Hervorragende Persönlichkeiten in Dresden und ihre Wohnungen: Nicolai Grigorjewitsch Repnin-Wolkonski
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[119] Nr. 133. Repnin, Wolkonski, Nicolai Grigorjewitsch, Fürst, geb. um 1778, gest. 1845, war russischer Generalleutnant der Kavallerie, aber auch als Staatsmann tätig. Im Jahre 1805 kämpfte er gegen die Franzosen, geriet aber in der Schlacht bei Austerlitz in Gefangenschaft, die für ihn erst im Juli 1807 endete. Von 1809–1811 wirkte er als Gesandter zunächst in Westfalen, dann in Spanien, führte 1812 ein Reiterregiment und wurde gleich nach der Leipziger Völkerschlacht zum Generalgouverneur [120] von Sachsen ernannt, da das Land infolge der Gefangennahme seines Königs jetzt keinen Herrscher hatte. Nach seiner Teilnahme am Wiener Kongreß und an den Kämpfen gegen Napoleon im Jahre 1815 erhielt R. die Verwaltung des Gouvernements Pultawa übertragen.
Die neue sächsische Landesverwaltung, an deren Spitze seit dem 22. Oktober 1813 Fürst R. stand, begann ihre Tätigkeit damit, daß sie unterm 31. Oktober von Leipzig aus einen Aufruf zur Bildung des Banners der freiwilligen Sachsen erließ, in das namentlich diejenigen jungen Männer eintreten sollten, die Kenntnisse und Bildung besäßen, um bald als Offiziere verwendet werden zu können. Am 24. Dezember fand in der Frauenkirche bei Anwesenheit des Fürsten R. und des gerade in Dresden weilenden Herzogs Karl August von Weimar die Verpflichtung und Einsegnung des Banners und seiner Fahne, und am 30. Januar 1814 am gleichen Orte die Weihe des neuerrichteten Landwehrbataillons und der von mehreren Dresdner Damen gestickten und gestifteten Fahne statt. Auch bei dieser kirchlichen Feier war R. zugegen; hielt er sich ja seit der Nacht des 9. Dezembers 1813 in Dresden auf und wohnte im Brühl'schen Palais, zuletzt Augustusstraße 3. Die Sommermonate des Jahres 1814 verlebte er im Schlosse zu Pillnitz.
Am Tage nach seiner Ankunft wurden dem Fürsten vom Bürgermeister Dr. Beck auf einem Samtkissen die Schlüssel der Stadt überreicht, und abends 6 Uhr brachten ihm Rat und Bürgerschaft unter Musikbegleitung einen Fackelzug, worauf eine Beleuchtung der Stadt erfolgte. An dem nämlichen Tage hatte R. bekanntgegeben, daß er in jeder Woche drei Tage, Montag, Mittwoch und Freitag von 11–1 Uhr vormittags öffentlich Audienz erteilen werde. „An diesen angeführten Tagen kann von der ersten Standesperson an bis zum geringsten Bauer sich jeder an Se. Durchlaucht mit etwaigen Gesuchen wenden.“ – Bereits unterm 12. November 1813, also noch ehe R. in Dresden eintraf, war von ihm unserm Lande eine Sondersteuer von zwei Millionen Taler auferlegt worden, von der auch die Ausgaben für die laufenden Staatsbedürfnisse bestritten werden sollten. Dresden mußte zu dieser Summe 64 300 Tlr. beitragen. Der Fürst war dauernd ernstlich bemüht, die durch die vorangegangenen Kriegsjahre in Stadt und Land entstandene allgemeine Not nach Kräften zu mildern und den Wohlstand wieder zu heben. Wo es anging, wurden Behörden ganz eingezogen oder vereinigt, um Ersparnisse zu machen, andererseits aber auch manche neue segensreiche Einrichtungen getroffen und bereits bestehende wesentlich verbessert. So erhielt Dresden zur Hebung der öffentlichen Sicherheit eine neue Polizeiverfassung und im Stadtpolizeikollegium eine neue Behörde. Der ebenfalls neugeschaffene Gouvernementsrat, der an die Stelle des bisherigen Geheimen Kabinetts trat, vermittelte den Verkehr zwischen dem Gouverneur und den verschiedenen Behörden. Der Krankenpflege in den Spitälern mußte größere Sorgfalt gewidmet, und die bei den in den letzten Jahren infolge der anhaltenden großen Truppendurchmärsche und bei den überaus starken Einquartierungen [121] gänzlich vernachlässigte Reinlichkeit in der Stadt wieder streng durchgeführt werden. Dieser Forderung ließ sich jetzt umso eher entsprechen, als Fürst R. den dringenden Wunsch der Einwohnerschaft erfüllt und die etwa 4000 Mann betragende russische Besatzung aus den Bürgerhäusern entfernt und in den Neustädter Kasernen untergebracht hatte. Freilich blieben auch in der Folge bei russischen Durchmärschen die Bewohner Dresdens vor Einquartierungen nicht verschont. – Das 1748 entstandene medizinisch-chirurgische Kollegium, das fast der Auflösung nahe war, erhielt eine neue Einrichtung; die Kunstakademie erfuhr eine zweckmäßige Erweiterung ihrer Räume; das deutsche und das italienische Theater wurden vereinigt und mit der musikalischen Kapelle als Staatsanstalt einer Generaldirektion unterstellt.
Während der Zeit, in der Fürst R. das Königreich Sachsen verwaltete, geschah für Dresden viel, um Zerstörtes wieder herzustellen und Neues zu schaffen, was der Stadt zur Zierde gereichte. So wurde im Juni 1814 der Bau der im Jahre vorher durch Davout gesprengten zwei Bogen und des dazwischen liegenden Pfeilers der Elbbrücke (s. Nr. 157) begonnen und im wesentlichen Ende September vollendet. Am Schloßplatze entstand die nach einem Plane des Hofbaumeisters Thormeyer ausgeführte große Freitreppe, die einen bequemen Aufgang nach der Terrasse gestattete. – An der Stelle des hier von Brühl erbauten, aber durch Friedrich d. Gr. 1757 zerstörten Lusthauses, das noch 1814 in Trümmern lag, wurde vom Landbaumeister Schuricht ein geschmackvolles Belvedere erbaut, in dessen Räumen sich eine von Einheimischen und Fremden gern und zahlreich besuchte Wirtschaft befand. Es mußte weichen, als auf seinem Raume 1842 der Hofbaumeister v. Wolframsdorf das heute noch stehende Belvedere aufführte. – Der im Kriegsjahr 1815 arg zerstörte Große Garten erfuhr durch Herstellung neuer Anlagen eine wesentliche Verschönerung. – In den allerletzten Tagen des russischen Gouvernements, nämlich am 4. November 1814, wurde in feierlichster Weise und unter großer militärischer Prachtentfaltung das auf der Räcknitzer Höhe errichtete Denkmal geweiht, unter dem man die nach der tödlichen Verwundung Moreaus abgelösten Beine in einer Urne beisetzte. – Die letzte amtliche Handlung des Fürsten in Dresden war der am 6. November 1814 erfolgte Erlaß des an die Kircheninspektion ergangenen Befehls, daß von nun an im Kirchengebet nicht mehr für den sächsischen König und seine Familie, sondern nur im allgemeinen für die Obrigkeit gebetet werden dürfe. Natürlich rief dieser Befehl im Lande eine nicht geringe Bewegung hervor, aber er mußte, wenigstens in den Städten, befolgt werden, während ihn die Geistlichen in den Landgemeinden oft genug unbeachtet ließen.
Am Vormittag des 8. Novembers verabschiedete sich Fürst R. von den in sein Palais befohlenen bürgerlichen und militärischen Landesbehörden und teilte ihnen zugleich mit, „daß der Kaiser von Rußland mit Übereinstimmung Österreichs und Englands die Verwaltung des Königreichs Sachsen in die Hände des Königs von Preußen [122] niederlege, um dadurch die Verbindung Sachsens mit Preußen einzuleiten und beide Völker gleichsam zu verbinden.“ Der Abschiedsfeier folgte ein im Brühl'schen Palais stattfindendes Festmahl, bei dem unter Kanonendonner auf das Wohl der Monarchen getrunken wurde. Nachdem Fürst R. an dem nämlichen Tage die Besetzung und Verwaltung des Königreichs Sachsen an das preußische Generalgouvernement übergeben hatte, reiste er am 13. November nach Wien ab, um an dem dort noch tagenden Kongreß teilzunehmen. – (Vergl. Lindau VI. Bd., S. 649—669.)