Herzog Heinrichs Heldentod bei Wahlstatt
1241.
Es wallt, Sankt Jakobs Kloster zu begründen,
Von Breslau’s Dom zur Stadt ein frommer Zug;
Heinrich, der Fromme, sühnt die Schuld der Sünden,
Er thut der Mutter heil’gem Wunsch’ genug,
Ihm, der zur Weihung selbst die Kerze trug,
Folgt Hedwig betend, und mit ihr die schöne
Gemahlin, Anna, in dem Glanz der Söhne.
Es ist am Grundstein ein Altar bereitet;
Der groß und kühn sein Volk als Herrscher leitet,
Flammt hier des Hochamts Opferkerzen an.
Als er der Andacht Licht so hat bereitet,
Tritt er die Stufen des Altars hinan,
Hinauf zu stellen in der Flammen Reihe.
Hoch leuchtet es, so wie der Wunsch in Allen:
Weit in die Zeit strahl’ unsres Herzogs Haus!
Doch als das Kyrie nun soll erschallen,
Von dem Gestell die hohe Kerze fallen,
Zum tiefen Grunde stürzt sie, und lischt aus.
In banger Ahnung für des Herzogs Leben,
Umringen Anna, Hedwig ihn mit Beben.
Das sinkt und lischt, hinfällig aufgesteckt?
So tröstet Heinrich; doch den Harm zerstreuten
Die Worte nicht, die Liebe blieb erschreckt.
Und so wie bei der Wetterglocke Läuten
So zu dem Agnus, an des Hochamts Ende,
Die Sorge harrt, wie es der Himmel wende.
Da plötzlich schallt ein dumpfes Wehe! Wehe!
Vom Thor’ in Osten durch die Straßen her.
Gewärtiget der Schreck und greift zur Wehr.
Was streitbar ist, tritt in des Herzogs Nähe,
Und die Erwartung sieht gedankenschwer,
Wie fremde Scharen in des Staubes Wolke
Flüchtlinge sind’s. In Leid und Demuth fallen
Sie vor dem Herzog auf ihr Angesicht:
O Rettung, Rettung aus des Würgers Krallen!
Versage Krakau deine Hülfe nicht!
Der Himmel hält ein blutiges Gericht.
Schützt uns und euch! die Feinde geben Zeichen,
Es soll auch euch ihr grimmes Schwert erreichen.
Denn ein Sage geht, der Tartar-Chan
Zu seltnen Fahrt trieb sie die Neugier an;
Oft hörte sie der Christen Werke preisen.
Des Morgenlandes Reichthum zu erweisen;
Die Rache holt nun ihren Leichnam ab.
Sinnloses Mährchen, das der Wahn ersonnen,
Und das der Wuth des Feindes Bahnen bricht!
Die Lüge spart! Was euer Herr begonnen,
Ihr Feigen seid dem Widerstand entronnen:
Ich halt’ euch fest, und mir entkommt ihr nicht;
Ihr sollt sie hier empfangen, die Tartaren,
Im Kampfe stehn mit meinen deutschen Scharen.
O, eile nicht, die Ahnung zu erfüllen.
Es naht das Unglück dir mit Ungestüm:
Beflügle nicht des grausen Schicksals Willen.
Vertrau des Landes Heil den Cherubim,
Flieh, flieh mit uns, mit deiner ganzen Schar,
Und biet’ ein leeres Land dem Feinde dar.
Wie? Anna, du räthst Feigheit mir und Schande?
Du, eines Königs Tochter, heiß’st mich fliehn?
War sonst dein Wunsch, und oft im Traum’ erschien
Ich dir in eines Königs Prunkgewande.
Ja, dein Besitz, dein Stand, er machet kühn
Und tapfer mich, ein Reich mir zu erstreiten,
Reicht meines Willens unbeschränkte Macht.
Und weichen sollt’ ich wie ein Missethäter,
Bei dessen Namen einst die Nachwelt lacht,
Die Christenheit brandmarkt mit ihrer Acht?
So wie ich heut’ der Kirch’ ein Licht entzündet,
So sei ihr ferner auch mein Schutz verkündet!
Gott wird sein Heiligthum sich selbst bewahren:
Zahllos, so hörst du, kommen die Barbaren;
Die Mutter sagt es, Sohn, prophetisch dir:
Du stirbst durch sie, und deiner Krieger Scharen
Verschlinget ihre Mord- und Raubbegier,
Ruft Heinrich fest, denn ihn besiegt der Fromme.
Er eilt zum Schloß am Dom, und Boten sendet
Er, wie ein schnelles Feuer durch das Land.
An deutsche Ritter auch sein Ruf sich wendet;
Und eh’ der Mond dreimal sein Licht vollendet,
Steht kraftvoll schon Silesia bemannt.
Bergknappen, Polen und die deutschen Ritter
Erwarten still um Liegnitz das Gewitter.
Durch Krakaus Mannschaft auch die Weichsel dämmte,
Sein Reitervolk und er, der Polen Zier,
Umsonst den wilden Keil des Peta hemmte,
Verschwendet ward die Kraft, der höchste Muth,
Fürst Wladimir sank kämpfend in sein Blut.
Und täglich drohender dringt Schreckenskunde
Von dort an Heinrichs vielbestürmtes Ohr.
Mord und Verheerung dringen würgend vor.
Es naht, es naht des Kampfes ernste Stunde;
Nichts hält den Feind, man sieht bei Ratibor,
Leicht schwimmend, ihn den Oberstrom bezwingen,
Dort weilen noch die edlen Herzoginnen,
Und Heinrich fürchtet nur allein für sie.
Durch Bitten kann er Anna nicht gewinnen,
Daß mit der Mutter sie nach Crossen flieh:
O glaube, mir auch Gott die Kraft verlieh,
Dir treu zu sein im ritterlichen Streite,
Und treu zu sterben an des Gatten Seite.
Vom Tode stets und nur vom Tode träumet
Wie grausend auch des Schicksals Welle schäumet,
Mein Auge blicket gläubig morgenwärts.
Doch flieht, eh’ ihr den Augenblick versäumet,
Erweicht und foltert nicht durch Gram mein Herz.
Und harre mein, des Siegers Haupt zu krönen.
Als Sklavin dich zu sehn in Feindes Hand.
Ha! deinetwegen könnt’ ich zagend wanken,
Und mit dir fliehn; doch endlich setze Schranken
Dem Schmerz, und zieh, eh’ dich die Noth verbannt.
Leb’ wohl, leb’ wohl! und soll ich, Theure, fallen,
So gieb mein Grab mir in Sankt Jakobs Hallen.
Er fühlt im Abschied seinen nahen Tod.
Hin in das Leben ruft die Macht der Triebe,
Er blicket schmerzvoll in das Abendroth;
Da schien’s, als wenn sich eine Hand erhübe,
Der Muth, die Kraft, sie kehren siegreich wieder;
Die Frauen ziehn, die Sonne gehet nieder.
Und in dem Schutz bewaffneter Begleiter
Vertrauen sie der mondenhellen Nacht.
Den Pfad verlor der Führer Unbedacht.
Sie lenken ein, als ostwärts fremde Reiter
Von fern erscheinen der gescheuchten Wacht.
Der jähe Schreck verwirret das Besinnen,
Es sinkt der Mond. Da scheint am Morgensaume
Der ferne Tag schon leuchtend aufzustehn;
Doch bald erwacht das Aug’ aus seinem Traume:
Brand ist es, Brand. Die Feuerfluthen wehn
Der Feind ist da, um Breslau ist’s geschehn.
Die Stadt ist nieder, und der Mordsucht Stürme
Bedrohn der Domburg mauerfeste Thürme.
Denn dorthin sind die Bürger all’ geflüchtet
Sie haben selbst die eigne Stadt vernichtet,
Den Feind empfangen in der Häuser Brand.
Czeslaus hat ihr Herz empor gerichtet,
Der heil’ge Mann, der durch des Himmels Hand
Läßt Gott ihn jetzt durch fromme Kraft erreichen.
Der kühnste Sturm beginnt; ein Löwenmuth
Bekämpft umsonst die rasenden Barbaren.
Die Oder röthen sie mit ihrem Blut,
Stets klimmt ihr Angriff mit erneuter Wuth
Vom Strom’ empor, wenn schon verdrängt sie waren:
Da fühlt vom Kampf’ der Bürger sich erschlafft,
Der Muth, die Hoffnung sinket mit der Kraft.
Zu Sankt Johann lenkt er der Andacht Sinn:
Gieb, daß der Feind von unserm Dome fliehe,
Gieb nicht dein Heiligthum den Heiden hin.
Wir schützen’s nicht, so schütze du’s! – Und siehe!
Vom feuchten Westen her ein schwarzes Wetter,
Und wird, wie Gottes Arm, der Schwachen Retter.
Ein Wolkenbruch entstürzt mit Donnerschlägen;
Rings um den Dom kreuzt sich ein Feuerregen;
Des Himmels unsichtbare Hilf’ und Macht
Tritt sichtbar hier der Menschenwuth entgegen;
Czeslaus hebt das Kreuz: noch fällt ein Schlag,
Denn, wie der Habicht in der Felsenbucht
Bei jähem Knall sich ungesäumt verstecket;
Wie selbst der Tiger scheu die Ferne sucht,
Wenn des Geschützes Donnerschlag ihn schrecket:
Als würde sie zum Strafgericht erwecket.
Unzähl’gen wird der sturmbewegte Strom
Ein schnelles Grab, und Sieg erschallt vom Dom.
Gen Liegnitz eilt die Flucht, wo staunend eben
Geborgen wähnet er der Seinen Leben:
Ein neuer Kummer stürmt auf sein Gemüth;
Der Kunde nach, die ihm die Söhne geben,
Ist er nun zweifelhaft, wo Anna flieht:
Sie in des Kriegsstroms wilden Feuerfluthen? –
Der Feind ist nahe! rufet nun es grausend.
Der edle Herzog sammelt seinen Troß;
Und wie der Sturm befreiter Flammen brausend,
Ein Stein vor ihm zur Erde niederschoß.
Von Schreck gelähmt, stehn um ihn die Begleiter,
Als sollten, dürften sie nun nicht mehr weiter.
Der liebend dir dein Mißgeschick verrieth?
Heil! wer der Warnung Augenblick erkannte,
Durch den er in des Schicksals Nächte sieht.
Wenn er des Unglücksrosses Zügel wandte,
Blüht’ ihm das Leben. Doch der Geist der Höhe
Tritt kampfbegierig in des Unglücks Nähe.
So Heinrich! Kühn zwingt er sein scheuend Roß,
Und achtet nicht der Vorbedeutung Zeichen.
Schon harrt das Heer, und als sie’s kaum erreichen,
Beginnt die Schlacht. Da, wie der Adler, schoß
Vorwärts der Herzog; die Tartaren weichen;
Das Heer der Christen folgt mit Siegsgeschrei, –
Und eine Stimme rufet: Ziehet, ziehet!
Und will den Angriff mit geschwungnem Schwert.
Da wähnt die Meng’, es rufe: Fliehet, fliehet!
Schnell ist die ganze Schaar zur Flucht gekehrt.
Treibt sie zurück, und neuen Muth bewährt
Der Christen Schar in dem erneuten Streite;
Den Tapfern tritt der schnelle Sieg zur Seite.
Ein Drache scheint’s, wie nie die Christen sahen,
Ein Schlangenhaupt bewegt es graus und wild.
Den Blick des Scheusals mag kein Aug’ empfahen,
Es birgt die Furcht sich hinter ihrem Schild;
Mit Dampf und Steinen haucht das Ungeheuer.
Zugleich auch läßt sein mörderisches Heer
Der Feind den Kampf mit Tigerwuth erneuen.
Der Aberglaube hemmt die Gegenwehr;
Von allen Seiten kommt der Angriff her.
Nur Heinrich wagt’s, nicht die Gefahr zu scheuen,
Sprengt auf den Drachen, den er siegen sieht:
Da bäumt sein Roß, wirft ihn zur Erd’ und flieht.
Sein Muth ermannt die kleine, treue Schar.
Doch allzuweit nur ist er vorgedrungen,
Mit jedem Siege wächst auch die Gefahr.
Bald ist er rings von Feindes Arm umschlungen,
Mit seines Schwertes blitzesschnellen Streichen,
Dem Tod gleich, den Weg sich über Leichen.
Da endlich sinket auch sein zweites Roß,
Erschöpft vom Schmerz der vielen Wunden.
Johann, der treue Knapp’, ihm aufgefunden,
Von seinen Reisigen fast ganz verschwunden:
Nur Sulislaw von Krakau schloß sich an,
Wohl unabsehbar ist des Feindes Menge;
Sich durchzuschlagen, hofft die Ritterkraft.
Fünf gegen Tausende! Wenn es gelänge,
Es wäre beispiellos. In enger Haft
Kaum hat er sich dem einen Schwarm entrafft,
Als schon ein andrer seinen Zug umschlinget,
Und ihn zu neuem, heißen Kampfe zwinget.
Schon wird es lichter, freier um ihn her,
Doch ihn beachtet nicht der Tartar’n Heer,
Das folgt des Herzogs blankem Helmgefieder,
Der, als ein Wunder kühner Gegenwehr,
In Staunen setzt die tausendköpf’ge Hyder.
Sich hoffnungsvoll dem freien Felde naht.
Der Abend scheint ihm Rettung zuzuwinken,
Die Sonn’ umstrahlet ihn mit Himmelsschein;
Da sieht Johann die drei Getreuen sinken,
Sieht lange noch den Helm erleuchtet blinken;
Doch endlich schließt ein Hauf’ ihn dichter ein,
Und wie ein Stern der durch die Wolken funkelt,
Erscheinet er bald hell, und bald verdunkelt.
Und fordert seines Willens Opfer ab.
Daß sich der Vorbedeutung Nacht bewähre,
Vernichtet es, was eigne Kraft sich gab:
Und, hinterrücks durchbohrt von feigen Speere,
So ward das Licht der Finsterniß zum Raube,
Besiegt durch Rohheit und durch Aberglaube.
Die Horde räumet alsobald das Land.
Den Herzoginnen bringt Johann die Kunde.
Zwar Anna Schutz, doch keine Ruhestunde;
Und ihrer Hoffnung letzter Strahl verschwand,
Als Hedwig nächtlich ruft mit heil’gem Munde:
Todt ist mein Sohn! im Traume sah ich ihn
Da halt sie keine Macht; entgegenstürmet,
Der Todesbotschaft ihres Herzens Schlag.
Die Söhne hat Burg Liegnitz ihr beschirmet,
Doch ist’s nicht das jetzt, was sie wissen mag;
Hin zu der Wahlstatt flüchtet sie. Da lag
Ihr Glück und Ziel. In eines Baumes Schatten
Entdeckt sie endlich den erschlag’nen Gatten.
Die Liebe klagt. Doch Hedwig, ohne Thränen,
Er starb für dich, drum schweige, banges Sehnen,
Es ist der Tod des Frommen höchster Lohn.
Doch flammt sein Licht an einem ew’gen Thron.
Die Hoheit dort, und Demuth nur hienieden.
Verloren ward, was Heinrichs Geist begonnen;
Selbstständigkeit war sein erhabnes Ziel.
Was er an Land und Hoheit schon gewonnen,
Und lang’, ein Nebenstern von höhern Sonnen,
Erschien sein Volk als fremder Zwiste Spiel.
Nie eines Reiches unumschränkter Meister,
Strebt es nach Größe nur im Reich’ der Geister.
Dem er sein eignes, hohes Licht verliehn.
Hell stieg es auf, in Hoffnungssternenscheine,
Doch allzufrüh es in der Zeit erschien.
Nacht lag auf ihm und seinem Leichensteine,
Bis nun, erneut in Blüchers Siegeskränzen,
Zwiefach unsterblich Wahlstatts Tage glänzen.
Nun stieg auch Heinrichs frommes Denkmal wieder
Aus der Vergessenheit zum Tag’ empor.
Es mußte weichen vor der Mönche Chor.
Ein edler Geist erhob des Leichnams Glieder
Und ihren Denkstein aus der Nacht hervor:
Sankt Jakob, heut Sankt Vincent, zeigt die Bahre
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Verderdens