Festtafel statt, an der natürlich auch N., der den ganzen Nachmittag über in seinem Palais emsig gearbeitet hatte, teilnahm. Ein prachtvolles, auf der Brücke und auf der Elbe abgebranntes Feuerwerk, dem der Kaiser vom Schlosse aus zusah, beendete den festlichen Tag, an dem nach Odelebens Angabe N. dauernd „außerordentlich ernsthaft und nachdenkend“ gewesen sein soll. Ahnte er vielleicht, daß nach diesem Glanzpunkte in seinem Leben es mit ihm nun abwärtsgehen könnte?

Am 15. August nachmittags 5 Uhr verließ der Kaiser in Begleitung seines Schwagers, des Königs von Neapel, unsere Stadt und begab sich zu Wagen über Bautzen zu seinen in Schlesien stehenden Truppen. Als er am 23. August von dem in Dresden weilenden Marschall St. Cyr schriftlich davon Kenntnis erhielt, daß aus Böhmen die Hauptarmee der Verbündeten in Sachsen eindringe und dessen Hauptstadt gefährde, kehrte N. mit Teilen seines Heeres schleunigst nach der sächsischen Residenz zurück, nachdem es bereits bei deren südlichen Vororten am 24. August zu ernstlichen Gefechten gekommen war. Die Angst der Bewohner, die einen Sturm der Feinde auf die Stadt befürchteten, stieg aufs höchste. Am Vormittag des 26. August traf der Kaiser in Dresden ein und begab sich sogleich ins Schloß, wo er den König kurz begrüßte, dann zu Pferde stieg und nach dem Schloßplatze ritt. Hier ließ er seine ankommenden Truppen an sich vorüberziehen. Die Stelle, an der er damals gehalten hat, ist heute noch kenntlich an dem etwa einen Quadratmeter großen, von gleichförmigen Pflastersteinen eingefaßten gleichseitigen Viereck, dessen Mitte ein größerer, ebenfalls viereckiger Stein einnimmt. Man findet die Stelle leicht, wenn man, von der Schloßstraße kommend, das Georgentor auf der linken Gangbahn durchschreitet, in derselben Richtung zunächst bis an die erste dort stehende Bogenlampe und von dieser links abbiegend, in nordwestlicher Richtung etwa 14 Schritte weiter geht.

Während seines letzten Dresdner Aufenthaltes wohnte N. wieder im Schlosse und zwar im zweiten Obergeschoß in denselben Räumen, die er bisher stets innegehabt hatte, so oft er Gast des sächsischen Königs gewesen war. Die Zeit seiner letztmaligen hiesigen [158] Anwesenheit brachte für den Kaiser ein fortwährendes ruheloses Gehen und Kommen.

Bekanntlich war von ihm die furchtbare Schlacht bei Dresden am 26. und 27. August gewonnen worden, und seine gewaltigen Gegner hatten sich nach Böhmen zu zurückziehen müssen. Am Morgen des 28. verließ der Sieger das Schloß, besichtigte das Schlachtfeld und ritt weiter nach Pirna. Sehr heftig auftretende Leibschmerzen, die er auf eine mögliche Vergiftung zurückführte, aber wohl einer Erkältung zuzuschreiben waren, veranlaßte ihn, sogleich nach Dresden zurückzukehren, wo er abends 5 Uhr anlangte. Am nächsten Morgen fühlte er sich wieder völlig wohl. – Um sich gegen den siegreich vordringenden Blücher zu wenden, folgte N. am 3. September abends 7 Uhr seinen am Tage vorher von Dresden nach der Lausitz abgeschickten Truppen; da aber der Gegner aus gutem Grunde einer Schlacht auswich, überdies auch der Kaiser erfuhr, daß die böhmische Hauptarmee die sächsische Grenze abermals überschritten hatte und weiter vorrückte, eilte er nach Dresden zurück, wo er nach Lindau und Taggesell am 6., nach Schimpff am 7. September eintraf. Bereits am 8. zog er mit seinen Garden nach der böhmischen Grenze, war dort im Kampfe auch erfolgreich, mußte aber infolge des neuen Vordringens Blüchers sich nach Dresden zurückbegeben. Hier langte er mit Teilen der jungen Garde am Mittage des 12. Septembers an, eilte aber, da sein an der böhmischen Grenze stehender General, Graf von der Lobau, durch den Feind in Bedrängnis geraten war, am 15. September mit seinen Gardetruppen zu Hilfe, ging auch bis Kulm vor, mußte hier aber zurückweichen. Nachdem er auf dem Rückwege das Schloß Sonnenstein besichtigt und dessen stärkere Befestigung angeordnet hatte, erfolgte am 21. September seine Rückkehr nach Dresden. Schon am anderen Tage brach er gegen den bis Bautzen vorgedrungenen Blücher auf, der sich aber auch diesmal freiwillig zurückzog, so daß N. am 24. September in unserer Stadt eintreffen konnte. Neue Angriffe unternahm er zunächst nicht, denn er wollte seine weiteren Entschließungen von den Unternehmungen seiner Gegner abhängig machen; dagegen war er eifrig bemüht, die schon früher auf seine Anordnung um unsere Stadt aufgeführten Schanzen noch weiter zu verstärken.

Nachdem er in Erfahrung gebracht hatte, daß die schlesische und die Nordarmee der Verbündeten auf das linke Elbufer übergegangen waren und einen Angriff auf Leipzig planten, zog N. seine Streitkräfte ebenfalls zusammen und gab die bisher festgehaltene Elblinie auf, um sich auch nach Leipzig zu wenden. In der Nacht vom 6. zum 7. Oktober, die er angestrengt arbeitend verbracht hatte, traten die Garden ihren Abmarsch von Dresden an; der Kaiser folgte ihnen am anderen Morgen bald nach 6 Uhr. Als er die Stadt verließ, in der ihm wiederholt herrliche Tage bereitet worden waren, donnerten ihm die Kanonen von den Festungswällen einen allerletzten Scheidegruß nach. Dresden hat der kühne Eroberer nie wieder gesehen; ging er ja jetzt seinem Verhängnis entgegen!


  1. Letztere wurde vom Vicomte de Grouchy im Sommer 1900 durch den Druck veröffentlicht. Deren von Oberlehrer Dr. Friedrich Aster besorgte Übersetzung ins Deutsche ist in Nr. 2 des XI. Jahrgangs der Dresdner Geschichtsblätter erschienen. Der handschriftliche Bericht zerfällt in zwei Teile, von denen der erste – Seite 86–89 – sich auf N's. Aufenthalt in Dresden vom 16. bis 29. Mai 1812, der zweite dagegen – Seite 90–98 – auf sein Hiersein vom 8. Mai bis 25. Juli 1813 bezieht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Löß'schen. Korrektur gemäß Register und Erwähnung Kammerherr v. Loß im vorhergehenden Absatz
  2. Vorlage: des